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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 18.04.2001
Aktenzeichen: 12 U 4114/00
Rechtsgebiete: Warschauer Abkommen
Vorschriften:
Warschauer Abkommen Art. 18 |
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL
12 U 4114/00 1 HKO 4255/99 LG Nürnberg-Fürth
Verkündet am 18. April 2001
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In Sachen
hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07. März 2001
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12.10.2000 abgeändert.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.630,00 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 04.09.1997 zu zahlen.
Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
III. Die weitergehende Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12.10.2000 wird zurückgewiesen.
IV. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 92/100 und die Beklagte 8/100 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 13.000,00 DM und die Klägerin die der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet.
Sicherheit kann auch durch eine unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer Großbank oder eines sonstigen, als Zoll- oder Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts mit dem Sitz im Gebiet der Europäischen Union geleistet werden.
VI. Die Beschwer der Klägerin beträgt mehr als 60.000,00 DM, die der Beklagten weniger als 60.000,00 DM.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen der Ausführung eines Transportauftrags.
Die Beklagte hatte von der Klägerin den Auftrag, zur Beförderung einer Sendung von Mobiltelefonen mit dem Flugzeug von N nach L/G erhalten. Bezeichneter Empfänger der Sendung war die Fa. E LTD in L. Im Auftragsschreiben der Klägerin vom 06.08.1997 (Anl. B vom 30.09.1999) hatte diese bezüglich der Zahlungsweise folgenden Text angekreuzt:
"V-Scheck-Nachnahme Bankbestätigter Scheck/certified Bank draft".
Im Luftfrachtbrief vom 07.08.1997 (Anl. B zu Bl. 29 f) findet sich folgender Eintrag:
"Please hand over above shpmt. only against certified bank draft".
Die Beklagte wies den von ihr beauftragten Empfangsspediteur in L4 außerdem mit Schreiben vom 08.08.1997 (Anlage K 2) noch gesondert an, die Sendung an den Empfänger nur gegen einen bankbestätigten Scheck (only against certified bank draft) auszuhändigen und keinen anderen Scheck oder Barzahlung zu akzeptieren (do not accept any other cheque or cash).
Die Sendung wurde am 09.08.1997 in L an einen durch eine entsprechende Vollmacht ausgewiesenen Bevollmächtigten der bezeichneten Empfängerin gegen Übergabe eines von einer englischen Bausparkasse (E B S) ausgestellten und auf eine englische Bank (N W B PLC) in L gezogenen Schecks ausgehändigt. Auf den Inhalt dieses Schecks wird Bezug genommen (Anl. K 3).
Als die Klägerin den Scheck zur Zahlung vorlegte, wurde dieser nicht eingelöst. Es stellte sich heraus, daß es sich um eine Fälschung gehandelt hat. Die Klägerin macht die Beklagte für den eingetretenen Schaden verantwortlich. Sie hat deshalb von dieser den Ersatz den Nettoverkaufspreises des Transportgutes verlangt.
Dazu hat die Klägerin vorgetragen, die Beklagte hafte nach dem Warschauer Abkommen (WA) für den eingetretenen Transportverlust unbeschränkt. Denn bei der Aushändigung der Sendung an die in Wirklichkeit nicht existierende Empfängerfirma sei leichtfertig und in dem Bewußtsein vorgegangen worden, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Bei dem übergebenen Scheck habe es sich nämlich um keinen bankbestätigten Scheck, sondern um einen normalen Verrechnungsscheck gehandelt. Dieser habe, wie die Tatsache seiner Nichteinlösung zeige, nicht die Sicherheit eines bankbestätigten Schecks geboten. Im übrigen stimme die wörtliche Angabe der Schecksumme auch nicht mit deren ziffernmäßiger Angabe überein.
Die Klägerin hat beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 123.563,94 zzgl. 4 % Zinsen hieraus ab dem 04. September 1997 zu bezahlen.
Die Beklagte hat
Klageabweisung
beantragt.
Sie hat bestritten, daß ein Verlust i.S.d. WA vorliege.
Die Sendung sei nämlich dem berechtigten Empfänger übergeben worden.
Im übrigen hat die Beklagte geltend gemacht, daß sie auch sonst nicht für den Schaden der Klägerin haften würde. Nach dem Auftragsschreiben der Klägerin vom 06.08.1997 (Anl. B vom 30.09.1999) habe die Ware auch gegen Übergabe eines Verrechnungsschecks ausgeliefert werden dürfen. Daß es sich bei dem Scheck um eine Fälschung gehandelt habe, sei nicht zu erkennen gewesen. Ein von einer englischen Bausparkasse ausgestellter Scheck würde hinsichtlich seiner Einlösung dieselbe Garantie bieten, wie ein bankbestätigter Scheck. Dem betreffenden Mitarbeiter der Empfangsspediteurin könne deshalb kein Vorwurf gemacht werden, wenn er die Sendung an den Bevollmächtigten der Empfängerin ausgehändigt habe.
