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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 08.11.2006
Aktenzeichen: 4 U 1238/06
Rechtsgebiete: VwVfG, BGB


Vorschriften:

VwVfG § 49 a Abs. 2
BGB § 812
BGB § 818 Abs. 3
Der Empfänger von staatlichen Fördermitteln kann sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, wenn ein Widerruf des Zuwendungsbescheides darauf beruht, dass gegen eine vom Zeitpunkt des Zuflusses der Gelder an bestehende Auflage (hier Schaffung von Dauerarbeitsplätzen) innerhalb des festgelegten Zeitraumes verstoßen wird. Es kommt nicht darauf an, ob die Mittel zweckgerichtet verwendet wurden und ob der Empfänger erst nach deren endgültigem Abfluss die Nichterfüllung der Auflage erkennen konnte.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

4 U 1238/06

Verkündet am 8. November 2006

In Sachen

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kammerer und die Richter am Oberlandesgericht Schermer und Bartsch aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21.4.2006 wird aufgehoben.

II. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 4.3.2005 bleibt aufrechterhalten.

III. Der Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 442.267,68 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt die Rückzahlung eines Investitionszuschusses.

Der Beklagte beantragte in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der A M Erlangen GmbH bei der Regierung von Mittelfranken einen Investitionszuschuss, welcher mit Zuwendungsbescheid vom 3.3.1999 in Höhe von 865.000 DM bewilligt wurde. In dem Bescheid war u.a. bestimmt, dass 16 zusätzliche Dauerarbeitsplätze geschaffen und besetzt werden.

Zudem wurde auf die besonderen Nebenbestimmungen für die Zuwendungen an die gewerbliche Wirtschaft (BNZW) Bezug genommen, die als verbindlicher Bestandteil dieses Bescheides zu gelten hätten. In diesen Bestimmungen sind u.a. unter Ziff. 6.2 detaillierte Voraussetzungen bestimmt, bei deren Vorliegen der Zuwendungsbescheid widerrufen werden kann. Unter dem 9.3.1999 unterzeichnete der Beklagte eine Urkunde, in der er sich für die Rückzahlung des Zuschusses selbstschuldnerisch verbürgte. Am 15.3.1999 erließ die Regierung von Mittelfranken einen Änderungsbescheid; dieser wich vom ursprünglichen Bescheid vom 3.3.1999 lediglich insoweit ab, als die Schließung einer Finanzierungslücke von 30.500,- DM (anstatt bisher 236.750,- DM) durch zusätzliche Eigen- bzw. Fremdmittel von der Hausbank zu bestätigen war.

Am 4.12.2001 wurde auf Antrag des Beklagten über das Vermögen der Fa. ... das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Regierung von Mittelfranken widerrief mit Bescheid vom 13.3.2002 die Zuwendungen gemäß der Bescheide vom 3.3. und 15.3.1999. Der Kläger nimmt den Beklagten persönlich aufgrund der Bürgschaftserklärung in Anspruch. Der Beklagte lehnte die Zahlung ab.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 442.267,48 nebst 6 % Zinsen hieraus seit 04.03.2002 sowie Vordruck-/Portokosten in Höhe von € 2,50 zu zahlen.

Am 4.3.2005 ist antragsgemäß Versäumnisurteil ergangen, gegen das der Beklagte form- und fristgerecht Einspruch eingelegt hat.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat das Versäumnisurteil aufgehoben, nachdem es durch eine Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt war, dass die Fördermittel zweckgerichtet eingesetzt und bereits vollständig verbraucht gewesen seien, als die A GmbH insolvent wurde. Die Hauptschuldnerin des Klägers könne sich daher auf Wegfall der Bereicherung berufen; diese Einrede stehe auch dem Beklagten als Bürgen in gleicher Weise zu.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im Ersturteil wird in vollem Umfang Bezug genommen, § 540 I Nr. 1 ZPO.

