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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 25.08.2009
Aktenzeichen: 2 Ws 332/09
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56 f Abs. 1 Nr. 3
Allein die Verkündung des Bewährungsbeschlusses gegenüber dem dabei anwesenden Verurteilten am Ende der Hauptverhandlung genügt im Allgemeinen ohne eine nochmalige Bekanntgabe der sich aus dem Bewährungsbeschluss ergebenden Auflagen und Weisungen an den Verurteilten nach der Rechtskraft des Urteils nicht, um von einem schuldhaften gröblichen und beharrlichen Verstoß im Sinne von § 56 f Abs. 1 Nr. 3 StGB zur Begründung des Widerrufs einer Strafaussetzung zur Bewährung ausgehen zu können.
2 Ws 332/09

Nürnberg, den 25.8.2009

In der Strafvollstreckungssache

wegen Urkundenfälschung

hier: sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung,

erlässt der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten W M wird der Beschluss des Landgerichts Amberg vom 3. Juni 2009 aufgehoben.

II. Der Antrag der Staatsanwaltschaft A vom 9. Februar 2009, die in dem Urteil des Landgerichts A vom 13. Januar 2004 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung zu widerrufen, wird zurückgewiesen.

III. Die Staatskasse hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landgerichts A vom 13.1.2004, rechtskräftig seit 21.1.2004, wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 102 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Mit Beschluss vom 13.1.2004 setzte das Landgericht die Bewährungszeit auf 5 Jahre fest und bestimmte, dass der Angeklagte "einen Geldbetrag von 65.000 EUR in 26 jeweils am 1. des Monats fällig werdenden Raten von 375,00 EUR und weiteren 34 Monatsraten von 1.625,00 EUR zu zahlen" habe. Mit der Zahlung sollte der Verurteilte "in dem Monat nach Rechtskraft des Urteils" beginnen. Die Hälfte des Geldbetrages wäre "... e.V., ... die zweite Hälfte an die S zu bezahlen" gewesen. Ferner wurde dem Angeklagten auferlegt, jeden Wohnsitzwechsel unverzüglich dem Landgericht A mitzuteilen.

Das Urteil und der Beschluss des Landgerichts A ergingen in Anwesenheit des Verurteilten. Aus dem Protokoll der Hauptverhandlung vom 13.1.2004 ergibt sich, dass zwischen dem Angeklagten, seinem Verteidiger, der Staatsanwaltschaft und dem Gericht eine Verständigung dahingehend getroffen wurde, dass im Falle eines glaubhaften Geständnisses in objektiver und subjektiver Hinsicht dem Angeklagten eine Strafobergrenze von 2 Jahren Gesamtfreiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung mit einer Geldauflage von höchstens 65.000 EUR, zahlbar in Raten, bei einer Bewährungszeit von 5 Jahren und einem Absehen von einer Ersatzverfallanordnung in Aussicht gestellt wurde. Das dann ergangene Urteil und der Bewährungsbeschluss entsprachen dieser Vereinbarung. Aus dem Protokoll der Hauptverhandlung vom 13.1.2004 ist auch ersichtlich, dass dem Verurteilten eine Rechtsmittelbelehrung und eine Belehrung hinsichtlich der Bewährung nach § 268 a Abs. 3 StPO erteilt wurde. Nachdem weder der Verurteilte noch die Staatsanwaltschaft ein Rechtsmittel gegen das Urteil vom 13.1.2004 einlegten, wurde dieses eine Woche später rechtskräftig.

Weder das Urteil noch eine Abschrift des Protokolls der Hauptverhandlung und auch nicht der Bewährungsbeschluss wurden nach Rechtkraft dem Verurteilten oder dessen Verteidiger zugestellt oder formlos mitgeteilt.

Am 21.2.2004 erließ der Vorsitzende folgende Verfügung:

"1. Das Verfahren ist abgeschlossen.

2. Rechtskraftvermerk.

3. Sammlung.

4. Herrn Präsident des Landgerichts z.K.

5. Abtragen.

6. Mit Akten an die Staatsanwaltschaft A zurück."

Am 28.1.2004 verfügte der Rechtspfleger der Staatsanwaltschaft A unter Feststellung des rechtskräftigen Inhalts des Urteils des Landgerichts A vom 13.1.2004 den Vermerk desselben in der Statistik, die Mitteilung an das Bundeszentralregister und die KPI A , die Vorlage an den Referenten zur Entscheidung über die Asservate und die Kostenbehandlung. Weiter wurde unter Ziffer 9 verfügt:

"Mit Hauptakte (Bd. 1,2) an das LG A zur Bewährungsüberwachung." Aus der Verfügung ist ersichtlich, dass die Kostenbehandlung offensichtlich am 18.11.2004 erfolgt ist. Eine Weiterleitung der Akten an das Landgericht A zur Bewährungsüberwachung ist indes nicht erfolgt.

Seitens des Landgerichts A erfolgte demzufolge keine Einleitung der Bewährungsüberwachung. Ein entsprechendes Bewährungsheft wurde erst mit Verfügung vom 9.2.2009, somit nach Ablauf der Bewährungszeit, die am 20.1.2009 endete, angelegt.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom 9.2.2009 hat das Landgericht A , nach Anhörung des Verurteilten am 27.4.2009, mit Beschluss vom 3.6.2009 die durch Urteil des Landgerichts A vom 13.1.2004 gewährte Strafaussetzung wegen gröblichen und auch beharrlichen Verstoßes gegen die dem Verurteilten im Bewährungsbeschluss auferlegte Zahlungsverpflichtung widerrufen. Auf den Inhalt der Entscheidung nimmt der Senat Bezug.

