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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 27.06.2002
Aktenzeichen: 13 U 451/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 675
Zur Haftung wegen Verletzung der Pflichten aus einem stillschweigend zustandegekommenen, den Kauf einer gebrauchten Immobilie betreffenden Beratungsvertrag (Steuersparmodell).
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

13 U 451/02

Verkündet am 27. Juni 2002

In Sachen

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Walther, die Richterin am Oberlandesgericht Walther und den Richter am Oberlandesgericht Steckler aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17.12.2001 wird zurückgewiesen.

II. Das vorbezeichnete Urteil wird im Hinblick auf die Klagebeschränkung wie folgt neu gefaßt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 73.230,75 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit 1.1.2001 zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Übertragung des im Grundbuch von P, Blatt 14832, eingetragenen Miteigentumsanteils von 51/1.000 verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung im Erdgeschoss samt Keller mit der Nr. K 2, im Aufteilungsplan bezeichnet mit Nr. W 2.

2. Es wird festgestellt, daß die Beklagte gegenüber den Klägern verpflichtet ist, sämtliche nach dem 31.12.2000 entstehenden Kosten im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Finanzierung der Eigentumswohnung in P S zu ersetzen.

3. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern sämtliche bei einer vorzeitigen Tilgung des bei der H aufgenommenen Darlehens-Nr. 200 426 5540 - 001, nunmehr geführt unter der Darlehens-Nr. 7426 55401, entstehenden Kosten wie z.B. Vorfälligkeitsentschädigungen zu ersetzen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger 12 % und die Beklagte 88 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Beschluß:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt bis zur Klagebeschränkung im Senatstermin vom 27.6.02

95.855.42 Euro.

danach

83.456,59 Euro.

Tatbestand:

Die Kläger machen gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche geltend wegen Falschberatung anläßlich des Erwerbs einer nahezu vollfinanzierten Immobilie zum Zwecke der Steuerersparnis.

Im Sommer 1996 wurden die Kläger, die Klägerin zu 1) eine damals 25 Jahre alte Sekretärin und der Kläger zu 2) ein 26-jähriger Kraftfahrer, die bis dahin noch niemals Immobilien- oder Anlagegeschäfte getätigt hatten, auf einem Parkplatz in El von Werbern der Beklagten angesprochen und in der Folgezeit mehrmals zu Beratungsgesprächen aufgesucht. Die Kläger verfügten seinerzeit über ein Gesamtnettoeinkommen von ca. 5.000,-- DM.

Die Beratung führte dazu, daß sich die Kläger entschlossen, zur Steuerersparnis eine fast vollständig finanzierte Eigentumswohnung in den neuen Bundesländern zu erwerben. Hierzu waren ihnen, zugeschnitten auf ihre persönlichen Verhältnisse und das zu erwerbende Objekt, ein Berechnungsbeispiel (Anlage K 2) sowie eine "Rentabilitätsberechnung Immobilie-Bank" (Anlage K 3) übergeben und erläutert worden.

Die Kläger kauften schließlich mit notariellem Vertrag vom 06.12./20.12.1996 von der Beklagten die streitgegentständliche Eigentumswohnung zu einem Gesamtkaufpreis von 139.608,-- DM (Anlage 10). Desweiteren schlossen sie am 27.05.1997 mit der D einen Verwaltervertrag über das Gemeinschaftseigentum (Anlage K 4) und einen Mietgarantievertrag mit Mietverwaltungsvertrag über das Sondereigentum (Anlage K 5).

Zur Finanzierung des Kaufpreises nahmen die Kläger am 27.01./19.02.1997 bei der damaligen H ein Darlehen auf, und zwar eine sogenannte Baufinanzierung, d.h. ein Darlehen mit Bausparvertrag über jeweils 136.000,-- DM (Anlagen K 11, K 12).

Im Zusammenhang mit dem Erwerb des Objekts hatten die Kläger insgesamt Ausgaben von 181.663,78 DM, gerechnet bis 31.12.2000, in Form von Zahlungen an die H, Kaufpreiszahlungen an die Beklagte, Zahlungen an die Hausverwaltung, Kosten der Mietgarantie sowie Nebenkosten des Erwerbs (Notarkosten, Kosten der Grundschuldbestellung, sonstige Vertragskosten sowie Grunderwerbssteuer und Grundsteuer), Anlagen K 6 und K 14 bis K 25.

