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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 13.08.2002
Aktenzeichen: 3 W 2455/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 2 S. 1
ZPO § 78 Abs. 1
Der Wegfall des Lokalisationsprinzip durch § 78 Abs. 1 ZPO (Fassung 1.1.2000) hat für die Auslegung des Merkmals "notwendig" in § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO keine Änderung mit sich gebracht. Es verbleibt bei der Einzelfallbezogenen Prüfung und den dabei entwickelten Grundsätzen.
3 W 2455/02

In Sachen

Beschluß:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth vom 11. Juli 2002 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Beschwerdewert beträgt 451,28 EUR.

4. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers beim Landgericht Nürnberg-Fürth ist zulässig, aber nicht begründet.

Zu Recht hat der Rechtspfleger die geltend gemachten Beträge für Abwesenheitsgeld und Reisekosten abgesetzt. Diese Kosten sind dem Kläger durch die Beauftragung seines nicht am Prozessgericht zugelassenen, aufgrund der Gesetzesänderung von § 78 Abs. 1 ZPO jedoch postulationsfähigen Rechtsanwaltes entstanden. Die Erstattungsfähigkeit dieser Kosten richtet sich nicht nach § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO, da diese Vorschrift nur den Fall der "kleinen Distanz" (Zulassung zwar am Prozessgericht, Wohnsitz jedoch an einem anderen Ort) regelt (OLGR Bamberg 2001, 117). Einschlägig ist vielmehr § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Bei dessen Auslegung darf jedoch die Regelung von § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht unberücksichtigt bleiben. Die Annahme, daß der Anwalt der "großen Distanz" (Zulassung nicht am Prozeßgericht, dort aber seit 1.1.2000 postulationsfähig) grundsätzlich Reisekosten erstattet erhält, der Anwalt der "kleinen Distanz" auf Grund Gesetzeslage aber nicht, würde für § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO einerseits und für § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO zu sachlich nicht gerechtfertigten konträren Ergebnissen führen, die mangels entsprechender Anhaltspunkte vom Gesetzgeber nicht gewollt sind. Sie zu vermeiden erfordert, weiterhin bei Satz 1 die zur Frage der Notwendigkeit entwickelten Grundsätze zu beachten.

Vorliegend scheitert die Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Kosten daran, daß sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig waren. Seit der Neufassung von § 78 Abs. 1 ZPO werden zur Frage der Reisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten unterschiedliche Meinungen vertreten. Während etwa das Oberlandesgericht Düsseldorf meint, dass nach dem Wegfall des Lokalisationsprinzipes die Reisekosten zu erstatten seien (in: OLGR Düsseldorf, 2001, 409), sieht das Oberlandesgericht München in: OLGR München, 2001, 241) auch nach der Änderung von § 73 Abs. 1 ZPO keine Veranlassung, nunmehr eine grundsätzliche Änderung der Erstattungsfähigkeit der Reisekosten anzunehmen. Der Senat teilt die zuletzt genannte Auffassung so bereits Beschlüsse vom 21.05.2002, Az. : 3 W 1503/02, bzw. vom 02.07.2002, Az.: 3 W 1640/02), zumal nach seiner Einschätzung von der Gegenmeinung dem weiterhin geltenden Tatbestandsmerkmal "notwendig" häufig zu wenig Beachtung geschenkt wird. Gesetzgeberisches Ziel bei der Änderung des "Berufsrechtsneuordnungsgesetzes" vom 17. Dezember 1999 war in erster Linie eine Angleichung der Postulationsfähigkeit von Rechtsanwälten aus den alten und aus den neuen Bundesländern (vgl. Kirchberg, NJW 2000, 486; v. Lamsdorff AnwBl 2000, 100). Diese Neuordnung wurde nicht zum Anlass genommen, zugleich § 91 ZPO abzuändern. Es besteht daher keine Veranlassung, von den zur Frage der Notwendigkeit von Kosten bei § 91 ZPO entwickelten Grundsätzen abzugehen. Dies gilt insbesondere für das z.B. vom OLG Bamberg (a.a.O.) für seine gegenteilige Ansicht angeführte Kostenargument. Dieses ist als Auslegungsmittel für die Prüfung der "Notwendigkeit" unbrauchbar. Ob ein Verfahren kostengünstig ist, richtet sich nach den angefallenen bzw. anfallenden Kosten. Diese ergeben sich - von den hier nicht interessierenden Gerichtskosten abgesehen - aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Prozeßbevollmächtigten und seinem Mandanten, insbesondere also nach den Regelungen der BRAGO. So hatte etwa ein Rechtsanwalt gegenüber seinem Mandanten gem. § 28 BRAGO schon vor dem 1.1.2000 einen Anspruch auf Vergütung seiner Tage- bzw. Abwesenheitsgelder und seiner Reisekosten, ohne dass hieraus für das früher in erster Linie relevante Problem der Erstattungsfähigkeit von Verkehrsanwaltskosten Folgerungen gezogen worden wären.

