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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 10.08.2007
Aktenzeichen: 13 U 1097/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 50
ZPO § 53
1. Eine nach englischem Recht gegründete Limited mit Vermögen im Inland ist auch nach der nach englischem Recht durchgeführten Löschung und Auflösung für Prozesse im Inland als Restgesellschaft jedenfalls bis zur vollständigen Beendigung der Liquidation als aktiv und passiv parteifähig anzusehen.

2. Solange der rechtliche Status der Restgesellschaft ungeklärt ist, kann zu ihrer Vertretung ein Pfleger bestellt werden.


Gründe:

erteilt das Oberlandesgericht Nürnberg - 13. Zivilsenat - durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Steckler, Richterin am Oberlandesgericht Graf und Richter am Oberlandesgericht Bauer am 10.08.2007 folgenden

I. Hinweis:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Zwischenurteil des Landgerichts Ansbach vom 27.04.2007 (Az HK O 860/03) mangels Erfolgsaussicht gemäß § 522 Abs.2 ZPO zurückzuweisen.

Die Beklagte hat weder neue berücksichtigungsfähige Tatsachen vorgetragen (§ 529 Abs.1 Nr. 2 ZPO), noch konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellung des Landgerichts begründen würden (§ 529 Abs.1 Nr. 1 ZPO). Es ist daher von dem im angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Sachverhalt auszugehen.

Dieser rechtfertigt weder eine andere Entscheidung, noch ist eine Rechtsverletzung vorgetragen, auf der die erstinstanzliche Entscheidung beruhen würde (§ 513 Abs.1 ZPO).

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klägerin gemäß § 50 ZPO als parteifähig anzusehen und durch die vom Amtsgericht Bruchsal bestellte Pflegerin ordnungsgemäß vertreten, § 53 ZPO. Die Klägerin ist im Prozess durch wirksam bevollmächtigte Rechtsanwälte vertreten.

1.) Die Klägerin ist für diesen Rechtsstreit als aktiv und passiv parteifähig anzusehen.

a) Das Gesellschaftsstatut juristischer Personen, die wie die Klägerin nach dem Recht eines anderen EG-Mitgliedsstaates gegründet wurden, aber im Inland ihren tatsächlichen Verwaltungssitz haben, bestimmt sich im Rahmen der durch Art. 43 und 48 EGV garantierten Niederlassungsfreiheit nach dem Recht des Gründungsstaates. Dies ist aufgrund der Entscheidungen des EuGH in Sachen "Überseering" (NJW 2002, 3614) und "Inspire Art" (NJW 2003, 3331) auch in der nationalen Rechtsprechung zwischenzeitlich anerkannt (vgl. BGH NJW 2003,1461; NJW 2004, 3706; NJW 2005, 1648).

Das Personalstatut der Klägerin, die zwar in Deutschland ihren Verwaltungssitz hatte, die aber nach englischem Recht durch Eintragung in das englische Gesellschaftsregister am 21.06.2002 als "N & B L" gegründet worden ist, ist danach dem englischen Recht zu entnehmen. Das so ermittelte Gesellschaftsstatut entscheidet sowohl über die Wirksamkeit der Gründung, als auch über den Umfang und den Fortbestand der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft (vgl. Palandt-Heldrich, EGBGB, 66. Aufl., Anh. zu Art. 12, Rdn. 10-18).

Nach dem insoweit maßgeblichen englischen Recht ist die Klägerin als Limited aufgrund der Löschung im englischen Gesellschaftsregister des Companies House erloschen. Die Löschung hat konstitutive Wirkung, das heißt, die Limited als solche wurde durch die Löschung aufgelöst und hörte auf, zu existieren. Das Erlöschen der Limited ist grundsätzlich auch im Inland zu beachten. Die Beendigung (dissolution) einer Gesellschaft aufgrund Löschung im Gesellschaftsregister hat nach englischem Recht zur Folge, dass etwaiges Vermögen der Gesellschaft im Wege der Legalokkupation nach sec. 654 CA 1985 auf die englische Krone übergeht. Davon wird jedoch nach dem Territorialitätsprinzip nur das in England belegene Vermögen der Gesellschaft umfasst, nicht jedoch etwaiges Auslandsvermögen.

