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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 25.10.2005
Aktenzeichen: 2 St OLG Ss 150/05
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB 47 Abs. 1 |
2. a) Bei der gem. § 47 Abs. 1 StGB notwendigen Gesamtbetrachtung von Handlungs- und Erfolgsunwert kann ein Weniger an Erfolgsunrecht (Beutewert) durch ein Mehr an Handlungsunrecht (Neigung zu einschlägigen Taten, Nichtbeachtung diverser einschlägiger Strafen, Tatbegehung in laufender Bewährungszeit kurz nach letzter Verurteilung zu Freiheitsstrafe wegen gleichartiger Tat) ausgeglichen werden.
b) Ein zwingender Ausschluss der Verhängung kurzer Freiheitsstrafen in Fällen der im Gesetz nicht erwähnten Fallgrupe des Diebstahls "absolut geringwertiger Sachen" trägt diesen - auch von Verfassungs wegen gebotenen - Differenzierungen nicht ausreichend Rechnung (Anschluss an BayObLG NJW 2003, 2926).
Oberlandesgericht Nürnberg BESCHLUSS
Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg hat unter Mitwirkung des Richters am Bayerischen Obersten Landesgericht Dr. S Vorsitzendem Richter sowie der Richter am Oberlandesgericht B und Prof. Dr. J
in dem Strafverfahren
gegen
W DP
wegen Diebstahls
am 25. Oktober 2005
einstimmig beschlossen:
Tenor:
I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg Fürth vom 19. April 2005 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Revisionsführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Nürnberg hat den Angeklagten am 8. Februar 2005 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat und zwei Wochen verurteilt.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt, die das Landgericht Nürnberg - Fürth am 19. April 2005 mit der Maßgabe verworfen hat, dass der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt wird; die weitergehende Berufung des Angeklagten wurde ebenso wie die auf das Strafmaß beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft verworfen.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Die zulässig eingelegte (§ 341 Abs. 1 StPO) und begründete (§§ 344, 345 Abs. 2 StPO) Revision hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist wirksam auf den - gesamten - Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden.
Der Angeklagte hat in seiner zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegebenen Revisionsbegründung vom 20. Juni 2005 die "Revision auf das Strafmaß" und "insbesondere darauf" beschränkt, "dass die erkannte Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde". Gleichzeitig hat er allerdings hervorgehoben, die Strafe sei "unverhältnismäßig im Hinblick auf die begangene Tat".
Letzteres steht in Widerspruch zu der Revisionsbeschränkung auf die Frage der Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung, weil bei einer tatsächlich unverhältnismäßigen Strafe der gesamte Rechtsfolgenausspruch aufgehoben werden müsste.
In einem solchen Fall ist die Revisionsbegründung auszulegen (vgl. BGHSt 19, 273, 275; BayObLG VRS 64, 371 f.; Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 344 Rn. 6 a.E.). Ausgangspunkt für diese Auslegung muss - auch in Ansehung des Kosteninteresses des revidierenden Angeklagten - die Regelung des § 300 StPO sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie hier - die Revisionsbegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle angebracht wurde (vgl. BayObLG NStZ-RR 1996, 312). § 300 StPO enthält einen allgemeinen Rechtsgedanken. Danach ist bei prozessualen Willenserklärungen die Erklärung jedenfalls bei einem unverteidigten Angeklagten so zu deuten, dass der erstrebte Erfolg möglichst umfassend eintreten kann (BGHR § 344 Abs. 1 StPO Antrag 2; OLG Köln MDR 1980, 690; OLG Hamburg NJW 1970, 1467, 1468; Ruß in: KK StPO 5. Aufl. § 300 Rn. 2; Meyer-Goßner a.a.O. § 300 Rn. 3).
Die Beschränkung der Revision auf den Rechtsfolgenausspruch ist mithin wirksam, nicht aber die weitergehende Beschränkung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung.
