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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 18.09.2000
Aktenzeichen: 4 U 1520/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 101
ZPO § 98
Kosten der Nebenintervention im Prozeßvergleich

1. Vereinbaren die Parteien in einem ohne Beteiligung des Streithelfers geschlossenen Prozeßvergleich Kostenaufhebung, so sind auf Antrag des Streithelfers die Kosten der Nebenintervention zur Hälfte dem Gegner der unterstützten Partei aufzuerlegen; die andere Hälfte trägt der Streithelfer selbst. Diese Rechtsfolge können die Parteien nicht zu Ungunsten des Streithelfers abbedingen.

2. Vereinbaren die Parteien in einem solchen Prozeßvergleich eine Kostenverteilung nach Bruchteilen, so gilt diese Kostenquote auch für den Kostenerstattungsanspruch des Streithelfers gegen den Gegner der unterstützten Partei.


4 U 1520/99 1 O 601/97 LG Weiden Ho

Nürnberg, den 18.9.2000

In Sachen

wegen Werklohnforderung,

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 4. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss:

Tenor:

Von den Kosten der Streithelfer trägt der Kläger hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten die Hälfte, hinsichtlich der zweitinstanzlichen Kosten 11/20. Im Übrigen tragen die Streithelfer die Kosten ihrer Nebenintervention selbst.

Gründe:

Der Antrag der Streithelfer auf anteilige Erstattung ihrer Kosten hat Erfolg (§ 91 a Abs. 1 Satz 2 analog; vgl. Zöller-Herget, ZPO, 21. Auflage, § 101 Rn. 9 m.w.N.).

I. Nebeninterventions-Kosten der 1. Instanz

Die Streithelfer können vom Kläger die Hälfte ihrer erstinstanzlichen Kosten erstattet verlangen. Das folgt aus der im Prozessvergleich unter Nr. IV Absatz 1 vereinbarten Kostenaufhebung.

Zwar waren die Streithelfer am Prozessvergleich nicht unmittelbar beteiligt. Es spricht auch nichts dafür, dass die Parteien sie wenigstens an der Kostenentscheidung teilhaben, insbesondere dass sie ihnen Kostenvorteile zukommen lassen wollten.

Dennoch können die Streithelfer aus der Kostenregelung des allein zwischen den Parteien geschlossenen Vergleichs auch für sich selbst Rechte herleiten. Das ergibt sich aus § 101 Abs. 1 ZPO.

a) Nach dem Grundgedanken dieser Vorschrift sind die durch die Streithilfe verursachten Kosten dem Gegner der unterstützen Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach §§ 91 ff. ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Dieser Anspruch unterliegt nicht der Disposition der Parteien; eine Vereinbarung, wonach ein nach § 101 ZPO begründeter Anspruch dem Streithelfer versagt bleiben soll, wäre als Vertrag zu Lasten Dritter unwirksam (BGH NJW 1967, 983: 1961, 460; OLG Köln JurBüro 1989, 102/103; Zöller-Herget, aaO., § 101 Rn 8 m.w.N.).

Im konkreten Fall besteht hinsichtlich der ersten Instanz die - bei einem Prozessvergleich freilich nicht seltene - Besonderheit, dass die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben sind. Das bedeutet, dass jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen muss, also insoweit keinen Erstattungsanspruch gegen die andere Partei hat. Daraus wird teilweise gefolgert, dass mangels eines Kostenerstattungsanspruchs der unterstützten Hauptpartei auch ihrem Streithelfer kein Kostenerstattungsanspruch gegen die Gegenpartei zusteht (OLG Nürnberg - 9. Zivilsenat -, AnwBl 1989. 204f. OLG Dresden - 6. Zivilsenat -, OLGR 1999, 227; OLG Frankfurt - 13. Zivilsenat -, OLGR 1998, 363; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1997,1293; OLG München - 3. Zivilsenat -, NJW-RR 1995, 1403; OLG Celle, AnwBl 1983, 176).

Demgegenüber billigt die herrschende Meinung im Falle der Kostenaufhebung dem Streithelfer gegen den Gegner der unterstützen Hauptpartei einen Anspruch auf die Hälfte seiner außergerichtlichen Auslagen zu (BGH aaO; Hans. OLG Bremen, OLGR 1999, 219; OLG München - 28. Zivilsenat -, MDR 1998, 989 = OLGR 1998, 210; OLG Dresden - 7. Zivilsenat - NJW-RR 1998,367 = OLGR 1997, 342; OLG Düsseldorf, OLGR 1999, 127; OLG Frankfurt - 9. Zivilsenat -, OLGR 1998, 298; Stein-Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 101 Rn. 7; Zöller-Herget, aaO., § 101 Rn. 11; Wieczorek-Steiner, ZPO, 3. Aufl., § 101 Rn. 10; MüKoBelz, ZPO, § 101 Rn. 30; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 57. Aufl., § 101 Rn. 23; Thomas-Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 101 Rn. 4).

b) Der Senat schließt sich der herrschenden Meinung an, weil sie dem Sinn des § 101 Abs. 1 ZPO eher gerecht wird als die Gegenmeinung.

Kostenaufhebung wird - wenn das Gesetz sie nicht unabhängig vom Umfang des Prozesserfolgs vorschreibt (z.B. § 93 c ZPO) - von Gerichten im allgemeinen dann angeordnet und von Parteien im allgemeinen dann vereinbart, wenn das gegenseitige Obsiegen und Unterliegen ungefähr gleich wiegen (oder dies zumindest fingiert wird).

Dass auch der Gesetzgeber selbst von dieser Vorstellung ausgeht, wird in § 92 Abs. 1 Satz 2 ZPO deutlich. Danach fallen bei Kostenaufhebung die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

Auch hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten halten sich in der Regel die beiderseitigen Aufwendungen ungefähr die Waage. Der Verzicht auf gegenseitige Kostenerstattung läuft in diesen Fällen wirtschaftlich auf das Gleiche hinaus: Statt vom Gegner die Hälfte der eigenen außergerichtlichen Kosten zu fordern und ihm die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten zu ersetzen (bzw. im Wege des Kostenausgleichs beide Ansprüche zu verrechnen), soll aus Vereinfachungsgründen jede Partei ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst traben und im Gegenzug der anderen Partei keine Kosten erstatten müssen. Dass es bei Kostenaufhebung im Einzelfall zu ungleichmäßigen Belastungen kommen kann, etwa wenn eine Partei einen zweiten Anwalt hinzuziehen muss oder erheblich höhere Reisekosten als die andere hat, stellt den hinter der Kostenaufhebung stehenden Grundgedanken des ungefähr gleichen Prozesserfolgs und damit der ungefähr gleichen Kostenbelastung nicht in Frage.

Bei typisierender Betrachtung kommt somit die Kostenaufhebung im Ergebnis der Kostenhalbierung weitgehend gleich. Die Wahl der einen oder anderen Lösung wirkt sich daher für die Parteien im Regelfall eher abrechnungstechnisch als wirtschaftlich aus. Dann aber ist nicht einzusehen, weshalb die aus Sicht der Parteien zweitrangige, weil vorwiegend abrechnungstechnische Wahl zwischen den beiden Lösungsmöglichkeiten für den von der Kostenregelung abhängigen Streithelfer einschneidende Auswirkungen haben soll, nämlich im Fall der Kostenhalbierung einen Anspruch auf immerhin die Hälfte seiner Kosten, im Fall der Kostenaufhebung einen völligen Ausschluss von der Kostenerstattung. Ein solches Auseinanderklaffen wäre sachlich nicht begründet und mit dem Grundgedanken des § 101 ZPO nicht vereinbar.

Der von manchen vorgebrachte Einwand, ein auch nur anteiliger Kostenerstattungsanspruch des Streithelfers gegen den Gegner der unterstützten Hauptpartei stelle den Streithelfer besser als die Hauptpartei selbst (OLG Nürnberg - 9. Zivilsenat -, AnwBl 1989, 104 f.; OLG Frankfurt 13. Zivilsenat -, OLGR 1998, 363), überzeugt nicht. Zwar trifft es zu, dass bei Kostenaufhebung jede Partei, also auch die vom Streithelfer unterstützte Hauptpartei, ihre eigenen außergerichtlichen Auslagen selbst tragen muss. Im Gegenzug braucht sie sich jedoch auch an den außergerichtlichen Kosten des Prozessgegners nicht zu beteiligen. Dieser Vorteil ist dem Ausschluss des eigenen hälftigen Kostenerstattungsanspruchs - jedenfalls typischerweise - wirtschaftlich gleichwertig. Die Zubilligung eines hälftigen Kostenerstattungsanspruchs des Streithelfers schafft somit keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung, sondern vermeidet sie gerade.

Als Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass die Streithelfer vom Kläger - wie geschehen - die Hälfte ihrer erstinstanzlichen Kosten ersetzt verlangen können.

II. Nebeninterventions-Kosten der 2. Instanz

Für die zweite Instanz folgt aus dem unter I dargestellten Grundgedanken des § 101 ZPO, dass die Streithelfer vom Kläger den gleichen Anteil ihrer Kosten erstattet verlangen können wie der von ihnen unterstützte Beklagte, das heißt

Mit dieser Rechtsansicht befindet sich der Senat im Einklang mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft (vgl. BGH NJW 1967, 983; OLG Hamm, MDR 1990, 252; OLG Frankfurt - 16. Zivilsenat - JurBüro 1979, 1203/120; Zöller-Herget, aaO., Rn 10; Wieczorek-Steiner, aaO., Rn 10 f.: Stein-Jonas/Bork, aaO., Rn. 7; Thomas-Putzo, aaO. Rn 4, jeweils m.w.N.). Die vom Kläger angeführte Rechtsmeinung, wonach dann, wenn der Prozessvergleich die Nebeninterventions-Kosten bewusst ausklammert, der Kostenerstattungs-Anspruch der Streithelfer nach § 98 ZPO auf die Hälfte ihrer Kosten begrenzt sei (OLG Frankfurt - 7. Zivilsenat -. NJW 1972, 1866), hat sich zu Recht nicht durchgesetzt.

Ende der Entscheidung

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