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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 24.07.2008
Aktenzeichen: 12 W 1464/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
1. Der Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Unterbevollmächtigten, der mit der Terminswahrnehmung am Prozessgericht beauftragt ist, steht nicht entgegen, dass dieser Termin wieder abgesetzt und eine mündliche Verhandlung nicht durchgeführt wurde, sofern bei Einschaltung des Unterbevollmächtigten noch mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gerechnet werden musste und die Absetzung des Termins nicht absehbar war.

2. Die Kosten eines Unterbevollmächtigten, der mit der Terminswahrnehmung am Prozessgericht beauftragt ist, sind auch dann erstattungsfähig, wenn diese Beauftragung bereits längere Zeit vor dem Verhandlungstermin erfolgte. Für die Erstattungsfähigkeit ist allein entscheidend, dass zum Zeitpunkt der Auftragserteilung durch den Hauptbevollmächtigten bereits ein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt ist.


Oberlandesgericht Nürnberg

Aktenzeichen: 12 W 1464/08

Das Oberlandesgericht Nürnberg, 13. Zivilsenat, erlässt durch Richter am Oberlandesgericht Dr. Herz als Einzelrichter

In Sachen

wegen Forderung

hier: Kostenfestsetzungsbeschwerde

ohne vorherige mündliche Verhandlung am 24. Juli 2008 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Regensburg vom 5. Juni 2008 (Az.: 2 HK O 1330/07) abgeändert.

Die von der Klägerin an die Beklagte nach dem Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 28. April 2008 zu erstattenden Kosten werden (einschließlich verauslagter Gerichtskosten in zweiter Instanz in Höhe von 272,00 EUR) auf 1.937,50 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 13. Mai 2008 festgesetzt.

II. Die weitergehende sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Regensburg vom 5. Juni 2008 (Az.: 2 HK O 1330/07) wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin 5/6 und die Beklagte 1/6. Die Gerichtsgebühr wird auf die Hälfte ermäßigt.

IV. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 290,40 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Verfügung des Senats vom 20. März 2008 war Termin zur mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Nürnberg auf den 7. Mai 2008 bestimmt worden; die Terminsladung ging den Prozessbevollmächtigten der Parteien am 26. bzw. am 28. März 2008 zu. Daraufhin beauftragte die Beklagte zum Zwecke der Terminswahrnehmung die in Nürnberg ansässigen Rechtsanwälte ... als Unterbevollmächtigte. Diese zeigten mit Schriftsatz vom 15. April 2008 das ihnen erteilte Mandat an und kündigten an, den Verhandlungstermin wahrzunehmen.

Unter dem 17, April 2008 erklärte die Klägerin Klagerücknahme. Der Verhandlungstermin vom 7. Mai 2008 wurde daraufhin abgesetzt. Mit Beschluss des Senats vom 28. April 2008 wurden der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Mit Antrag vom 8. Mai 2008 begehrte die Klägerin Kostenfestsetzung. Hierbei wurde auch die Festsetzung der von den Unterbevollmächtigten berechneten Kosten (0,8-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3104 VV-RVG und Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG) in Höhe von insgesamt 290,40 EUR beantragt.

Die Rechtspflegerin des Landgerichts Regensburg hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5. Juni 2008 diesem Antrag hinsichtlich der Kosten der Unterbevollmächtigten nicht entsprochen, da deren Einschaltung verfrüht erfolgt sei. Gegen diesen, der Beklagtenpartei am 13. Juni 2008 zugestellten Beschluss richtet sich die am 20. Juni 2008 bei Gericht eingegangene Beschwerde.

Mit Beschluss vom 17. Juli 2008 hat das Landgericht Regensburg der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

1. Die sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist statthaft (§ 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO) und auch sonst zulässig. Der Beschwerdewert gemäß § 567 Abs. 2 ZPO Ist erreicht, die Beschwerdefrist von 2 Wochen (§ 569 Abs. 1 ZPO) ist gewahrt.

2. Die sofortige Beschwerde hat in der Sache - teilweise - Erfolg.

a) Die Erstattungsfähigkeit von Kosten, die einer Partei durch Beauftragung eines unterbevollmächtigten Rechtsanwalts entstanden sind, der - wie hier - anstelle des Hauptbevollmächtigten die Vertretung in der mündlichen Verhandlung übernehmen sollte, richtet sich allein nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Es gilt nicht die Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO; diese betrifft nach ihrem Wortlaut und Zweck nur die durch die Beauftragung eines Hauptbevollmächtigten entstandenen Kosten. Auch ist § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO auf die Kosten eines Unterbevollmächtigten nicht anzuwenden; diese Vorschrift regelt allein die Kostenerstattung bei Inanspruchnahme zweier Rechtsanwälte als Hauptbevollmächtigte (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02, NJW 2003, 898; Beschluss vom 9. Oktober 2003 - VII ZB 45/02, BGHReport 2004, 70).

Für die Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, Ist maßgeblich darauf abzustellen, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Die Partei darf dabei ihr berechtigtes Interesse verfolgen, die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte zu ergreifen. Sie trifft lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleich gearteten Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (vgl. BGH a.a.O.).