b) Da diese Rechtslage zwischen den Parteien unstreitig ist und in Übereinstimmung steht mit der von der Klagepartei vorgelegten Bestätigung des "Treasury Solicitor" vom 8.05.2006 (Anlage K14) und den allgemein zugänglichen Fundstellen in der Literatur (vgl. z.B. Schall, DStR 2005,1229; Happ/Holler, DStR 2004, 730; Schulz, NZG 2005, 415; Süß, DNotZ 2005, 180; Borges, IPRax 2005,134), bedarf es keiner weiteren Ermittlung des englischen Rechts (Zöller/Geimer, ZPO, 26. Aufl., § 293 Rdn 14 ff).

c) Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind Werklohnansprüche der Klägerin aus einem in Deutschland geschlossenen Werkvertrag mit der in Deutschland ansässigen Beklagten über Rohbauarbeiten an einem in Deutschland errichteten Wohnhaus. Soweit der Klägerin dieser Anspruch zusteht, handelt es sich somit um Auslandsvermögen der Klägerin. Auf diese Ansprüche ist gemäß Art. 28 Abs.1 EGBGB deutsches Recht anzuwenden.

d) Nach ganz überwiegender Auffassung, der sich auch der Senat anschließt, bleibt trotz der Löschung und Auflösung der Limited in England die Gesellschaft in Deutschland als "Restgesellschaft" fortbestehen, solange sie in Deutschland noch Vermögen besitzt, das ansonsten keinem Rechtsträger zugeordnet werden kann (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 18.3.1974, NJW 1974, 1627; Happ/Holler, DStR 2004, 730; Knütel, RIW 2004, 503; Schulz, NZG 2005, 415; Süß, DNotZ 2005, 180; Borges, IPRax 2005,134, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Die Grundsätze zur Rest- und Spaltgesellschaft wurden vom Bundesgerichtshof für Fälle von im Ausland enteigneten Gesellschaften entwickelt (vgl. BGHZ 20, 4; 25,134; 29, 320; 32, 256: 33,195; 38, 36; 56, 66) und können aufgrund der vergleichbaren Problematik auch in Fällen des Erlöschens der Gesellschaft im Ausland bei vorhandenem Restvermögen im Inland herangezogen werden.

Würde man das Fortbestehen der Klägerin als Restgesellschaft verneinen, wäre ihr im Inland befindliches Vermögen "herrenlos". Derartig verselbständigte Vermögenseinheiten sind jedoch dem deutschen Recht unbekannt, worauf das OLG Stuttgart (a.a.O.) zutreffend hingewiesen hat (so auch Münchener Kommentar/Kindler, Kommentar zum BGB, Internationales Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Rdn. 985). Eine Zuordnung des Inlandsvermögens zu einem Rechtssubjekt wird nur möglich, wenn man vom Fortbestand der Restgesellschaft bis zur völligen Beendigung der Liquidation ausgeht. Dadurch geht das Inlandsvermögen auch nicht auf einen anderen Rechtsträger über, sondern Rechtsträger bleibt die als Restgesellschaft fortbestehende Klägerin (so auch Borges, IPRax 2005,134).

Dadurch wird auch ein Schutz der Gläubiger der gelöschten Limited bewirkt, da ihnen so ein Zugriff auf das inländische Restvermögen der Limited ermöglicht wird. Der Gläubigerschutz wird auch vom Bundesgerichtshof bei der Konstruktion der Rechtsfigur der Restgesellschaft hervorgehoben (vgl. BGH NJW 1961, 22/23).

e) Etwas anderes folgt auch nicht aus den Entscheidungen des Amts- und Landgerichts Duisburg (AG Duisburg, Beschl. v. 14.10.2003, NZG 2003, 1167 mit Kritik von Werner in MDR 2005,1033; LG Duisburg, Beschl. v. 20.02.2007, ZIP 2007, 926-928). Zwar wird in diesen Entscheidungen der im Gesellschaftsregister gelöschten Limited die Insolvenzfähigkeit abgesprochen, da die Löschung dazu führe, dass die Gesellschaft aufhöre, zu existieren. Beiden Fällen gemeinsam war jedoch, dass die jeweilige Limited kein verteilungsfähiges Gesellschaftsvermögen mehr besaß und sich daher die Frage nach dem Fortbestand einer Restgesellschaft als Inhaberin des Restvermögens nicht stellte.