Dem standen Mieteinnahmen bzw. Einnahmen aus der Mietgarantie von insgesamt 14.186,88 DM gegenüber.

Der Saldo zwischen Ausgaben und Einnahmen macht somit 167.476,90 DM aus.

Für die Jahre 1997 bis 2000 hatten die Kläger tatsächliche Steuerersparnisse in Höhe von insgesamt 24.250,-- DM (Anlagen K 32 bis K 36).

Die Kläger haben die Ansicht vertreten, die Beklagte sei ihnen zum Schadensersatz, wegen Verletzung eines zusätzlich zu dem Kaufvertrag zustandegekommenen Beratungsvertrages verpflichtet. Die Beklagte müsse sich das Verhalten ihrer Werber zurechnen lassen. Das Berechnungsbeispiel und die Rentabilitätsberechnung enthielten schwerwiegende Fehler und seien unvollständig. So fehlten etwa die Kosten der Verwaltung des Gemeinschafts- und des Sondereigentums. Die Angaben zu den bis zum Jahre 2015 erzielbaren Mieten, die eine Mietsteigerung von ca. 3,5 % jährlich zugrundelegten, seien völlig unrealistisch und damit ins Blaue hinein aufgestellt. Dies gelte auch für die in der Rentabilitätsberechnung angegebene durchschnittliche Wertsteigerung des Objekts von 4 %.

Wären sie zutreffend aufgeklärt worden, hätten sie sich auf das Immobiliengeschäft nicht eingelassen.

Die Kläger sehen ihren Schaden in den saldierten Ausgaben und Einnahmen in Höhe von 167.476,90 DM per 31.12.2001, mit dessen Ersatz Zug um Zug gegen Rückübertragung der streitgegenständliche Immobilie sich die Beklagte seit spätestens 01.01.2001 in Verzug befinde. Für das Jahr 2001 und später könne der weiter bis zur Rückabwicklung entstehende Schaden noch nicht beziffert werden.

Die Kläger haben daher beantragt, wie folgt zu erkennen:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 167.476,90 DM nebst 9,26 % Zinsen hieraus seit 1.1.2001 Zug um Zug gegen Übertragung des im Grundbuch von P Blatt 14832, eingetragenen Miteigentumsanteil von 51/1.000 verbunden mit Sondereigentum an der Wohnung im Erdgeschoss samt Keller mit der Nr. K 2, im Aufteilungsplan bezeichnet mit Nr. W 2, zu zahlen.

II. Es wird festgestellt, daß die Beklagte gegenüber den Klägern verpflichtet ist, sämtliche nach dem 31.12.2000 entstehenden Kosten im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Finanzierung der Eigentumswohnung in P, zu ersetzen.

III. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern sämtliche bei einer vorzeitigen Tilgung des bei der H aufgenommenen Darlehens-Nr. 200 426 5540 - 001, nunmehr geführt unter der Darlehens-Nr. 7426 55401, entstehenden Kosten wie z.B. Vorfälligkeitsentschädigungen zu ersetzen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat darauf verwiesen, es handele sich hier um einen Fall von Kaufreue. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch seien nicht gegeben. Sie habe selbst mit dem Vertrieb der streitgegenständlichen Immobilie im Prinzip nichts zu tun gehabt, sondern dies einem Herrn P M überlassen, der seinerseits die Untervermittlung einer Firma C übertragen habe. Mit etwa falschen Angaben habe sie deshalb nichts zu tun. Ein Anlageberatungsvertrag sei nicht zustandegekommen.