2. Die Nachprüfung des Strafausspruchs hat indes keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt.
a) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht die Unerlässlichkeit der Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe gem. § 47 Abs. 1 StGB begründet.
aa) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Deshalb obliegt ihm auch im Fall des § 47 Abs. 1 StGB die Entscheidung darüber, ob besondere Umstände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Täters die Verhängung einer - obgleich kurzzeitigen - Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Das Revisionsgericht hat auf die Sachrüge jedoch zu überprüfen, ob dem Tatrichter bei dieser Entscheidung Rechtsfehler unterlaufen sind, ob er also etwa einen einschlägigen Rechtsbegriff verkannt hat, von unvollständigen, widersprüchlichen oder unrichtigen Erwägungen ausgegangen ist oder die Grenzen des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums sonst wie überschritten hat (ständige Rspr., vgl. BayObLG NJW 1992, 191).
bb) Die tatrichterlichen Erwägungen halten sich innerhalb dieses Beurteilungsspielraums.
(1) Nach § 47 Abs. 1 StGB darf auf Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur erkannt werden, wenn besondere Umstände in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf ihn oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Solche besonderen Umstände in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen vor, wenn entweder bestimmte Tatsachen die konkrete Tat in einer bestimmten Beziehung aus dem Durchschnitt der praktisch vorkommenden Taten dieser Art herausheben oder wenn bestimmte Eigenschaften und Verhältnisse beim Täter diesen von durchschnittlichen Tätern solcher Taten unterscheiden (ständige Rspr., vgl. BayObLG NStZ-RR 2003, 275, 276; OLG Frankfurt StV 2005, 13; Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 47 Rn. 6). Hält somit der Tatrichter zur Einwirkung auf den Angeklagten eine kurze Freiheitsstrafe für unerlässlich, so muss er an Hand bestimmter Tatsachen darlegen, warum im konkreten Fall jedes andere zulässige Reaktionsmittel die erforderliche Spezialprävention nicht gewährleistet. In diesem Zusammenhang ist eine Gesamtwürdigung aller die Tat und die Persönlichkeit des Täters kennzeichnenden Umstände vorzunehmen. Aus ihr muss hervorgehen, dass auf eine kurze Freiheitsstrafe nicht verzichtet werden kann (Tröndle/Fischer a.a.O. § 47 Rn. 10 m.w.N.).
(2) Das Landgericht hat den fünf einschlägigen Vorverurteilungen des Angeklagten wegen Diebstahls zu Recht eine besondere Bedeutung beigemessen und herausgestellt, dass die letzten drei Verurteilungen ebenfalls Ladendiebstähle betrafen. Auch seine Erwägung, dass sich der Angeklagte noch bis zu einem Zeitpunkt von etwas mehr als zehn Monaten vor Tatbegehung in Strafhaft befand, ist geeignet, die notwendigen Zweifel an der Geeignetheit anderer Reaktionsmittel als der einer kurzen Freiheitsstrafe zu begründen. Dies gilt um so mehr, als der zuzuordnenden Verurteilung zwei ähnliche Taten - Entwendung von alltäglichen Gebrauchsgegenständen zur alsbaldigen Benutzung bzw. zum alsbaldigen Verzehr - zugrunde lagen. Es ist bei dieser Sachlage vertretbar, eine den Angeklagten weniger belastende und dennoch kriminalpolitisch Erfolg versprechende Alternative zur Freiheitsstrafe zu verneinen, insbesondere der Verhängung einer Geldstrafe bei dem bislang völlig unbeeinflussbaren Angeklagten die erforderliche spezialpräventive Wirkung abzusprechen (vgl. BayObLGSt 1988, 109, 111).
(3) Angesichts der hartnäckigen Wiederholungstaten des Angeklagten steht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe nicht entgegen. Auch insoweit ist die Strafzumessung Sache des Tatrichters (vgl. grundsätzlich BGHSt 33, 131, 132; 27, 2, 3). Zwar ist das Revisionsgericht ausnahmsweise dann zum Eingreifen berechtigt und verpflichtet, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein und gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt (BGHSt - GrS - 34, 345, 349; BGHSt 29, 319, 320; 17, 35, 36).
Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich nicht, dass die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe erst ab einer bestimmten Schadenshöhe in Betracht kommt.
