Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 31.05.2006
Aktenzeichen: 4 U 2611/05
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 839
GG Art. 34
1. Fußgänger sind nicht in den Schutzbereich einer Räum- und Streupflicht für Radwege einbezogen.

2. Eine Gemeinde, die durch Satzung die Räum- und Streupflicht auf die Straßenanlieger übertragen hat, muss deren Erfüllung durch die Anlieger überwachen.

3. Zu einer lückenlosen Überwachung der Straßenanlieger ist die Gemeinde jedoch nicht verpflichtet.


Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

4 U 2611/05

Verkündet am 31. Mai 2006

In Sachen

wegen Schmerzensgeld,

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. April 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Ansbach vom 16.11.2005 abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebenintervention.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluß:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 7.000 EUR.

Gründe:

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht geltend.

Der Kläger ging am 21.1.2004 um 11.35 Uhr auf dem Geh- und Radweg der ... Straße von der Direktion für ... in Richtung ...kantine. Auf Höhe der Anwesen Hausnummer ... stürzte er auf dem Radweg, nahe am Randstein.

Der Kläger behauptet, er habe sich auf dem schneebedeckten Geh- und Radweg auf einem bereits von anderen Passanten freigetrampelten Pfad äußerst vorsichtig bewegt und sei trotzdem auf einer sich auf der Radwegseite befindlichen, schneebedeckten Eisplatte ausgerutscht. Durch den Sturz habe er sich eine Quadrizepssehnenruptur im linken Unterschenkel zugezogen. Er meint, die Beklagte sei zur Sicherung des Radweges verpflichtet gewesen, zumal es sich um einen Hauptverkehrsweg für Fußgänger an einer der Haupteinfallstraßen ... handele. Zudem habe die Beklagte die Ausführung der Räum- und Streupflicht des Gehwegs durch die Anwohner nicht überwacht.

Das Landgericht Ansbach hat mit Endurteil vom 16.11.2005 die Beklagte verurteilt, an den Kläger 5.000 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.12.2004 zu zahlen und festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 21.1.2004 zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind. Die weitergehende Schmerzensgeldklage hat es abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiterhin Klageabweisung beantragt. Zwar habe das Landgericht zutreffend festgestellt, daß sie nicht verpflichtet gewesen sei, zugunsten von Fußgängern den Radweg im Unfallbereich zu räumen und zu streuen. Aber das Erstgericht habe zu Unrecht angenommen, daß die Beklagte es schuldhaft unterlassen habe, die durch Satzung auf die Straßenanlieger übertragene Räum- und Streupflicht des Fußweges zu kontrollieren. Der hierfür darlegungs- und beweispflichtige Kläger habe hierzu nichts substantiiertes vorgetragen und es treffe nicht zu, daß sie ihrer Überwachungspflicht nicht nachkomme.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Er verteidigt die Ausführungen im Ersturteil als zutreffend und behauptet, die Beklagte habe keinen Beschäftigten, der für eine Überwachung der Räum- und Streupflicht der Anwohner zuständig sei und deshalb würden auch keine Stichpunktkontrollen durchgeführt. Allein dadurch, daß die Beklagte Beschwerden über die Verletzung der Räum- und Streupflicht von Anliegern nachgehe, erfülle sie nicht die ihr obliegende Überwachungspflicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Endurteil sowie auf den beiderseitigen Sachvortrag der Parteien Bezug genommen.

Der Senat hat die Zeugen ... und ... zum Zustand der Unfallstelle sowie zur Kontrolle der Räum- und Streupflicht vernommen. Auf den Inhalt der Vernehmungsniederschrift vom 5.4.2006 wird Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

1. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung, auf welche Bezug genommen wird, ausgeführt, daß Fußgänger in den Schutzbereich einer Räum- und Streupflicht für Radwege in der Regel nicht miteinbezogen sind und der Kläger deshalb aus einer etwaigen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten bezüglich des Radweges keine Rechte herleiten kann.

2. Entgegen der vom Landgericht vertretenen Meinung konnte der Kläger nicht nachweisen, daß die Beklagte die Verpflichtung verletzt hat, die auf die Straßenanlieger durch Satzung übertragene Räum- und Streupflicht des Gehweges durch die Anlieger im Unfallbereich zu überwachen (BGH Z 118, 368; OLGReport Karlsruhe 2002, 351; 2004, 540 m.w.N.).

a) Der Zeuge ... hat glaubhaft bekundet, daß er im Tiefbauamt der Beklagten für die Kontrolle bezüglich der den Anliegern obliegenden Räum- und Streupflichten der Wege zuständig sei. Da eine große Anzahl von Beschwerden Dritter hierüber jeden Winter eingingen, sei er bei Schneefall nahezu täglich unterwegs, um diesen nachzugehen. Dabei sehe er auch stichprobenartig bei anderen Anliegern nach. Sofern nicht ausreichend geräumt und gestreut sei, erhalte der Eigentümer ein Anschreiben mit einer kurzen Erledigungsfrist, deren Einhaltung überwacht werde. Nur bei Anzeigen von Polizeibeamten, die für ein Anschreiben an den jeweiligen Grundstückseigentümer ausreichen, kontrolliere er nicht selbst die Verletzung der Räum- und Streupflicht, sondern verlasse sich auf deren Feststellungen. Aufgrund der vom Zeugen ... geschilderten Vorgehensweise kommt nach Überzeugung des Senats die Beklagte der bei ihr verbliebenen Verpflichtung, die Erfüllung der Räum- und Streupflicht durch die Anlieger zu überwachen, ausreichend nach.

b) Dem steht auch nicht die Aussage des Zeugen ... entgegen, der erstinstanzlich angegeben hatte, die von Anliegern zu räumenden Fußwege nicht zu kontrollieren, denn der Zeuge hatte als Bereitschaftsführer des Betriebsamtes der Stadt ... die Straßen sowie Rad- und Fußwege zu kontrollieren, bezüglich derer die Beklagte die Räum- und Streupflicht hat.

c) Der Zeuge ... hat als Amtsleiter des Betriebsamtes der Stadt ... die ausreichende und nicht zu beanstandende Organisation des Winterdienstes der Beklagten nachvollziehbar erläutert. Die Beklagte war nicht verpflichtet, außer dem Zeugen ... noch weitere Personen, insbesondere Mitarbeiter ihres Winterdienstes zusätzlich mit der Überwachung der Räum- und Streupflicht der Anlieger zu betrauen.

d) Auch wenn man der Aussage des Zeugen ... folgt, wonach der Gehweg im Unfallbereich generell im Winter schlecht geräumt und gestreut gewesen sei, läßt dies zwar den Schluß zu, daß die Anlieger ihrer Räum- und Streupflicht nicht immer ausreichend nachgekommen sind. Die Aussage trägt jedoch nicht die Feststellung, daß die Beklagte ihre Überwachungspflicht verletzt hat, denn zu einer lückenlosen Überwachung der Straßenanlieger ist die Beklagte nicht verpflichtet. Im übrigen hat der Kläger auch nicht darlegen und unter Beweis stellen können, seit wann die Eisplatte vorhanden war und deshalb bei Einhaltung der erforderlichen Kontrolle sein Sturz vermieden worden wäre (vgl. OLGReport Karlsruhe 2004, 540).

3. Da bereits eine Haftung der Beklagten aus den vorerwähnten Gründen nicht in Betracht kommt, bedurfte es keiner Entscheidung darüber, in welchem Zustand sich der Fußweg im Unfallbereich befand und ob der Kläger dem Trampelpfad, der auf den Radweg führte, folgen mußte.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück