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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 30.08.2006
Aktenzeichen: 2 St OLG Ss 191/06
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 46 Abs. 1 Satz 2 |
2. Die Nichtberücksichtigung stellt einen sachlich-rechtlichen Mangel der Rechtsfolgenbemessung dar.
Oberlandesgericht Nürnberg BESCHLUSS
Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... sowie der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
in dem Strafverfahren
wegen vorsätzlicher Körperverletzung
am 30. August 2006
einstimmig beschlossen:
Tenor:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts R vom 19. Mai 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts R zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht - Jugendgericht - K hat den Angeklagten am 30.1.2006 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt.
Das Landgericht R hat die Berufung des Angeklagten, die dieser auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat, am 19.5.2006 als unbegründet verworfen. Auf die - ebenfalls auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte - Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt wird.
Mit der Revision rügt der Angeklagte die Verletzung des materiellen Rechts.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 SPO) und hat (jedenfalls vorläufigen) Erfolg, da die Strafzumessung Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweist.
1. Die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten waren wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts sind vollständig und bilden eine tragfähige Grundlage für den Schuldspruch und die Rechtsfolgenentscheidung. Nach der wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch waren die Feststellungen zum Sachverhalt bindend und der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen und einer Nachprüfung und eigenen Beurteilung des Landgerichts entzogen.
2. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, der die Verantwortung für die Festsetzung der Rechtsfolgen trägt. Er braucht dabei auch nur die bestimmenden Gesichtspunkte im Urteil anzuführen. Eine erschöpfende Darstellung aller Strafzumessungserwägungen ist nicht erforderlich (BGHSt 24, 268). In Zweifelsfällen ist die Wertung des Tatrichters vom Revisionsgericht zu respektieren. Das Revisionsgericht darf nur eingreifen, wenn die Strafzumessungserwägungen des Urteils in sich rechtsfehlerhaft oder lückenhaft sind oder wenn der Tatrichter die ihm nach § 46 StGB obliegende Pflicht zur Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände verletzt. Dabei kann die Nichtberücksichtigung wichtiger Milderungsgründe einen sachlich-rechtlichen Mangel darstellen (OLG Hamm NStZ-RR 1998, 374; Meyer-Goßner StPO 49. Aufl. § 337 Rdn.34). Das Revisionsgericht prüft auch, ob die verhängte Strafe noch innerhalb des Rahmens liegt, innerhalb dessen sie schon oder noch als gerecht anerkannt werden kann.
Die Strafzumessungsentscheidung des Landgerichts hält einer rechtlichen Überprüfung nach diesen Grundsätzen nicht stand:
a) Die vom Landgericht vorgenommene Zumessung der Strafe verstößt gegen § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB, weil sich das Landgericht nicht mit einem wesentlichen Strafzumessungsgrund auseinandergesetzt hat. Nach dieser Vorschrift sind die Wirkungen, die von" der Strafe für das künftige Leben des Täters zu erwarten sind, zu berücksichtigen. Fehlen im Urteil ausreichende Feststellungen zu derartigen wesentlichen Gesichtspunkten, führt dieser Mangel zur Aufhebung des Strafausspruchs (BGH StV 1983, 456). Der Angeklagte, zur Tatzeit noch Heranwachsender, ist seit dem Abschluss seiner Lehre zum Fertigungsmechaniker als Facharbeiter beschäftigt. Zur Zeit besucht er einen Meisterkurs und hat die erste Prüfung bereits abgelegt.
Nach §§ 4 Nr. 1, 32 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 5a BZRG wäre eine Verurteilung des noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getretenen Angeklagten zu einer Geldstrafe unter 90 Tagessätzen nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen gewesen, wogegen die vom Landgericht verhängte Geldstrafe von 120 Tagessätzen im Führungszeugnis erscheint. Bei Bewerbungen für Arbeitsstellen wird häufig vom Arbeitgeber die Vorlage eines Führungszeugnisses gefordert. Es versteht sich von selbst, dass die beruflichen Chancen eines Bewerbers nicht unerheblich eingeschränkt sind, wenn dem Führungszeugnis die Verhängung einer Vorstrafe entnommen werden kann. Hiermit setzt sich das Urteil nicht auseinander. Gerade bei einer Person, die noch am Beginn ihres Berufsweges steht, müssen in einer Zeit, in der die Arbeitslosigkeit gerade junger Menschen ein ernstes soziales Problem darstellt, derart gravierende Folgen bei der Strafzumessung zwingend in Betracht gezogen werden (vgl. zur Berücksichtigung etwaiger beruflicher Nachteile: BGH NStZ 1981, 342; BGH NStZ 1985, 215; Stree in: Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 46 Rn. 55; Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 46 Rn.8), was hier nicht erfolgt ist.