Die Beklagte hat sich außerdem vorsorglich auf die im WA vorgesehene Haftungsbeschränkung berufen; denn die Klägerin habe die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Haftung nicht bewiesen.
Das Landgericht hat gemäß Beweisbeschluß vom 21.10.1999 (GA 43-45) eine amtliche Rechtsauskunft aus Großbritannien zur Frage der Bedeutung eines von einer englischen Sausparkasse ausgestellten Schecks im englischen Rechtsverkehr eingeholt (vgl. GA 60-61) und die Klage mit Endurteil vom 12.10.2000 abgewiesen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, die Parteien hätten zwar wirksam vereinbart gehabt daß die Sendung nur gegen Übergabe eines bankbestätigten ausgehändigt werden dürfe. Dagegen habe die Beklagte Jedoch nicht verstoßen, denn der übergebene Scheck habe nach seiner Rechtswirkung einem solchen entsprochen. Die eingeholte Rechtsauskunft habe nämlich ergeben, daß die Einlösung des Schecks nach englischem Rechtsverständnis garantiert gewesen Ein Verlust i.S.v. Art. 18 WA scheide damit aus. Die Sendung sei an dem vom Empfänger dazu bevollmächtigten Empfangskurier ausgehändigt worden, wobei Machenschaften nicht zu asten der Beklagten gehen könnten.
Gegen dieses ihr am 24.10.2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24.11.2000 Berufung eingelegen und nach Fristverlängerung am 19.01.2001 begründen lassen.
Sie hält an dem Vorwurf fest, daß die Beklagte gegen die ihr erteilte Weisung verstoßen habe, keinen anderen als einen bankbestätigten Scheck zu akzeptieren. Es komme deshalb nicht darauf an, daß der übergebene Scheck von seiner Rechtswirkung her dem verlangten bankbestätigten Scheck entsprochen habe. Die Sendung sei außerdem in Verlust geraten. Denn dies sei auch darin der Fall, wenn das beförderte Gut an den nicht i.S. der erteilten Weisung berechtigten Empfänger ausgeliefert werde. Die Beklagte hafte wegen der grob fahrlässigen Vorgehensweise bei der Auslieferung des Transportgutes unbeschränkt nach Art. 25 WA.
Die Klägerin beantragt:
Das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12. Oktober 2000 - Aktenzeichen: 1 HK O 4255/99 - wird abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 123.563,94 zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit dem 04. September 1997 zu bezahlen.
Die Beklagt beantragt
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklage hält das Urteil des Landgerichts für richtig und verteidigt dieses. Es treffe nicht zu, daß sie vom Geschäftsführer der Klägerin über den Wortlaut des Frachtauftrages hinaus noch mündlich angewiesen worden sei, keinen anderen als einen bankbestätigten Scheck zu akzeptieren. Der übergebene Scheck habe im übrigen die Qualität eines solchen besessen Allenfalls würde sie nur beschränkt haften.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und des Vorbringens der Parteien in beiden Rechtszügen wird im übrigen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Der Senat hat keinen Beweis erhoben.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin hat nur zum geringen Teil Erfolg. Die Beklagte haftet der Klägerin für den eingetretenen Schaden (Art. 18 WA); ihre Haftung ist jedoch nach Art. 22 I WA beschränkt.
1. a) Nach Art. 1 I WA hat der Luftfrachtführer aus zu vermutendem Verschulden den Schaden zu ersetzen, der durch den Verlust des Transportgutes während der Luftbeförderung eingetreten ist. Um einen Verlust in diesem Sinne handelt es sich hier. Die Beklagte hat das beförderte Gut zwar an den von der Klägerin bezeichneten Empfänger, aber gegen deren Weisung ohne Übergabe eines bankbestätigten Schecks ausgeliefert. Der Empfänger war deshalb so nicht zur Empfangnahme des Gutes berechtigt. Denn der übergebene Scheck war nicht bankbestätigt. Der Klägerin wurde dadurch die Verfügungsgewalt an dem Gut entzogen, ohne daß diese ihren Zahlungsanspruch gegen den Empfänger durchsetzen konnte. Dies steht einem Verlust i.S.v. Art. 18 WA gleich (vgl. BGH PR 82, 105; OLG Hamburg, TR 90, 188; Münchener Kommentar, HGB, § 429 Rn. 7 ff.; Fremuth/Thume, Transportrecht, Art. 18 WA Rn. 5).
