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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 02.04.2002
Aktenzeichen: 3 U 4158/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 94
BGB § 97 Abs. 1
Sind die Voraussetzungen von § 97 Abs. 1 S. 1 BGB erfüllt, muß gem. § 97 Abs. 1 S. 2 BGB nicht das Bestehen einer die Zubehöreigenschaft bejahenden Verkehrsanschauung, sondern deren Fehlen dargetan und gegebenenfalls nachgewiesen werden.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

3 U 4158/01

Verkündet am 2.4.2002

In Sachen

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schicker und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Seidel und Prof. Dr. Haberstumpf aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.3.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. Oktober 2001 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Nach geheimer Beratung verkündet der Vorsitzende folgenden Beschluß:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.000,-- DM (= 6.646,79 EURO) festgesetzt.

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F. abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. Oktober 2001 ist zulässig und begründet.

Dem Kläger steht der nach § 985 BGB geltend gemachte Herausgabeanspruch nicht zu, da er nicht mehr (Mit-)Eigentümer der streitgegenständlichen Einbauküche ist. An ihr hat der Beklagte mit dem Zuschlagsbeschluss vom 27. Juli 2000 gemäß §§ 90, 55 Abs. 2, 20 ZVG, § 1120 BGB Eigentum erworben, da es sich bei ihr um Zubehör im Sinne von § 97 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt. Andere Anspruchsgrundlagen neben § 985 BGB kommen nicht in Betracht.

Ob Einbauküchen wesentlicher Bestandteil im Sinne von § 97 BGB sind, ist in der Rechtssprechung und Literatur umstritten (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Auflage, § 93, Rd. 5; bejaht z.B. vom OLG Nürnberg, MDR 1973, 758 für den Fall, daß die Küche bereits im Bauplan dargestellt war). Diese Frage lässt sich nicht generell beantworten. Maßgeblich werden vielmehr Art und Weise ihrer Ausführung sein. Dabei spielt es - wohl entgegen der Auffassung des Landgerichts - keine Rolle, daß die Küche vorliegend nicht schon bei Errichtung des Baus, sondern erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt eingebaut bzw. eingebracht worden ist. Auf den Zeitpunkt der Einführung kommt es nämlich nicht an (vgl. Palandt, aaO, § 94, Rd. 6). Ausgehend von dem gesetzlichen Ausdruck "eingefügt" ist entscheidend darauf abzustellen, in welcher Weise die Einbauküche mit dem Gebäude verbunden ist. Bei einer rein handwerklichen Anfertigung nach Sondermaßen, verbunden unter Umständen mit technischen Vorkehrungen wie Einmauern o.ä. wird vieles für die Bejahung eines wesentlichen Bestandteils sprechen. Vorliegend handelte es sich um eine Standardeinbauküche, die nach dem Fertigungsprogramm eines Serienherstellers zusammengestellt wurde. Letztlich handelt es sich um einen Massenartikel, der seine Individualität nur durch die Auswahl der einzelnen Korpusse und ihre Zusammenstellung erlangt. Dies rechtfertigt nicht die Annahme eines wesentlichen Bestandteils. Etwas anders ergibt sich auch nicht daraus, daß vorliegend für den Einbau der Arbeitsplatte erst zwei Fensterbretter ausgebaut werden mussten. Es entspricht den Erfahrungen der Senatsmitglieder aus ihrer Tätigkeit in Zivilkammern für Bausachen, aber auch aus ihrem privaten Bereich, daß ein derartiger Ausbau von Fensterbrettern keinen merklichen Eingriff in den Baukörper bewirkt und ohne großen Aufwand wieder rückgängig gemacht werden kann.

