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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 29.11.2000
Aktenzeichen: 4 U 2917/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 840
- Verkehrssicherungspflicht bei Vermietung einer Turnhalle -

1. Der Eigentümerin und Betreiberin einer Turnhalle obliegt die Verkehrssicherungspflicht für den Zustand der Anlage einschließlich der Einrichtung auch dann, wenn sie die Halle an einen Dritten vermietet und hierbei die Verkehrssicherungspflicht dem Dritten nicht ausdrücklich übertragen hat.

2. Daneben hat auch der Mieter (hier: Turnverein als Veranstalter eines Mutter-und-Kind-Turnens) eine eigene Verkehrssicherungspflicht.

3. Im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht für eine Turnhalle ist auch die sichere Halterung von Turngeräten zu beachten.

4. Eine große Turnmatte, die bei Nichtbenutzung hochkant an der Hallenwand aufgestellt wird, muss jedenfalls dann kindersicher befestigt sein, wenn sich auch Kleinkinder in der Halle aufhalten.

5. Eine Mattenhalterung durch einen einzigen Gurt mit einem leicht zu öffnenden Steckverschluss in 1,4 m Höhe ist nicht kindersicher.


Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

4 U 2917/00 4 O 1338/00 LG Nürnberg-Fürth

Verkündet am 29. November 2000

Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In Sachen

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 18. Juli 2000 abgeändert.

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 20. November 1999 an den Kläger zu bezahlen.

Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen sowie alle zukünftig noch entstehenden immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 28. Juli 1998 zu ersetzen, soweit Schadensersatzansprüche des Klägers nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen.

II. Im übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

III. Die Berufung des Beklagten zu 2) wird zurückgewiesen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 7/11, die Beklagten samtverbindlich 4/11.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VI. Die Entscheidung beschwert den Kläger mit 7.000,00 DM, die Beklagten mit je 4.000,00 DM.

Beschluß:

Der Streitwert für das Verfahren in beiden Instanzen wird auf 11.000,00 DM festgesetzt.

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 1) richtet, zum Teil Erfolg. Die zulässige Anschlußberufung des Beklagten zu 2) ist unbegründet.

1. Dem Kläger stehen dem Grunde nach auch gegen die Beklagte zu 1) Ansprüche wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu.

a) Als Eigentümerin und Betreiberin der Turnhalle obliegt der Beklagten zu 1) generell eine Verkehrssicherungspflicht. Demzufolge hat die Beklagte zu 1) sämtliche ihr zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich sind, um die Sporthallenbenutzer nicht unnötig Gefahren auszusetzen, die von der, baulichen Anlage und den Einrichtungsgegenständen der Halle ausgehen. Bei dem Kreis der geschützten Personen und bei der Abwägung der Gefahrenmomente ist darauf abzustellen, welche Benutzergruppen sich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge vor oder in der Sporthalle aufhalten können.

Im vorliegenden Fall war der Beklagte zu 2) unbestritten Mieter der Sporthalle und nutzte diese für eine Vielzahl von Veranstaltungen. Genauso unbestritten wußte jedoch die Beklagte zu 1), daß zu diesen Veranstaltungen regelmäßig auch das vom Beklagten zu 2) angebotene "Mutter-und-Kind-Turnen" gehörte. Für diese Veranstaltung war demnach dem Beklagten zu 2) die Halle - auch - überlassen worden, wobei es im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten zu 1) haftungsrechtlich nicht darauf ankommt, ob dies entgeltlich oder unentgeltlich geschah.

In Kenntnis des Umstands, daß somit auch Klein- und Kindergartenkinder in der Halle turnen und spielen, mußte die Beklagte zu 1) Sorge dafür tragen, daß die Turngeräte kindersicher abgestellt bzw. an der wand befestigt werden. Dabei hatte die Beklagte zu 1) gerade auch die Unerfahrenheit und Unbesonnenheit von Kindern zu berücksichtigen (BGH, NJW 99, 2364); denn sie konnte sich nicht darauf verlassen, daß die Kinder in der Halle ständig und umfassend überwacht sein würden. Die Kindersicherung der Geräte mußte daher so beschaffen sein, daß sie nicht von Kindern unschwer zu öffnen sind und nach ihrer Öffnung die erhebliche Gefahr des Umfallens des Turngeräts besteht. Ebenso mußte eine Arretierung der jeweiligen Sicherungsmechanismen sichergestellt sein.

