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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 07.03.2007
Aktenzeichen: 4 U 398/06
Rechtsgebiete: EEG


Vorschriften:

EEG § 13 Abs. 1
EEG § 13 Abs. 2
Bei der Entscheidung über die Frage, ob ein Netzausbau oder ein Neuanschluss für die Einspeisung erneuerbarer Energie gesamtwirtschaftlich günstiger ist, bleibt eine Anschlussmöglichkeit außer Betracht, bei der zur Vermeidung von Überspannungen Abschaltungen notwendig werden.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

4 U 398/06

verkündet am 07.03.2007

In Sachen

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kammerer, den Richter am Oberlandesgericht Bartsch und die Richterin am Oberlandesgericht Reitzenstein aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24.01.07

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 18.01.2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 14.147,04 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger, der auf einem im Gebiet der Gemeinde S Ortsteil T gelegenen Grundstück einen landwirtschaftlichen Betrieb unterhält, hat im Frühjahr 2005 eine bereits vorhandene Photovoltaikanlage mit einer ursprünglichen Leistung von 60 KW, welche über seinen Hausanschiuss mit dem Netz der Beklagten verknüpft war, erweitert. Nachdem die Beklagte lediglich die durch die Erstellung der neuen Verknüpfung mit dem Netz, nicht aber die mit dem Anschluss selbst verbundenen Kosten übernehmen wollte, unterzeichnete der Kläger unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Klärung einen Stromeinspeisungsvertrag mit der Beklagten und gab die Arbeiten, die zum Anschluss an einen im Ortsbereich vorhandenen Kabelverteilerschrank der Beklagten (KVS 3) erforderlich waren, selbst in Auftrag. Die Leitungsverstärkung nahm die Beklagte vor. Der Kläger verlangt Ersatz für die von ihm dafür verauslagten 11.298,08 Euro sowie die Rückerstattung einer unter Vorbehalt geleistete Zahlung an die Beklagte in Höhe von 2.848,96 Euro, welche diese für die Vornahme von Messungen und die Inbetriebnahme verlangte.

Er hat erstinstanzlich beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.147,04 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.848,96 EUR vom 11.04.2005 bis zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit und aus 14.147,04 EUR seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist dem Kläger denjenigen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aus der Verzögerung des Anschlusses der streitgegenständlichen Photovoltaik-Anlage an das Netz der Beklagte entstanden ist.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat der Zahlungsklage stattgegeben und den Feststellungsantrag abgewiesen. In seinem Urteil, auf welches wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, hat es die Auffassung vertreten, dass es sich bei den streitgegenständlichen Aufwendungen um Netzausbaukosten im Sinne von § 13 Abs. 2 EEG handelt, die die Beklagte übernehmen müsste. Ein Neuanschluss im Sinne von § 13 Abs. 1 EEG läge nicht vor, da die vorhandene Anlage bereits mit dem Netz des Klägers verknüpft sei. Auch die Verlegung der Kabel zum Verteilerschrank stelle daher einen Ausbau des vorhandenen Netzes dar, zumal auch Stichleitungen Teil des Netzes seien.

Die Beklagte verfolgt ihren Klageabweisungsantrag mit der Berufung weiter. Sie führt dazu aus, dass bei Anlagen mit einer Einspeisungsleistung von mehr als 30 KW der Netzanschluss am technisch und wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt zu erfolgen habe; dieser sei durch Gegenüberstellung der Kosten eines Netzausbaus mit denjenigen eines Neuanschlusses zu ermitteln. Nach ihren Berechnungen wäre vorliegend die Errichtung eines Neuanschlusses - nämlich am KVS 3 - wesentlich kostengünstiger. Eine Einspeisung der neuen Photovoltaikanlage am bestehenden Hausanschluss wäre ohne aufwendige Verstärkung der Netzleitung technisch nicht herzustellen. Deswegen sei auch der Anschluss der neuen, erweiterten Anlage am Verteilerschrank eingerichtet worden. Da demzufolge die Stromeinspeisung nicht über den bereits bestehenden Hausanschluss erfolgt, sondern ein neuer Anschluss hergestellt wurde, sei die Beklagte nicht zur Kostentragung verpflichtet.

Der Senat hat zur Frage, ob und mit welchem Aufwand die Einspeisung des durch die neue Photovoltaikanlage des Klägers erzeugten Stroms in das Netz der Beklagten am bestehenden Hausanschluss Leitungsverstärkungen notwendig geworden wären, ein Sachverständigengutachten eingeholt. Auf die Ausführungen des Gutachters Dr. H L in seinem schriftlichen Gutachten vom 17.11.2006 sowie auf seine mündlichen Erläuterungen im Termin vom 24.01.2007 wird Bezug genommen.

