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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 02.05.2007
Aktenzeichen: 4 U 2528/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 362
BGB §§ 676f
BGB § 812
1) Die Überweisung auf ein anderes als das vom Gläubiger angegebene Konto hat keine Erfüllungswirkung. Der Schuldner kann einem erneuten Zahlungsverlangen einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung entgegenhalten, wenn mit der Überweisung Schulden des Gläubigers getilgt wurden.

2) Der Gläubiger kann eine Gutschrift auf ein Konto, auf das die Überweisung nicht bewirkt werden sollte, nicht zurückweisen, wenn er auf die Zahlung einen Anspruch hatte und durch die Überweisung ein Sollstand auf dem Konto vermindert wurde.


Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES

Az.: 4 U 2528/06

in dem Rechtsstreit

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg -4. Zivilsenat- durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kammerer, Richterin am Oberlandesgericht Reitzenstein und Richter am Oberlandesgericht Bartsch auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 02.05.2007 folgendes

Endurteil:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Amberg vom 28.9.2006 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Streithelferin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte und die Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 24.737,90 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten erneute Zahlung von 24.737,90 €, die ihr als Honorar für ärztliche Leistungen sowie Sachkostenerstattungen zustehen. Entgegen einer mit Schreiben vom 6.4.2005 ausdrücklich erklärten Weisung, zukünftige Zahlungen nur noch auf ein Konto bei der ... bank ... vorzunehmen, hatte die Beklagte diesen Betrag am 6.7.2005 noch auf ein bei der Streithelferin bestehendes Konto überwiesen; er wurde dort gutgeschrieben. Die Klägerin konnte hierüber jedoch nicht verfügen, weil die Streithelferin ein AGB-Pfandrecht wegen Forderungen aus gekündigten Kreditverträgen gegenüber der Klägerin geltend macht. Mit anwaltlichem Schreiben vom 4.1.2006 forderte die Klägerin die Beklagte vergeblich auf, das Honorar von 24.737,90 € auf das angegebene Konto der Klägerin zu überweisen und selbst von der Streithelferin die Rückzahlung des im Juli 2005 überwiesenen Betrages zu fordern.

Das Landgericht Amberg hat die Zahlungsklage abgewiesen. Zur Begründung hat es in seinem Urteil vom 28.9.2006 ausgeführt, dass zwar der Erfüllungsanspruch nach wie vor bestehe, die Klägerin aber hinsichtlich der Zahlung ungerechtfertigt bereichert sei. Gegenüber der Streithelferin stünde ihr nämlich entweder ein Auszahlungsanspruch in Höhe des überwiesenen Betrages zu oder die bei der Streithelferin bestehende Verbindlichkeit der Klägerin wäre insoweit vermindert. Auf die tatsächlichen Feststellungen im Ersturteil wird Bezug genommen.

Die Klägerin verfolgt ihren Zahlungsanspruch mit der Berufung weiter. Sie vertritt die Auffassung, dass sie auf Grund der besonderen Konstellation gerade nicht bereichert sei. Eine Befreiung von einer Verbindlichkeit sei nicht erfolgt, da die Beklagte ihr gegenüber keine Ansprüche habe. Den behaupteten Verbindlichkeiten aus dem Darlehensvertrag stünden wesentlich höhere eigene Ansprüche gegenüber. Gegenteiliges sei von der Beklagten weder substantiiert dargelegt noch bewiesen worden. Gleichwohl weigere sich die Streithelferin, den eingegangenen Betrag auszuzahlen.

Die Klägerin beantragt:

I. Das Endurteil des Landgericht Amberg vom 28.9.2006 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 24.737,90 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 4 % über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit 18.01.2006 sowie nicht auf die Verfahrensgebühr anrechenbare vorprozessuale Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 540,40 € zu bezahlen.

Die Beklagte sowie die Streithelferin beantragen, die Berufung zurückzuweisen. Sie halten das angefochtene Endurteil für richtig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müsse sich die Klägerin den Einwand der ungerechtfertigten Bereicherung entgegenhalten lassen, zumal sie selbst einräume, dass Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten in einer Höhe bestehen würden, die über die Klageforderung hinausginge. II. Die Berufung ist zulässig. Zwar wurde der Berufungsantrag erst mit Schriftsatz vom 27.3.2007 nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist formuliert, aus der Berufungsschrift ergibt sich aber, dass das klageabweisende Urteil in vollem Umfang angefochten wird, so dass die Voraussetzungen des § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO erfüllt sind. Die Berufung ist in der Sache nicht begründet. 1. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beklagten mit der weisungswidrigen Überweisung auf das Konto bei der Streithelferin den unstreitigen Zahlungsanspruch noch nicht gemäß § 362 BGB erfüllt hat. Gleichwohl kann die Klägerin einen darauf gerichteten Anspruch nicht geltend machen, da ihr der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegengehalten werden kann.

a) Der Beklagten steht ihrerseits gegen die Klägerin ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB in einer der Klageforderung entsprechenden Höhe zu. Im Schriftsatz vom 27.3.2007 (S. 2 unten) hat die Klägerin Verbindlichkeiten gegenüber der Streithelferin aus den Darlehensverträgen in Höhe von ca. 865.000 € eingeräumt. Auf Grund dieser Erklärung der Klägerin steht eine entsprechende Schuld, die auch zum Zeitpunkt der Überweisung des streitgegenständlichen Betrages bereits bestand, fest; auf die Frage der Beweislastverteilung kommt es insoweit nicht an.