Diesen Anforderungen entsprach (und entspricht) die Mattenhalterung in der Halle der Beklagten zu 1) nicht.

Aus dem im selbstständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachten und den dort enthaltenen Lichtbildern ergibt sich Folgendes: Die an einer Hallenwand hochkant lehnende Turnmatte hat eine Länge von 3 m und eine Breite von 1,8 m. Gesichert ist diese Matte lediglich mit einem Gurtband, dessen Enden an der Wand jeweils in einer Höhe von 1,44 m fest verankert sind. Das Gurtband hängt im geschlossenen Zustand einige Zentimeter durch und läßt sich in der Mitte durch einen Kunststoff-Steckverschluß öffnen und schließen. Dieser Steckverschluß ist durch gleichzeitiges Drücken zweier gegenüberliegender Hebel ohne besondere Kraftanstrengung zu öffnen, wovon sich der Senat selbst überzeugen konnte. Der Verschluß ist sogar als ausgesprochen leichtgängig zu werten.

Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang überzeugend dargelegt, daß das vorliegende Verschlußsystem auch in anderen Bereichen häufig verwandt wird, im Erfahrungsschatz von Kindern liegt und auch von Kleinkindern unschwer zu "manipulieren" ist. Diese Wertung entspricht in vollem Umfang auch der eigenen Erfahrung des Senats.

Durch die Leichtgängigkeit des Steckverschlusses ist eine sichere und dauerhafte Arretierung nicht gewährleistet. Es erscheint schon nicht unwahrscheinlich, daß ein unaufmerksamer Hallennutzer nach der Benutzung und dem anschließenden Wiederaufstellen der Matte an der Wand den Schließmechanismus des Sicherungsgurtes nicht richtig einrasten läßt. Auch wenn der Mechanismus richtig eingerastet ist, läßt er sich jedenfalls - wie oben dargestellt - leicht öffnen, ohne daß das Schloß automatisch aufspringt. Dies bedeutet, daß der Gurt bei oberflächlichem Hinsehen als geschlossen und fest erscheinen mag, in Wirklichkeit aber wegen eines nicht eingerasteten Schließmechanismusses keine Sicherung mehr darstellt.

Für die Befestigung von Gymnastik- und Turnmatten, die hochkant an Hallenwänden aufgestellt werden, gibt es nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen E keine speziellen Bau- und Ausrüstungsvorschriften und damit keine speziellen Sicherheitsbestimmungen. Im hier zu beurteilenden konkreten Einzelfall wertet der Senat - erneut in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen - die vorhandene Mattensicherung mit einem einzigen, mit Steckverschluß versehenen Gurt in zu geringer Höhe als nicht kindersicher und damit als unzureichend. Daß es für die Mattensicherung bessere und kindersichere Methoden gibt, belegt gerade auch die Stellungnahme eines Sicherheitsingenieurs, den die Beklagte zu 1) nach dem Unfall eingeschaltet hat. Dieser schlägt als zu treffende Maßnahmen die Anbringung eines Haltegurts mit Karabinerhaken ("mechanisch beste Lösung-Fehlbedienung ausgeschlossen"), die Anbringung eines zweiten Gurtes in ca. 1,8 m Höhe oder ein zusätzliches Sicherungsseil vor.

b) Die Beklagte zu 1) hat die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht nicht wirksam auf den Beklagten zu 2) übertragen und ist deshalb nicht von der Haftung frei geworden.

Soweit es sich um die Konstruktion der Halteeinrichtung handelt, kommt eine Abwälzung auf den jeweiligen Hallen-Mieter ohnehin nicht in Betracht.

Die - mögliche - Übertragung der Sicherungspflicht für den konkreten Zustand der Haltevorrichtung hat die Beklagte zu 1) zumindest nicht nachgewiesen. Eine solche Übertragung bedurfte einer klaren Absprache zwischen den Beteiligten, die die Sicherung der Gefährdungsstelle zuverlässig garantiert (BGH, NJW 96, 2646). Eine klare Absprache hat die Beklagte zu 1) schon nicht genügend dargetan. Sie konnte hierzu nur auf ihre Sporthallenordnung verweisen, von der sie behauptet, daß diese auch dem Beklagten zu 2) zugegangen sei. In der dortigen Ziffer 6 - "Benutzung der Geräte, Überlassung schuleigener Geräte an die Vereine" - heißt es im, letzten Absatz: "Die Sicherheit der Geräte ist durch die Übungsleiter laufend zu beobachten und zu überprüfen."

Unabhängig von der Frage der Erweisbarkeit des - bestrittenen - Zugangs dieser Sporthallenordnung bei dem Beklagten zu 2) reicht die bloße Aushändigung einer solchen Ordnung keinesfalls zur Haftungsabwälzung aus. Die Beklagte zu 1) stellt schon nicht klar, daß der Hallenmieter statt ihrer für die Sicherheit der Geräte - allein - verantwortlich sein soll. Darüber hinaus hätte die Beklagte zu 1) diese Sporthallenordnung zum Gegenstand der jeweiligen Mietverträge machen müssen, was sie selbst nicht behauptet. Zumindest hätte sie zeitnah die jeweiligen Mieter auf die vermeintlich ihnen übertragenen Verkehrssicherungspflichten hinweisen müssen. Jedenfalls stellt eine Übersendung einer Hallenordnung an einen Verein, dessen Verantwortliche ohnehin wechseln können, 13 Jahre vor dem streitgegenständlichen Unfall keinesfalls eine klare Absprache zur zuverlässigen Sicherung von Gefährdungsstellen dar.

Die - alleinige - Verkehrssicherungspflicht des Beklagten zu 2) für die Turngeräte ergibt sich auch nicht aus der Natur des Betriebs einer Turnhalle. Der diesbezüglichen Ansicht der Beklagten zu 1) vermag der Senat nur für die Fälle zuzustimmen, in denen die Geräte von den jeweiligen Veranstaltern aufgestellt und benutzt werden und bei denen nicht von vorneherein sicherheitsrelevante konstruktive Mängel vorliegen. Demzufolge muß eine Sporthalleneigentümerin selbstverständlich nicht dafür haften, wenn bei Turnveranstaltungen beispielsweise die Holmen eines Barren nicht richtig durch die dafür vorgesehenen Bolzen gesichert sind, oder beim Sprung über Böcke, Kästen usw. die Standfestigkeit der Geräte nicht sichergestellt ist.

Der Halleneigentümer bleibt aber verkehrssicherungspflichtig für die Befestigung nicht benutzter, an den Wänden bestimmungsgemäß abgestellter Geräte.

c) Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte zu 1) hat sich im vorliegenden Unfall auch im konkreten Schaden verwirklicht.

Der eigentliche Unfallhergang ist nicht mehr rekonstruierbar. Zwei Unfallursachen kommen in Frage: Entweder hat der Kläger den funktionstüchtigen und eingerasteten Gurtverschluß erreicht, betätigt und dadurch geöffnet, was auch bei einer Körpergröße von damals etwa 95 cm zumindest nach einem Hochspringen durchaus möglich war; oder dem Verschluß fehlte - aufgrund eines Defekts oder infolge ungenügender Einrastung - die Festigkeit und der Gurt öffnete sich bereits durch ein Anstoßen an der Matte bzw. durch ein Ziehen an ihm.

Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob - wie die Beklagte zu 1) nun unter Beweis stellt - der Steckverschluß zum Unfallzeitpunkt in vollem Umfang funktionstüchtig gewesen ist. Umgekehrt kann es auch dahinstehen, ob es als Beweisvereitelung zu werten ist, daß die Beklagte zu 1) nach Anmeldung der Ansprüche des Klägers den damaligen Gurtverschluß nicht sicherstellte, sondern Gurt und Verschluß bei einer "turnusgemäßen Überprüfung" durch die Streitverkündete ausgetauscht und vernichtet wurden. Denn der Unfall ist jedenfalls entweder dadurch verursacht worden, daß die Halterungskonstruktion von vorneherein nicht kindersicher war, oder dadurch, daß im konkreten Fall nicht genügend für einen festen Verschluß gesorgt worden war. Für beide Varianten ist die Beklagte zu 1) als Verkehrssicherungspflichtige verantwortlich.

d) Die Beklagte zu 1) handelte schuldhaft.