Das Landgericht hätte sich daher auch ausdrücklich damit auseinandersetzen müssen, weshalb nicht eine Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen ausreichend gewesen wäre, das begangene Unrecht zu sühnen, zumal es eine Vielzahl weiterer Strafzumessungsgründe zu Gunsten des Angeklagten aufgezeigt hat.
b) Strafschärfend führt das Landgericht zudem aus (S.8 vorletzter Absatz BU): "Schließlich musste sich zu Ungunsten des Angeklagten auswirken, dass es nach übereinstimmenden Angaben sowohl des Angeklagten wie auch der Zeugen ... und ... zu Absprachen vor dem Hauptverhandlungstermin beim Amtsgericht K gekommen ist und der Angeklagte dabei an der Entstehung falscher Aussagen zu seinen Gunsten mitgewirkt hat".
Zwar kann das Verhalten des Täters im Strafverfahren durchaus für die Strafzumessung Bedeutung haben, wenn sich daraus Schlüsse auf die Täterpersönlichkeit ziehen lassen (Stree in: Schönke/Schröder a.a.O. § 46 Rn. 41 m.w.N.). Allerdings kann das bloße Dulden einer falschen Zeugenaussage in der Hauptverhandlung nur dann strafschärfend wirken, wenn das Verhalten auf eine rechtsfeindliche Gesinnung des Angeklagten hinweist (Tröndle/Fischer a.a.O. § 46 Rn. 51).
Die vom Landgericht in Bezug auf die "falschen Aussagen" von Zeugen vor dem Amtsgericht - welches solche falsche Aussagen nicht bejaht hat, sondern lediglich die "Verlässlichkeit" der Zeugen in "Zweifel" zog (AU S.5) - getroffenen Feststellungen lassen jedoch, da sie lückenhaft sind, weder Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Angeklagten zu, noch belegen sie eine rechtsfeindliche Gesinnung.
Den Urteilsfeststellungen ist nämlich schon nicht zu entnehmen, welcher Art die "Absprachen vor dem Hauptverhandlungstermin" gewesen sind. Es kann daher auch nicht vom Revisionsgericht nachvollzogen werden, ob diese Absprachen zu den späteren Aussagen geführt haben und ob diese Aussagen tatsächlich "falsch" gewesen sind. Es bleibt auch unklar, in welcher Weise der Angeklagte - etwa als Anstifter oder eventuell auch in strafrechtlich nicht relevanter Weise - an der Herbeiführung dieser Aussagen beteiligt war.
Die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für die strafschärfende Berücksichtigung von Nachtatverhalten können daher den Urteilsfeststellungen nicht entnommen werden.
c) Schließlich begegnet auch die Festsetzung der Tagessatzhöhe rechtlichen Bedenken. Der Angeklagte erhält einen Lohn in Höhe von "ca.1300.00 € (je nach Schicht)". Hiervon bleiben nach den Feststellungen (S. 5 BU) aber nur zwischen 600 € und 700 € übrig, da er wegen seines Besuches der Meisterschule auch unbezahlten Urlaub nimmt und dadurch Lohnausfall hat.
Es ist daher von einem monatlichen Nettoeinkommen zwischen 600 € und 700 € auszugehen, das die festgesetzte Tagessatzhöhe von 30 € nicht rechtfertigt.
III.
Wegen der aufgezeigten Mängel (§ 337 StPO) wird das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben (§ 353 StPO).
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts R zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 StPO), die auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben wird.
Ende der Entscheidung
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