Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 19.12.2001
Aktenzeichen: 12 U 2976/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 675
Die ordnungsgemäße Erfüllung eines Beratungsvertrages beim Erwerb einer hochspekulativen Auslandsanleihe erfordert den Hinweis, dass als Entscheidungshilfe zur Risikoabschätzung die Einstufung durch Ratingagenturen herangezogen werden kann.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

12 U 2976/01

Verkündet am 19. Dezember 2001

In Sachen

wegen Schadensersatzes,

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Grimm und die Richter am Oberlandesgericht Schulze-Weckert und Kammerer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26. Juli 2001, soweit es sich gegen die Beklagte zu 1) richtet, abgeändert.

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 103.582,03 DM nebst 2,22 % Zinsen hieraus vom 22.06.99 bis 20.05.2000, sowie 4 % Zinsen hieraus ab diesem Tag zu bezahlen Zug um Zug gegen Übertragung der 5 % Anleihe von 1996/99 der Daewoo Corporation WKN 134345 im Nennwert von 100.000,00 DM.

Im übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger die Hälfte der Gerichtskosten und seiner eigenen notwendigen Auslagen sowie die notwendigen Auslagen des Beklagten zu 2). Die Beklagte zu 1) trägt ihre eigenen notwendigen Auslagen sowie die Hälfte der Gerichtskosten und der notwendigen Auslagen des Klägers.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 120.000,00 abwenden, soweit der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Beklagten zu 1) wird nachgelassen, Sicherheitsleistung auch durch unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürge anerkannte Kreditinstituts zu leisten.

IV. Die Beschwer des Klägers und der Beklagten zu 1) betragen jeweils 103.582,03 DM.

Beschluß:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 103.582,03 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der beklagten Sparkasse und dem bei der dieser Sparkasse beschäftigten Beklagten zu 2) Schadensersatz wegen schuldhafter Verletzung von Beratungspflichten beim Kauf einer DM-Auslandsindustrieanleihe.

Der Kläger beabsichtigte Anfang Juni 1999 einen Betrag von 100.000,00 DM in festverzinslichen Wertpapieren so anzulegen, dass die Rückzahlung der Anleihe noch im Jahr 1999 stattfinden sollte. Er wandte sich deshalb an den Beklagten zu 2), der ihm den Ankauf von Inhaberschuldverschreibungen der Sparkasse E vorschlug, womit der Kläger einverstanden war. Der Kauf kam jedoch nicht zustande, da der Beklagte zu 2) versehentlich einen zu niedrigen Verkaufskurs genannte hatte. Der Beklagte zu 2) schickte daraufhin dem Kläger folgende Liste festverzinslicher Wertpapiere zu:

09.11.99 6,75 % Spk. G30 101,93 R. 2,20 09.12.99 5,50 % Spk. G42 101,66 R. 2,22 09.12.99 3,50 % Spk. 023 100,64 R. 2,22 18.11.99 7,25 % Belgien 101,30 b R. 3,57 25.11.99 4,25 % NatexisBgue 100,60 b R. 2,91 (Bque Francaise) 21.10.99 7,25 % Afrik.Entw.Bk 101,6 R. 2,90 11.10.99 6,75 % Rabobk. 101,15 R. 3,33 18.10.99 5,00 % Daewoo 99,7 R. 5,64 05.10.99 - 7,25 % Norsk Hydro 101,2 R. 3,49 per 02.06.99

Nach einem Gespräch mit dem Beklagten zu 2), dessen Inhalt strittig ist, entschied sich der Kläger dafür, die 5 %ige DM-Auslands-Anleihe der Firma D im Nennwert von 100.000,00 DM (WKN 134345) zu erwerben. Die Beklagte zu 1) kaufte am 17.06.1999 diese Anleihe für den Kläger zum Kurs von 99,75 %. Zum damaligen Zeitpunkt war diese Anleihe von der "Agentur & mit B -" (sehr spekulativ, geringe Sicherheit der langfristigen Schuldenbedienung) bewertet.

Die Beklagte zu 1) teilte dem Kläger mit Schreiben vom 19.10.1999 mit, dass die Firma D aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht in der Lage sei, die Anleihe zum 18.10.1999 wie vorgesehen (einschließlich Zinsen) zurückzuzahlen.

Der Kläger hat geltend gemacht, er habe deshalb einen Schadensersatzanspruch, da die Beklagten den Beratungsvertrag mit ihm schuldhaft verletzt hätten. Er habe eine sichere, risikolose Geldanlage gesucht, wie sich bereits aus dem beabsichtigten aber nicht zustande gekommenen Kauf der Inhaberschuldverschreibungen der Sparkasse E ergäbe. Zumindest konkludent sei durch die Benennung vergleichbarer Wertpapiere ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Obwohl bei Auslandsanleihen ein erhöhter Beratungsbedarf bestehe, sei er nicht über das Risiko eines Totalverlustes aufgeklärt worden. Hätte er die Bewertung durch die Rating-Agentur gekannt, hätte er die Anleihe nicht erworben.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte als Gesamtschuldner zu verurteilen und dem Kläger 103.582,03 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 22.06.1999 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückübertragung der 5 %igen Anleihe von 1996/99 der D C 134345 im Wert von 100.000,00 DM.

Die Beklagte hat

Klageabweisung

beantragt und vorgetragen, der Kläger sei ein sehr kenntnisreicher Anleger, der schon Auslandsanleihen, Aktien und sogar Optionsscheine erworben habe. Er habe sich im vorliegenden Fall bewusst für die höchstverzinsliche Anleihe entschieden, obwohl eine Empfehlung der Beklagten nicht erfolgt sei. Ein Beratungsvertrag sei schon nicht zustande gekommen, da der Beklagte zu 2) lediglich aufgrund der genauen Vorgaben des Klägers die in Frage kommenden Anleihen zusammengestellt habe. Es sei damit kein Beratungsspielraum verblieben. Im übrigen habe der Beklagte zu 2) hinsichtlich der D Anleihe darauf hingewiesen, dass er zu dieser Anleihe, die sich nicht im Beratungsprogramm der Beklagten zu 1) befinde, keine Angaben machen könne und auch keine Garantie für die Rückzahlung übernehmen könne.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Einvernahme des Beklagten zu 2).

Mit Endurteil vom 26.07.2001 hat das Landgericht Nürnberg-Fürth die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, eine Pflichtverletzung der Beklagten sei nicht feststellbar, da der Kläger derart konkrete Kriterien (kurze Laufzeit, sehr gute Rendite) vorgegeben habe, dass letztlich nur der Erwerb der D Anleihe in Betracht gekommen sei. Der Beklagte zu 2) habe den Kläger darauf aufmerksam gemacht, dass das Risiko bei Industrieanleihen höher als bei Staatspapieren läge, und er zur Bonität der Firma D nichts sagen könne. Wenn der Kläger unter diesen Umständen keinen kompetenten Gesprächspartner erbeten habe, habe er zu erkennen gegeben, keine weitere Aufklärung zu wünschen.

Der Kläger hat form und fristgerecht Berufung eingelegt.

Er macht geltend, das Erstgericht habe es fehlerhaft unterlassen, auch ihn selbst als Partei zu vernehmen, da die Beratung lediglich zwischen ihm und dem Beklagten zu 2) stattgefunden habe. Seine Einvernahme als Partei hätte ergeben, dass er vom Beklagten zu 2) nicht auf das Ausfallrisiko hingewiesen worden sei, und dass er auch nur an einer konservativen Anleihe mit geringem Risiko interessiert gewesen sei. Soweit die Beklagte zu 1) daraufhin gewiesen habe, dass er früher auch Auslandsanleihen erworben habe, habe es sich bei den damaligen Anleihen ebenfalls um solche mit einem geringen Risiko gehandelt. Der Beklagte zu 2), der ihn seit 20 Jahren berate, sei nicht mehr in der Wertpapierabteilung tätig und deshalb auch gar nicht befugt gewesen, ihn zu beraten. Die Beklagte zu 1) habe den Kläger als konservativen Anleger auch auf das Rating der Anleihe hinweisen müssen, aus dem sich ergeben habe, dass diese Anleihe als spekulativ einzustufen sei. Bei zutreffender Beratung hätte er vom Kauf dieser Anleihen Abstand genommen.

Der Kläger beantragt,

das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12.07.2000 anzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen an den Kläger 103.582,03 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 22.06.1999 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückübertragung der 5 %igen Anleihe von 1996/99 der D C WKN 134345 im Wert von nominal 100.000,00 DM.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie tragen vor, dem Kläger als erfahrenen Anleger sei es vor allem um die Rendite gegangen, deshalb seien die in der Aufstellung vom 02.06.1999 enthaltenen Anleihen auch wesentlich unter Renditegesichtspunkten zusammen gestellt worden. Dass der Kläger ein erfahrener Anleger sei, ergäbe sich daraus, dass er schon einmal Aktien (Deutsche Bank) und Auslandseinleihen erworben habe. Der Kläger habe weiter gewusst, dass der Beklagte zu 2) nicht mehr für die Beratung zuständig gewesen sei. Ein Beratungsvertrag sei zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) nicht geschlossen worden, da der Beklagte zu 2) diese Liste lediglich nach den Vorgaben des Klägers erstellt habe. Die Anleihe der Firma D sei auch nicht als im Risiko der Sparkassenschuldverschreibung vergleichbar eingestuft worden, vielmehr sei der Kläger vom Beklagten zu 2) auf das Risiko eines möglichen Totalverlustes hingewiesen worden. Dem Kläger sei im übrigen das grundsätzliche Risiko der in der Auflistung enthaltenen Papiere bekannt gewesen.

Der Senat hat sowohl den Kläger als auch den Beklagten zu 2) informatorisch zu dem der Kaufentscheidung zugrunde liegenden Gespräch gehört. Auf das Protokoll der Sitzung vom 21.11.2001 wird (Bl. 132 ff. d.A.) insoweit verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Beklagte zu 1) haftet dem Kläger wegen Verletzung des mit ihm geschlossenen Beratungsvertrages zum Erwerb der Anlage. Die Beklagte zu 1) hat als Schadensersatz dem Kläger den Anlagebetrag Zug um Zug gegen Rückgabe der im Tenor dieser Entscheidung genannten DM-Auslandsanleihen zu erstatten. Ein Anspruch gegen den Beklagten zu 2) steht dem Kläger aber nicht zu.

1. Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) ist konkludent ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Der Kläger hat sich an den Beklagten zu 2) als Angestellten der Beklagten zu 1) gewandt und ihn gebeten, Vorschläge für die Anlage eines Betrages von 100.000,00 DM, befristet bis zum Jahresende zu machen. Mit der Übersendung der Liste vom 02.06.1999 hat der Beklagte einen konkreten Anlagevorschlag gemacht und damit stillschweigend das Angebot auf Abschluß seines Beratungsvertrages angenommen (vgl. BGH WM 93, 1455). Dass hier der Kläger bestimmte Vorgaben für die beabsichtigte Kapitalanlage gemacht hat, steht dem Abschluß eines solchen Beratungsvertrages nicht entgegen. Dies wäre lediglich dann der Fall gewesen, wenn er eine bestimmte Anleihe hätte erwerben wollen, also nicht beratungsbedürftig gewesen wäre.

2. Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei sind entscheidend einerseits der Wissenstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft, wobei das vom Kunden vorgegebene Anlageziel zu berücksichtigen ist, andererseits die allgemeinen und die speziellen Risiken, die sich aus den besonderen Gegebenheiten des Anlageobjektes ergeben (BGH Z 123, 126, 128). Hier konnte die Beklagte zu 1) den Kläger als jedenfalls hinsichtlich DM Auslandsanleihen erfahren einzustufen. Er hatte bereits 1995 (Nennwert: 20.000,00 DM) DM-Auslandsanleihen von Argentinien und Anleihen des Staates Venezuela erworben. Weiter hatte er Aktien und Fondanteile (Dekalux-Japan) gekauft. Er verfügte damit gerade hinsichtlich DM-Auslandsanleihen über Erfahrung. Im vorliegenden Falle hatte er jedoch zuerst Kauforder für 3,5 %ige Sparkasseninhaberschuldverschreibungen gegeben, also ein völlig risikoloses Wertpapier. Der anzulegende Betrag von ca. 100.000,00 DM stellte weiterhin im Hinblick auf das Anlagevermögen des Klägers von 350.000,00 DM auch einen erheblichen Teil dar, der weit über dem Betrag lag, den er früher für Auslandsanleihen angelegt hatte. Damit ergab sich als Anlageziel des Klägers, dass er eine weitgehend sichere Kapitalanlage mit einer die Sparkassenanleihen übersteigenden Verzinsung wünschte bei Fälligkeit der Anleihe noch im Jahr 1999, so dass dem Kursrisiko keine wesentliche Bedeutung zukam.

3. Der Kläger wurde im Hinblick auf diese Vorgaben falsch beraten.

a) Die Empfehlung von DM-Auslandsanleihen wäre nur dann ein anlegergerechter Rat gewesen, wenn die Bonität des Emittenten bekannt oder zumindest abschätzbar gewesen wäre.

DM-Auslandsanleihen sind nicht grundsätzlich aus sich heraus spekulative Papiere (OLG Braunschweig ZIP 93 1457, 1460, OLG Düsseldorf WM 94, 1468). Dies gilt insbesondere dann, wenn wie im vorliegenden Fall das Kursrisiko vernachlässig werden kann. Das dann verbleibende Anlegerrisiko liegt in der Bonität des Emittenten mit der Gefahr des Totalverlustes. Als anlegergerecht konnte deshalb nur dann die Empfehlung von DM-Auslandsanleihen gelten, wenn die Bonität der Emittenten entweder bekannt oder zumindest abschätzbar war. Diese Voraussetzungen lagen jedoch bei der D-Anleihe nicht vor.

b) Diese Anleihe war, entgegen dem Anlageziel des Klägers ein hoch spekulatives Wertpapier. Die Agentur S & P hatte die Anleihe bereits zum Zeitpunkt der Beratung B eingestuft, das heiße in die Kategorie "sehr spekulativ", geringe Sicherheit der langfristigen Schuldenbedienung (entspricht Moody's B 3), wobei diese Kategorie zwei Bewertungen, B und als schlechtere Bewertung B, enthält. Die nächst schlechtere Bewertung ist bereits als "niedrigste Qualität, geringster Anlageschutz oder direkte Gefahr des Zahlungsverzuges" bezeichnet.

c) Die Beklagte zu 1) hatte diese D-Anleihe nicht in ihr Anlagenprogramm aufgenommen, sie war deshalb zwar nicht verpflichtet, diese Anleihe einer eigenen Prüfung etwa anhand des Emissionsprospektes zu unterziehen. Die Beratung der Bank musste aber richtig und sorgfältig sein und den Kunden über alle Umstände unterrichten, die für das Anlagegeschäft von Bedeutung sind. Diese schließt im Fall einer DM-Auslandsanleihe auch ein, festzustellen, ob die Bewertung durch eine Rating-Agentur für den Emittenten vorliegt und wie diese Bewertung ausgefallen ist. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn wie im vorliegenden Fall die wirtschaftlichen Kennzahlen der Auslandsanleihe auffällig von vergleichbaren Papieren abweichen. In der Aufstellung vom 02.06.1999 sind neben der D-Anleihe fünf weitere DM-Auslandsanleihen aufgeführt, die eine effektive Verzinsung zwischen 2,9 % und 3,57 % aufweisen. Dem gegenüber lag die effektive Verzinsung der D-Anleihe bei 5,64 %. Diese erhebliche Zinsdifferenz hätte bei einer Beratung Veranlassung geben müssen festzustellen, ob ein Rating für den Emittenten vorliegt und wie es gegebenenfalls ausgefallen ist.

