Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 06.04.2009
Aktenzeichen: 14 U 2071/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt
Wer im Rahmen eines nach dem Schneeballsystem organisierten sittenwidrigen Schenkkreises Geld zur umgehenden Weitergabe an andere Personen erhält, wird dadurch nicht zum zur Rückzahlung verpflichteten Bereicherungsschuldner.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES

Az.: 14 U 2071/08

Verkündet am 6.4.2009

In dem Rechtsstreit

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg -14. Zivilsenat- durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Rebhan, die Richterin am Oberlandesgericht Weinland und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Holzberger auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16.03.2009 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten zu 2 wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 9.10.2008 abgeändert.

II. Auch die gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Klage wird insgesamt abgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt die Rückzahlung von Geld, das er in einen nach dem Schneeballsystem organisierten sittenwidrigen "Schenkkreis" investiert hat.

Der Kläger sowie die vormalige und inzwischen verstorbene Beklagte zu 1 einerseits und der Kläger sowie der Beklagte zu 2 andererseits unterzeichneten unter dem 7.11.2006 jeweils als "Belegungsvereinbarung" bezeichnete Formulare. Danach bildeten der Kläger "als Sponsor" und die Beklagte zu 1 bzw. der Beklagte zu 2 "als Befüller" jeweils "ein Team". Der Kläger sollte jeweils "den Betrag von 10.000 € zur Verfügung" stellen. Die Beklagte zu 1 beziehungsweise der Beklagte zu 2 sollten "die Befüllung des Teamplatzes mit Kontakten im Wert von 20.000 €" übernehmen. Wegen des weiteren Inhalts der Formulare wird auf die Anlagen K 1 und K 2 Bezug genommen. Ebenfalls unter dem 7.11.2006 unterzeichneten der Kläger und die Beklagte zu 3 ein mit "Chartteilnehmererklärungen" überschriebenes Formular. Auf die Anlage K 3 wird verwiesen.

Im Rahmen einer öffentlichen Beschenkungsveranstaltung im November 2006 am Nockherberg in München händigte der Kläger der Beklagten zu 1 und der jetzigen Ehefrau des Beklagten zu 2 jeweils 10.000 € in bar aus, die nach Aufteilung in Teilbeträge von jeweils 2500 € die Beklagte zu 3 und der Sohn der Beklagten zu 2 und 3 aus einer früheren Ehe zu gleichen Anteilen erhielten. Der Beklagte zu 2 war dabei nicht anwesend.

Mit Endurteil vom 9.10.2008 hat das Landgericht Nürnberg - Fürth den Beklagten zu 2 verurteilt, an den Kläger 10.000 € nebst Zinsen hieraus zu bezahlen, und die Klage gegen die Beklagte zu 3 abgewiesen. Die Verurteilung des Beklagten zu 2 begründet das Landgericht damit, dass dieser als Leistungsempfänger von 10.000 € anzusehen sei, weil der Kläger ihm diese in Erfüllung des Belegungsvertrages habe zuwenden wollen. Der Austausch des Beklagten zu 2 durch seine Ehefrau habe die Vertragsverhältnisse nicht geändert. Wer letztlich im Rahmen der Schenkungsveranstaltung konkret die Geldscheine erhalten habe, sei unerheblich.

Der Beklagte zu 2 hat gegen das genannte Endurteil Berufung eingelegt. Der Beklagte zu 2 macht geltend, dass er keinerlei Leistung des Klägers erhalten habe. Der Kläger habe nie im Sinn gehabt, das Vermögen des Beklagten zu 2 um 10.000 € zu mehren. Auch aus der Belegungsvereinbarung ergebe sich nichts anderes. Der Kläger habe vielmehr das Geld der Ehefrau des Beklagten zu 2 - nicht ihm selbst - mit der eindeutigen Zweckrichtung übergeben, dieses an Dritte weiterzureichen. Der Beklagte zu 2 beantragt,

unter Abänderung des am 9. Oktober 2008 erlassenen Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth (Az.: 3 O 6620/07) die Klage gegen den Beklagten zu 2 abzuweisen.

Der Kläger beantragt:

Die Berufung des Beklagten zu 2 wird zurückgewiesen.

