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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 07.03.2006
Aktenzeichen: 3 W 2443/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 890 | |
BGB § 812 Abs. 1 S. 2 |
3 W 2443/05
Nürnberg, den 7.3.2006
In Sachen
wegen einstweiliger Verfügung,
erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 3. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden
Beschluss:
Tenor:
I. Die sofortige Beschwerde der Vollstreckungsschuldnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 19.10.2005 wird zurückgewiesen.
II. Die Vollstreckungsschuldnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Beschwerdewert beträgt 3.800,00 EUR.
Gründe:
I.
Am 17.06.2002 hat das Landgericht Regensburg gegen die Schuldnerin antragsgemäß eine einstweilige Verfügung erlassen, die in zweiter Instanz durch Endurteil des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 10.12.2002 in Ziffer 1 a, d und e bestätigt worden ist.
Wegen mehrfacher Verstöße gegen die einstweilige Verfügung hat das Landgericht Regensburg mit Beschluss vom 24.06.2004 ein Ordnungsgeld in Höhe von 3.000,00 EUR verhängt. Dieses Ordnungsgeld ist auf Rechtsmittel hin vom Oberlandesgericht Nürnberg mit Beschluss vom 19.08.2004 auf 3.800,00 EUR angehoben worden.
Das festgesetzte Ordnungsgeld hat die Schuldnerin an die Staatskasse bezahlt.
Mit privatschriftlicher Vereinbarung vom 21.04.2005 hat die Gläubigerin unter anderem auf ihre Rechte aus der einstweiligen Verfügung und dem Ordnungsgeldbeschluss verzichtet.
Daraufhin ist der Ordnungsgeldbeschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 19.08.2004 antragsgemäß vom Landgericht Regensburg mit Beschluss vom 01.09.2005 aufgehoben worden.
Mit Schriftsatz vom 14.09.2005 hat die Schuldnerin beantragt, die Gerichtskasse anzuweisen, das verhängte Ordnungsgeld an sie zurück zu zahlen. Diesen Antrag hat das Landgericht Regensburg mit Beschluss vom 19.10.2005 zurückgewiesen.
Gegen diesen, ihr am 24.10.2005 zugestellten Beschluss wendet sich die Schuldnerin mit ihrer Beschwerde vom 07.11.2005, eingegangen bei Gericht am selben Tag, mit der sie ihren Antrag auf Rückzahlung des Ordnungsgeldes weiter verfolgt. Sie ist der Auffassung, mit dem Verzicht der Gläubigerin auf ihre Rechte aus der einstweiligen Verfügung und dem Ordnungsgeldbeschluss, sei rückwirkend die Rechtsgrundlage für diesen entfallen. Das gezahlte Ordnungsgeld sei daher gemäß § 812 Abs. 1 S. 2 BGB analog von der Staatskasse zurückzuerstatten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Beschwerdevorbringen Bezug genommen.
Das Landgericht Regensburg hat der Beschwerde mit Beschluss vom 08.11.2005 nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, §§ 793 i.V.m. 567 ff. ZPO, jedoch nicht begründet.
Zu Recht hat das Landgericht Regensburg den Antrag der Schuldnerin auf Anordnung der Rückzahlung des Ordnungsgeldes zurückgewiesen.
Unabhängig davon, ob das Landgericht als Prozessgericht nach Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses die Rückzahlung des Ordnungsgeldes überhaupt hätte anordnen können (so OLG Frankfurt, JurBüro 1991, 1554 ff.) oder die Rückzahlung im Klagewege geltend zu machen gewesen wäre (so Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 890 Rn. 26 unter Hinweis auf BAG, NJW 1990, 2579 f. m.w.N.), ist vorliegend ein Rückzahlungsanspruch der Schuldnerin schon dem Grunde, nach nicht gegeben.