f) Wenn danach die so definierte Restgesellschaft Inhaberin des verbliebenen Inlandsvermögens ist, kann ihr die Rechtsfähigkeit und damit auch die Parteifähigkeit nach § 50 ZPO nicht abgesprochen werden. Dieses Ergebnis entspricht auch dem in der Rechtsprechung anerkannten Grundsatz, dass eine erloschene juristische Person solange als parteifähig anzusehen ist, als ihr nach dem Parteivortrag im betreffenden Rechtsstreit noch vermögensrechtliche Ansprüche zustehen (vgl. BGHZ 48, 303; 75, 178; BGH, ZIP 1994, 1887; BGH NJW-RR 1995, 329). Auch im Insolvenzrecht gelten sowohl juristische Personen, als auch Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit selbst noch nach Löschung im jeweiligen Register so lange als insolvenzfähig, als noch verteilbares Vermögen vorhanden ist (vgl. Münchener Kommentar/Ott, InsO, 1. Aufl., § 11 Rdn.71 m.w.N.).

2.) Die Klägerin wird durch die Pflegerin ordnungsgemäß vertreten, § 53 ZPO.

Das Amtsgericht Bruchsal hat mit Beschluss vom 29.01.2007 Frau Rechtsanwältin M T zur Pflegerin für die in Deutschland bestehende Restgesellschaft für das in Deutschland belegene Restvermögen der N & B L bestellt.

Rechtsgrundlage der Pflegerbestellung ist § 1913 BGB. Bei der Pflegschaft für unbekannte Beteiligte handelt es sich um eine Personal Pflegschaft, die im Gegensatz zu § 1911 BGB auch auf juristische Personen anwendbar ist (allgemeine Meinung, vgl. z.B. Staudinger/Bienwald, BGB, Neubearbeitung 2006, § 1913 Rdn.1; Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 2. Aufl., § 1913, Rdn.1; Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl., § 1913 Rdn.1).

Die Klägerin ist hier "Beteiligte" im Sinne von § 1913 BGB, da im vorliegenden Rechtsstreit zu klären ist, ob ihr noch Ansprüche zustehen. Dabei ist - wie der Zwischenstreit zeigt - der rechtliche Status der Klägerin nach der Löschung im Gesellschaftsregister ungewiss. Auch eine bestehende Ungewissheit aus Rechtsgründen rechtfertigt die Bestellung eines Pflegers gemäß § 1913 BGB (Jauernig/Berger, BGB, 11. Aufl., § 1913 Rdn. 3; OLG Düsseldorf, OLGZ 76, 385).

Die Anwendbarkeit des § 1913 BGB wird gerade auch für die Fälle bejaht, in denen eine durch Hoheitsakt eines ausländischen Staates aufgelöste juristische Person mit Sitz in diesem Staat in Deutschland Vermögen hat und für dieses Vermögen die Gesellschaft in Deutschland als fortbestehend zu erachten ist (Münchener Kommentar/Schwab, BGB, 4. Aufl., § 1913 Rdn.6 unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, BayObLGZ 1956, 440).

Das Fürsorgebedürfnis im Sinne des § 1913 BGB ergibt sich hier aus den Vermögensinteressen der Restgesellschaft. Durch die Fliegerbestellung wird es ihr ermöglicht, die behaupteten Ansprüche im vorliegenden Rechtsstreit weiter zu verfolgen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Löschung der Limited im englischen Gesellschaftsregister am 23.03.2004 erst nach Rechtshängigkeit der Klage am 27.11.2003 erfolgte und durch die Pflegerbestellung eine längerfristige Verfahrensunterbrechung nach § 241 ZPO vermieden werden konnte.

3.) Die Prozessvollmacht, die den Rechtsanwälten E von der Klägerin vor ihrer Löschung im Gesellschaftsregister erteilt worden ist, wirkt gemäß § 86 ZPO bis zur Beendigung des Rechtsstreits fort. Im Übrigen hat auch die wirksam bestellte Pflegerin ausweislich der im Original vorgelegten Prozessvollmacht vom 12.02.2007 (Anl. K11) die Rechtsanwälte E wirksam zur Prozessvertretung bevollmächtigt, § 80 Abs. 1 ZPO.

Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil erfordern, beabsichtigt der Senat, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Der Senat regt daher zur Kostenersparnis die Rücknahme der Berufung an.

Ende der Entscheidung

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