Dagegen erfüllt die streitgegenständliche Einbauküche die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 97 Abs. 1 Satz 1 BGB. Es handelt sich bei ihr um eine bewegliche Sache, die, ohne Bestandteil der Hauptsache zu sein, deren wirtschaftlichem Zweck zu dienen bestimmt ist und in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis steht (vgl. auch OLG Düsseldorf, NJW-RR 1994, 1039). Diese Funktion stellt auch der Kläger nicht in Abrede. Grundsätzlich ist somit die Einbauküche Zubehör im Sinne von § 97 Abs. 1 Satz 1 BGB. Diese Zubehöreigenschaft könnte nach § 97 Abs. 1 Satz 2 BGB jedoch entfallen, wenn die Küche "im Verkehre nicht als Zubehör angesehen" würde. Hiervon geht der Senat abweichend von der Auffassung des Landgerichts nicht aus. Diese Verkehrsanschauung ist jedenfalls vom Kläger nicht hinreichend dargetan, geschweige denn bewiesen worden, was nach dem Bestreiten des Beklagten für das Vorliegen der Voraussetzungen von § 97 Abs. 1 Satz 2 BGB notwendig gewesen war. Der Kläger hat lediglich behauptet, daß im süddeutschen Raum vom Fehlen einer Zubehöreigenschaft auszugehen sei, ohne die Umstände darzutun, aus denen sich dies ergeben solle. Ein entsprechender Vortrag mit Beweisführung wäre nur entbehrlich gewesen, wenn die vom Kläger ausgeführte Verkehrsanschauung gerichtsbekannt wäre. Dies trifft nach Auffassung des Senats jedoch nicht zu. Die gegenteilige Darstellung des Landgerichts überzeugt nicht. Das Zitieren einer einzigen, ca. 10 Jahre zurückliegenden Entscheidung reicht jedenfalls nicht aus, um vom Grundsatz des § 97 Abs. 1 Satz 1 BGB abzugehen.

Ob Einbauküchen im Hinblick auf § 97 Abs. 1 Satz 2 BGB die Zubehöreigenschaft abzusprechen ist, ist in der Rechtssprechung umstritten. Die wohl überwiegende Zahl der Oberlandesgerichte nimmt im Hinblick auf behauptete landschaftlich bedingte Verkehrsanschauungen an, dass kein Zubehör vorliege (zum Meinungsstand vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1998, Seite 333). Dabei fällt freilich auf, daß kaum je die tatsächlichen Grundlagen für die behaupteten regionalen Auffassungen dargelegt werden. So mag es zwar zutreffen, dass "Hausfrauen oft an ihren Küchen hängen" und daher bei einem Umzug diese mitnehmen wollen (so OLG Düsseldorf 1994, 1039). Daraus aber auf eine bestimmte Verkehrsauffassung schließen zu können, erscheint zweifelhaft. Genauso häufig mag es nämlich bei standardisierten Einbauküchen wie der streitgegenständlichen vorkommen, daß an einer Mitnahme kein Interesse besteht. Ihr Ausbau und der nachfolgende Einbau der Einbauküche verursacht häufig erhebliche Kosten, die bei älteren Küchen in keinem vertretbaren Verhältnis zu ihrem Zeitwert stehen. Oft wird die vollständige Verwendung der Einzelteile in der neuen Küche nicht möglich sein. Entsprechend wird es häufig sinnvoll sein, die Küche nicht mit zunehmen (so auch OLG Düsseldorf, aaO). Wenn bei dieser Situation "nicht selten" bei Veräußerung eines Wohngebäudes Absprachen darüber getroffen werden, ob die Küche verbleiben solle, ob sie im Kaufpreis enthalten ist oder gesondert vergütet werden muss, spricht dies weder für noch gegen die Zubehöreigenschaft. Eine solche Absprache dient vielmehr der Rechtsicherheit und ist schon daher "sinnvoll", ohne daß ihr für die hier zu beurteilende Verkehrsanschauung etwas entnommen werden könnte.

Auch erscheint es dem Senat unzulässig, für die Beurteilung der hier zu prüfenden Verkehrsauffassung die Erwartung des Erwerbers eines schlüsselfertig errichteten Hauses heranzuziehen (so aber OLG Hamm, aaO.). Diese Erwartung richtet sich nach den kauf- oder werkvertraglichen Abmachungen bzw. Regelungen und bezieht sich auf den vorgestellten, vertraglich geschuldeten bzw. vereinbarten Leistungsumfang. §§ 93 ff beinhalten dagegen Regelungen zu Rechtserstreckungen hinsichtlich bestimmter Sachen im Rechtssinne.