Der Kläger meint, dass auf den nicht abgeänderten schriftlichen Belegungsvertrag abzustellen sei. Er bestreitet, dass bei der Hingabe des Geldes offensichtlich gewesen sei, dass dieses nicht dem Beklagten zu 2 zukommen solle. Die Argumentation des Beklagten zu 2 führe zu einem zu verhindernden Erfolg der gezielten Verwirrungshandlungen der Beklagten als Teilnehmer und Initiatoren des Schenkkreises.

III.

Die zulässige Berufung des Beklagten zu 2 ist begründet. Ein allein in Betracht kommender Anspruch des Klägers auf Leistungskondiktion aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB besteht gegen den Beklagten zu 2 nicht, da dieser durch die Leistung des Klägers nichts erlangt hat.

1. Für die Ermittlung des Leistungsempfängers kommt es auf die der Zuwendung gegebene Zweckbestimmung, also darauf an, welchen Zweck die Beteiligten nach ihrem zum Ausdruck gekommenen Willen verfolgt haben. Stimmen die Vorstellungen der Beteiligten nicht überein, ist eine objektive Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers geboten. Maßgeblich ist also, wie eine vernünftige Person in der Lage des Empfängers die Zuwendung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste und durfte (BGH, Urteil vom 6.11.2008, Az. III ZR 120/08, Rn. 7, zitiert nach juris). Danach ist der Beklagte zu 2 nicht Empfänger der seiner Ehefrau vom Kläger übergebenen 10.000 €.

Zum einen kann eine Leistung an seine Ehefrau nicht ohne weiteres dem Beklagten zu 2 zugerechnet werden. Hierzu fehlt es seitens des Klägers an einem schlüssigen und substantiierten Sachvortrag. Er macht lediglich pauschal geltend, dass die Ehefrau als Vertreterin des Beklagten zu 2 gehandelt habe. Ihr entsprechendes Auftreten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, worauf der Kläger hinweist, lässt aber keinerlei Rückschlüsse auf eine gleiche Funktion bei der Jahre zurückliegenden Beschenkungsveranstaltung zu.

Zum anderen hat auch die Ehefrau des Beklagten zu 2 nach dem unstreitigen Ablauf in der Beschenkungsveranstaltung das Geld vom Kläger nur erhalten, um es umgehend an andere Personen weiterzugeben. Eine Mehrung ihres Vermögens oder des Vermögens ihres Ehemannes war daher darin nicht zu sehen. Auch aus der "Belegungsvereinbarung" ergibt sich nichts anderes.

Dieser kann nicht entnommen werden, dass der "Sponsor" an den "Befüller", mit dem er ein "Team" bilde, zahlen solle. Dies kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass unter bestimmten Umständen über den "Befüller" wieder Geld an den "Sponsor" zurückfließen sollte. Auch die Möglichkeit, die Vereinbarung "zu lösen", wenn der "Befüller" "nicht in der Lage" sei, "die erforderlichen Kontakte einzubringen", besagt nichts darüber, dass der vom "Sponsor" "zur Verfügung" gestellte Betrag Bestandteil des Vermögens des "Befüllers" werden solle.

Eine Vernehmung der vom Kläger angebotenen Zeugin war nicht erforderlich. Die damit in der Berufungserwiderung unter Beweis gestellte Behauptung, der Kläger habe bei der Geldhingabe in Erfüllung der nicht abgeänderten Belegungsvereinbarung handeln wollen, ist unerheblich und kann als richtig unterstellt werden. Soweit die Zeugin gemäß dem Schriftsatz der Klägervertreter von 27.3.2009 bekunden soll, dass eine Leistung an den Beklagten zu 2 und nicht an andere Personen vorlag, handelt es sich um eine dem Zeugenbeweis nicht zugängliche Rechtsfrage.

2. Dem Begehren des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 16.3.2009 auf Einräumung einer Schriftsatzfrist war nicht zu entsprechen (§ 139 Abs. 5 ZPO). Es waren keinerlei neue Gesichtspunkte aufgetreten, die nicht Gegenstand der Berufungsbegründung gewesen wären, zu der der Kläger bereits Stellung genommen hatte. Darüber hinaus hat der Kläger noch einen am 27.3.2009 eingegangenen Schriftsatz eingereicht, den der Senat bei seinen Erwägungen uneingeschränkt berücksichtigt hat.

IV.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO}. Der Rechtsstreit wirft keine ungeklärten Rechtsfragen auf. Entscheidend ist eine einzelfallbezogene Würdigung von Tatsachen.

Ende der Entscheidung

Zurück