(a) Dabei verkennt der Senat nicht, dass in Teilen der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung für im Grundsatz vergleichbare, freilich stets individuelle Besonderheiten aufweisende Bagatelldelikte "unbelehrbarer Wiederholungstäter" unter Verweis auf das verfassungsrechtliche Übermaßverbot Bedenken gegen die Anwendung des § 47 Abs. 1 StGB geltend gemacht werden. Dogmatisch knüpfen diese Entscheidungen an den Begriff der »Unerlässlichkeit« der kurzen Freiheitsstrafe an (zur Entwicklung eingehend Krumm NJW 2004, 328 ff.). Hieran soll es fehlen, wenn die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe wegen eines Bagatelldelikts das Übermaßverbot verletzt. Dies sei dann der Fall, wenn das Tatunrecht aufgrund der Geringwertigkeit des gestohlenen Gutes so wenig wiege, dass die Verhängung einer Freiheitsstrafe selbst dann, wenn der Täter einschlägig vielfach vorbestraft ist, eine unangemessen harte Sanktion darstelle (vgl. OLG Frankfurt StV 2004, 382 f.; OLG Stuttgart NJW 2002, 3188/3189). Von einem gerechten Schuldausgleich könne in einem solchen Fall nicht mehr gesprochen werden (OLG Braunschweig NStZ-RR 2002, 75; OLG Karlsruhe NJW 2003, 1825).
(b) Allerdings sind die Maßstäbe, die in diesen Entscheidungen bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit angelegt werden, weder einheitlich noch auf den vorliegenden Fall ohne Weiteres übertragbar.
(aa) Das Gesetz gibt dem Richter für die Ahndung von Diebstählen geringwertiger Sachen einen weiten Strafrahmen an die Hand, der Freiheitsstrafen einschließt. Diebstähle geringwertiger Sachen brauchen auch nicht leicht zu wiegen. Deshalb wird in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass - neben anderen Kriterien -Berücksichtigung finden muss, wenn der Täter die Diebstahlstat ohne Not oder sonstige noch verständliche Beweggründe begeht (vgl. BVerfGE [Beschl. v. 17. Januar 1979 - 2 BvL 12/77] 50, 205, 215). Schon deshalb können etwa die Fälle des Zechbetrugs oder "Mundraubs" (vgl. OLG Braunschweig a.a.O.), die den Diebstahl von Nahrungsmitteln oder Getränken in Selbstbedienungsläden zum alsbaldigen Verzehr betreffen, trotz gleichen Werts der Beute nicht ohne weiteres so behandelt werden wie die Entwendung von Genussmitteln oder - wie hier - einer Tageszeitung. In der notwendigen Gesamtbetrachtung von Handlungs- und Erfolgsunwert kann zudem ein Weniger an Erfolgsunrecht (Beutewert) durch ein Mehr an Handlungsunrecht (Neigung zu einschlägigen Taten, Nichtbeachtung diverser einschlägiger Strafen, Tatbegehung in laufender Bewährungszeit kurz nach letzter Verurteilung zu Freiheitsstrafe wegen gleichartiger Tat) ausgeglichen werden (ebenso: OLG Hamburg NStZ-RR 2004, 72, 73). Auch hat das Bundesverfassungsgericht in dem oben zitierten Beschluss vom 17. Januar 1979 ausdrücklich hervorgehoben, es müsse bei der Entscheidung über die Verhängung von Freiheitsstrafe besonders berücksichtigt werden, wenn der Täter unter der Voraussetzung des Rückfalls (§ 48 StGB a.F.) gehandelt hat (vgl. BVerfGE 50, 205, 215 f.). Die durch Art. 1 Nr. 1 des 23. StrÄndG mit Wirkung zum 1. Mai 1986 (BGBl. I, S. 393) erfolgte Aufhebung der Rückfallsvorschrift kann freilich nicht bedeuten, dass in die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht auch mit besonderem Gewicht einzustellen ist, wenn ein Täter schon mehrfach wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wurde und wegen einer oder mehrerer dieser Taten für einen erheblichen Zeitraum Freiheitsstrafe auch verbüßt hat.
(bb) Die Kategorie des Diebstahls "absolut geringwertiger Sachen" trägt diesen von Verfassungs wegen gebotenen Differenzierungen nicht ausreichend Rechnung. Insoweit wird teilweise befürwortet, bei gewissen Wertgrenzen - in einigen Entscheidungen werden wenige Cent genannt (OLG Stuttgart NJW 2002, 3188, 3189; OLG Hamm StraFo 2003, 99, 100), manchmal auch ein Betrag von 2,50 Euro (OLG Braunschweig NStZ-RR 2002, 75; ebenso: Krumm NJW 2004, 328, 329) - die Verhängung einer Freiheitsstrafe als absolut unvertretbar anzusehen.