d) Die Beklagte zu 1) kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Kläger durch ihren Erfüllungsgehilfen, den Beklagten zu 2) hinreichend über die mangelnde Kenntnis die Bonität des Emittenten betreffend aufgeklärt worden sei. Unter Würdigung der informatorischen Erklärungen des Klägers und des Beklagten zu 2) vor dem Senat und der Aussage des Beklagten zu 2) als Partei vor dem Erstgericht geht der Senat davon aus, dass der Beklagte zu 2) zwar darauf hingewiesen hat, für DM-Auslandsanleihen gelte grundsätzlich, dass das Risiko eines Papieres mit dem Herausgeber stehe oder falle und die Bank keine Garantie übernehmen könne. Weiter hätte er jedoch nach seinen Angaben hinzugefügt, dass der Markt das Papier wohl nicht schlecht einschätze, weil der Kurs am Vortag noch bei 99,7 % gelegen habe. Der Kläger hat die Ausführungen des Beklagten zu 2) insgesamt dahingehend verstanden, dass es sich bei der Firma D um einen Autohersteller aus Südkorea handele, die Papiere insgesamt etwa einer D - C -Anleihe vergleichbar seien. Auch wenn der Beklagten zu 2) bestreitet den Namen dieses Autoherstellers genannt zu haben, lässt die Würdigung der widersprechenden Erklärungen der Parteien lediglich den Schluß zu, dass der Beklagte zu 2) zwar auf die allgemeinen Risiken einer Industrieanleihe, die im vorliegenden Fall in der Bonität des Emittenten liegt, hingewiesen hat, nicht aber auf die Möglichkeit des Totalverlustes. Der Beklagte zu 2) gibt zwar an, dies regelmäßig gemacht zu haben, konnte aber nicht sagen, ob er diese Belehrung auch im vorliegenden Fall erteilt hatte. Er hat aber auch nach seinen Angaben nicht darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit bestand, etwa durch Feststellung eines Ratings näheren Aufschluß über die Einschätzung der Bonität des Emittenten zu erhalten. Der Kläger konnte auch nicht als derart erfahrener Anleger eingestuft werden, dass jegliche Beratungen in dieser Richtung überflüssig waren. Dazu gab weder der Beruf, der Kläger war Ingenieur, noch sein bisheriges Anlegerverhalten hinreichende Veranlassung.

4. Der Beklagte zu 2) war zum Zeitpunkt der Beratung seit ca. 10 Jahren nicht mehr in der Wertpapierabteilung tätig sondern in der Depotverwaltung. Er hatte drei oder vier Jahre vor der hier strittigen Beratung den Kläger darauf hingewiesen, dass er ihm eigentlich nicht mehr beraten dürfe. In der Folgezeit haute der Beklagte zu 2) auf Wunsch des Klägers diesen trotzdem durchschnittlich zweimal im Jahr hinsichtlich Kapitalanlage beraten. Der Kläger wusste damit, dass der Beklagte zu 2) nicht mehr mit Kapitalanlagen befasst war und damit auch nicht mehr über aktuelle Informationen über Wertpapiere verfügte. Der Kläger nahm damit in Kauf, dass die Beratung nicht in gleichem Maße umfassend war, insbesondere hinsichtlich der aktuellen Entwicklung des Wertpapiermarktes, wie sie bei einem von der Beklagten zu 1) damit betrauten Angestellten gewesen wäre. Aber auch dieser geminderten Sorgfaltspflicht wurde die Beratung durch den Beklagten zu 2), der insoweit als Erfüllungsgehilfe der Beklagten zu 1) auftrat, nicht gerecht. Es hätte sich ihm, wie oben bereits dargestellt in jedem Fall aufdrängen müssen, die Bonität der Firma D anhand eines Ratings zu überprüfen, unabhängig davon, ob aktuelle Informationen, die ihm nicht zugänglich waren, hierzu Anlaß geboten hätten. Die Sparkassenfinanzgruppe weist in ihrer "Basisinformation für die Vermögensanlage in Wertpapieren" ausdrücklich auf "Rating als Entscheidungshilfe" (W1) hin.

5. Bei zutreffender Information darüber, dass die D Auslandsanleihe als hoch spekulativ einzuschätzen war, hätte der Kläger diese Anleihe nicht gekauft. Nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass die in einem wesentlichen Punkt unrichtige Auskunft ursächlich für die Beteiligungsentscheidung eines Anlegers war. Es besteht eine tatsächlicher Vermutung dafür, dass der Anleger sich aufklärungsrichtig verhalten hätte (BGH WM 1992 1892, 1893; BGH WM 1992, 1310, 1311).

6. Hinsichtlich der Schadenshöhe muss sich der Kläger nicht entgegenhalten lassen, dass er durch rechtzeitigen Verkauf dieser Wertpapiere den Schaden hätte mindern können. Zwar war, wie sich aus dem Schreiben der Bayerischen Landesbank vom 13.06.2000 ergibt, eine Gesellschaft N Restructuring 1 Co. Ltd. gegründet worden, wie im Juni 2000 ein Angebot zum Erwerb der Anleihe unter Zahlung einer Quote von 32,3 % und eines Optionsrechtes unterbreitete. Im Hinblick auf die insgesamt ungeklärte Lage der D-C hat auch die Beklagte diesen Verkauf nicht empfehlen können, zumal sie zutreffend darauf hinweist, dass die Anleihe keineswegs wertlos sei, da nach wie vor die Möglichkeit bestehe, dass die Firma D - C sich im Verbund mit anderen Konzernen um eine Übernahme des D-Konzernes bemühe. Auch bei unzutreffender Beratung trifft den Anleger zwar eine grundsätzliche Verpflichtung den entstandenen Schaden durch rechtzeitigen Verkauf der Wertpapiere möglichst gering zu halten. Dies gilt jedoch nicht für den vorliegenen Fall bei dem für den Anleger nicht überschaubar war, ob der Verkauf der Anleihe sinnvoll ist oder durch weiteres Abwarten ein Schaden verringert werden kann.

7. Der Kläger kann damit von der Beklagten zu 1) Ersatz des Vertrauensschadens verlangen.

Der Anleger kann im Regelfall bei Falschberatung Ersatz des ihm entstandenen Vermögensschadens in Geld begehren. Im vorliegenen Fall ist dies dem Kläger jedoch im Hinblick auf den bereits unter Ziffer 6 dargestellten nicht bezifferbaren Wert der Anleihe nicht möglich. Die Beklagte zu 1) hat damit Naturalrestitution zu leisten (vgl. Soergel 12. Aufl., Vorbemerkung vor § 275 BGB Rn. 493), das heißt, die Beklagte hat dem Kläger die Kosten für den Erwerb dieser Anleihen Zug und Zug gegen Übergabe der Wertpapiere zu ersetzen. Die Beklagte zu 1) hat damit die aufgewendten Erwerbskosten von 103.582,03 DM Zug zum Zug gegen Rückübertragung der 5 %igen Anleihe von 1996/99 der D C BKN 134345 zu ersetzen.

8. Hinsichtlich der begehrten Zinsen ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht, dass dieser bereits seit 22.06.1999 für den aufgewendten Betrag bei anderweitiger Vermögensanlage eine Verzinsung von 4 % erzielt hätte. Aufgrund der Tabelle vom 02.06.1999 ist vielmehr davon auszugehen, dass der Kläger lediglich den für Sparkassen-Anleihen üblichen Zinssatz von 2,22 % erwirtschaftet hätte. Die Klageforderung ist jedoch seit Rechtshängigkeit (20.05.2000) mit 4 % zu verzinsen; (§ 284, 291 a.F. BGB).

9. Ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 2) besteht nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes treffen die Verpflichtung aus dem durch die Anbahnung von Vertragsverhandlungen eines Vertreters begründeten gesetzlichen Schuldverhältnisses grundsätzlich den vertretenen und lediglich ausnahmsweise und unter besonderen Umständen auch den Vertreter. Ein solcher Sonderfall liegt lediglich dann vor, wenn der Vertreter durch sein Verhalten Einfluss auf die Entscheidung des anderen nimmt, also über das allgemeine Verhandlungsvertrauen hinaus eine zusätzliche, von ihm persönliche ausgehende Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Geschäftes bietet (BGH NJW RR 91, 1241, 1242 mit weiteren Nachweisen).

Der Kläger hat den Beklagten zu 2) lediglich als angenehmen Ansprechpartner geschätzt, dass seine Entscheidung zum Kauf der Anleihen nicht nur durch die ihm für die Beklagten zu 1) erteilte Beratung sondern auch durch die Person des Beklagten zu 2) beeinflusst war, ist dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen. Dass der Beklagte zu 2) langjähriger "Ansprechpartner" des Klägers für seine Wertpapiergeschäfte war, reicht hierfür alleine nicht aus.

10. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97, 100 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckung folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO, der zur Beschwer aus § 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück