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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 25.08.2008
Aktenzeichen: 4 U 1393/08
Rechtsgebiete: VVG, PflVG


Vorschriften:

VVG § 67 Abs. 1 S. 1 a.F.
VVG § 86 Abs. 1 S. 1
VVG § 115 Abs. 1 Nr. 1
PflVG § 3 Nr. 1 a.F.
Der Regressverzicht des Gebäudeversicherers bei leicht fahrlässig verursachten Schäden am Gebäude durch den Mieter erstreckt sich nicht auf den Direktanspruch gegen die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung des Mieters.
Gründe:

erteilt das Oberlandesgericht Nürnberg -4. Zivilsenat- durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kammerer, die Richterin am Oberlandesgericht Reitzenstein und den Richter am Oberlandesgericht Bauer am 25.08.2008 folgenden Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO:

I.

Die Beklagte war Gebäudeversicherer eines Mehrfamilienhauses nebst Tiefgarage. Versicherungsnehmerin und Vermieterin des Anwesens war eine Wohnungsverwaltungsgesellschaft. Am 17.04.2004 kam es aufgrund eines technischen Defekts eines in der Tiefgarage abgestellten Pkw zu einem Feuer, bei dem das Gebäude beschädigt wurde. Die Halterin des Pkw war Mieterin einer Wohnung und eines Tiefgaragenstellplatzes. Für den Pkw bestand beim Kläger eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung. Die Beklagte regulierte den Gebäudeschaden und machte nach § 67 VVG (a.F.) auf sie übergegangene Ansprüche des Gebäudeeigentümers geltend. Der Kläger bezahlte daraufhin 38.298,00 € an die Beklagte.

Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger von der Beklagten Rückzahlung eines Teils dieses Betrages und meint, sie habe die Zahlung ohne Rechtsgrund geleistet. Der Kläger beruft sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Regressverzicht des Gebäudeversicherers.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth wies die Klage ab.

II.

Der Senat beabsichtigt die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12.06.2008, Az. 11 O 10402/07 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil erfordern.

Der Senat hat die gegen das angefochtene Urteil erhobenen Einwände geprüft und gewürdigt. Die mit der Berufung vorgetragenen Gesichtspunkte können ihr jedoch nicht zum Erfolg verhelfen.

III.

Der Kläger hat keine neuen berücksichtigungsfähigen Tatsachen vorgetragen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) oder konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen des Landgerichts begründen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist daher von dem im angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Sachverhalt auszugehen. Dieser rechtfertigt weder eine andere Entscheidung noch ist eine Rechtsverletzung vorgetragen, auf der die erstinstanzliche Entscheidung beruhen würde (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Der Senat gelangt in Übereinstimmung mit dem Landgericht, auf dessen zutreffende und sorgfältig begründete Ausführungen Bezug genommen wird, zu dem Ergebnis, dass dem Kläger gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rückerstattung der geleisteten Beträge zusteht.

Der Kläger hat die 38.298,00 € mit Rechtsgrund an die Beklagte ausbezahlt, so dass der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt BGB, 818 Abs. 2 BGB nicht besteht.

Rechtsgrund für die Auszahlung der Versicherungsleistung war der auf die Beklagte gemäß § 67 Abs. 1 S. 1 VVG (a.F.) übergegangene Direktanspruch gegen den Kläger aus § 3 Nr. 1 PflVG (a.F.). Auf diesen Direktanspruch erstreckt sich ein etwaiger Regressverzicht im Verhältnis zwischen dem Beklagten als Gebäudeversicherer und der Halterin des schadensverursachenden Kraftfahrzeugs und Mieterin der Versicherungsnehmerin der Beklagten nicht.

1.) Die Rechtsprechung zum Regressverzicht des Gebäudeversicherers bei leicht fahrlässig verursachten Schäden am Gebäude durch den Mieter (BGH, Urt. v. 8.11.2000, VersR 2001, 94; BGH, Urt. v. 12.12.2001, VersR 2002, 433; BGH, Urt. v. 13.09.2006, VersR 2006, 1530; BGH, Urt. v. 13.09.2006, VersR 2006, 1533; BGH, Urt. v. 13.09.2006, NJW 2006, 3707) legt den Gebäudeversicherungsvertrag ergänzend dahingehend aus, dass der Versicherer gegenüber seinem Versicherungsnehmer konkludent auf einen Regress gegen den Mieter des Versicherungsnehmers verzichtet, wenn der Mieter einen Brandschaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht habt. Diese als gefestigt anzusehende versicherungsrechtliche Lösung des Interessenkonflikts durch die Rechtsprechung gilt sowohl für Wohnraum-, als auch für Gewerbemiete (BGH, Urt. v. 12.12.2001, VersR 2002, 433) und auf Dauer angelegte unentgeltliche Nutzungsverhältnisse (BGH, Urt. v. 13.09.2006, VersR 2006, 1533) und ist unabhängig davon, ob der Mieter im Einzelfall eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat (BGH, Urt. v. 8.11.2000, VersR 2001; BGH, Urt. v. 13.09.2006, VersR 2006, 1530; BGH, Urt. v. 13.09.2006, VersR 2006, 1533).

Der Bundesgerichtshof führt hierzu aus, die Auslegung von Gebäudeversicherungsverträgen sei anhand eines objektiv-generalisierenden Maßstabes vorzunehmen. Die Vertragsergänzung müsse für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein (BGH, Urt. v. 13.09.2006, VersR 2006, 1530 m.w.N.). Deshalb könne die Auslegung des Gebäudeversicherungsvertrages nicht davon abhängig gemacht werden, ob der Mieter im Einzelfall eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen habe, was zum Zeitpunkt des Abschlusses des Gebäudeversicherungsvertrages vielfach auch nicht bekannt sei. Dagegen sei das Interesse des Versicherungsnehmers (und Vermieters) an einem unbelasteten Vertragsverhältnis zu seinem Mieter für den Versicherer bei Abschluss des Gebäudeversicherungsvertrages erkennbar. Dem Vermieter sei daran gelegen, das in der Regel auf längere Zeit angelegte Vertragsverhältnis zu seinem Mieter so weit wie möglich unbelastet zu lassen (BGH, Urt. v. 8.11.2000, VersR 2001). Dieses Vertragsverhältnis werde im Schadensfall über Gebühr belastet, wenn der Gebäudeversicherer den Mieter bereits bei einer Schadensverursachung durch leichte Fahrlässigkeit in Regress nehmen könnte.

2.) Diese Erwägungen zur Annahme eines konkludenten Regressverzichts sind auf die hier vorliegende Fallgestaltung nicht übertragbar. Der Geschädigte (und damit auch der Gebäudeversicherer, auf den die Schadensersatzansprüche nach der Erstattung gemäß § 67 VVG (a.F.) übergegangen sind) hat aus § 3 Nr. 1 PflVG (a.F.) einen direkten Anspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer des Schädigers. Die Geltendmachung dieses Direktanspruches belastet nicht das mietvertragliche Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter. Durch den Direktanspruch wird der Kfz-Haftpflichtversicherer (hier: der Kläger) in das Schuldverhältnis zwischen seinem Versicherungsnehmer (hier: die Mieterin) und dem Geschädigten nicht einbezogen (vgl. BGH, Urt. v. 28.05.1979, VersR 1979, 838; BGH, Urt. v. 30.10.1980, VersR 1981, 134).

Bei dem Direktanspruch aus § 3 Nr. 1 PflVG (a.F.) handelt es sich auch nicht um einen versicherungsrechtlichen, sondern um einen deliktsrechtlichen Anspruch des Geschädigten gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer (Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 3 PflVG Rn. 6; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 3 PflVG Rn. 4). Sogar der Halter selbst kann grds. seinen Personenschaden mit der Direktklage gegen seinen Haftpflichtversicherer geltend machen (etwa, wenn der Halter von dem mitversicherten Fahrer durch den Gebrauch des Kfz verletzt worden ist, vgl. BGH, Urt. v. 10.06.1986, VersR 1986, 1010).

Ein für die Beklagte als Gebäudeversicherer erkennbares Interesse ihres Versicherungsnehmers daran, sie solle auf diesen Direktanspruch gänzlich verzichten (eine Begrenzung des Regressanspruches auf Fälle der groben Fahrlässigkeit und des Vorsatzes lässt die Gefährdungshaftung des § 7 Abs. 1 StVG nicht zu), ist nicht erkennbar.

Da es sich bei der Kfz-Haftpflichtversicherung um eine Pflichtversicherung handelt, dürfen bei Anlegung eines objektiv-generalisierenden Maßstabes sowohl der Vermieter, als auch der Gebäudeversicherer bei Abschluss des Gebäudeversicherungsvertrages davon ausgehen, dass etwaige Beschädigungen des Gebäudes, die durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs eines Mieters entstehen, vom Versicherungsschutz der Kfz-Haftpflichtversicherung des Mieters erfasst werden. Der Gebäudeversicherungsvertrag enthält deshalb für diesen Fall keine Regelungslücke, so dass für einen Regressverzicht auch gegenüber der Pflichtversicherung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung kein Raum ist.

3.) Auch der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, dass in den Fällen, in denen dem Schädiger durch das Bestehen einer Pflichtversicherung die Last der Haftung abgenommen worden ist, das Bedürfnis für Haftungsbeschränkungen nicht besteht und deshalb solche Risiko- und Haftungsbeschränkungen, die dem Schädiger selbst zu Gute kommen, nicht zum Wegfall der haftungsrechtlichen Grundlage für den Direktanspruch gegen die Haftpflichtversicherung führen. So hat der BGH mit Urteil vom 3.12.1991 (NJW 1992, 900; Fortführung von BGH, Urt. v. 8.12.1971, VersR 1972,166) den Direktanspruch eines Arbeitgebers aus § 3 Nr. 1 PflVG gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung seines Arbeitnehmers bejaht, obwohl die Haftung des Arbeitnehmers nach den arbeitsrechtlichen Grundsätzen zur Risikoverteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei gefahrgeneigter Arbeit ausgeschlossen war. In gleichem Sinn hatte der Bundesgerichtshof bereits mit Urteil vom 1.4.1958 (NJW 1958, 1086) die Haftungsfreistellung eines Arbeitnehmers von der Ersatzpflicht gegenüber seinem Arbeitskollegen dann entfallen lassen, wenn das Risiko der schadensgeneigten Arbeit durch eine Pflichtversicherung abgedeckt war.

Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet diese Rechtsprechung, dass der Regressverzicht des Gebäudeversicherers, der seine Begründung im Schutz der Vertragsbeziehung zwischen Mieter und Vermieter vor Belastungen durch Haftungsfragen findet, sich nicht auf den Direktanspruch gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung des Mieters erstreckt und der Kläger mit Rechtsgrund Ersatz für den Gebäudeschaden geleistet hat.

IV.

Aus den unter II. genannten Gründen beabsichtigt der Senat, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Der Senat regt daher die Rücknahme der Berufung an. Dies hätte gegenüber der unanfechtbaren Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO Kostenvorteile (vgl. KV Nr. 1222).

Ende der Entscheidung

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