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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 24.11.1998
Aktenzeichen: 3 U 2015/98
Rechtsgebiete: UWG
Vorschriften:
UWG § 3 |
Beabsichtigt ein Gewerbetreibender, in einer Beilage zu einer Tageszeitung eine höherwertige Ware (hier: Autoradio zum Preis von 849,-- DM) besonders zu bewerben, muß er sich durch geeignete organisatorische Maßnahmen vergewissern, daß diese Ware rechtzeitig zur Verfügung steht. Er darf sich dabei nicht auf bloße Zusagen seines Lieferanten verlassen.
Ergeben sich bei ihm Anhaltspunkte für eine nicht rechtzeitige Lieferung, muß er das Erscheinen der Beilage verhindern, auch wenn diese bereits gedruckt ist.
OLG Nürnberg Urteil 24.11.1998 - 3 U 2015/98 - rechtskräftig nach Nichtannahmebeschluß des BGH vom 03. 11. 1999 - I ZR 52/99 1 HKO 7000/97 LG Nürnberg-Fürth
wegen unlauteren Wettbewerbs,
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S. und die Richter am Oberlandesgericht Dr. S. und Prof. Dr. H. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. 11. 1998 für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30. April 1998 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 75.000,-- DM
abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Beklagte ist mit 62.500,-- DM beschwert.
Gründe
Die Parteien sind Wettbewerber u.a. für Geräte der Unterhaltungselektronik, die auch in N. Verkaufshäuser betreiben. Nach der in der Berufungsinstanz unwidersprochen gebliebenen Darstellung des Landgerichts führen sie einen "Wettbewerbskrieg" gegeneinander, der auch wegen behaupteter Vorratsmängel bereits zu zahlreichen. Verfahren geführt hat.
In einer 12-seitigen, farbigen Beilage zu der Tageszeitung "N." vom 28. April 1997 bewarb die Beklagte neben ca. 80 weiteren Artikeln ein Mini-Disc-Autoradio S. MDX-C 670 RDS zu 849,00 DM. Auf Inhalt und Gestaltung der Beilage wird Bezug genommen (vgl. Anlage K 1). Dieses Autoradio war am Erscheinungstag der Werbung gegen 10.30 Uhr nicht vorrätig. Die Klägerin hält deshalb die Werbung für irreführend. Sie hat gegen die Beklagte eine einstweilige Verfügung erwirkt (Beschluß vom 14. Mai 1997 - Az.: 1 HKO 4100/97), gegen die kein Widerspruch eingelegt worden ist. Die von ihr geforderte Abschlußerklärung hat die Beklagte nicht abgegeben.
Im vorliegenden Hauptsacheverfahren hat die Klägerin beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu 2 Jahren, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken gegenüber dem letzten Verbraucher für Autoradiogeräte zu werben, sofern diese am Tag der Werbung nicht vorrätig sind, insbesondere wie geschehen in der Werbung der Zeitung "N." vom 28. 04. 1997.
2. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der dieser durch die in Ziffer 1. genannte Wettbewerbshandlung entstanden ist oder künftig noch entsteht.
3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über Art und Umfang der Werbemaßnahme gemäß Ziffer 1.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, die streitgegenständliche Beilage sei 3 Wochen vor ihrem Erscheinungsdatum fertiggedruckt gewesen und habe nicht mehr geändert werden können. Mit der gerichtsbekannt renommierten Firma S. sei ein verbindlicher Liefertermin vor Geschäftsöffnung am 28. April 1997 vereinbart gewesen. Angesichts ihres Werbevolumens, das pro Jahr "tausende von Artikeln" betreffe, seien schlechterdings Lieferverzögerungen nicht auszuschließen.
Nach Durchführung einer Beweisaufnahme hat das Landgericht ... die Beklagte mit Endurteil vom 30. April 1998 antragsgemäß verurteilt. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrages, des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie der Begründung der Verurteilung wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe dieses Urteils Bezug genommen (Bl. 38 - 44 d.A.).
In ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung beantragt die Beklagte, unter Abänderung des erstinstanzlichen Endurteils die Klage abzuweisen. Unter Wiederholung ihres Vorbringens trägt sie vor, bei der vorliegenden Werbung habe es sich um eine bundesweite Werbung für sämtliche ca. 30 S. gehandelt. Dies sei einschließlich des Erscheinungsdatums der Werbung den jeweiligen Lieferanten, so auch der Firma S. bekannt gewesen. Diese habe sich verpflichtet, das streitige Autoradio rechtzeitig zur Werbungsveröffentlichung bei der Beklagten anzuliefern. Zusätzlich zu den bei der Bestellung getroffenen Absprachen sei dem Zeugen K. bei einer Nachfrage am Tage vor der Werbung von der Firma S. versichert worden, daß das Radio am Tage der Werbung um 8.00 Uhr bei der Beklagten angeliefert werde. Die von der Beklagten gewählte Arbeitsweise funktioniere, was sich daraus ergäbe, daß am Tage der Werbung nur der streitige Artikel nicht vorrätig gewesen sei.