Angesichts der Mobilität der Bevölkerung erscheint schließlich die Berechtigung landschaftlich bedingter gegensätzlicher Verkehrsanschauungen fraglich. Hier erscheint wenig nachvollziehbar, worin die tatsächlichen Umstände liegen, daß innerhalb geringer räumlicher Distanzen unterschiedliche Verkehrsanschauungen bestehen sollen (vgl. einerseits OLG Köln, VersR 1980, 51, andererseits OLG Düsseldorf aaO). Zu Recht wird daher für die gegenwärtigen Verhältnisse das Fortbestehen der behaupteten unterschiedlichen Verkehrsanschauungen in Zweifel gezogen (vgl. Zöller/Stöber, ZVG, 15. Auflage, § 20, Rd. 3).

Unabhängig von diesen Bedenken muß berücksichtigt werden, daß § 97 Abs. 1 BGB in seinen Sätzen 1 und 2 als Regel-Ausnahme-Vorschrift formuliert ist. D.h., wenn - wie dargestellt - feststeht, daß die tatbestandlichen Voraussetzungen von Satz 1 erfüllt sind, muß derjenige, der sich darauf beruft, daß der entsprechende Gegenstand nach Verkehrsanschauung nicht als Zubehör einzuordnen ist, dies darlegen und ggf. unter Beweis stellen (vgl. Staudinger/Dilcher, BGB, 13. Bearbeitung, § 97, Rd. 34; MüKo/Holch, BGB, 4. Auflage, § 97, Ad, 32). Mit anderen Worten: nicht das Bestehen einer Verkehrsanschauung für die Bejahung der Zubehöreigenschaft, sondern für deren Fehlen muß festgestellt werden (so nachdrücklich BGH NJW-RR 1990, 587). Dies wird nicht immer hinreichend berücksichtigt. So hält OLG Karlsruhe (in: NJW-RR 1988, 460) zu Unrecht der Gegenmeinung vor, daß von ihr nicht angegeben werde, wie sie zur Feststellung einer die Zubehöreigenschaft bejahenden Verkehrsanschauung gekommen sei. Auch das OLG Düsseldorf (aaO) will von Zubehöreigenschaft nur dann ausgehen, wenn sich dies nach der regionalen Verkehrsanschauung ergäbe. Mit diesen Ausführungen wird die Darlegung- und Beweislast im Rahmen des § 97 Abs. 1 Satz 2 BGB zu Unrecht demjenigen aufgebürdet, der sich bei der Prüfung von § 97 Abs. 1 Satz 1 BGB mit Erfolg auf die Zubehöreigenschaft berufen hat.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß der Kläger den Nachweis der von ihm behaupteten Verkehrsanschauung für das Fehlen der Zubehöreigenschaft schuldig geblieben ist. Die entsprechende Behauptung hat er ungeachtet des gegensätzlichen Vertrags des Beklagten lediglich unsubstantiiert aufgestellt. Er kann nicht damit gehört werden, daß das für die Zwangsversteigerung erstattete Wertgutachten des Sachverständigen K keinen bezifferten Wertansatz für die Küche enthielt. Dies ist zwar richtig. Dem Gutachten ist aber zu entnehmen, daß der Sachverständige bei der Baubeschreibung den Zustand des Hauses dargelegt und dabei auch das Vorhandensein der Küche gewertet hat. Daher trifft die Annahme des Klägers nicht zu, daß die Küche für die Wertermittlung keine Rolle gespielt hätte. Für die Entscheidung des Rechtsstreits war daher für die Einbauküche als Zubehör des Wohnhauses und damit des Grundstücks auszugehen mit der Folge, daß die auf Eigentum gestützte Klage erfolglos bleiben musste. Auf die Berufung des Beklagten war daher das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhe auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, da die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 ZPO n.F. nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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