Insbesondere kann sie nicht damit gehört werden, daß sie mit der Anbringung und der Überwachung des Sicherungssystems ein renommiertes Fachunternehmen beauftragt habe, das auch Sicherheitsingenieure beschäftige. Die Beklagte zu 1) hat nämlich zum einen schon nicht dargetan, daß sie bei Auftragserteilung dieser Fachfirma der streitverkündeten, überhaupt mitgeteilt hat, für welche Benutzerkreise - hier also auch für Kleinkinder - die Gerätesicherung ausgelegt sein müsse. Zum anderen ist die Beklagte zu 1) verpflichtet gewesen, die Kindersicherheit des Systems selbst zu überprüfen, insbesondere wenn dies, wie hier, unschwer möglich ist.

Unabhängig von speziellen Unfallverhütungsvorschriften mußte die Beklagte zu 1) die kindersichere Anbringung der Geräte sicherstellen. Hierzu gehörte - z.B. im Rahmen der Abnahme der aufgestellten und gesicherten Geräte - auch eine Überprüfung der Leistungen der Streitverkündeten. Bei einer solchen Überprüfung mußte die Beklagte zu 1) nicht nur die von der Streitverkündeten tatsächlich angebrachte Mattensicherung zur Kenntnis nehmen,, sondern auch das angesichts der Größe und des Gewichts der Matte nicht unerhebliche Gefahrenpotential erkennen und auf eine verbesserte, auch auf Kleinkinder abgestellte Sicherung dringen. Entscheidend ist demnach nicht, wie die Beklagte zu 1) meint, die "Üblichkeit" irgendwelcher Mattensicherungen, sondern die erkennbare Erforderlichkeit von Sicherungsmaßnahmen im konkreten Einzelfall.

Bei dieser Sachlage kann es dahinstehen, ob die Beklagte zu 1) nicht darüber hinaus auch für deutlich häufigere Sicherheitsüberprüfungsintervalle hätte sorgen müssen und ob ein diesbezügliches Versäumnis schadensursächlich geworden ist.

Die Beklagte zu 1) hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt auch dadurch mißachtet, daß sie die jeweiligen Mieter und Sportveranstalter angesichts des "einfachen" Sicherungssystems nicht immer wieder und ausdrücklich auf deren Verkehrssicherungspflicht hingewiesen hat, insbesondere darauf, daß nach Benutzung und Wiederaufstellung der Matte an der Wand auf den sicheren Halt des Gurtes zu achten ist bzw. vor einer Veranstaltung die Sicherungssysteme zu überprüfen sind.

2. Die Beklagte zu 1) haftet neben dem Beklagten zu 2) gemäß § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldnerin.

Auch dem Beklagten zu 2) liegt eine Verletzung, der Verkehrssicherungspflicht gegenüber dem Kläger gemäß § 823 Abs. 1 BGB zur Last. Dies hat bereits das Landgericht zutreffend dargelegt. Die Berufung des Beklagten zu 2) gegen das landgerichtliche Urteil erweist sich von daher als unbegründet.

Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf die ausführliche Begründung des angegriffenen Urteils und macht sich diese Gründe zu eigen. Die gegen diesen Teil des Urteils gerichteten Einwände des Beklagten zu 2) erfordern lediglich folgende zusätzliche Ausführungen:

Der Beklagte zu 2) stellt selbst nicht in Abrede, daß er im Rahmen des von ihm durchgeführten "Mutter-und-Kind-Turnens" verkehrssicherungspflichtig gewesen ist. In diesem Zusammenhang trägt er auch vor, die Übungsleiterin habe vor der damaligen Veranstaltung ihren "regelmäßigen Rundgang" gemacht. Die Matte sei nicht locker gewesen, das Gurtband sei straff angezogen gewesen.