Wegen des weiteren Sachverhalts, des beiderseitigen Parteivorbringens und der gestellten Anträge wird gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte am 17.12.2001 ohne Beweisaufnahme antragsgemäß verurteilt.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:

Zwischen den Klägern und der Beklagten sei bei Sachlage zweifellos ein zum Kaufvertrag hinzutretender Beratungsvertrag geschlossen worden. Die Beklagte habe ihr nicht näher bekannte Personen mit der Vermittlung ihres Immobilienbestandes beauftragt und die Einschaltung weiterer Hilfspersonen toleriert. Diese seien als ihre Erfüllungsgehilfen anzusehen. Das von ihnen vorgelegte Berechnungsbeispiel sei ganz auf die zu erwerbende Eigentumswohnung und die persönlichen Verhältnisse der Kläger zugeschnitten und stelle nicht nur eine unverbindliche Auskunft bzw. Prognose dar, denn es habe als Grundlage für eine wesentliche Entscheidung der Kläger mit weitreichenden wirtschaftlichen Folgen gedient, zumal auch die Immobilie fast voll finanziert werden sollte.

Die Beklagte habe fahrlässig gegen die ihr deshalb obliegende Pflicht zur wahrheitsgemäßen, sorgfältigen und vollständigen Beratung verstoßen: So habe sie nicht auf die Unsicherheit des in dem Berechnungsbeispiel sich stets steigernden Mietertrags hingewiesen. Es fehle auch ein Teil der zwingend anfallenden Nebenkosten des Unterhalts der Eigentumswohnung wie z.B. Verwaltungskosten, Instandhaltungsrücklage und die Kosten der Mietgarantie. Die in der Rentabilitätsberechnung enthaltene Wertsteigerung der Wohnung von 4 % jährlich sei im Jahr 1996 nicht mehr haltbar gewesen.

Die Vermittlungsperson hätte auch erkennen können und müssen, daß die erteilten Auskünfte in dem Berechnungsbeispiel insgesamt unvollständig, irreführend und damit unzutreffend gewesen seien. Die Beklagte habe den Klägern somit den ihnen entstandenen Schaden zu ersetzen, weil sie, wären sie ordnungsgemäß aufgeklärt worden, von dem Kauf der Immobilie abgesehen hatten und die im Zusammenhang mit dem Geschäft entstandenen Kosten und Nebenkosten nicht angefallen wären. Da die Kläger noch nicht alle Schadenspositionen einstellen könnten, seien auch die Feststellungsanträge begründet.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihren Prozeßbevollmächtigten am 08.01.2002 zugestellte Endurteil hat die Beklagte am 07.02.2002 Berufung eingelegt. Ihre Berufungsbegründung ist am 22.04.2002 bei Gericht eingegangen, nachdem die Frist hierfür am 08.03.2002 bis zu diesem Tag verlängert worden war.

Die Beklagte hält das landgerichtliche Urteil für fehlerhaft. Sie, die Beklagte, gehe davon aus, daß selbstverständlich über die Tatsache, daß nach Ablauf der Mietgarantie sich die Miete nach oben und nach unten bewegen könne, ebenso, daß es sich bei der Rentabilitätsberechnung um Annahmen handele, gesprochen worden sei. Sie bestreitet das Zustandekommen eines Beratungsvertrages. Es sei vielmehr Sache der Erwerber gewesen, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Fachberatern, zu überprüfen, ob der geschuldete Gesamtaufwand im angemessenen Verhältnis zum Wert des zu erwerbenden Objekts stand. Die Werber A und R seien hier als Makler aufgetreten; das Berechnungsbeispiel hätten sie sogar von einer dritten Firma, dem I, erholt.

Im Termin vom 27.06.2002 haben die Kläger mit Zustimmung der Beklagten die Klage in Höhe eines Teilbetrages von 24.250,-- DM (Steuerersparnis) zurückgenommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17.12.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen und zudem nach Aufhebung des Urteils den Rechtsstreit an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kläger wiederholen und vertiefen ihren Sachvortrag erster Instanz. Ergänzend tragen sie vor, die Vordrucke für das erstellte persönliche Berechnungsbeispiel stamme nicht von einer C sondern von der Beklagten selbst. Diese habe drucktechnisch identische Berechnungsbeispiele als Blankovorlagen den Vermittlern für die Beratung überlassen.

Eine Beweisaufnahme hat auch im Berufungsverfahren nicht stattgefunden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie bleibe indes ohne Erfolg.

