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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 27.04.2009
Aktenzeichen: 14 U 1037/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 314 Abs. 3
BGB § 498 Abs. 1 S. 1
1. Die Kündigung eines Verbraucherdarlehensvertrages durch den Darlehensgeber wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers hat innerhalb angemessener Frist zu erfolgen. Bei der einzelfallabhängigen Bestimmung dieser Frist ist § 626 Abs. 2 BGB weder direkt noch entsprechend anzuwenden.

2. In der Zahlungsaufforderung, die der Kündigung vorauszugehen hat, muss der im Fall der Kündigung fällige Restschuldbetrag nicht beziffert werden.


Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES

Az.: 14 U 1037/08

Verkündet am 27.4.2009

In dem Rechtsstreit

wegen Darlehensrückzahlung

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg -14. Zivilsenat- durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Rebhan, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Wißmann und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Hotzberger auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2009 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Ansbach vom 8.5.2008 abgeändert.

II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 22.132,39 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.1.2007 sowie weitere Zinsen bis 9.1.2007 in Höhe von 940,36 € und 11,12 € vorgerichtliche Kosten zu bezahlen.

III. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des von der Klägerin aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 22.132,39 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die klagende Bank verlangt von den Beklagten die Rückzahlung eines Verbraucherdarlehens.

Die Beklagten schlossen im März 2003 mit der Klägerin einen Verbraucherdarlehensvertrag. Danach sollten die Beklagten die Gesamtverpflichtung in Höhe von 39.552,58 € in 72 Monatsraten zurückzahlen. Nachdem die Beklagten mit mehr als zwei aufeinander folgenden Teilzahlungen in Höhe von insgesamt 1675,05 € in Rückstand geraten waren und dieser Ratenrückstand 5% des Darlehensbetrages überschritt, forderte die Klägerin die Beklagten mit Schreiben vom 6.4.2006 zur Ausgleichung des Gesamtrückstandes binnen zwei Wochen auf und wies darauf hin, dass andernfalls das Darlehen gekündigt und die gesamte Restschuld verlangt werde. Den Restschuldbetrag wiesen die Schreiben vom 6.4.2006 nicht aus. Zahlungen der Beklagten gingen bei der Klägerin weiter nicht ein. Mit Schreiben vom 6.6.2006 an die Beklagten kündigte die Klägerin das Darlehen. Die Hauptforderung der Klägerin gegenüber den Beklagten belief sich am 6.6.2006 auf 22.132,39 €.

Mit Endurteil vom 8.5.2008 hat das Landgericht Ansbach die Klage der Klägerin auf Zahlung von 22.132,39 € nebst Zinsen und Kosten abgewiesen, da die Kündigung des Darlehens verspätet erfolgt und daher unwirksam sei. Gegen das Endurteil vom 8.5.2008, auf das wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen wird, hat die Klägerin Berufung eingelegt.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Kündigung des Darlehens nach erfolgloser Zahlungsaufforderung innerhalb angemessener Frist erfolgt sei. Hilfsweise stützt sie sich auf eine gleichartige Zahlungsaufforderung mit Schreiben vom 30.4.2008 und eine Darlehenskündigung vom 10.6.2008 (Höhe der Hauptforderung: 24.570,53 €). Weiterhin hilfsweise verlangt die Klägerin die ohne wirksame Kündigung bis einschließlich Mai 2008 aufgelaufenen Kreditraten von 15.392,65 €.

Die Klägerin beantragt:

1. Das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 08.05.2008 wird abgeändert.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 22.132,39 € nebst

a) Verzugszinsen bis 9.1.2007 in Höhe von 940,36 €

b) weitere Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins p.a. aus 22.132,39 € seit 10.1.2007 und

c) 11,12 € vorgerichtliche Kosten zu bezahlen.

Hilfsweise:

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 24.570,53 € nebst

a) Verzugszinsen bis 9.6.2008 in Höhe von 1.502,61 €

b) weitere Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins p. a. aus 24.570,53 € seit 10.6.2008 zu bezahlen.

Weiterhin hilfsweise:

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 15.392,65 € nebst

a) Verzugszinsen bis 7.5.2008 in Höhe von 1.384,07 €

b) weitere Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins p.a aus 15.392,65 € seit 8.5.2008

zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagten meinen, dass die von der Klägerin ausgesprochenen beiden Darlehenskündigungen unwirksam seien, da sie jeweils nicht innerhalb angemessener Frist ausgesprochen worden seien. Außerdem führe bereits das Fehlen der Angabe des Restschuldbetrags im Kündigungsfall in den vorausgegangenen Zahlungsaufforderungen zur Unwirksamkeit der Kündigungen. Die ohne die Kündigungen offenen Darlehensraten könnten im Berufungsverfahren von der Klägerin nicht geltend gemacht werden, da insoweit eine unzulässige Klageänderung vorliege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist bereits hinsichtlich des Hauptantrags begründet.

1. Die Beklagten sind gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB zur Zahlung von 22.132,39 € verpflichtet, da die Klägerin den Darlehensvertrag mit Schreiben vom 6.6.2006 wirksam gemäß § 498 Abs. 1 S. 1 BGB gekündigt hat.

1.1 Die Kündigung vom 6.6.2006 erfolgte rechtzeitig, nachdem die mit Schreiben vom 6.4.2006 gesetzte Zahlungsfrist um den 23.4.2006 abgelaufen war.

§ 626 Abs. 2 BGB ist hier nicht anzuwenden, da es sich bei dieser starren Ausschlussfrist um eine Sonderregelung für Dienstverträge handelt, die sich nicht auf andere Vertragsverhältnisse übertragen lässt (BGH, Urteil vom 26.09.1996, Az. I ZR 194/95, BGHZ 133, 331 ff., Rn. 30 u. 43 nach juris). Dies gilt auch für Darlehensverträge (BGH, Beschluss vom 12.7.1984, Az. III ZR 32/84, WM 1984, 1273, Rn. 3 nach juris). Vielmehr ist § 314 Abs. 3 BGB heranzuziehen (vgl. auch § 490 Abs. 3 BGB), der die Einhaltung einer im Einzelfall festzulegenden angemessenen Frist verlangt und gerade nicht auf § 626 Abs. 2 BGB Bezug nimmt. Hiermit ist nicht vereinbar, § 626 Abs. 2 BGB trotzdem zum Maßstab oder als Anhaltspunkt für die Angemessenheit heranzuziehen (so Staudinger/Kessal-Wulf, Neubearbeitung 2004, § 498 BGB Rn. 23 und OLG Köln, Urteil vom 21.7.1999, Az. 11 U 21/99, VersR 2001, 1118/1119, Rn. 14 nach juris). Unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) kommt es auf die Umstände des Einzelfalls und darauf an, ob infolge zögerlichen Verhaltens des Kündigenden schutzwürdige Belange des Kündigungsgegners beeinträchtigt sind, etwa weil dieser auf den unveränderten Fortbestand des Darlehensvertrages vertraut hat und vertrauen durfte (OLG Dresden, Urteil vom 29.8.2006, Az. 8 U 1112/06, Rn. 3 u. 4 nach juris und Staudinger/Kessal-Wulf, aaO). Dem Darlehensgeber ist daher bis zum Ausspruch der Kündigung in der Regel nicht nur eine Bedenkzeit von wenigen Tagen zuzubilligen (so aber Münchener Kommentar/Schürnbrand, 5. Aufl., § 498 BGB Rn. 21).

Im hier vorliegenden Fall hat die Klägerin nach Ablauf der Zahlungsfrist bis zum Ausspruch der Kündigung einen Zeitraum von sechs bis sieben Wochen in Anspruch genommen. Dies war angemessen. Die Beklagten, die weiter keinerlei Zahlungen an die Klägerin geleistet hatten, hatten bis zum Erhalt der Kündigung keinerlei Anlass, auf deren Unterbleiben zu vertrauen. Sie haben auch gar nicht geltend gemacht, ein solches Vertrauen entwickelt zu haben. Die Beeinträchtigung von schutzwürdigen Belangen der Beklagten durch die bis zur Kündigung verstrichene Zeit scheidet also aus.

1.2 In der der Kündigung vorausgegangenen Zahlungsaufforderung muss nicht der im Fall der Kündigung fällige Restschuldbetrag beziffert werden. Dem Wortlaut von § 498 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB kann ein solches Erfordernis nicht entnommen werden. Wenn der Gesetzgeber es hätte aufstellen wollen, hätte er es - davon ist auszugehen - in die Vorschrift mit einer unschwer möglichen klaren Formulierung aufgenommen. Der Darlehensgeber ist also nicht zu einer u. U. komplizierten Berechnung der Restschuld bei noch bestehender Ungewissheit, ob es überhaupt zur Kündigung kommt, gezwungen (OLG Köln, Urteil vom 21.7.1999, Az. 11 U 21/99, VersR 2001, 1118/1119, Rn. 10 u. 11 nach juris; OLG Oldenburg, Urteil vom 2.6.2003, Az. 15 U 29/03, DAR 2003, 460/461, Rn. 5 nach juris; Staudinger/Kessal-Wulf, Neubearbeitung 2004, § 498 BGB Rn. 18) Soweit das OLG Düsseldorf in einem Urteil vom 17.01.1995 (Az. 24 U 81/94, WM 1995, 1530, 1532) zur gleich lautenden Vorschrift im Verbraucherkreditgesetz in einem nicht entscheidungserheblichen obiter dictum eine andere Ansicht vertreten hat, geschah dies ohne weitere Begründung und mit der einschränkenden Formulierung, dass "(aber streitig) wohl zusätzlich die im Kündigungsfall verlangte Restschuld zu benennen" sei. Dass auch diese Information für den Verbraucher wünschenswert sein mag, darf nicht zu einer Gesetzesauslegung zum Nachteil des Darlehensgebers führen, die sich "nicht unmittelbar zwingend aus dem Wortlaut der Norm" ergibt (so aber Leube NJW 2007, 3240, 3242).

2. Der Zinsanspruch und der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen {Rücklastschrift-) Kosten beruhen auf §§ 280 Abs. 1 u. 2, 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1,100 Abs. 4 S. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Der Senat kommt unter 11.1.1 anhand der Rechtsprechung des BGH zu einem einzelfallbezogenen Ergebnis. Unter 11.1.2 wird lediglich von einem obiter dictum einer älteren obergerichtlichen Entscheidung im Einklang mit jüngeren Urteilen zweier Oberlandesgerichte abgewichen.

Ende der Entscheidung

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