Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 18.04.2002
Aktenzeichen: 13 U 4136/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 633 Abs. 3 a.F.
BGB § 637 Abs. 3 n.F.
BGB § 158 Abs. 2
BGB § 389
BGB § 209 Abs. 2 Nr. 3 a.F.
ZPO § 511 a.F.
ZPO § 511 Abs. 1 n.F.
1. Die erfolgreiche Nachbesserung durch den Unternehmer ist auflösende Bedingung des werkvertraglichen Vorschußanspruches gegen ihn. Erfolgt die Nachbesserung nach der Aufrechnung des Vorschußanspruches gegen den Werklohnanspruch, lebt letzerer wieder auf, wobei nach dem Rechtszustand bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts eine neue Verjährungsfrist zu laufen beginnt.

2. Wird die Klage auf Zahlung des Werklohns wegen der Aufrechnung mit einem Vorschußanspruch abgewiesen und beseitigt der Kläger nach Urteilserlaß die Mängel, so ist seine danach eingelegte Berufung unzulässig, wenn sie lediglich darauf gestützt wird, der Werklohnanspruch sei wegen der Nachbesserung neu entstanden.


Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

13 U 4136/01

Verkündet am 18. April 2002

In Sachen

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Walther und die Richter am Oberlandesgericht Steckler und Huprich aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7.3.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29.10.2001 wird als unzulässig verworfen; die Klage bleibt unter Aufhebung des Vollstreckungsbescheides des Amtsgerichts Neustadt/Aisch vom 01.07.1999 (Az.: 1 B 619/99} abgewiesen.

II. Soweit die Klägerin die Berufung gegen das vorbezeichnete Endurteil im Umfang ihrer Verurteilung zur Zahlung von 103.800,-- DM samt Zinsen beschränkt hat, ist sie des Rechtsmittels verlustig.

III. Die Beklagte trägt in bezug auf den Vollstreckungsbescheid die Kosten ihrer Säumnis; die übrigen Kosten des Rechtsstreits - beider Rechtszüge - trägt die Klägerin.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluß:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt bis zum 22.3.2002 58.185,02 Euro, ab 23.3.2002 5.112,92 Euro.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F. abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Klägerin richtet sich nur noch gegen die Abweisung ihrer Klage auf Zahlung restlichen Werklohns von 10.000,-- DM (= 5.112,92 Euro). Die Berufung gegen die Verurteilung zur Zahlung von 103.800,-- DM (= 53.072,10 Euro) auf die Widerklage hat sie mit Zustimmung des Beklagten wirksam zurückgenommen (§ 515 Abs. 1 ZPO a.F.). Den Verlust des Rechtsmittels im Umfang der Berufungsbeschränkung spricht der Senat aus (§ 515 Abs. 3 S. 2 ZPO a.F.).

Die Berufung der Klägerin ist, (auch) soweit sie aufrechterhalten wird, unzulässig. Weil das Landgericht versehentlich in Ziffer I des Tenors seines Endurteils nur den Vollstreckungsbescheid aufhob, stellt der Senat klar, daß die Klage abgewiesen bleibt.

1. Ausgehend von einer unstreitigen Forderung der Klägerin in Höhe von 10.000,-- bejaht das Landgericht in Höhe von 9.000,-- DM die Wirksamkeit einer Aufrechnung mit einem Vorschußanspruch wegen der Mängel am Pflaster. Auch nach Ansicht der Klägerin bestand ein Vorschußanspruch jedenfalls in dieser Höhe. Die Aufrechnung mit einem Vorschußanspruch ist möglich und damit wirksam (BGHZ 54, 244 = NJW 1970, 2019; BGH NJW-RR 1989, 406 = LM § 633 BGB Nr. 74; Palandt-Sprau, BGB, 61. Aufl., § 633 Rn. 9).