Die Klägerin ist der Berufung entgegengetreten.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die in ihm gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30. April 1998 ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht Nürnberg-Fürth die Beklagte antragsgemäß wegen eines Verstoßes gegen § 3 UWG verurteilt. Der Senat schließt sich daher zur Vermeidung von Wiederholungen den für die Verurteilung gegebenen Begründungen des Landgerichts an. Sie werden durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet. Es gibt zu folgenden ergänzenden Ausführungen Anlaß:
Die Beklagte hat gegen § 3 UWG verstoßen, indem sie in der Werbebeilage der "N." vom 28. April 1997 das Mini-Disc-Autoradio S. beworben hat, ohne diesen Artikel an diesem Tage vorrätig zu haben.
Das durch die Werbebeilage angesprochene allgemeine Publikum erwartet, daß die in ihr beworbene Ware ab dem angekündigten Zeitpunkt, mangels entgegenstehender Angaben also am Tage des Erscheinens der. Werbung, in genügender Menge vorrätig ist und im Verkaufslokal erworben werden kann (ständige Rechtsprechung; vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Auflage, § 3, Rd. 362 ff.; Köhler/Piper, UWG, § 3, Rd. 292 jeweils m. w. N.).
Anders verhält es sich, wenn der Werbende aus Gründen höherer. Gewalt oder sonst ohne sein Verschulden daran gehindert ist, die Waren für den maßgeblichen Zeitraum vorrätig zu halten (BGH GRUR, 1982, 682 - Skistiefel; GRUR 1983, 583 - Tonbandgerät; GRUR 1983, 651 - Kamera; GRUR 1988, 312 - Beilagen-Werbung; GRUR 1989, 610 - Fotoapparate). Eine Irreführung scheidet aber nach der Rechtsprechung auch dann aus, wenn trotz vorwerfbarer Fehleinschätzung der zu erwartenden Verbrauchernachfrage bei der Bewerbung eines breiten Sortiments gelegentliche Ausreißer beim Einkauf oder bei der Disposition unterlaufen (vgl. BGH GRUR 1987, 52 - Tomatenmark; GRUR 1988, 312 - Beilagen-Werbung). Diese Ausnahmefälle liegen hier nicht vor.
Bei dem beworbenen Autoradio handelt es sich nicht um einen Massenartikel des täglichen Bedarfs, sondern um ein hochwertiges Gerät, das zum Preis von 849,00 DM angeboten wurde und auch innerhalb des Gesamtprospekts keine untergeordnete Rolle spielte. Es handelte sich somit nicht um einen Artikel, bei dem nach der Rechtsprechung der Verkehr gelegentliche Dispositionsmängel hinzunehmen bereit ist (BGH GRUR 1987, 52 - Tomatenmark; GRUR 1988, 312 - Beilagen-Werbung; GRUR 1992, 858 - Clementinen). Die den genannten Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalte sind mit dem hier vorliegenden Fall nicht vergleichbar (vgl. BGH GRUR 1996, 800 - EDV-Geräte). Deshalb wird die Verbrauchererwartung der sofortigen Mitnahmemöglichkeit nicht dadurch beseitigt, daß das fragliche Autoradio innerhalb des Gesamtprospekts gegenüber den anderen Angeboten nicht besonders hervorgehoben präsentiert wurde. Die Beklagte betreibt, wie gerichtsbekannt ist und die angesprochenen Verkehrskreise wissen, in N. ein großes Verkaufshaus, in dem auf mehreren Etagen und in vielen Abteilungen Elektro- und Elektronikartikel angeboten werden. Der Verkehr kann deshalb angesichts des 12-seitigen Prospekts unschwer erkennen, daß die dort präsentierten Waren nicht ihr gesamtes Sortiment umfassen, sondern nur eine Auswahl darstellen. Die Titelseite der Werbebeilage ist blickfangmäßig mit dem marktschreierisch wirkenden Phantasiewort "Vroouum" überschrieben. Deshalb erwarten die angesprochenen Verkehrskreise, daß der Prospekt aktuelle Neuigkeiten enthält, die die Beklagte neben ihrem üblichen Sortiment besonders präsentiert und die zumindest am Tag der Werbung in der Verkaufsstätte der Beklagten erworben werden können. Eine Einschränkung hinsichtlich der Lieferbarkeit der angebotenen Ware befindet sich im Prospekt nicht. Eine Irreführung des Verkehrs ist folglich zu bejahen.