Daß die Beklagte von der Klägerin wirksam angewiesen worden war, das beförderte Gut nur gegen Übergabe eines bankbestätigten Schecks auszuliefern, entnimmt der Senat dem betretffenden Luftfrachtbrief vom 07.08.1997 (Anl. B). Dieses erbringt nach Art. 11 I WA Beweis für den Abschluß des Beförderungsvertrages nach Maßgabe der darin enthaltenen Eintragungen. Im Luftfrachtbrief ist niedergelegt, daß die Sendung nur gegen Übergabe eines bankbestätigten Schecks (certified bank draft) ausgehändigt werden darf. Dies geht ferner aus dem Schreiben der Beklagten an den Empfangsspediteur in L vom 08.08.1997 (K 2) hervor. Die Beklagte hat diesen in dem Schreiben ebenfalls angewiesen, die Sendung nur gegen einen bankbestätigten Scheck an den Empfänger auszuhändigen und keinen anderen Scheck zu akzeptieren. Diese Weisung wäre unverständlich und es hätte ihr nicht bedurft, wenn die Parteien keine entsprechende Vereinbarung getroffen hätten. Die insoweit nicht eindeutige Angabe im schriftlichen Frachtauftrag der Klägerin vom 06.08.1997 (Anl. B vom 30.09.1999) ist deshalb nicht geeignet, die Richtigkeit der Eintragungen im Luftfrachtbrief zu widerlegen.
b) Die Beklagte kann sich dagegen nicht mit Erfolg darauf berufen, daß der übergebene Scheck nach seiner Bedeutung im Rechtsverkehr einem bankbestätigten Scheck entsprochen habe. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Beklagte aufgrund der Vereinbarung der Parteien überhaupt einen anderen als einen bankbestätigten Scheck akzeptieren durfte, auch wenn dieser die gleiche Einlösungsgarantie wie ein solcher geboten hätte. Nach Auffassung des Senats entspricht der übergebene Scheck auch nach seiner Bedeutung im Rechtsverkehr jedenfalls nicht einem bankbestätigten Scheck. Dies mag nach der vom Landgericht eingeholten Rechtsauskunft hinsichtlich des Deckungsrisikos zwar noch der Fall sein. Anders verhält es sich aber mit dem Fälschungsrisiko. Dabei verkennt der Senat nicht, daß ein bankbestätigter Scheck ebenfalls gefälscht sein kann. Wegen des zusätzlich erforderlichen Bestätigungsvermerkes der Bank bedarf es dazu jedoch zweier Fälschungsakte. Wenn es für die Empfängerin der Sendung genauso leicht gewesen wäre, einen bankbestätigten Scheck zu fälschen, dann ist nicht verständlich, warum sie nicht einen solchen gefälscht und übergeben hat; denn sie wußte ja, daß sie einen bankbestätigten Scheck zu übergeben hatte. Die Empfängerin mußte deshalb befürchten, daß ihr die Sendung gegen einen anderen Scheck möglicherweise nicht aushändigt werden würde. Wenn sie dieses Risiko dennoch auf sich genommen hat, läßt dies darauf schließen, daß ein bankbestätigter Scheck von ihr nicht so leicht zu fälschen gewesen wäre, wie der übergebene. Entsprach der übergebene Scheck aber auch in seiner Bedeutung im Rechtsverkehr nicht der Weisung der Klägerin, war die Beklagte nicht berechtigt, das Gut an den Empfänger auszuhändigen. Es liegt deshalb ein Verlust i.S.v. Art. 18 WA vor, für den die Beklagte haftet.
2. Die Haftung der Beklagten ist jedoch nach Maßgabe von Art. 22 I WA beschränkt. Denn die Voraussetzungen, unter denen die Beklagte nach Art. 25 WA unbeschränkt haften würde, sind nicht gegeben. Hierfür wäre erforderlich, daß der Schaden der Klägerin entweder absichtlich oder zumindest leichtfertig in dem Bewußtsein herbeigeführt worden wäre, daß ein solcher wahrscheinlich eintreten werde. Das kann von dem betreffenden Mitarbeiter der Empfangsspediteurin in L, der die Sendung an den Bevollmächtigten der bezeichneten Empfängerin ausgeliefert hat, aber nicht angenommen werden. Hinsichtlich seines Deckungsrisikos bot der übergebene Scheck die gleiche Sicherheit wie ein bankbestätigter Scheck. Daß es sich bei dem Scheck um eine Fälschung handelt, mußte sich diesem aber nicht aufdrängen und war von diesem im übrigen auch nicht zu prüfen. Dies gilt auch im Hinblick darauf, daß der Zahlungsbetrag in Worten anders angegeben ist, als in Ziffern, zumal insoweit lediglich jeweils die falschen Zehnerzahlen gewählt wurden.
Die Haftung der Beklagten beschränkt sich deshalb auf 3,50 DM je Kilogramm (Art. 22 II a WA: Zur Umrechnung vgl. Fremuth/Thume, a.a.O. Art. 22 WA Rn. 9). Hierbei ist von dem Gewicht auszugehen, wie es im Luftfrachtbrief eingetragen ist. Dies sind 180 kg. Die Klägerin kann deshalb von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 9.630,00 DM verlangen (180 x 53,50 DM). Diesen Betrag hat die Beklagte im geltend gemachten Umfang zu verzinsen, weil sie sich in Verzug befindet (§§ 284 I; 288 BGB).
Im übrigen erweist sich das Rechtsmittel der Klägerin als unbegründet und war deshalb zurückzuweisen.
Kosten: §§ 97 I; 91 I ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Beschwer: §§ 546 II 1; 3 ZPO.
Ende der Entscheidung
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