Der Kläger verfolgt seinen Zahlungsanspruch mit der Berufung weiter. Er ist der Auffassung, dass sich der Beklagte nicht auf die eingetretene Entreicherung berufen könne. Dem Geschäftsführer der Hauptschuldnerin sei aufgrund, der Bedingungen des Zuwendungsbescheids bekannt gewesen, dass eine Auflage zur Schaffung von Dauerarbeitsplätzen bestehe, deren Nichterfüllung zum Widerruf der Zuwendung führen könne.

Der Kläger beantragt:

I. Das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 3.3.2006, Az.: 19 O 12742/04, wird aufgehoben.

II. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 4.3.2006, Az.: 19 O 12742/04, bleibt aufrechterhalten.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Ausführungen des Landgerichts zur Frage der Entreicherung für zutreffend. Die Beweisaufnahme habe eindeutig ergeben, dass spätestens im Jahr 2000 die Zuwendungssumme zweckgerichtet verwendet und verbraucht gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe die Hauptschuldnerin eine Erhöhung der Kreditlinie seitens ihrer Bank erreicht; dies zeige, dass eine Zahlungsunfähigkeit nicht absehbar war. Von Bösgläubigkeit kann daher nicht ausgegangen werden. Im übrigen sei die Forderung des Klägers auch aus weiteren Gründen nicht berechtigt. So beziehe sich die Bürgschaftsurkunde ausdrücklich auf den ersten Bescheid vom 3.3.1999. Nur aufgrund des späteren Bescheids waren Zahlungen geflossen. Der Widerrufsbescheid sei auch nicht bestandskräftig. Er sei an den Insolvenzverwalter zugestellt worden, der nicht vertretungsberechtigt war; zudem war die Firmenbezeichnung in der Adressierung fehlerhaft. Eine Bindungswirkung des Bescheides gäbe es nicht. Die Bürgschaftserklärung hätte die Beklagte ohnehin wegen arglistiger Täuschung angefochten, da er über die Widerrufsvoraussetzungen nicht aufgeklärt worden sei.

II.

Die Berufung des Klägers ist begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 442.267,48 € aus § 765 BGB i.V.m. § 49 a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts kann sich der Beklagte aber nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 4.3.2005 war daher unter Aufhebung des mit der Berufung angegriffenen Endurteils aufrechtzuerhalten.

1. Dem Kläger steht, wovon das Erstgericht im Ansatz zutreffend ausgeht, ein Rückzahlungsanspruch gegen die A M w Erlangen GmbH nach § 49 a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG aufgrund des Widerrufsbescheids vom 4.3.2002 zu.

a) Der Widerrufsbescheid ist formell nicht zu beanstanden. Die Firmen-Kurzbezeichnung "A GmbH" lässt den Adressaten zweifelsfrei erkennen. Es ist nicht vorgetragen, dass eine andere juristische Person mit diesem Firmennamen existiert. Die Hauptschuldnerin hat ihn in eigenen Schriftstücken als Briefkopf verwendet (vgl. Anlagen K 6 und K 8).

b) Der Bescheid ist ordnungsgemäß zugestellt worden. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der Insolvenzverwalter nach § 80 InsO die zur Verwaltung und damit allein für die Geschäftsführung zuständige Person. Es ist daher nicht nur nicht zu beanstanden, sondern sogar zwingend geboten, Zustellungen gegenüber der Gemeinschuldnerin an ihn zu bewirken.

c) Der Widerrufsbescheid ist auch bestandskräftig, da innerhalb der mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung bekannt gemachten Frist kein Widerspruch eingelegt wurde. Einwendungen gegen die Rechtsgültigkeit dieses Bescheides sind deswegen im Zivilprozess nicht mehr möglich, da insoweit eine Bindungswirkung besteht (vgl. Zöller-Gummer, 25. Aufl., § 13 GVG, Rn. 45 m.w.N.). Dies gilt in jedem Fall für das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Hauptschuldnerin, an die der Verwaltungsakt gerichtet war. Gründe für die Nichtigkeit des Widerrufsbescheids, die eine derartige Bindungswirkung nicht eintreten lassen würden (vgl. Zöller-Gummer a.a.O., Rn. 46), liegen nicht vor.

