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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 26.01.2004
Aktenzeichen: 13 W 227/04
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 13 Abs. 1
BRAGO § 13 Abs. 2
BRAGO § 13 Abs. 2 S. 1
BRAGO § 13 Abs. 5 S. 2
BRAGO § 16 Abs. 2 S. 2
BRAGO § 37
ZPO § 91 Abs. 2
Eine neue Angelegenheit gemäß § 13 Abs. 5 S. 2 BRAGO liegt nicht vor, wenn zwar das gerichtliche Verfahren mehr als 2 Jahre geruht hat und deshalb der bis dahin entstandene Honoraranspruch nach § 16 Abs. 2 S. 2 BRAGO fällig geworden war, der Auftrag des Anwalts aber während des Ruhens des Verfahrens eine außergerichtliche Fortsetzung der Tätigkeit erfordert hat.
13 W 227/04

Nürnberg, den 26.1.2004

In Sachen

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 13. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 07.10.2003 im Umfang der Anfechtung aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten insoweit sowie über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin hat dem Grunde nach Erfolg, da das Landgericht zu Unrecht die Kosten zweier Rechtsanwälte als zu erstatten festgesetzt hat.

Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit erstattungsfähig, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Anwalts ein Wechsel eintreten mußte. Letzterer Fall liegt unstreitig nicht vor. Es kommt daher darauf an, wie hoch die Kosten bei Beauftragung nur eines Anwalts gewesen wären.

Nach Ansicht des Beklagten, der das Landgericht gefolgt ist, sollen die Anwaltsgebühren infolge des Ruhens des Verfahrens seit 15.12.1999 und der Wiederaufnahme am 15.08.2002 gemäß § 13 Abs. 5 Satz 2 BRAGO ein weiteres Mal angefallen sein, so daß sich der zwischenzeitlich vorgenommene Anwaltswechsel nicht gebührenerhöhend ausgewirkt habe. Das trifft nicht zu.

Es ist zwar richtig, daß der Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 15.12.1999 ein vorläufiges Ende gefunden hatte, weil keine weiteren prozeßfördernden Maßnahmen des Gerichts erfolgen sollten und Termin erst auf Antrag einer Partei bestimmt werden sollte. Der Prozeß wurde auch erst mit Schriftsatz vom 14.08.2002 weiterbetrieben, so daß die Vergütung der damals beauftragten Anwälte gemäß § 16 Satz 2 3. Alternative BRAGO drei Monate nach der Verhandlung vom 15.12.1999 fällig wurde.

Allerdings können die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal gefordert werden (§ 13 Abs. 2 BRAGO) und es erhält ein Rechtsanwalt, der in einer Angelegenheit tätig war, bei späterer Beauftragung mit weiterer Tätigkeit in derselben Angelegenheit nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vorneherein mit der gesamten Tätigkeit beauftragt worden wäre (§ 13 Abs. 5 Satz 1 BRAGO).

Die Ausnahme des § 13 Abs. 5 Satz 2 BRAGO, wonach die weitere Tätigkeit in der Sache als neue Angelegenheit gilt, wenn zwischen der Erledigung der früheren Tätigkeit und dem Ansinnen des Mandanten, weiter tätig zu werden, eine Zeit von mehr als zwei Kalenderjahren verstrichen ist, liegt nicht vor.

Der Auftrag der Prozeßbevollmächtigten des Beklagten war nicht auf die Vertretung in der mündlichen Verhandlung beschränkt. Die - auch abgerechneten - Gebühren des § 31 Nrn. 1 bis 3 BRAGO gelten alle in dem Rechtszug anfallenden Tätigkeiten ab, soweit für diese nicht besondere Gebühren vorgesehen sind oder es sich um ein als besondere Angelegenheit bezeichnetes Verfahren handelt. Von der Abgeltung erfaßt sind also etwa auch außergerichtliche Vergleichsverhandlungen (§ 37 Nr. 2 BRAGO) oder die Prüfung von eingeholten Privatgutachten auf ihren Inhalt und dessen Folgen für die Durchsetzung des prozessualen Begehrens oder einen angestrebten Vergleichsabschluß.

Die Rechtspflegerin des Landgerichts durfte daher den Vortrag der Klägerin dazu, welche Tätigkeiten im Rahmen des ihm erteilten Auftrags der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten zwischen dem Verhandlungstermin vom 15.09.1999 und dem Fortsetzungsantrag im Schriftsatz vom 14.08.2002 entwickelt hat, nicht unberücksichtigt lassen, weil deren Ausübung zu dem erteilten Prozeßauftrag des Anwalts gehörte.

Daß nicht allein auf die rein prozeßbezogene Tätigkeit abgestellt werden kann, entspricht auch dem Sinn der gesetzlichen Regelung. Denn der mit dem Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 in § 13 Abs. 5 eingefügte Satz 2 sollte den für die vollkommene Neueinarbeitung erforderlichen Aufwand des Anwalts berücksichtigen, wenn zwischen dem vorläufigen Ende der beauftragten Tätigkeit und deren späterer Fortsetzung ein langer Zeitraum liegt, während dessen sich der Anwalt nicht mit der Angelegenheit befassen mußte (vgl. Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, 15. Aufl. § 16 Rdnr. 93). Erfordert der Auftrag eine außergerichtliche Fortsetzung der Tätigkeit während einer längeren Verfahrenspause, muß sich der Rechtsanwalt für die Fortführung des gerichtlichen Verfahrens nicht völlig neu einarbeiten. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen weiter ergibt, ändert daran § 16 Satz 2 BRAGO nichts, denn diese Bestimmung stellt keine Regelung des Inhalts der anwaltlichen Tätigkeit dar, sondern eine bloße Fälligkeitsbestimmung für das bis dahin angefallene Honorar. Zu Recht weist die Klägerin deshalb darauf hin, daß bereits in dem Tatbestand des Urteils - bindend - festgestellt ist, daß zwischen September 1999 und September 2002 zwischen den damaligen Prozeßbevollmächtigten der Parteien umfangreiche Korrespondenz und auch mündliche Besprechungen stattgefunden haben (Urteil, Seite 2 = Bl. 310 d.A.), dies, weil sich die Parteien ausweislich des Terminsprotokolls vom 15.09.1999 einig waren, vor weiteren prozeßleitenden Maßnahmen zunächst das Gutachten des Privatsachverständigen H abzuwarten und dieses zu prüfen. Schon das steht der Annahme der Vorausetzungen des § 13 Abs. 5 Satz 2 BRAGO entgegen, weil die anwaltliche Tätigkeit nicht mit dem 15.9.99 beendet war.

Darüberhinaus hat der Zeuge ... auch bekundet, daß er als damaliger Prozeßbevollmächtigter des Beklagten nach dem Verhandlungstermin im Herbst 1999 zunächst Tätigkeiten zur Vorlage einer aktualisierten Mängelliste entwickelt habe. Nach einer telefonischen Besprechung im Juni 2000 verfaßte Dl das Schreiben vom 15.06.2000 und es wurde eine Vereinbarung über die Verlängerung der Verjährungszeit zwischen den Prozeßbevollmächtigten der Parteien getroffen. Die Prozeßbevollmächtigten beider Parteien strebten jedenfalls im Jahr 2000 eine Verständigung über die Mängel und sodann eine Gesamtbereinigung an, wie sich auch aus einem weiteren Schreiben des D vom 28.9.2000 und der Aussage des Zeugen ... ergibt, der darüber hinaus noch von einem "großen Gespräch" im April 2002 berichtete. Selbst wenn D aber nach dem Jahr 2000 keine Tätigkeiten in der Sache mehr ausgeübt haben sollte, so liegen doch - selbst ungeachtet des Gesprächs vom April 2002 - jedenfalls keine zwei Kalenderjahre zwischen seiner Tätigkeit im Jahr 2000 und dem Fortsetzungsantrag vom 14.08.2002, so daß die Voraussetzungen des § 13 Abs. 5 Satz 2 BRAGO nicht vorliegen.

Die Rechtspflegerin hat den hierauf abzielenden Vortrag der Klägerin unbeachtet gelassen und sich auch im Rahmen ihres - nicht begründeten - Nichtabhilfebeschlusses damit nicht auseinandergesetzt, so daß an sich ein Fall der Rückgabe zur Nachholung eines ordnungsgemäßen Abhilfeverfahrens vorgelegen hätte (vgl. dazu Senat, Beschluß vom 04.08.2003, Az.: 13 W 2362/03). Gleichwohl entscheidet der Senat die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses insoweit dem Grunde nach selbst und macht lediglich hinsichtlich der im einzelnen noch festzustellenden Höhe des Kostenerstattungsanspruchs von § 572 Abs. 3 ZPO Gebrauch. Damit war auch die Entscheidung über die Pflicht, die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, dem Landgericht zu übertragen.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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