Zutreffend hat das Landgericht Regensburg angenommen, dass der von der Gläubigerin erklärte Verzicht auf die Rechte aus dem Vollstreckungstitel die Rückzahlung des bereits entrichteten Ordnungsgeldes nicht mehr bewirken konnte. Denn die Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses entfaltete vorliegend keine Wirkung ex tunc. Letzteres wäre nur dann möglich, wenn entweder Titel oder Vollstreckungsmaßnahmen vorlägen, über die noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist (so aber bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Hauptsache, die Ausgangspunkt der Entscheidung des BGH vom 06.10.2005, "Pressephoto" waren). Über den der Vollstreckung zugrunde liegenden Titel selbst war hier aber in zweiter Instanz durch den Senat ebenso wie über die Vollstreckungsmaßnahme bereits rechtskräftig entschieden worden. Insoweit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar mit dem Sachverhalt, auf dem die von der Beschwerde zitierte Entscheidung des BAG (a.a.O.) basierte. Dort räumte das BAG dem Gläubiger die Befugnis ein, auf seine Rechte aus einem noch nicht rechtskräftigen Zwangsgeldbeschluss zu verzichten und den Titel nicht mehr durchzusetzen. Da eine noch nicht endgültige gerichtliche Entscheidung vorlag, war der rechtliche Grund für die Vollstreckung nur vorläufiger Art und unterlag der Nachprüfung im weiteren Verfahrensgang. In dem Umfang aber, in dem die Vollstreckungsmaßnahme selbst oder ihre Grundlage noch durch Bestätigung oder Aufhebung im Verfahren offen ist, kann auch der Gläubiger als der Inhaber des verfolgten Rechts und der darauf begründeten Sachherrschaft über die Vollstreckungsmaßnahme verfügen und zwar auch mit rückwirkender Kraft.
Ähnlich verhält es sich bei der Erledigung eines Rechtsstreits durch übereinstimmende Erklärungen der Parteien. Auch für diesen Fall billigt der BGH dem Gläubiger die Möglichkeit zu, durch eine entsprechende Erklärung einen im Verfahren erlassenen, noch nicht rechtskräftig gewordenen Unterfassungstitel rückwirkend oder erst mit Wirkung für die Zukunft entfallen zu lassen. Der Titel kann danach auch dann keine Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen mehr sein, wenn die Zuwiderhandlung gegen das ausgesprochene Unterlassungsgebot zuvor begangen worden ist (BGH, NJW 2004, 506 f.).
Denkbar ist eine derartige Befugnis des Gläubigers auch, wenn im Fall gegebener Bestandskraft die Beitreibung des Ordnungsgeldes zu Unrecht erfolgte. Bei einer derartigen Fallgestaltung, in der der Antragsteller, nachdem sein Begehren im Hauptsacheverfahren rechtskräftig abgewiesen wurde, auf die Rechte aus einer von ihm erwirkten einstweiligen Verfügung verzichtet hat, hat das OLG Köln (GRUR 1992, 476 ff.) eine ex tunc Wirkung dieses Verzichts angenommen und den erlassenen Ordnungsgeldbeschluss gemäß den §§ 776 analog, 775 Ziffer 1 ZPO rückwirkend aufgehoben.
So verhält es sich hier jedoch nicht. Weder waren Titel oder Vollstreckungsmaßnahme noch nicht rechtskräftig noch erfolgte die Beitreibung des Ordnungsgeldes zu Unrecht. Denn die Schuldnerin hatte mehrfach gegen Unterlassungsgebote verstoßen. In einem solchen Fall aber, kann dem Gläubiger nicht die Rechtsmacht zukommen, Titel und Maßnahme rückwirkend zu beseitigen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil es sich vorliegend um die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO handelt, das als Ahndung für eine Zuwiderhandlung und damit als strafähnliche Maßnahme verhängt wird und gleichzeitig Sühne für eine begangene Zuwiderhandlung ist (BGH NJW 1982, 1859). Auch hierin unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Sachverhalt, der der von der Beschwerde zitierten Entscheidung des BAG zugrunde lag. Dort wurde ein Zwangsgeld gemäß § 888 ZPO verhängt.