Unabhängig davon, dass das Gesetz diesen Begriff nicht kennt und die Bestimmung der Wertgrenze uneinheitlich ist, wird eine solche Schematisierung ohnehin dem Wesen der Strafzumessung nicht gerecht. Dies zeigt bereits der Fall, dass der Täter bei häufigen Beutezügen in Ladengeschäften im Einzelfall die Wertgrenze für die "absolut geringwertige Sache" nicht überschreitet und schon bei Tatbegehung dadurch auf die Verhängung bloßer Geldstrafen spekuliert. Der Schutz des Eigentums an solchen Gegenständen wäre gegenüber solchem hartnäckig gemeinschädlichen Verhalten im Einzelfall unvertretbar beschränkt. Völlig ungeklärt ist zudem, wie bei Gegenständen zu entscheiden sein soll, die überhaupt keinen messbaren objektiven Verkehrswert haben, bei denen es dem Täter aber gerade auf den mit der Sachherrschaft verknüpften Wert funktioneller Möglichkeiten ankommt (vgl. Tröndle/Fischer a.a.O. § 248a Rn. 4).
(cc) Der Senat ist daher im Anschluss an den Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 22. Juli 2003 (NJW 2003, 2926, 2927) der Auffassung, dass es dem Wesen des Prinzips der Verhältnismäßigkeit widerspricht, von einer Anwendung des § 47 Abs. 1 StGB in bestimmten Fallgruppen von Bagatellstraftaten generell abzusehen. Es handelt sich beim Übermaßverbot vielmehr um ein seinem Wesen nach einzelfallbezogenes Korrektiv für hoheitliche Grundrechtseingriffe. Es ist deshalb einer unflexiblen Kategorisierung bereits aus methodischen Gründen nicht zugänglich (vgl. Ossenbühl Maßhalten mit dem Übermaßverbot in: FS-Lerche, 1993, S. 151, 157 f.). Ein genereller Ausschluss der Freiheitsstrafe zu Gunsten der Geldstrafe bei Ladendiebstählen geringwertiger Sachen ist daher nicht anzuerkennen (im Ergebnis ebenso: OLG Hamburg NStZ-RR 2004, 72, 73; OLG Hamm, Beschl, v. 1. Dezember 2003 - 2 Ss 643/03; OLG Celle Beschl, v. 18. August 2003 - 22 Ss 101/03; OLG Stuttgart NJW 2002, 3188 a.E.).
(c) Über die Frage der Entkriminalisierung von Ladendiebstählen im Bagatellbereich hat allein der Gesetzgeber zu befinden (vgl. dazu P.-A. Albrecht [Hrsg.] Rechtsgüterschutz durch Entkriminalisierung. Vorschläge der Hessischen Kommission »Kriminalpolitik« zur Reform des Strafrechts, 1992).
Der geltende § 47 Abs. 1 StGB beruht demgegenüber auf der gesetzgeberischen Wertung, dass die Ziele der Strafrechtspflege die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe insbesondere in denjenigen Fällen notwendig machen können, in denen der Täter durch eine Geldstrafe nicht nachhaltig zu beeinflussen ist oder wo um des Bestandes und der Wahrung der Rechtsordnung willen auf eine Ahndung des Rechtsbruches mit einer Freiheitsstrafe nicht verzichtet werden kann (BVerfGE 28, 386, 390; BVerfG - 2. Kammer des Zweiten Senats -, Beschl. v. 9. Juni 1994 - 2 BvR 710/94). Bei der damit notwendigen Abwägung darf angesichts der Regelung in § 47 Abs. 1 StGB (»Verteidigung der Rechtsordnung«) ausdrücklich auch der Strafzweck der Generalprävention berücksichtigt werden (vgl. BGHSt 24, 40, 44 f.). In diesem Zusammenhang kommt daher auch zum Tragen, dass das Absehen von Freiheitsstrafe als Resignation der Justiz gegenüber unverbesserlichen und immer wieder rückfälligen Straftaten verstanden werden könnte (vgl. BayObLGSt 1988, 109, 111 m. krit. Anm. Köhler XL 1989, 697, 698). Deshalb kann, wenn - wie hier - bei einem Angeklagten eine Häufung von Taten mit geringer Schuld festzustellen ist, ein hartnäckiges rechtsmissbräuchliches und gemeinschädliches Verhalten angenommen werden, das die Verhängung einer auch kurzfristigen Freiheitsstrafe rechtfertigt (so auch OLG Hamm Beschl. v. 1. Dezember 2003 - 2 Ss 643/03).