Die Überweisung hatte eine entsprechende Verringerung der Verbindlichkeiten zur Folge, wodurch eine fortbestehende Bereicherung auf Seiten der Klägerin eingetreten ist (vgl. BGH WM 85, 826 m.w.N.). Es ist nicht von Belang, in welcher Höhe der Klägerin ihrerseits Ansprüche gegenüber der Streithelferin zustehen und ob mit diesen die Aufrechnung erklärt werden kann oder nicht. Die Verbindlichkeiten der Klägerin bei der Streithelferin vermindern sich in jedem Fall um den überwiesenen Betrag, so dass - unabhängig von der Höhe der eigenen Forderungen - ein insoweit günstigerer Saldo entsteht.

b) Die Klägerin kann sich nicht auf eine "aufgedrängte" Bereicherung berufen, weil ihr girovertraglich ein Zurückweisungsrecht hinsichtlich der Gutschrift auf ihrem Konto nicht zustand. Ein Zurückweisungsrecht kommt nur ausnahmsweise in Betracht und setzt grundsätzlich voraus, dass dem Zahlungsempfänger, also der Klägerin, der überwiesene Betrag materiellrechtlich nicht zustehen würde (vgl. BGHZ 128, 135). So liegt es hier nicht. Die Klägerin hat unstreitig Anspruch auf die Zahlung, die die Beklagte geleistet hat.

Wenn der Klägerin kein Zurückweisungsrecht zusteht, hat dies zur Folge, dass Streitigkeiten über die Art und Weise der Verbuchung und die Verwendung des eingegangenen Geldes ausschließlich im Verhältnis zu ihrer Bank auszutragen und zu entscheiden sind. Diese können nicht auf die Beklagte verlagert werden, was der Fall wäre, wenn sie in einem Rückforderungsstreit mit der Bank - hier der Streithelferin - die Rechtspositionen der Zahlungsempfängerin vertreten müsste.

2. Der Klägerin steht auch kein Schadensersatzanspruch (sei es aus § 839 Abs. 1 BGB oder § 280 BGB) zu. Ein wirtschaftlicher Schaden ist ihr bei der gebotenen normativen Betrachtung nicht entstanden.

a) Der Vermögensschaden ist regelmäßig auf Grund der Lehre von der "Differenzhypothese" zu ermitteln, also der Unterscheidung zwischen der Vermögenssituation mit und ohne das schädigende Ereignis (vgl. Palandt-Heinrichs, 66. Aufl., vor § 249 Rn. 8).

Die der Klägerin zugute gekommene Verminderung ihrer Verbindlichkeiten ist deswegen auch bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen. Dies ergibt sich aus der mit der Differenzhypothese zusammenhängenden Überlegung, dass das zum Schadensersatz verpflichtende Ereignis nicht nur Nach- sondern auch Vorteile gebracht hat und eine Vorteilsausgleichung stattfinden muss (vgl. Palandt a.a.O., Rn. 119 ff.). Es besteht auch der notwendige innere Zusammenhang zwischen dem gewonnen Vor- und dem erlittenen Nachteil (vgl. Palandt a.a.O., Rn. 122); die Überweisung der Beklagten hatte, obwohl die Streithelferin ein Pfandrecht an der Kontogutschrift geltend gemacht hat, unmittelbar die Befreiung von der Verbindlichkeit zur Folge, Beide Umstände sind bei der notwendigen wertenden Betrachtung untrennbar miteinander verbunden.

b) Ein ersatzfähiger Schaden der Klägerin liegt auch deshalb nicht vor, weil ihr gegenüber der Streithelferin kein Zurückweisungsrecht hinsichtlich der Überweisung der Beklagten zustand. (oben Nr. 1 b). Das Fehlen eines Zurückweisungsrechts führt schadensersatzrechtlich dazu, dass der Vermögensnachteil infolge der Ausübung des Pfandrechts der Streithelferin nicht von der Beklagten zu ersetzen ist.

III. Kosten: §§ 97, 101 ZPO. Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Grundsätzliche Rechtsfragen, die nicht bereits abschließend geklärt wären, waren nicht zu klären. Der Senat weicht auch nicht von obergerichtlicher Rechtsprechung ab. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen deswegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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