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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 25.06.2001
Aktenzeichen: 12 W 1435/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 281 Abs. 1
ZPO § 3
ZPO § 91 Abs. 1
Bei einer Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Gericht verlangt der Grundsatz möglichst kostengünstiger Prozessführung nicht, sich durch einen weit entfernt ansässigen Rechtsanwalt weiter vertreten zu lassen, wenn der weitere Verlauf des Verfahrens für die Partei nicht vorhersehbar ist.
Nürnberg, den 25.6.2001

In Sachen

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 12. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter, folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 9. März 2001 abgeändert.

II. Die von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten werden auf 11.877,82 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11. Januar 2001 festgesetzt.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

IV. Der Beschwerdewert wird auf 2.595,15 DM festgesetzt.

Grunde:

I.

1. Die Klägerin begehrte mit einer zum Landgericht Zwickau gegen 5 Beklagte erhobenen Klage Rückabwicklung eines Grundstückskaufs und Freistellung von der Verpflichtung, das zur Finanzierung dieses Kaufes bei der Beklagten aufgenommenen Darlehen zurückzuzahlen. Diese Klage wurde gemäß Verfügung vom 29. April 1999 der Beklagten zugestellt unter Bestimmung einer Notfrist von 2 Wochen, die Verteidigungsabsicht anzuzeigen. Mit Verfügung vom 2. Juni 1999 wies das Landgericht Zwickau darauf hin, daß Bedenken hinsichtlich seiner Zuständigkeit bestünden und verlängerte auf Antrag des Beklagtenvertreters die Einlassungsfrist. Der von der Beklagten bestellte Prozeßbevollmächtigte, der in Chemnitz ansässig ist, rügte sodann die Zuständigkeit des Landgerichts Zwickau und machte geltend, die Klage sei auch unbegründet. Mit Schriftsatz vom 11. Oktober 1999 beantragte daraufhin die Klägerin den Rechtsstreit an das Landgericht Nürnberg-Fürth zu verweisen. Mit Beschluß vom 13. Januar 2000 entsprach das Landgericht Zwickau, Außenstellen Plauen, diesem Antrag. Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten legte nach Verweisung das Mandat nieder. Die Beklagte wurde nunmehr durch Rechtsanwälte aus Bamberg, dem Ort ihres Firmensitzes, vertreten. Mit Beschluß vom 7. April 2000 trennte das Landgericht Nürnberg-Fürth das Verfahren gegen die Beklagte gemäß § 145 Abs. 1 ZPO ab. Nach Beweisaufnahme wies es mit Endurteil vom 28. Dezember 2000 die Klage ab und legte der Klägerin die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen auf, die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Zwickau entstanden waren.

2. Mit Kostenfestsetzungsbeschluß vom 31. Januar 2001 hat das Landgericht Nürnberg-Fürth die von der Klägerin der Beklagten zu erstattenden Kosten auf 9.282,67 DM festgesetzt, die Festsetzung von Gebühren für die vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth tätigen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten abgelehnt und ausgeführt, die Beklagte hatte sich durch den, vor dem Landgericht Zwickau auftretenden Anwalt weiter vertreten lassen können, da die Verweisung erst nach dem 1. Januar 2001 erfolgt sei. Es seien deswegen lediglich dreimal 10/10 Gebühren (neue Bundesländer) sowie die Fahrtkosten für drei Fahrten von Zwickau nach Nürnberg erstattungsfähig, da lediglich diese Kosten notwendig gewesen seien.

Die Beklagte hat gegen diesen Beschluß sofortige Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, sie habe nach der Verweisung an das Landgericht Nürnberg-Fürfth ihre bereits vorher im Verfahren vor dem Landgericht Zwickau tätigen Korrespondenzanwälte beauftragt. Die weitere Prozeßführung durch die Chemnitzer Anwälte sei schon wegen der Entfernung nicht zumutbar, zumal die Klägerin umfangreiche Schriftsätze eingereicht habe, die zusätzlich Information erfordert hätten.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 104 Abs. 3 ZPO) und begründet.

Gemäß §§ 281 Abs. 3, 91 Abs. 1 ZPO hat die Klägerin der Beklagten die Mehrkosten, die im Verfahren vor dem unzuständigen Gericht entstanden sind, zu erstatten, soweit diese Kosten zur Rechtsverfolgung notwendig waren. Dabei sind Mehrkosten die Differenzkosten zwischen den tatsächlich entstandenen und den Kosten, die entstanden wären, wenn der Prozeß sofort bei dem zuständigen Gericht anhängig geworden wäre. Durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Patentanwälte vom 17. Dezember 1999 (BGBl I, 2478) besteht mit Wirkung vom 1. Januar 2000 ein einheitliches Postulationsgebiet mit einheitlicher Postulationsfähigkeit mit der Folge, daß bei den Landgerichten eine umfassende Postulationsfähigkeit der Anwälte besteht. Hier mußte die Beklagte nach Klagezustellung ihre Verteidigungsabsicht durch einen beim Landgericht Zwickau zugelassenen (oder im Bereich der neuen Bundesländer tätigen) Rechtsanwalt anzeigen. Die Bevollmächtigung von Rechtsanwalt H. u. a. aus Chemnitz war deshalb durch die Klageerhebung beim unzuständigen Gericht veranlasst.