Es muß nicht weiter aufgeklärt werden, was der Beklagte zu 2) unter "straff angezogen" versteht. Aus den vorliegenden Lichtbildern und der damaligen Verknotung des Gurtbandes am Steckschloß ergibt sich nämlich, daß das Gurtband - offenbar, um das Schloß leichter ineinanderstecken zu können - in jedem Fall leicht durchhing. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen, weil die Kursleiterin - zumindest bei der damaligen Veranstaltung - es jedenfalls nicht bei einer bloßen Sichtkontrolle belassen durfte. Vielmehr hätte sie zum einen den festen Sitz des Gurtbandes mechanisch überprüfen müssen; zum anderen hätte sie herumspringende Kinder ausdrücklich vor den Gefahren der Geräte warnen und das Spielen vor und an der Matte unterbinden müssen.

Gerade die Übungsleiterin einer solchen Veranstaltung muß um den Spieltrieb und die Unbedachtsamkeit von kleinen Kindern, die noch nicht einmal im Kindergarten sind, wissen. Gefahren, die sich hieraus ergeben, muß sie erkennen und ihnen vorzubeugen versuchen. In diesem Rahmen muß von ihr auch verlangt werden, daß sie auf die problematische, auch von Kleinkindern erreichbare Gurtsicherung der aufrecht stehenden Matte achtet. Dies gilt umso mehr, als es sich am 28. Juli 1998 nicht um ein übliches "Mutter-und-Kind-Turnen" handelte, bei dem die Kinder in der Regel mit gemeinsamen Spielen und Turnübungen unter Mitwirkung ihrer Mütter beschäftigt sind. Stattdessen fand an diesem Tag ein geselliges Zusammensein mit Frühstück statt, bei dem die Kinder naturgemäß nicht die ganze Zeit dabeisitzen oder gemeinsam beschäftigt sind, sondern auch in der Turnhalle herumtollen.

Die von ihr zu fordernde Sorgfalt hat die Übungsleiterin als Verantwortliche auch dieser Veranstaltung nicht genügend beachtet. Der Beklagte zu 2) muß sich dieses Verhalten gemäß § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB zurechnen lassen. Ein Entlastungsbeweis gemäß § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB wurde nicht geführt.

3. Der Kläger muß sich kein Mitverschulden anrechnen lassen.

Als damals 3-jähriger war er selbst nicht schuldfähig (§ 828 Abs. 1 BGB).

Auch eine Verletzung der Fürsorgepflicht seiner Mutter muß er sich nicht anspruchsmindernd zurechnen lassen. Zwar ist der Senat im Gegensatz zum Erstgericht der Ansicht, daß die Mutter mindestens in gleichem Maße wie die Übungsleiterin den Kläger vor den Gefahren der Turngeräte hätte warnen und vom Spielen in der Nähe der Matte hätte abhalten müssen. Gleichwohl steht dem Kläger gegen seine Mutter wegen des Haftungsprivilegs des § 1664 Abs. 1 BGB kein Schadensersatzanspruch zu. Die Mutter des Klägers hatte sich bei dem gemeinsamen Frühstück noch um ihre anderen Kinder gekümmert. Wenn sie in dieser Situation die in der Turnhalle vorhandenen Gefahren nicht vorausschauend genügend bedachte und den Kläger hiervor nicht durch Ermahnungen etc. ausreichend schützte, so liegt diese der Personensorge zuzurechnende Pflichtverletzung im unteren Bereich der Fahrlässigkeit und ist keinesfalls als grob fahrlässig zu werten.

Ebenso wenig mißachtete die Mutter die Sorgfaltsmaßstäbe, die ein Erwachsener und damit auch sie selbst in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.