Gegen diesen dem Verurteilten am 12.6.2009 und seinem Verteidiger am 16.6.2009 zugestellten Beschluss hat der Verurteilte mit Schreiben seines Verteidigers vom 16.6.2009, eingegangen am gleichen Tag, sofortige Beschwerde eingelegt. Von einem gröblichen und beharrlichen Verstoß könne keine Rede sein, da der Verurteilte zu keiner Zeit zur Zahlung aufgefordert worden sei. Auf die weitere Begründung im Schreiben vom 16.6.2009 nimmt der Senat ebenfalls Bezug.

Die Generalstaatsanwaltschaft N hat mit Vorlage vom 3.7.2009 die Verwerfung der sofortigen Beschwerde beantragt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

Im Rahmen des angefochtenen Beschlusses gelangt die Strafvollstreckungskammer zu dem Ergebnis, der Verurteilte habe gröblich und auch beharrlich gegen ihm erteilte Bewährungsauflagen verstoßen, da er über die Jahre hinweg - während des gesamten Laufes der Bewährungszeit - keine Einzige der großzügig bemessenen fällig gewordenen Geldraten bezahlt habe. Der Verurteilte könne sich nicht darauf berufen, keinen schriftlichen Bewährungsbeschluss und auch im Laufe der Zeit keine Mahnung erhalten zu haben, da er in der Hauptverhandlung am 13.01.2004, als der Bewährungsbeschluss verkündet wurde, anwesend war. Die Erfüllung der Zahlungsverpflichtung habe allein ihm oblegen, die Fälligkeitszeitpunkte seinen klar geregelt gewesen und der Zahlungsempfänger benannt worden.

Dem Landgericht ist insoweit beizupflichten, dass objektiv das Verhalten des Verurteilten sowohl als gröblich wie auch als beharrlich zu werten ist. Der Verurteilte hat während der ganzen Bewährungszeit keinerlei Zahlungen auf die ihm bekannte Bewährungsauflage geleistet.

Es ist auch zutreffend, dass es einer Mahnung als Voraussetzung für einen Widerruf nicht bedarf (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl., § 56 f, Rn. 10 a).

Anders als die Strafkammer vermag der Senat das Verhalten des Verurteilen jedoch nicht als schuldhaft anzusehen. Außer bei der Verkündung des Bewährungsbeschlusses im Termin am 13.01.2004, hat der Verurteilte keinerlei weitere Informationen zu seinen Bewährungsauflagen, insbesondere den Zahlungsverpflichtungen, erhalten. Es mag sein, dass es dem Verurteilten grundsätzlich selbst oblag, sich um diese Angelegenheit zu kümmern. Andererseits kann im vorliegenden Fall nicht außer Acht gelassen werden, dass das Gericht seiner Verpflichtung zur Überwachung der Bewährung nach § 453 b Abs. 1 StPO in keiner Weise nachgekommen ist. Das vom Verurteilten gezeigte Verhalten entsprach hingegen dem normalen Verhalten jedes sonstigen Verurteilten. Am Ende einer Hauptverhandlung interessiert jeden Angeklagten eigentlich nur was "rauskommt", das heißt der Schuldspruch und das Strafmaß. Alles andere bekommt ein Verurteilter dann meist nur noch am Rande mit. Vorliegend kann, angesichts der dargelegten Umstände dieses Falles, somit nicht in subjektiver Hinsicht von einem schwerwiegenden Verstoß und damit auch nicht von einem schuldhaften Verstoß im Sinne von § 56 f Abs. 1 Nr. 3 StGB gesprochen werden.

Darüber hinaus ist zudem die Leistungsfähigkeit des Verurteilten zur Erfüllung der Geldauflagen durch das Landgericht A nicht festgestellt worden. Der Verurteilte hat Solches zwar zu keiner Zeit, auch nicht bei seiner Anhörung, geltend gemacht. Die Leistungsfähigkeit aufzuklären und positiv festzustellen, ist indes Sache des Gerichts (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 20.09.2005, Az. 1 Ws 358/05; OLG Düsseldorf, StV 1995, 595). Nach der zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf sind Aufklärungsmaßnahmen allerdings nur dann erforderlich, wenn sich, ohne Vorbringen des Verurteilten, aus dem Akteninhalt Anhaltspunkte für ein fehlendes Zahlungsvermögen ergeben. Nach den Feststellungen im Urteil vom 13.01.2004 selbst, hatte der Verurteile zum damaligen Zeitpunkt ein monatliches Einkommen von ca. 1.500,00 bis 2.000,00 EUR. Bei festgesetzten monatlichen Raten von zunächst 375,00 EUR und später 1.625,00 EUR hätte das Landgericht indes positiv die Zahlungsfähigkeit des Verurteilten feststellen müssen.

Eine Aufhebung und Zurückverweisung aus dem letztgenannten Grund war nicht angezeigt, da der Senat, wie dargelegt, ein schuldhaftes Verhalten des Verurteilten nicht annimmt.

Nachdem eine Verlängerung der Bewährungszeit aufgrund von § 56 a Abs. 2 StGB oder eine solche und die Erteilung weiterer Weisungen nach § 56 f Abs. 2 mit Abs. 1 StGB und nicht mehr möglich sind, war der Antrag auf Widerruf zurückzuweisen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus einer analogen Anwendung des § 467 StPO.

Ende der Entscheidung

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