I.

Die Klage ist zulässig, auch hinsichtlich der beiden Feststellungsanträge.

Der anspruchsbegründende Sachverhalt befindet sich, solange die Rückabwicklung von Kauf- und Darlehensverträgen nicht beendet ist, noch in der Entwicklung, so daß ein Schadensersatzanspruch derzeit nicht endgültig beziffert werden kann. Deshalb können die Kläger nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ihre Klage in einen Leistungs- und einen Feststellungsantrag aufspalten (BGH NJW 84, 1552, 1554; VersR 91, 788, 789). Dabei sind sie auch nicht gezwungen, später zur Leistungsklage überzugehen, wenn das abschnittsweise im Verlaufe des Prozesses möglich wird.

II.

Die Leistungsklage, soweit hierüber nach teilweiser Klagerücknahme hinsichtlich der Steuerersparnis noch zu entscheiden war, und die Feststellungsklage sind auch in vollem Umfange begründet. Den Klägern ist durch die der Beklagten zuzurechnende schuldhafte Verletzung eines Beratungsvertrags ein Vermögensschaden entstanden, den sie ersetzt verlangen können.

1. Unzweifelhaft ist zwischen den Parteien ein besonderer, zum Werkvertrag hinzutretender Beratungsvertrag zustandegekommen. Es stellt sich hier deshalb nicht die Frage, ob für die Anwendung des Rechtsinstituts der culpa in contrahendo Raum wäre. Das könnte fraglich sein; denn nur auf Fahrlässigkeit beruhende unzutreffende Erklärungen des Verkäufers, die sich auf zusicherungsfähige Eigenschaften der Kaufsache beziehen, begründen mit Rücksicht auf das Gewährleistungsrecht, das Schadensersatz nur bei Nichteinhaltung einer Zusicherung oder bei arglistigem Verschweigen eines Fehlers vorsieht, keinen Ersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluß. Der steuerliche Vorteil in seinen objektgebundenen Voraussetzungen ist aber eine zusicherungsfähige Eigenschaft des Kaufobjekts; das ist beispielsweise bei der AfA der Fall.

2. Ein besonderer Beratungsvertrag kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zustande, wenn der Verkäufer im Rahmen eingehender Vertragsverhandlungen und auf Befragen des Käufers einen ausdrücklichen Rat erteilt. Dabei steht es einem auf Befragen des Käufers erteilten Rat gleich, wenn der Verkäufer als Ergebnis intensiver Vertragsverhandlungen ein Berechnungsbeispiel über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs vorlegt, das der Förderung der Vermittlung des Geschäfts dienen soll (BGH NJW 1999, 638, 639; 2001, 2021). Die Verletzung einer solchen Beratungspflicht begründet eine Haftung des Verkäufers auch dann, wenn sich sein Verschulden auf Angaben über zusicherungsfähige Eigenschaften der Kaufsache bezieht und nur auf Fahrlässigkeit beruht.

Intensive Verhandlungen hat es hier unzweifelhaft gegeben, und den Klägern ist auch ein Berechnungsbeispiel über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs vorgelegt worden. Es ist rechtlich ohne Bedeutung, ob die Kläger sich an die Firma C wandten, sich zuerst an einem Immobilienfond beteiligen wollten und sodann um die Realisierung des Kaufs einer Eigentumswohnung baten. Es ist ferner rechtlich ohne Bedeutung, ob dann die Herren R und A von sich aus Verbindung zur Beklagten aufnahmen. Entscheidend ist nämlich, daß die Beklagte bzw. ihr Angestellter M keinen Kontakt mit den Klägern hatte, sondern den genannten Zeugen M R A und B bei den Verhandlungen mit den Klägern freie Hand und sie einverständlich die wesentlichen Vertragsverhandlungen führen ließ. Dies genügt, um die Zeugen selbst dann als Erfüllungsgehilfen der Beklagten anzusehen, wenn sie als Makler tätig gewesen sein sollten. Weil jedenfalls einer der benannten Zeugen das Berechnungsbeispiel den Klägern übergab und erläuterte, steht fest, daß der Zeuge auf diese Weise einen Beratungsvertrag zwischen den Parteien als Bevollmächtigter der Beklagten zustandebringen konnte und auch zustandegebracht hat. Die individuelle Beratung der Kläger - die unzweifelhaft erfolgte - war eine wesentliche Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluß der Verkaufsbemühungen. Dies genügt für die Annahme einer stillschweigenden Bevollmächtigung des Maklers zum Abschluß des Beratervertrages und für die Kundgabe seines Willens, die Beratung für die Beklagte als Verkäuferin zu übernehmen und auszuführen (BGH MJW 1999, 638, 639; 2001, 2021, 2022). Es kommt mithin auch nicht darauf an, ob der Vortrag der Kläger zutrifft, wonach die Beklagte Formulare für Berechnungsbeipiele, die drucktechnisch identisch sind, gleichsam ausgegeben, nämlich den Vermittlern für die Beratung überlassen hat.