Ungeachtet der vorstehenden Überlegungen werden sich jedoch als Folge (und nicht als primäres gesetzgeberisches Ziel) der erweiterten Postulationsfähigkeit künftig Prozesse einfacher und kostengünstiger gestalten (Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 23. Auflage, § 78, Rd. 1). Dies betrifft vor allem die häufigen Fallgestaltungen, in denen sich eine Partei eines Verkehrsanwaltes bediente, obwohl dessen Kosten nur unter engen Voraussetzungen erstattungsfähig waren Zöller/Herget, a.a.O., § 91, Rand 13 "Verkehrsanwalt". Danach verblieb bei der einen Verkehrsanwalt einschaltender. Partei häufig eine erhebliche Kostenbelastung, die durch die Veränderung von § 78 Abs. 1 ZPO wegfallen kann, da der (frühere Verkehrs-) Anwalt nunmehr selbst vor dem Prozessgericht auftreten kann, eine Doppelvertretung somit entbehrlich wird.

Zurecht weist schließlich das OLG München (aaO) darauf hin, dass bereits vor Änderung von § 78 Abs. 1 ZPO bei Amtsgerichten stets ein auswärtiger Anwalt auftreten durfte. Soweit ersichtlich, hat bei diesem Rechtszustand niemand die Auffassung vertreten, dass dann, weil ein auswärtiger Anwalt vor dem jeweiligen Amtsgericht uneingeschränkt hatte auftreten können, auch dessen Reisekosten zu erstatten seien.

Auch nach Wegfall des Lokalisationsprinzip kann für die Erstattungsfähigkeit von Abwesenheitsgeldern und Reisekosten keine generell geltende Antwort gegeben werden kann. Abzustellen ist vielmehr auf die jeweilige Fallgestaltung. Bei dem Kläger handelt es sich um einen rechtsfähigen Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen. Die von ihm gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 AGBGB in Anspruch genommene Klagebefugnis setzt voraus, dass er über eine "qualifizierte Einrichtung" verfügt (vgl. im einzelnen Palandt/Heinrichs, 3G3, 61. Aufl., § 13 AGBG, Rand 11, 13 ff.). Diese muss ihn in die Lage versetzen, seine Prozessbevollmächtigten auch ohne direkten persönlichen Kontakt eines seiner Mitarbeiter (Vorstand; Sachbearbeiter a.ä. ?) für eine erfolgsversprechende Rechtsverfolgung zu informieren. Die dabei entstehenden - fiktiven - Kosten sind vom Rechtspfleger bereits hinreichend durch den Ansatz durch eine Informationspauschale berücksichtigt worden. Dabei geht es nicht darum, dass dem Kläger etwa zugemutet würde, sich einen am Gerichtsort zugelassenen Anwalt "aus den Gelben Seiten" herauszusuchen. Ausgehend von dem Grundsatz gleicher Qualifikation von Rechtsanwälten ist es Aufgabe einer Partei, die an der Vertretung durch einen "Spezialanwalt" interessiert ist, sich die Kenntnisse für dessen Auswahl selbst zu verschaffen. Die dabei entstehenden Kosten kann sie sich nicht vom Prozessgegner finanzieren lassen (Zöller/Herget, a.a.O., § 91 Rand 13 "Spezialanwalt"). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senates (vgl. etwa Beschlüsse v. 12.4.1995 - Az. 3 W 1018/95 - bzw. v. 21.8.1996 - Az. 3 W 1921/96).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Beschwerdewert richtete sich nach der Höhe der geltend gemachten Abwesenheitsgelder und Reisekosten abzüglich der zugesprochenen Informationspauschale in Höhe von 100,00 EUR.

Im Hinblick auf die aufgezeigten unterschiedlichen Auffassungen zur Erstattung der Reisekosten war die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2; Abs. 3 Satz 1; Abs. 2 ZPO n.F. zuzulassen. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 EGZPO war der Bundesgerichtshof zu bestimmen.

Ende der Entscheidung

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