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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 18.07.2001
Aktenzeichen: 4 U 1235/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1093
BGB § 986
Zum Umfang eines dinglichen Wohnrechts

Ein dingliches Wohnrecht an einer Eigentumswohnung umfasst auch die Nutzung des zur Wohnung gehörigen Tiefgaragen-Stellplatzes, sofern nichts anderes vereinbart ist.


Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

4 U 1235/01

Verkündet am 18.07.2001

In Sachen

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Behrschmidt und die Richter am Oberlandesgericht Braun und Redel aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Juli 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26. Februar 2001 aufgehoben.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Entscheidung beschwert den Kläger mit 15.000,00 DM.

Beschluß:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.000,00 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Von einer ausführlichen Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 ZPO abgesehen. Ergänzend ist lediglich nachzutragen:

In der 2. Instanz hat der Kläger eingeräumt, nicht mehr Eigentümer der Eigentumswohnung im Anwesen zu sein. Seit 26. Juli 2000 ist seine jetzige Ehefrau Eigentümerin dieser Wohnung.

Mit Vertrag vom 22. Mai 2001 haben der Kläger und seine Ehefrau vereinbart, daß der Kläger berechtigt sein soll, die Nutzungen aus dem Tiefgaragenstellplatz zu ziehen und die Eigentumsrechte gegenüber unberechtigten Besitzern geltend zu machen.

Die Beklagte beantragt,

das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26. Februar 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Hilfsweise,

das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26. Februar 2001 mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, daß die Beklagte verurteilt wird, den Tiefgaragenstellplatz (mit Nr. 6 bezeichnet), zu räumen und geräumt mit Schlüssel sowie Fernbedienung für das Tor der Tiefgarage an, herauszugeben.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

I.

Die Klage ist zulässig.

1. Ein eigener Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB steht dem Kläger allerdings nicht zu. Ein solcher Anspruch, der nicht abtretbar ist, gebührt nämlich allein dem Eigentümer. Bereits zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage (11. Dezember 2000) war der Kläger aber unstreitig nicht mehr Eigentümer der Wohnung.

Für einen Herausgabeanspruch des Klägers gemäß § 1007 BGB fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Diesbezüglich trägt der Kläger auch nichts vor.

Von daher fehlte dem Kläger von Anfang an die Aktivlegitimation.

2. Die Vereinbarung des Klägers mit seiner Ehefrau vom 22. Mai 2001 kann aber dahingehend ausgelegt werden, daß der Kläger für den vermeintlichen Herausgabeanspruch die Prozeßführungsbefugnis haben sollte (Palandt-Bassenge, BGB, 60. Aufl., § 985, Rdnr. 2).

Dem Kläger, der den Stellplatz bereits anderweitig vermietet haben will, ist für die sog. gewillkürte Prozeßstandschaft auch ein eigenes rechtsschutzwürdiges Interesse an der Prozeßführung zuzubilligen.

Im Rahmen des nunmehrigen Hilfsantrags des Klägers ist die Klage damit zulässig.

Der Senat verhehlt allerdings nicht, daß er die Prozeßführung des Klägers in erster Instanz, in der sich dieser ausdrücklich als Eigentümer der Wohnung bezeichnet hat, obwohl die Übereignung dieser Wohnung an seine Ehefrau erst wenige Monate zurücklag, als äußerst bedenklich und mit der auch für die Parteien geltenden Wahrheitspflicht (§ 138 ZPO) nicht vereinbar erachtet.

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Die Beklagte hat gemäß § 1093 Abs. 3 BGB analog, § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Recht zum Besitz und zur Nutzung des Garagenstellplatzes.

Dabei kann es dahinstehen, ob im Rahmen der Einräumung des dinglichen Wohnrechts zumindest schuldrechtlich auch das Recht der unentgeltlichen Benutzung des Garagenstellplatzes zwischen den Parteien konkludent vereinbart wurde. Zwar ist es zutreffend, daß der Garagen-Stellplatz im notariellen Vertrag vom 30. Juni 1972 nicht eigens erwähnt wurde. Gleichwohl sieht der Senat im Gegensatz zum Erstgericht hierin nicht einmal ein Indiz dafür, daß die Parteien den Garagenstellplatz gerade nicht als vom Wohnrecht umfaßt angesehen haben.

Letztlich kommt es auf diese Frage aber nicht an, weil das ausschließliche Nutzungsrecht, das an eine bestimmte Eigentumswohnung gekoppelt ist, kraft Gesetzes auf den Wohnungsrechtsinhaber mitübertragen wird (BayObLG, RPfl 98, 68).

Der Kläger hat den Garagenstellplatz nicht zum Sondereigentum erworben, sondern am ungeteilten Gemeinschaftseigentum für den Stellplatz ein ausschließliches Sondernutzungsrecht eingeräumt erhalten (vgl. not. Angebot vom 26. Januar 1971, S. 3). Dementsprechend hat der Kläger auch keinen eigenen Kaufpreis für den Garagenstellplatz entrichtet, sondern in dem Kaufpreis für die Eigentumswohnung war lediglich ein Betrag von 4.000,00 DM für die Nutzung des PKW-Abstellplatzes - offensichtlich aus steuerrechtlichen Gründen - mit enthalten. Schon von daher läßt sich der Erwerb eines Kelleranteils entgegen der Argumentation des Erstgerichts nicht mit dem Erwerb des im Kellergeschoß befindlichen Garagenstellplatzes, der im Gemeinschaftseigentum verblieb, gleichsetzen.

Sondernutzungsrechte folgen mangels abweichender Vereinbarung dem Wohnungsrecht. Ist ein Sondernutzungsrecht einer bestimmten Wohnung zugeordnet, so ist der dinglich Wohnungsberechtigte mangels abweichender Vereinbarung berechtigt, auch diese Nutzung auszuüben (BayObLG, a.a.O.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Sondernutzung unmittelbaren Wohnzwecken dient. Auch die Benutzung von im Gemeinschaftseigentum stehenden Anlagen und Einrichtungen wie Keller, Waschküche oder Trockenboden, dienen nicht unmittelbar dem eigentlichen Wohnen, sind aber gemäß § 1093 Abs. 3 BGB vom dinglichen Wohnungsrecht umfaßt (Palandt-Bassenge, § 1093, Rdnr. 13 m.w.N.). Dementsprechend stehen Sondernutzungsrechte am gemeinschaftlichen Eigentum, egal um welche konkreten Sondernutzungsrechte es sich dabei handelt, generell dem dinglich Wohnungsberechtigten zu.

Abweichende schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen dem Wohnungseigentümer und dem dinglich Wohnungsberechtigten hinsichtlich der Ausübung des Sondernutzungsrechts wären möglich, sind hier jedoch ersichtlich nicht getroffen worden.

Nach alldem ist das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth aufzuheben und die Klage abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gemäß § 546 Abs. 2 ZPO war der Wert der Beschwer festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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