Der fehlende Warenvorrat ist der Beklagten anzulasten, auch wenn von der Richtigkeit der in das Wissen des in der Berufungsinstanz angebotenen Zeugen B. unterstellten Umstände ausgegangen wird. Seiner Vernehmung bedurfte es daher nicht. Aus den behaupteten Umständen ergibt sich nur, daß die Firma S. bei der für die streitgegenständliche Werbeaktion ca. 1 Monat vorher erfolgten Bestellung rechtzeitige Lieferung zugesagt hat. Die von der Beklagten dargestellten Vereinbarungen erfüllen nicht die an ein Fixgeschäft zu stellenden Anforderungen. Mit der bloßen Zusage der rechtzeitigen Lieferung durfte sich die Beklagte nicht begnügen. Sie mußte vielmehr durch geeignete Maßnahmen überwachen, ob die Zusage auch eingehalten würde, zumal es nach der Aussage des bei der Beklagten beschäftigten Zeugen K. mit der Firma. S. "relative Probleme" gab, die sich ausweislich des Zusammenhangs, in dem diese Äußerung fiel, auf das Lieferverhalten der Firma S. bezogen haben müssen. Daß die Beklagte dies aber selbst so gesehen hat, zeigt das Verhalten des Zeugen K., wenn dieser bekundete, ab dem 14. April 1997 fast jeden Tag bei der Firma S. angerufen und nach dem Verbleib der Ware gefragt zu haben. Dabei mag ihm nochmals bei einem Anruf am Tag vor der Werbung zugesichert worden sein, daß die Ware "am nächsten Tag um 8.00 Uhr an der Rampe des N." angeliefert werde. Mit dieser bloßen Ankündigung vereinbarungsgemäßen Verhaltens durfte sich K. und damit die Beklagte nicht zufrieden geben. Es wäre erforderlich gewesen, durch genaues Nachfragen die Umstände zu ermitteln, aus denen sich ableiten ließ, daß die mündlich K. gegebenen Zusagen überhaupt eingehalten werden konnten (z.B. Ermitteln des Versandzeitpunkts der Ware; gegenwärtiger Standort; eingesetztes Transportmittel u.a.). Bei dieser Beurteilung kann zugunsten der Beklagten offen gelassen werden, ob das Akzeptieren einer kurzfristig vor Öffnung des Ladenlokals zugesagten Anlieferung geeignet ist, den Verschuldensvorwurf bei dann doch nicht rechtzeitig gelieferter Ware entfallen zu lassen. Bei der vom Zeugen K. geschilderten Situation und den nicht auf ihre Stichhaltigkeit der Lieferungszusage überprüften Angaben der Firma S. mußte die Beklagte spätestens am 27. April 1997 in Rechnung stellen, daß das beworbene Autoradio tatsächlich nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen würde. Zu diesem Zeitpunkt war die Beilage zwar nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten längst gedruckt. Gleichwohl hätte sie jedoch zurückgestellt werden können und müssen. Eine Irreführung der Adressaten wäre damit verhindert worden. Bei der Beilage handelte es sich um einen Werbeprospekt für eine Tageszeitung, die ihrerseits in den Abendstunden des Vortages gedruckt wird. Erst zu diesem Zeitpunkt konnte die Beilage "beigefügt" werden. Damit wäre es aber auch in den Abendstunden des 27. April 1997 noch möglich gewesen, auf ein Beifügen des Prospekts zu verzichten.
In der Entscheidung Beilagen-Werbung (GRUR 1988, 312) hat der Bundesgerichtshof - wenn auch nur als obiter dictum - ausgeführt, daß der Verkehr ein Zurückstellen der Werbung erwartet, wenn nicht das Gesamtsortiment, sondern - wie vorliegend - ein einzelner Artikel besonders beworben wird und dieser nicht verfügbar ist. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung an. Zwar wird bei einem Zurückstellen der bereits gedruckten Beilage diese zur Makulatur, die mit ihrer Herstellung verbundenen Kosten zum nutzlosen Aufwand. Dies berechtigt aber nicht, eine Irreführung des Verkehrs hinzunehmen. Daß auch die Beklagte die Verhinderung von irreführender Werbung als hohes Ziel ansieht, weiß der Senat aus einer Vielzahl von vor ihm geführten Verfahren, in denen die Beklagte Wettbewerber wegen fehlender Vorratsmenge in Anspruch genommen hat.
Besteht - wie dargelegt - der Unterlassungsanspruch gemäß Ziffer I. des erstinstanzlichen Urteils, sind auch Feststellungs- und Auskunftsanspruch begründet. Einwände hiergegen werden von der Berufung auch nicht erhoben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, da vorliegend gemäß § 546 Abs. 1 ZPO angesichts des Streitwertes die Revision statthaft ist.
Beschluß vom 24.11.1998
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 62.500,-- DM
(Unterlassung: 50.000,-- DM;
Feststellung: 10.000,-- DM;
Auskunft: 2.500,-- DM).
Ende der Entscheidung
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