Nach alledem kann die hier erst nach rechtmäßiger Vollstreckung aufgrund bestandskräftig gebliebener Vollstreckungsgrundlagen abgegebene Verzichtserklärung der Gläubigerin nicht rückwirkend die Rückzahlung des beigetriebenen Ordnungsgeldes aus der Staatskasse bewirken. Die Staatskasse ist nicht, wie die Beschwerde meint, rechtsgrundlos bereichert, da für die Leistung ein Rechtsgrund bestanden hat und nicht rückwirkend entfallen ist. Der Senat stimmt insoweit der Auffassung des OLG Frankfurt (a.a.O.) zu, dass es dem Sinn und Zweck des in der Verfahrensordnung geregelten Zusammenspiels zwischen Gläubiger und ihm zur Durchsetzung seiner Rechte zur Verfügung gestellten staatlichen Machtapparat widerspreche, dem Gläubiger eine so weit reichende und nachwirkende Verfügungsmacht über; die zugunsten der Staatskasse beigetriebenen Ordnungsgelder zu belassen. Die vom Schuldner vertretene Auffassung, auch nach beendeter rechtmäßiger Vollstreckung stehe dem Gläubiger die Verfügungsmacht über die zugunsten der Staatskasse beigetriebenen Ordnungsgelder zu, hätte zur Konsequenz, dass er zu einem Zeitpunkt, in dem er befriedigt ist, also kein eigenes materielles Interesse an der Vollstreckungsmaßnahme hat und also auch nicht, wie vorher, ein solches als Preis für den Verzicht auf weitere Vollstreckung aufgeben müsste, nach seinem Belieben über das bei der Staatskasse befindliche Ordnungsgeld verfügen könnte. Er könnte über das legitime Erfüllungsinteresse hinausgehend, etwa die Freigabe von einem anderweitigen Entgegenkommen des Schuldners abhängig machen, wie der hälftigen Beteiligung an dem zurückerstatteten Ordungsgsgeld.
So verhält es sich hier, wie sich aus der Vereinbarung der Parteien vom 19.04.2005 ergibt. Dies widerspricht jedoch dem Sinn und Zweck der Vollstreckungsmaßnahme. Der Gläubiger kann das Ordnungsgeld als Druckmittel zur Durchsetzung seiner Ansprüche einsetzen oder davon absehen, wie er auch auf seinen Anspruch verzichten kann. Ist aber auf seine Veranlassung hin die Zwangsmaßnahme durchgeführt, erlischt seine Verfügungsbefugnis.
Da zum Zeitpunkt der Beitreibung des Ordnungsgeldes sowohl ein rechtskräftiger Unterlassungstitel als auch Ordnungsgeldbeschluss vorlagen, die Vollstreckungsmaßnahme rechtmäßig erfolgte, konnte der Verzicht der Gläubigerin Wirkung erst für die Zeit nach seiner Erklärung entfalten. Ebenso konnte die Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses durch das Landgericht Regensburg, worauf dieses zutreffend hinweist, erst ex nunc wirken. Die Rückzahlung des rechtmäßig beigetriebenen Ordnungsgeldes kommt damit nicht in Betracht.
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.
III.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 ZPO liegen vor. Bei der Frage, ob ein rechtmäßig beigetriebenes Ordnungsgeld von der Staatskasse zurückzuzahlen ist, wenn der Vollstreckungsgläubiger nachträglich auf seine Rechte aus einem sowohl rechtkräftigen Unterlassungstitel als auch Ordnungsgeldbeschluss verzichtet, handelt es sich um eine klärungsbedürftige Rechtsfrage, die für eine unbestimmte Anzahl von Fällen grundsätzliche Bedeutung hat.
Ende der Entscheidung
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