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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 09.12.2008
Aktenzeichen: 2St OLG Ss 24/08
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 267
Zur Bejahung des Merkmals "zum Verwechseln ähnlich" hinsichtlich einer Urkundenfälschung nach § 267 StGB genügt es, wenn die Fälschung auf den ersten Blick von einer Nichtamtsperson für ein echtes (Ausweis-)Dokument gehalten werden kann.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2St OLG Ss 24/08

Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg hat in dem Strafverfahren gegen ...

wegen Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen

aufgrund der Hauptverhandlung in der öffentlichen Sitzung vom 9. Dezember 2008 an der teilgenommen haben

1. der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Dr. Kunz sowie die Richter am Oberlandesgericht ... und ...

2. als Beamter der Staatsanwaltschaft Oberstaatsanwalt ...

3. als Verteidiger Rechtsanwalt ...

4. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle Justizsekretär z.A. ...

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts ... vom 16. Oktober 2007 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts ... zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht ...i. Bay. hat den Angeklagten mit Urteil vom 20.9.2006 wegen Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15,00 € verurteilt.

Das Landgericht ... hat auf die Berufung des Angeklagten mit Urteil vom 16.10.2007 das Urteil des Amtsgerichts ... i. Bay. vom 20.9.2006 aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen.

Mit der Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Die Revision ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 345 Abs. 1 StPO) und hat mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts (zumindest vorläufigen) Erfolg.

1. Im Ergebnis zu Recht hat die Strafkammer eine Verurteilung nach § 276 Abs. 1 Nr. 2 StGB verneint. Bei dem verfahrensgegenständlichen "Personalausweis" und dem verfahrensgegenständlichen "Führerschein" handelt es sich schon tatbestandsmäßig nicht um amtliche Ausweise in Sinne von § 276 StGB, Die beiden verfahrensgegenständlichen "Ausweise" sind nämlich nicht tatsächlich von einer hoheitlichen Stelle, also einer Behörde oder einer Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, ausgestellt worden (Fischer StGB 55. Aufl. § 276 Rn. 2 mit § 275 Rn. 2; LK StGB 11. Aufl. § 276 Rn. 3 mit § 275 Rn. 3; Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 275 Rn. 5 mit § 281 Rn. 3).

2. Zu Unrecht geht die Strafkammer aber davon aus, dass eine Verurteilung vorliegend nur nach § 276 Abs. 1 Nr. 2 StGB in Betracht käme.

a) Dem Angeklagten lag nach der Anklage der Staatsanwaltschaft ... vom 26.6.2006 zur Last, sich die beiden verfahrensgegenständlichen "Ausweise" verschafft zu haben, um sie jeweils zur Täuschung im Rechtsverkehr einzusetzen. Hierdurch wird die prozessuale Tat im Sinne von § 264 StPO, die allein Gegenstand der Urteilsfindung sein kann, bezeichnet. Um den entsprechenden "Personalausweis" und den entsprechenden "Führerschein" zu bekommen, müsste der Angeklagte dem Aussteller gegenüber seine persönlichen Daten mitgeteilt und diesem jeweils ein Foto seiner Person übermittelt haben, d. h. der Angeklagte müsste selbst an der Herstellung dieser .Ausweise" mitgewirkt haben. Der Lebenssachverhalt des "Verschaffens" solcher Ausweise mit Personalangaben könnte folglich im vorliegenden Verfahren bei der Tat im prozessualen Sinn zwangsläufig auch den Vorgang der Herstellung als notwendigen Teil des Verschaffens beinhaltet haben.

b) Da der Angeklagte damit auch die Herstellung von solchen "Ausweisen", d. h. die Fälschung derselben gewollt haben könnte, wäre jedenfalls vorliegend bei entsprechenden tatsächlichen Feststellungen, die im Urteil der Strafkammer fehlen, eine Urkundenfälschung in der Alternative des § 267 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative "Herstellen einer unechten Urkunde" begangen als Mittäter zu prüfen gewesen. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.3.1973 (BGH GA 1973, 184) begeht nämlich eine Urkundenfälschung als Mittäter, wer sich einen Führerschein von einem ihm nicht näher bekannten Fälscher herstellen lässt, wobei er diesem die erforderlichen Lichtbilder und Personalangaben und einen Geldbetrag zur Verfügung stellt, Mittäterschaft ist auch zwischen Personen möglich, die sich nicht kennen (RG St 58, 279).