Nach dem Verweisungsbeschluß des Landgerichts Zwickau vom 13. Januar 2000 war die Bestellung neuer Prozeßbevollmächtigter möglich. Die bei diesen anfallenden Kosten waren jedenfalls im vorliegenden Fall notwendige i.S.d. § 91 Abs. 1 ZPO. Notwendige Kosten sind diejenigen Kosten für solche Handlungen die zur Zeit ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet erscheinen, das im Streit stehende Recht zu verteidigen. Zwar war vor der Gesetzesänderung durch das Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Patentanwälte nach herrschender Meinung dann ein Wechsel in der Person des Anwaltes nicht notwendig, wenn der zunächst beauftragte Anwalt zugleich bei dem zuständigen Gericht zugelassen war (OLG Düsseldorf MDR 80, 321 m.w.N.). Diese Rechtsprechung läßt sich jedoch auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. Bei der Zulassung eines Anwalts zu zwei Landgerichten kann davon ausgegangen werden, daß der Rechtsanwalt Termine bei beiden Landgerichten wahrnehmen kann und dies auch tatsächlich tut. Dies kann jedoch nicht auf den neuen Rechtszustand übertragen werden. Die Wahrnehmung mehrerer Termine bei einem weit entfernten Landgericht kann für einen Rechtsanwalt unzumutbar sein. Hinzu kommt, daß bei der hier vorliegenden Entfernung zwischen Chemnitz und Nürnberg erhebliche Fahrtkosten und Ausfallzeiten entstehen können. Die für den zunächst beauftragten Anwalt entstehenden Kosten wären damit ganz wesentlich vom Prozeßverlauf bestimmt, von der Zahl der Termine, oder von der Erforderlichkeit einer Beweisaufnahme, soweit der Anwalt überhaupt bereit wäre, das Mandat unter diesen Bedingungen fortzuführen. Hinzu käme, daß eine Informationsfahrt zu dem zunächst beauftragten Anwalt im Hinblick auf den Prozeßverlauf erforderlich werden könnte. Eine solche Prozeßverlaufsprognose war der Beklagten nicht zuzumuten, zumal sie auch noch hätte abwägen müssen, ob nicht die Einschaltung eines Unterbevollmächtigten geboten wäre, da die Terminreisekosten eines am Prozeßgericht nicht zugelassenen aber postulationsfähigen Rechtsanwalts nur erstattungsfähig sind, wenn bei Einschaltung eines Unterbevollmächtigten keine geringeren Kosten entstanden wären (OLG Schleswig MDR 2001, 537, vgl. Bischof: Wegfall des anwaltlichen Lokalisationsprinzips - Kosten des Unterbevollmächtigten bzw. Terminsanwalts, MDR 2000, 1357). Der Grundsatz möglichst kostengünstiger Prozeßführung zwingt die Beklagte nicht, sich durch einen weit entfernt ansässigen Anwalt weiter, vertreten zu lassen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß die Prozeßführung vor dem Landgericht Zwickau der Beklagten durch die Klageerhebung beim unzuständigen Gericht aufgezwungen wurde. Der Verlauf des Verfahrens vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth war für die Beklagte nicht vorhersehbar, zumal sich das Verfahren erst durch Verfahrenstrennung durch das Landgericht Nürnberg-Fürth wesentlich vereinfacht hat. Die Bevollmächtigung der mit der Sache als Korrespondenzanwälte befaßten Rechtsanwälte aus B. war beim damaligem Verfahrensstand daher sachgerecht. Das Risiko, daß sich nach Abschluß des Verfahrens herausstellt, eine kostengünstigere Rechtsverteidigung wäre möglich gewesen, ohne daß sich eine dahingehende Prognose zum Zeitpunkt der Verweisung der Beklagten aufdrängen mußte, darf nicht der Partei auferlegt werden, die vor einem unzuständigen Gericht verklagt wurde.

Damit sind folgende Kosten der Beklagten erstattungsfähig:

10/10 der Prozeßgebühr § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO RA H. u. a., C. 2.344,50 DM neue Bundesländer Gebühr gemäß § 26 BRAGO 40,00 DM Prozeßgebühr RA R. u. a.; 2.605,00 DM Verhandlungsgebühr 2.605,00 DM Beweisgebühr 2.605,00 DM Gebühr gemäß § 26 BRAGO 40,00 DM Summe 10.239,50 DM + MWSt 11.877,82 DM.

Entsprechend war der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluß abzuändern.

Die Kostenfolge für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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