Dieser Vorschußanspruch steht allerdings unter der auflösenden Bedingung der Nachbesserung durch den Auftragnehmer. Eine auflösende Bedingung hindert indes die Aufrechnung nicht (OLG Celle OLGZ 1972, 275; OLG Karlsruhe NJW 1994, 593; Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 387 Rn. 11). Bei auflösender Bedingung tritt im Falle des Bedingungseintritts ipso jure der frühere Rechtszustand wieder ein (Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 158 Rn. 2). Der Eintritt der Bedingung hat damit keine rückwirkende Kraft. Das folgt aus § 158 Abs. 2 BGB. Die Forderung der Klägerin lebte also bei Bedingungseintritt in Höhe von 9.000,-- DM ex. nunc wieder auf (Staudinger-Gursky, BGB, 13. Aufl., § 387 Rn. 111; MünchKomm-Schlüter, BGB, 4. Aufl., § 387 Rn. 36). Diese Nachbesserung ist dem Klagevortrag zufolge nach Erlaß des Ersturteils und vor Einlegung der Berufung erfolgt.

Somit ist mit der Vornahme der Nachbesserung und damit nach Erlaß des Urteils die Aufrechnung unwirksam geworden, so daß ab diesem Zeitpunkt der Werklohnanspruch in Höhe von 9.000,-- DM wieder besteht. Die Klägerin zieht mithin die Richtigkeit des Urteils nicht in Zweifel, was die Wirksamkeit der Aufrechnung in Höhe von 9.000,-- DM betrifft; sie macht nur geltend, daß nunmehr wieder ihr Anspruch entstanden sei. Dann greift sie aber nicht die Beschwer an, die mit dem Ersturteil verbunden ist.

Sie macht vielmehr einen neu entstandenen Anspruch geltend bzw. einen neuen Lebenssachverhalt als Entstehungsgrund, nämlich die nunmehr erfolgte Nachbesserung.

Die Berufung ist allerdings nur dann zulässig, wenn der Berufungskläger die Beschwer infolge des erstinstanzlichen Urteils beseitigen will. Eine Berufung ist hingegen unzulässig, wenn sie die erstinstanzliche Klageabweisung gar nicht in Zweifel zieht, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, bisher nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Eine Änderung der Klage im Berufungsverfahren kann nicht allein das Ziel des Rechtsmittels sein, sondern setzt dessen Zulässigkeit voraus. Zwar bleibt der Werklohnanspruch derselbe; aber er wird auf einen neuen Entstehungsgrund gestützt und damit auf einen neuen Lebenssachverhalt. Nach der prozessrechtlichen Auffassung vom Streitgegenstand im Zivilprozeß wird mit der Klage nicht ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch geltend gemacht; Gegenstand des Rechtsstreits ist vielmehr der eigenständige prozessuale Anspruch, der bestimmt wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger geltend gemachte Rechtsfolge konkretisiert, und durch den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Zum Klagegrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen Betrachtungsweise aus der Sicht der Parteien zum Sachverhalt gehören, den der Kläger mit seinem Vortrag zur Begründung seines Begehrens der gerichtlichen Entscheidung unterbreitet (BGH NJW 1999, 2118 = LM § 263 ZPO 1976 Nr. 32). Dieser wird hier dadurch geprägt, daß mit der Nachbesserung ein tatsächlich erloschener Vergütungsanspruch wieder entstanden ist (BGH NJW 2001, 226 = LM § 519 ZPO Nr. 148). Dazu paßt, daß die Berufungsbegründung ergeben muß, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist, und aus welchen Gründen der Berufungskläger die tatsächliche und rechtliche Würdigung des vorinstanzlichen Urteils für unrichtig hält (BGH NJW 2000, 1576 = LM § 519 ZPO Nr. 146).

Die Verjährungsfrist insoweit beginnt mit der Neuentstehung des Anspruchs, zumal die Geltendmachung der Aufrechnung die Verjährung unterbrochen hatte (§ 209 Abs. 2 Nr. 3 BGB a.F.).

2. Auch soweit sich die Klägerin gegen die Aberkennung von weiteren 1.000,-- DM wegen erfolgter Aufrechnung mit einem (streitigen) Aufwendungsersatzanspruch nach Mängelbeseitigung wendet, ist die Berufung unzulässig.

Denn insoweit ist die Berufungssumme von 1.500,-- DM nicht erreicht (§ 511 a ZPO a.F.). Da die Berufung nämlich im übrigen unzulässig ist, ist eine Addition der Beschwerdewerte nicht möglich.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 344, 515 Abs. 3 Satz 1 ZPO a.F..

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n.F. nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

Zurück