Nach diesen Maßstäben sind die Kosten für einen Unterbevollmächtigten, der mit der Terminswahrnehmung am Prozessgericht beauftragt ist, nur dann erstattungsfähig, soweit dadurch erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten erspart werden, die ansonsten bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären. Dabei schadet es nicht, wenn die für die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten anfallenden Kosten die ansonsten angefallenen Reisekosten des Hauptbevollmächtigten um bis zu 10 % übersteigen (BGH a.a.O.).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen steht der Erstattungsfähigkeit der der Beklagten entstandenen Kosten der Unterbevollmächtigten nicht bereits der Umstand entgegen, dass es tatsächlich nicht zur Durchführung eines Verhandlungstermins gekommen ist. Zwar sind deshalb erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten faktisch nicht erspart. Auch bei Nichteinschaltung der Unterbevollmächtigten wären nämlich derartige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten - auf Grund der Aufhebung des Verhandlungstermins - nicht entstanden.

Die Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Unterbevollmächtigten hat der Bundesgerichtshof für" den Fall des tatsächlichen Anfalls von Reisekosten entschieden. Nichts anderes kann aber in der Regel gelten, sofern es - wie hier - zur Einschaltung des Unterbevollmächtigten zu einem Zeitpunkt gekommen ist, zu dem noch mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gerechnet werden musste. Entscheidet sich eine Partei wie hier - trotz entstehender Mehrkosten -für eine Unterbevollmächtigung, darf sie davon ausgehen, dass die Kosten der Unterbevollmächtigung in Höhe erstattungsfähiger Reisekosten des Hauptbevollmächtigten festsetzungsfähig sind. Die Absetzung eines zuvor anberaumten Termins fällt in solchen Fällen grundsätzlich nicht in den Risikobereich einer Partei (OLG Schleswig NJW-RR 2004, 1008; Zöller/Herget, ZPO 26. Aufl. § 91 Rn. 13 Stichwort "Unterbevollmächtigter").

Etwas anderes mag bei der gebotenen ex-ante-Beurteilung gelten, wenn bereits zum Zeitpunkt der Einschaltung des Unterbevollmächtigten die Aufhebung des Termins absehbar war. Hierfür bestehen im konkreten Fall jedoch keine Anhaltspunkte.

c) Die Beschwerde rügt, die Einschaltung eines Unterbevollmächtigten sei im konkreten Fall nicht verfrüht gewesen.

Entscheidendes Kriterium ist insoweit lediglich, ob zum Zeitpunkt der Auftragserteilung durch die Hauptbevollmächtigten bereits ein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt gewesen ist. Auch wenn es unter Anwälten der Üblichkeit entspricht, dass eine Unterbevollmächtigung erst kurz vor dem Verhandlungstermin erfolgt, ist es nicht zu beanstanden, wenn eine solche bereits längere Zeit (Im Streitfall 3 bis 4 Wochen) vor dem Verhandlungstermin durchgeführt wurde. Sobald nämlich ein Verhandlungstermin anberaumt ist, können die Parteien (sofern nicht bereits zu diesem Zeitpunkt Anhaltspunkte für die Wiederabsetzung dieses Termins bestehen, was im Streitfall nicht ersichtlich ist) auch davon ausgehen, dass dieser stattfinden wird. Dementsprechend liegt es gerade im Interesse einer Partei, möglichst früh einen geeigneten Unterbevollmächtigten zu finden, damit sich dieser dann auch noch in die Sache einarbeiten kann.

Da die durch die Beauftragung der Unterbevollmächtigten entstandenen Kosten auch unstreitig geringer sind als die Reisekosten, die bei Terminswahrnehmung durch den Hauptbevollmächtigten angefallen wären, sind sie grundsätzlich als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen und damit erstattungsfähig.

d) Allerdings sind die begehrten Kosten nicht in voller Höhe festzusetzen. Da sich der den Unterbevollmächtigten erteilte Auftrag auf die Vertretung in einem Termin beschränkte, fällt insoweit lediglich eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3401 VV-RVG an. Deren Höhe beträgt indes nicht - wie begehrt - den 0,8-fachen Satz einer Gebühr; nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Nr. 3401 VV-RVG fällt die dem Unterbevollmächtigten zustehende Verfahrensgebühr vielmehr lediglich "in Höhe der Hälfte der dem Verfahrensbevollmächtigten zustehenden Verfahrensgebühr" an. Diese Gebühr des Hauptbevollmächtigten besteht in Höhe eines 1,3-fachen Satzes (Nr. 3100 VV-RVG), weshalb die zusätzliche Gebühr gemäß Nr. 3401 VV-RVG lediglich in hälftiger Höhe (0,65-facher Satz) anfällt. Somit sind folgende Kosten des Unterbevollmächtigten erstattungsfähig:

 0,65-Gebühr gemäß Nr. 3401 VV-RVG 219,70 EUR
Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG 20,00 EUR
Summe 239,70 EUR.

Soweit die Beklagte eine weitergehende Festsetzung der Kosten ihrer Unterbevollmächtigten begehrt, war ihre sofortige Beschwerde deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 91, 92, 97 Abs. 1 ZPO, § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1812 der Anlage 1 zum GKG.

Den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren hat der Senat entsprechend einer Bewertung des Interesses der Beschwerdeführerin auf den Betrag der begehrten Kosten der Unterbevollmächtigten festgesetzt.

Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, so dass die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen war.

Ende der Entscheidung

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