3. Die Beratung war in mehrfacher Hinsicht schuldhaft falsch:

a) Die Beklagte erweckte den - wie sie wußte - unrichtigen Eindruck, die Wohnung sei bereits vermietet und die monatliche Kaltmiete betrage 388,-- DM. Diese Angaben folgen nämlich unzweideutig und unmißverständlich aus dem Berechnungsbeispiel (Anlage K 2, S. 5). In Wahrheit war die Wohnung zum damaligen Zeitpunkt nicht vermietet. Die Erstvermietung erfolgte unstreitig erst zum 01.09.1998.

Es liegt indes auf der Hand, daß für den Käufer einer Wohnung, der diese nahezu ohne Einsatz von Eigenkapital erwirbt, von ausschlaggebender Bedeutung ist, ob er die Zinsen des zur Kaufpreisfinanzierung aufgenommenen Kredits jedenfalls zum Teil aus den Mieteinnahmen des Kaufobjekts tilgen kann. Das gilt erst recht dann, wenn die Käufer in beengten wirtschaftlichen Verhältnissen leben und wenn - wie hier - höchstwahrscheinlich die Ehefrau des Klägers zu 2) wegen der Geburt eines Kindes zunächst aus dem Erwerbsleben ausscheiden muß.

b) Seitens der Beklagten wurde die Höhe der als sicher zu erwartenden Ausgaben schuldhaft zu gering angesetzt, wenn nicht gar verschleiert, um die Kläger in Sicherheit zu wiegen und so zum Vertragsschluß zu verleiten.

Das leicht zu ermittelnde, jedenfalls unschwer zu prognostizierende Wohngeld fand kaum Berücksichtigung. Eine realistische Instandhaltungsrücklage vor allem in bezug auf das Gemeinschaftseigentum ist nicht angesetzt. Wenn - wovon die Beklagte in Widerspruch zu ihrem erstinstanzlichen Vortrag auszugehen scheint - doch von einer Mietgarantie die Rede war, hätten deren Kosten als Ausgaben berücksichtigt werden müssen, was schuldhaft nicht geschah.

c) Die von der Beklagten angenommene dauerhafte Steigerung der Miete um jährlich 3,49 % (Anlage K 2 S. 7) ist aus der Luft gegriffen und eine Angabe "ins Blaue hinein". Daß sich die Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt im Laufe der Jahre grundlegend ändern konnten/ mußte offengelegt werden, zumal - wie hier - das Vorhaben (nahezu) ganz fremdfinanziert wurde und die Mieteinnahmen für die Zinszahlungen zu einem erheblichen Teil vorgesehen waren (BGH NJW 2000, 3275, 3276). Die Verletzung der Aufklärungs- und Beratungspflicht entfällt nicht bereits deshalb, weil dem pauschalen Vortrag der Beklagten zufolge über die Möglichkeit gesprochen worden sein soll, daß nach Ablauf der Mietgarantie "sich die Miete nach oben und nach unten bewegen" könne (Bl. 143 d.A.), daß es sich um eine "Prognose" handele, "die nicht unbedingt eintreffen muß", daß sich also die Miete "nach Ablauf des Garantiezeitraumes ändern kann" (Bl. 148 d.A.). Die Beklagte hätte nämlich überhaupt davon absehen müssen, in ihrem schriftlichen Berechnungsmodell eine jährliche Mietsteigerung von 3,49 % auszuweisen, denn auch aus ihrer Sicht lag auf der Hand, daß der potentielle Kunde sich bei seiner Kaufentscheidung an dem schriftlichen Zahlenwerk orientieren, diesem also die maßgebliche Bedeutung zumessen wird, daß hingegen - zumal allgemein gehaltene - Hinweise auf die Unsicherheit der Prognose nach Beendigung des Beratungsgespräches in der Erinnerung verblassen, sich gleichsam verflüchtigen.