(4) Die Verhängung einer Freiheitsstrafe gegen den Angeklagten ist damit angesichts seiner vielfachen, überwiegend einschlägigen Vorstrafen unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Die verhängte Strafe übersteigt unter Berücksichtigung der - vom Tatrichter ausdrücklich gewürdigten - geringen Schadenshöhe nicht die Schuld des Täters und verletzt nicht das Gebot schuldangemessenen Strafens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG.
a) Auch die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 1 StGB ist frei von Rechtsfehlern.
aa) Nach § 56 Abs. 1 StGB muss eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn zu erwarten ist, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung selbst zur Warnung dienen lassen und auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Für eine günstige Täterprognose kommt es auf eine im Zeitpunkt der tatrichterlichen Verhandlung zu bejahende Erwartung straffreier, also die Strafgesetze allgemein respektierender künftiger Lebensführung an. Für diese Erwartung muss eine durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit sprechen.
Die dabei anzustellenden prognostischen Erwägungen des Tatgerichts sind durch das Revisionsgericht bis zur Grenze der Vertretbarkeit hinzunehmen (vgl. BayObLG NStZ-RR 2004, 336, 337; BayObLG Beschluss vom 22. Februar 2005 - 4 St RR 218/04). Unerlässlich ist es aber, dass der Tatrichter die wesentlichen, nach Sachlage in seine Entscheidung einzubeziehende Umstände im Urteil darlegt (BayObLG NStZ-RR 2004, 42/43). Hierzu hat er eine erschöpfende individuelle Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen, welche Rückschlüsse auf das künftige Verhalten des Täters zulassen, wobei mit besonderer Sorgfalt vorzugehen ist, wenn der Täter - wie hier - einschlägig oder gewichtig vorbestraft und Bewährungsversager ist (vgl. OLG Nürnberg Beschl. v. 27. Juli 2005 - 2 St OLG Ss 141/05 -, S. 6; BayObLG Urt. v. 25. Mai 2000 - 5 St RR 100/00).
bb) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe gerecht. Die Strafkammer hat die erst am 13. Februar 2004 vollständig verbüßte Strafhaft wegen zweier einschlägiger Eigentumsdelikte in ihre Prognose eingestellt und daraus rechtsfehlerfrei geschlossen, dass Rückfallgeschwindigkeit und Art des verübten Delikts gegen die Erwartung sprechen, der Angeklagte werde sich künftig straffrei führen. Es hat dem den äußerst geringen Wert der Tatbeute gegenübergestellt und dennoch die Gefahr als begründet angesehen, dass der Angeklagte die Strafaussetzung zur Bewährung als ein "unangebrachtes Zurückweichen des Rechtsstaates" missdeuten könnte. Soweit mit dieser - im Hinblick auf das systematische Verhältnis des § 56 Abs. 1 StGB zu Absatz 3 jener Vorschrift nicht unproblematischen - schlagwortartig verkürzenden Formulierung gemeint ist, dass sich die zur Bewährung ausgesetzten Vorverurteilungen bislang nicht zu einer spezialpräventiven Einwirkung auf den Angeklagten als tauglich erwiesen haben und die Sozialprognose nicht zuletzt aus diesem Grund negativ ausfällt, ist auch diese Erwägung frei von Rechtsfehlern.
III.
Die Revision ist daher als unbegründet zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 24.12.2004 gegen 13.30 Uhr entwendete der Angeklagte in den Geschäftsräumen der Firma B, K in N eine, in einem Zeitungsständer vor dem Haupteingang des Buchhauses befindliche Tageszeitung im Wert von 1,30 EURO, um die Ware für sich zu behalten.
Ende der Entscheidung
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