c) Vorliegend hat die Strafkammer nach Auffassung des Senats auch zu Unrecht verneint, dass es sich zumindest bei dem verfahrensgegenständlichen Führerschein um eine zum Verwechseln ähnliche Urkunde gehandelt hat. Abzustellen bei der Prüfung dieser Frage ist darauf, ob die unechte Urkunde objektiv von ihrem Äußeren her geeignet ist, mit dem entsprechenden offiziellen Ausweisdokument verwechselt zu werden und damit zum Beweis der sie beinhaltenden Gedankenerklärung geeignet ist. Der verfahrensgegenständliche "Führerschein" ist vom Format gleich mit dem offiziellen Dokument, beide haben Scheckkartenformat. Seine Färbung und seine Aufmachung, insbesondere die Rückseite mit der Bezeichnungsart der einzelnen Klassen, sind dem Original sehr stark nachempfunden. Auf der Vorder- und auf der Rückseite befindet sich als Holografie sowie auf der Vorderseite rechts oben auch gedruckt der Bundesadler. Links oben befindet sich die schwarz-rot-goldene Bundesflagge in deren Mitte das Länderkennzeichen der Bundesrepublik Deutschland das "D" abgebildet ist. Auf dem Originalführerschein ist an dieser Stelle die Europaflagge mit dem "Du in der Mitte in nahezu gleicher Größe dargestellt. Bei der Fälschung befindet sich über der Bundesflagge auf der Vorderseite links oben zusätzlich der Schriftzug "Deutsches Reich" in altdeutscher Druckschrift und einer Schriftgröße von 2 mm. Als Ausstellungsbehörde ist vermerkt: "i.V. Der Polizeipräsident in Groß-Berlin". Auf der Rückseite im linken unteren Eck befindet sich zudem ebenfalls in altdeutscher Druckschrift und einer Schriftgröße von knapp 1 mm die Bezeichnung "Reichsdruckerei".

Mit Ausnahme der drei zuletzt beschriebenen Merkmale ähnelt die Fälschung damit von ihrer äußeren Bild her dem Originalführerschein sehr. Damit ist sie grundsätzlich dem Original zum Verwechseln ähnlich. Die Verwechselbarkeit wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich auf der Fälschung zusätzlich die Bezeichnungen "Deutsches Reich" und Reichsdruckerei befinden und als Aussteller der Polizeipräsident in Groß-Berlin bezeichnet ist. Beim Vorzeigen des Führerscheins könnte ohne größere Schwierigkeiten zum einen durch ein bestimmtes Halten desselben in der Hand der Schriftzug "Deutsches Reich" abgedeckt werden. Der normale Betrachter der Führerscheinfälschung, insbesondere, wenn es sich um einen ausländischen Mitbürger, z.B. einen Autovermieter im Inland, handelt, wird zum anderen von der ausstellenden Behörde gar keine Kenntnis nehmen oder nicht wissen, dass es einen Polizeipräsidenten in Groß-Berlin nicht mehr gibt oder gegeben hat. Dem zuletzt genannten Personenkreis ist Deutschland sicherlich ein Begriff, die Bezeichnungen Bundesrepublik Deutschland oder gar die Bezeichnung "Deutsches Reich" werden aber vielfach gar nicht bekannt sein. Noch schwieriger ist es aus den genannten Gründen für den Normalbürger im Ausland, die Fälschung sofort zu erkennen. Man denke an die Verwendung des verfahrensgegenständlichen Führerscheins durch den Angeklagten zur Anmietung eines Autos z.B. in Rumänien, Bulgarien oder einem nichteuropäischen Staat. Bei den meisten Ländern dürfte eine Urkundenfälschung auch mit Strafe bedroht sein, so dass die Voraussetzungen für die allgemeine Strafbarkeit nach § 7 StGB gegeben wären.

Anders als das Oberlandesgericht Stuttgart in seiner Entscheidung vom 25.4.2006 (NStZ 2007, 527) ist der Senat daher der Auffassung, dass die Frage der Verwechselbarkeit nicht wegen dieser beiden aufgezeigten Unterschiede verneint werden kann. Der Senat geht aus den dargelegten Gründen auch über die Begründung des nach § 267 StGB verurteilenden Oberlandesgericht Celle in dessen Entscheidung vom 19.10.2007 (NStZ-RR 2008, 76) hinaus. Es genügt für das Merkmal "zum Verwechseln ähnlich", wenn eine Fälschung auf den ersten Blick von einer Nichtamtsperson und hier gerade auch von einer solchen, die die deutsche Staatsangehörigkeit und damit normalerweise die entsprechenden Kenntnisse der deutschen Geschichte nicht hat, für ein echtes Ausweisdokument gehalten werden kann. Von einem "Fantasieausweis", der von jedem bereits auf den ersten Blick als solcher zu erkennen und damit nicht im Rechtsverkehr zum Beweis der sie beinhaltenden Gedankenerklärung geeignet ist, kann hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen "Führerscheins" gerade nicht gesprochen werden.

Eine andere Strafkammer des Landgerichts ... wird bei der neuen Verhandlung somit die dargelegten für eine Verurteilung nach § 267 StGB erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu erforschen und an Hand obigen Ausführungen dann eine Strafbarkeit zu prüfen haben.

III.

Wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers (§ 337 StPO) wird das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufgehoben (§ 353 StPO).

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts ... die auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden hat, zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 StPO).

Ende der Entscheidung

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