2. Der Beklagte hat sich nach § 765 BGB wirksam für die Rückzahlungsverpflichtung der A GmbH verbürgt. Auch insoweit ist dem Erstgericht zuzustimmen.

a) Die Bürgschaftsvereinbarung ist nicht deswegen nichtig, weil darin eine unwirksame Gerichtsstandsvereinbarung enthalten ist. Dies führt regelmäßig nicht zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags (vgl. Palandt-Heinrichs, 65. Aufl., § 139 Rn. 15; BGHZ 22, 90).

b) Das Schriftformerfordernis der Bürgschaftserklärung (§ 766 BGB) ist erfüllt. Die vom Beklagten unterschriebene Erklärung beinhaltet den Willen, für die fremde Schuld einzustehen; sie bezeichnet sowohl den Gläubiger als auch den Hauptschuldner und den Gegenstand der Schuld, wofür es ausreicht, dass die Hauptschuld zumindest in hinlänglich klaren Umrissen erkennbar ist (vgl. BGHZ 132, 119); auch erst in der Zukunft entstehende Forderungen sind sicherbar, wenn eine ausreichende Bestimmtheit vorliegt (Palandt-Sprau, 65. Aufl., § 765 Rn. 18).

Es ist nicht von entscheidender Bedeutung, dass die Bürgschaftsurkunde sich auf den später geänderten Bescheid vom 3.3.1999 bezieht. Der geänderte Bescheid vom 15.3.1999 weicht lediglich in einem unbedeutenden Nebenpunkt vom ursprünglichen ab. Der aus der Bürgschaftsurkunde hervorgehende Verpflichtungswille des Beklagten bezieht sich auf die Sicherung einer möglichen Rückzahlungsverpflichtung der Hauptschuldnerin in Höhe des Zuwendungsbetrages von 865.000 DM. Diese Summe wurde in der Folgezeit an die A GmbH ausbezahlt. Auch die Rückzahlungsmodalitäten sowie die Gründe, die zu einem Widerruf führen könnten, sind in beiden Bescheiden identisch. Einer erneuten - ebenfalls inhaltsgleichen - Bürgschaftserklärung des Beklagten bedurfte es bei dieser Sachlage nicht.

c) Der Beklagte hat nicht bestritten, die in Kopie vorgelegte Bürgschaftsurkunde vom 9.3.1999 eigenhändig unterschrieben zu haben; nach Darstellung des Klägers ist dieser im Besitz der Originalbürgschaftsurkunde. Der Beklagte hat dies lediglich pauschal bestritten. Entgegen seiner Verpflichtung aus § 138 Abs. 1 ZPO zu vollständigen und wahrheitsgemäßen Erklärungen hat er aber keinerlei Gründe dafür vorgetragen, weswegen er das Original der Urkunde zwar unterschrieben aber nicht übergeben habe. Der Senat geht daher davon aus, dass die Bürgschaftsurkunde im Original im Besitz des Klägers ist. Der im Prozess erklärte Widerruf der Bürgschaftserklärung ist daher unwirksam.

d) Die Bürgschaftserklärung ist auch nicht wirksam angefochten worden. Der mit dem Geschäftsführer der Hauptschuldnerin identische Beklagte war mit dem Zuwendungsbescheid vom 3.3.1999 ausdrücklich auf die möglichen Widerrufsgründe nach dem BNZW hingewiesen worden. Diese mussten als Verwaltungsvorschriften, die allgemein zugänglich sind, nicht persönlich übergeben werden. Eine zusätzliche nochmalige Aufklärungspflicht seitens der Regierung von Mittelfranken bestand nicht, so dass ein arglistiges Unterlassen ausscheidet.