Das Haftungsprivileg des sorgeberechtigten Elternteils geht zu Lasten des bzw. der nicht privilegierten Schädiger. Denn diese sollen nur dann gemäß §§ 426, 840 BGB einen Ausgleich von einem anderen Schädiger verlangen können, wenn dieser den Schaden zurechenbar mitgesetzt hat. An einer solchen Zurechenbarkeit fehlt es jedoch, wenn - wie hier - die sorgeberechtigte Mutter nach §§ 1664 Abs. 1, 277 BGB von der Haftung freigestellt ist (BGH, NJW 88, 2667, 2669). Aus diesen Gründen scheidet auch eine Kürzung des Schadensersatzanspruchs des Klägers gegen die beiden Beklagten aus dem Gesichtspunkt des "gestörten Innenausgleichs" unter Gesamtschuldnern aus (BGH, a.a.O.).

4. Im Rahmen seiner Schadensersatzansprüche gegen beide Beklagte steht dem Kläger ein Schmerzensgeld gemäß §§ 847 Abs. 1, 840 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.

Diesen Schmerzensgeldanspruch hat das Landgericht angemessen mit 3.000,00 DM bewertet. Soweit der Kläger diesen Betrag als völlig unzureichend ansieht und ein Schmerzensgeld von 10.000,00 DM erstrebt, ist seine Berufung unbegründet.

Das Schmerzensgeld dient dem Ausgleich erlittener Schäden und der Genugtuung. Im vorliegenden Fall tritt der Genugtuungsgesichtspunkt deutlich zurück, da bei beiden Beklagten keinesfalls grobe Pflichtverletzungen vorliegen (vgl. zur Genugtuungsfunktion: BGHZ 18, 149). Es ist auch nicht schlicht unverständlich, daß beide Beklagten ihre Haftung in Abrede gestellt und nicht von vorneherein Schadensersatz geleistet haben. Schließlich ist es auch nicht als Versuch der Täuschung des Klägers, sondern als ein Versehen zu werten, daß die Beklagte zu 1) kurzzeitig in der vorprozessualen Korrespondenz bestritten hatte, daß überhaupt eine Turnmatte an der Hallenwand angebracht ist.

Hinsichtlich des Ausgleichs der nachteiligen Unfallfolgen ist zu berücksichtigen, daß der Kläger zwar einen dislozierten, aber keinen komplizierten Beinbruch erlitten hatte. Der stationäre Klinikaufenthalt dauerte 11 Tage, danach war der Kläger ohne Zweifel in seiner Bewegungsfreiheit für mehrere Wochen stark eingeschränkt. Er bedurfte insoweit besonderer Betreuung. Dem Kläger wurde deshalb auch für 6 Wochen eine Haushaltshilfe für 4 Stunden werktags von der Krankenkasse gewährt. Der Senat bewertet darüber hinaus auch die nicht unerhebliche seelische Belastung, deren ein noch nicht so verständiges 3-jähriges Kind durch einen solchen Unfall mit Krankenhausaufenthalt, längerer starker Bewegungseinschränkung und anschließender Krankengymnastik ausgesetzt ist. Die mehrmalige Verschiebung des Termins der stationären Entfernung der Intra-Med-Schienen stellte eine zusätzliche seelische Belastung dar und ist dem Unfallgeschehen jedenfalls kausal zuzurechnen. Andererseits sind derzeit irgendwelche Bewegungseinschränkungen des Klägers durch den Unfall nicht mehr vorhanden.

Unter Abwägung sämtlicher Gesichtspunkte erscheint dem Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 DM angemessen.

Zutreffend hat das Landgericht auch dem Feststellungsantrag hinsichtlich eines möglichen Zukunftsschadens stattgegeben, da nach dem Arztbrief des Klinikums der Stadt vom 30. Dezember 1999 Spätfolgen der Verletzung - vermehrtes Längenwachstum - nicht ausgeschlossen erscheinen.

Nach alldem war das angegriffene Urteil teilweise abzuändern, im übrigen waren die Berufungen zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO. Dabei wurde berücksichtigt, daß dem Kläger statt der auch in der Berufung erstrebten 10.000,00 DM nur ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 DM zuerkannt werden konnte. Das Feststellungsinteresse wurde in Übereinstimmung mit den Angaben des Klägers mit 1.000,00 DM bewertet.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gemäß § 546 Abs. 2 ZPO war der Wert der Beschwer festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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