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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 20.08.2009
Aktenzeichen: 2 Ws 351/09
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
StGB § 68f Abs. 1 Satz 2
1. Es ist davon auszugehen, dass § 68f Abs. 1 Satz 2 StGB nur Anwendung findet, wenn in derselben Sache die Strafe vor der Maßregel vollzogen wurde.

2. Wird zunächst Strafe in vollem Umfang vollstreckt und schließt sich dem der Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel aus einem anderen Verfahren an, so tritt bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 68 f Abs. 1 Satz 1 StGB Führungsaufsicht ein. Diese endet durch den sich anschließenden Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel in Anwendung von § 68 e Abs. 1 Satz Nr. 1 StGB sofort wieder.

3. Eine noch nicht eingetretene Führungsaufsicht kann nicht im Hinblick auf einen erst in der Zukunft zu erwartenden Eintritt einer weiteren Führungsaufsicht nach § 68 e Abs. 1 StGB "für erledigt" erklärt werden.


2 Ws 351/09

Nürnberg, den 20.8.2009

In der Strafvollstreckungssache

wegen versuchten Mordes,

hier: (Sofortige) Beschwerde der Staatsanwaltschaft München I gegen die Zurück Weisung des Antrags, eine Führungsaufsicht für erledigt zu erklären

erlässt der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg folgenden Beschluss:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft München I gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing vom 2. Juli 2009 wird als unzulässig verworfen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten darin entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe:

I.

Beim Verurteilten hat die Staatsanwaltschaft München I im vorliegenden Verfahren bis zum 10.4.2009 eine Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren u.a. wegen versuchten Mordes vollständig vollstreckt. Im Anschluss daran wird seither Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB im Verfahren 140 VRs 8669/00 Staatsanwaltschaft München I vollstreckt.

Mit Beschluss vom 2.7.2009 hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen, deklaratorisch festzustellen, dass die Führungsaufsicht, die im Falle der tatsächlichen Entlassung des Verurteilten eintreten würde, gem. § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB analog für erledigt zu erklären.

Gegen diesen der Staatsanwaltschaft am 9.7.2009 "zur Kenntnisnahme" übersandten Beschluss hat diese mit Schreiben vom 10.7.2009, bei der Strafvollstreckungskammer eingegangen am 18.7.2009, Beschwerde eingelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die als "Beschwerde bezeichnete sofortige Beschwerde" als unzulässig, weil verspätet eingelegt, zurückzuweisen.

Die Staatsanwaltschaft München I hat sich nach Übermittlung diese Antrags zur Stellungnahme nicht mehr geäußert.

II.

Gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer gemäß § 68c Abs. 1 StGB ist nicht die Beschwerde, sondern die sofortige Beschwerde statthaft (§463 Abs. 3 Satz 1 StPO). Diese ist jedoch nicht fristgerecht eingelegt (§ 311 Abs. 2 StPO). Die erfolgte Vorlegung der Akten mit der Urschrift des Beschlusses am 9.7.2009 an die Staatsanwaltschaft "zur Kenntnisnahme des Beschlusses" genügt nach den Umständen den Anforderungen an eine Zustellung nach §41 StPO (vgl. Meyer-Goßner StPO 52. Auflage § 41 Rdn. 2).

In der Sache selbst bemerkt der Senat folgendes:

Nach § 68f Abs. 1 Satz 1 StGB tritt mit der Entlassung aus dem Strafvollzug Führungsaufsicht ein. Eine solche Entlassung ist entgegen der Auffassung im Antrag der Staatsanwaltschaft München I vom 14.5.2009 vorliegend erfolgt. Der Verurteilte wurde zwar nicht in die Freiheit entlassen; er befindet sich jedoch seither im Maßregelvollzug. Auch die in der Begründung in Bezug genommene Kommentarstelle (Fischer StGB 56. Auflage § 68f Rdn. 7) spricht nur von der Entlassung aus dem Strafvollzug.

Den Eintritt von Führungsaufsicht im Falle einer sich an den Strafvollzug anschließenden freiheitsentziehenden Maßregel regelt § 68f Abs. 1 Satz 2 StGB. Vertritt man die Auffassung, diese Vorschrift betreffe auch Gestaltungen, bei denen die Strafe und die sich anschließende freiheitsentziehende Maßregel aus verschiedenen Verfahren vollzogen werden, hindert die Vorschrift ohnehin den Eintritt einer Führungsaufsicht nach Vollverbüßung der Strafe. Indes dürfte sich schon aus dem Wortlaut "im Anschluss an die Strafverbüßung" (nicht "einer" Strafverbüßung) ergeben, dass die Strafe und die Maßregel in derselben Sache vollzogen worden sein müssen (vgl. auch OLG Köln NStZ-RR 1998, 123 unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte; Fischer a.a.O., Rdn. 8).

Folgt man letzterer Auffassung, dürfte nach § 68f Abs. 1 Satz 1 StGB in der vorliegenden Sache Führungsaufsicht eingetreten sein. Diese hätte dann indes in unmittelbarer Anwendung des § 68e Abs. 1 Nr. 1 StGB sofort mit ihrem Eintritt wegen der Anschlussvollstreckung der Sicherungsverwahrung aus dem Verfahren 140 VRs 8669/00 wieder geendet und ihr Eintritt steht nicht erst für die Zukunft bevor. Dieses Ergebnis ergibt sich unmittelbar aus der Neufassung des Gesetzes und bedürfte keiner klarstellenden Entscheidung durch eine Strafvollstreckungskammer.

Im Übrigen unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von dem durch die Strafvollstreckungskammer Erfurt mit Beschluss vom 25.11.2008 (StVK 612/08) entschiedenen, den die Staatsanwaltschaft München I für ihre Auffassung heranzieht, wie auch vom Beschluss des Senats vom 18.5.2009 (2 Ws 196/09): Dort war es nach vollständiger Verbüßung einer Freiheitsstrafe, die die Voraussetzungen für den Eintritt von Führungsaufsicht erfüllt, zunächst zur Anschlussvollstreckung einer weiteren Strafe gekommen, die mit einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherungsverwahrung verbunden war. In diesem Fall war daher mit dem Ende der ersten Strafe keine endgültige Entlassung aus dem Strafvollzug erfolgt, so dass nach § 68f Abs. 1 Satz 1 StGB zunächst auch keine Führungsaufsicht eingetreten ist. Gleichwohl begegnet die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer Erfurt Bedenken, weil mit ihr eine noch nicht eingetreten Führungsaufsicht "für erledigt" erklärt wird. Es dürfte mit § 68e Abs. 1 StGB nur schwer vereinbar sein, bereits im Hinblick auf einen erst in der Zukunft zu erwartenden Eintritt einer weiteren Führungsaufsicht die in § 68e Abs. 1 StGB als Beendigungsgrund für eine frühere Führungsaufsicht genannt ist, von deren "Erledigung" auszugehen. Hierfür besteht auch das in den Materialen erwähnte Bedürfnis der Vermeidung einer Doppelbetreuung (BT-DR 16/1993 S. 2 und 22; BT-DR 16/4740 S. 2) nicht, wie die Strafvollstreckungskammer Regensburg mit dem Sitz in Straubing zutreffend ausgeführt hat. Der Vermeidung jeglichen Verwaltungsaufwands, wie die StA München I meint, diente die Neuregelung nicht. Es verbleibt lediglich die hinnehmbare Überwachungspflicht, ob es tatsächlich zum Eintritt der weiteren Führungsaufsicht kommt.

Kosten: § 473 Abs. 1 Satz 1 StGB.

Ende der Entscheidung

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