3. Dem Beklagten stehen weder eigene Einreden gegen die Forderung des Klägers zu, noch kann er Einreden der Hauptschuldnerin i.S.v. § 768 BGB gegen die Forderung geltend machen.

a) Inwieweit wegen einer Bindungswirkung eine materielle Überprüfung des bestandskräftigen Widerrufsbescheids der Regierung von Mittelfranken durch das Zivilgericht möglich ist, muss nicht entschieden werden, denn inhaltlich ist der Widerruf jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft. Nur in diesem Fall müsste der Senat die Unwirksamkeit zugrunde legen. Aufgrund der Bestimmungen in Nr. 6.2.3.1.3 und Nr. 6.2.3.1.6 der BNZW konnte die Regierung von Mittelfranken den Zuwendungsbescheid widerrufen. Der Zeitraum von 5 Jahren, innerhalb derer die geforderten Dauerarbeitsplätze geschaffen und erhalten werden müssen, war nicht erreicht; innerhalb der genannten Frist ist darüber hinaus die Zahlungsunfähigkeit der Hauptschuldnerin eingetreten. Beides sind ausdrücklich genannte Regelfälle für den Erlass eines Widerrufsbescheides.

b) Auf den Wegfall der Bereicherung kann sich der Beklagte aber schon aufgrund der Zweckrichtung seiner Bürgschaftsvereinbarung mit dem Kläger nicht berufen. Die Einreden des Hauptschuldners stehen ihm nur zu, soweit dies dem Sicherungszweck der Bürgschaft nicht widerspricht (vgl. Palandt-Sprau, § 768 Rn. 7). Da die Zuwendungen zur Anschubfinanzierung dienen sollten, liegt es in der Natur der Sache, dass die vom Kläger zur Verfügung gestellten Mittel nicht bei der Hauptschuldnerin verblieben, sondern für Investitionen verwendet wurden. Damit ist eine Entreicherung im Hinblick auf die geleisteten Zuwendungen nicht nur möglich, sondern sogar beabsichtigt. Die zweckgerichtete Mittelverwendung würde daher zwingend dazu führen, dass eine Rückzahlung aufgrund eines möglichen Widerrufsbescheids von vorneherein ausgeschlossen wäre. Mangels einer von Anfang an einredebehafteten Forderung käme es faktisch nie dazu, dass der Sicherungsfall eintritt. Die Bürgschaftserklärung soll aber gerade eine Sicherung für den Fall darstellen, da die Hauptschuldnerin nicht mehr zahlungsfähig und damit notgedrungen in jedem Fall entreichert ist.

c) Darüber hinaus könnte auch die Hauptschuldnerin selbst keine Entreicherung geltend machen, da der Beklagte als vertretungsberechtigtes Organ von den Umständen, die zum Widerruf führen können, von Anfang an in Kenntnis gesetzt war und somit bösgläubig i.S. von § 49 a Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bösgläubigkeit bei einem Auflagenverstoß ist regelmäßig der Zeitpunkt, in dem die Auflage als solche bekannt war (vgl. Sachs in Stelken/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 49 a Rn. 66; soweit dort unter Rn. 69 ausgeführt wird, dass sich ein zu einem späteren Zeitpunkt bösgläubig gewordener Begünstigter auf eine Entreicherung vor dem Eintritt der Bösgläubigkeit berufen kann, betrifft dies nur Fälle, in denen der Eintritt eines Widerrufsgrundes ein nicht sicher vorhersehbares Ereignis darstellt. Vorliegend ist ein Dauerzustand gefordert, nämlich die Unterhaltung von Arbeitsplätzen über einen Zeitraum von 5 Jahren, der mit dem Zeitpunkt der Zuwendung beginnt). Die A GmbH gilt daher bei einem Wegfall der Arbeitsplätze bereicherungsrechtlich von Anfang an als bösgläubig. Ob ein Auflagenverstoß tatsächlich eintritt, muss nicht bekannt sein, wenn die Auflage einen bestimmten Dauerzustand beinhaltet, der - wie hier das Bestehen der Arbeitsplätze - von Beginn an gegeben sein muss.

III.

Kosten: § 91 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor. Der Senat weicht nicht von obergerichtlicher Rechtsprechung ab. Rechtsfragen, die über die Entscheidung im Einzelfall hinausgehend grundsätzliche Bedeutung hätten, wurden nicht entschieden.

Ende der Entscheidung

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