d) Nichts anderes gilt für die sich unzweifelhaft auf die streitgegenständliche Wohnung beziehende Angabe zur jährlichen Wertsteigerung von durchschnittlich 4 % in der Rentabilitätsberechnung (Anlage K 3), zumal die altersbedingte Wertminderung völlig unberücksichtigt blieb.

4. Die Kläger hätten bei ordnungsgemäßer Beratung, mithin bei zutreffenden Hinweisen auf das Fehlen von Mieteinnahmen, auf die tatsächliche Höhe der zu erwartenden Ausgaben und auf die Fragwürdigkeit der Annahmen zur künftigen Miethöhe und zum Immobilienwert, von dem Kauf der Eigentumswohnung abgesehen. Jedenfalls steht das Gegenteil nicht fest. Wer vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt, ist indes darlegungs- und beweispflichtig dafür, daß der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, der Geschädigte also auch bei wahrheitsgemäßer Belehrung den Vertrag so wie geschehen abgeschlossen hätte. Zwar besteht die Kausalitätsvermutung nur für aufklärungsrichtiges Verhalten, weshalb sie voraussetzt, daß es für den anderen Teil - hier die Kläger - vernünftigerweise nur eine bestimmte Möglichkeit der Reaktion auf die Aufklärung gibt und die Möglichkeit eines Entscheidungskonfliktes ausscheidet. Hier fehlt aber für die Möglichkeit eines Entscheidungskonflikts jeder Anhaltspunkt. Die Einkommensverhältnisse der Kläger zum Zeitpunkt des Beratungsgespräches vor Vertragsschluß bewegten sich nicht in einem Umfang, der es ihnen vernünftigerweise ermöglicht hätte, über die Tilgungslasten hinaus noch weitere, mehr als geringfügige Belastungen aus dem Wohnungserwerb zu übernehmen (BGH NJW 2001, 2021, 2022). Zudem standen mit der Geburt eines Kindes Änderungen bevor, die sich auf die Lebensführung der Kläger erheblich auswirken konnten und "finanzielle Abenteuer" gleichsam ausschlossen.

5. Mit dem Abschluß des Kaufvertrages erwuchs den Klägern unzweifelhaft ein Schaden. Der Vermögensschaden liegt hier schon darin, daß sie in ihren Vermögensdispositionen beeinträchtigt sind. Wird jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluß eines Vertrages gebracht, den er sonst nicht geschlossen hätte, kann er auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögens schaden erleiden, daß die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist. Hier sieht auch die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluß als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig an. Unstreitig war der Immobilienerwerb subjektiv nicht sinnvoll, weil er die sonstige Lebensführung der Kläger nachhaltig beeinträchtigte, deren finanzielle Mittel begrenzt sind. Die Wohnung steht zudem leer, weshalb die Steuerersparnis allein die Unkosten der Kläger nicht decken kann (BGH NJW 1998, 302, 304; 898, 899).

6. Weil ein Schaden vorliegt, verlangen die Kläger mithin zu Recht, so gestellt zu werden, wie wenn sie vom Vertragsschluß abgesehen hätten.

Die Schadenshöhe, wie sie die Kläger mit dem Leistungsantrag bis 31.12.2000 berechnet haben, ist nicht bestritten, ebensowenig die auf die Kläger noch zukommenden Zahlungsverpflichtungen aus dem Erwerb des Objekts und einer etwaigen vorzeitigen Tilgung der zur Finanzierung aufgenommenen Darlehen (Feststellungsanträge).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n.F. nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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