II.

Auf die Berufung der Beklagten war die Entscheidung des Landgericht Nürnberg-Fürth aufzuheben und die Zahlungsklage abzuweisen. Ein Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung steht dem Kläger gegen die Beklagte nicht zu.

Die Einspeisung über den Verknüpfungspunkt "Verteilerkasten KVS 3" in das Netz der Beklagten stellt einen Neuanschluss dar. Die dafür angefallenen sowie die für die notwendigen Messungen dem Kläger von der Beklagten in Rechnung gestellten Kosten hat der Kläger als Betreiber der Anlage nach § 13 Abs. 1 EEG selbst zu tragen.

1. Im Ansatz zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass für die Frage der Kostentragungspflicht zwischen Anschlusskosten (§ 13 Abs. 1 EEG) und Netzausbaukosten (§13 Abs. 2 EEG) zu unterscheiden ist, wobei ein bereits bestehender Hausanschluss als Teil des Netzes anzusehen ist. Es ist aber nicht so, dass in jedem Fall die Einspeisung über den vorhandenen Hausanschluss zu erfolgen hat.

Das Gesetz geht davon aus, dass der technisch und wirtschaftlich günstigste Verknüpfungspunkt zum Netz des nach § 4 Abs. 1 EEG anschlusspflichtigen Netzbetreibers herzustellen ist. Es ist unter Berücksichtigung einer gesamtwirtschaftlichen Rechnung zu ermitteln, ob eine Verbindung mit einem bereits bestehenden Hausanschluss und die Einspeisung an dieser Stelle kostengünstiger ist als die Verknüpfung an einem anderem Punkt des Netzes und die damit einher gehenden Kosten für die Errichtung eines - dann neuen -Anschlusses. Es sind nicht allein die Interessen des Anlagenbetreibers oder des Netzbetreibers zu berücksichtigen; vielmehr sind die geringsten Gesamtkosten für die Herstellung des Anschlusses und die Durchführung der Stromeinspeisung festzustellen (BGH NJW-RR 2005, 565). Die hierbei ermittelte günstigste Variante verdient dann den Vorrang. Erweist sich danach die Netzausbauvariante als günstiger, trägt der Netzbetreiber nach § 13 Abs. 2 EEG die gesamten Kosten, bei einer kostengünstigeren Errichtung eines Neuanschlusses treffen diese nach § 13 Abs. 1 EEG vollständig den Anlagebetreiber, lediglich die dann zusätzlich erforderlichen Kosten für die Netzverstärkung sind vom Netzbetreiber zu tragen.

2. Vorliegend hat die Beklagte dargelegt, dass die Einspeisung des erzeugten Stroms aus der neu errichteten Photovoltaikanlage des Klägers an dessen bestehenden Hausanschluss erhebliche Leitungsverstärkungen notwendig macht. Diese würden zu Gesamtkosten (Anschluss und Ausbau) in Höhe von ca. 45.000 Euro führen, die deutlich über den von der Beklagten errechneten ca. 25.400 Euro liegen, die die realisierte Verknüpfung der neuen Anlage am Kabelverteilerschrank KVS 3 verursacht haben (Anlagen B5 und B6).Darin sind enthalten die vom Kläger aufgewendeten Anschlusskosten sowie ca. 12.900 Euro von der Beklagten getragenen Netzausbaukosten. Die technische Notwendigkeit der Leitungsverstärkungen und die Berechnung der damit zusammenhängenden Kosten wurden vom Sachverständigen in seinem Gutachten bestätigt. Sachliche Einwendungen hiergegen hat der Kläger nicht vorgebracht.

Der Senat geht unter Anwendung des vom Bundesgerichtshof entwickelten Kriteriums davon aus, dass die Einspeisung am Kabelverteilerschrank wirtschaftlich sinnvoller ist. Dies stellt jedoch einen Neuanschluss dar, so dass der Kläger nach der gesetzlichen Regelung (§ 13 Abs. 1 EEG) für die entstehenden Kosten aufzukommen hat.

3. Eine andere Entscheidung rechtfertigt auch nicht die vom Sachverständigen als Variante III bezeichnete Möglichkeit, die Einspeisung über den bereits bestehenden Hausanschluss vorzunehmen, ohne dass kostenintensiven Leitungsverstärkungen vorgenommen werden (S. 13 ff des schriftlichen Gutachtens).

a) Diese Anschlussvariante ist mit in die Überlegungen einzubeziehen, obwohl sie bis zur Gutachtenserstattung nicht streitgegenständlich war. Grundsätzlich müssen wegen der gebotenen gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise sämtliche technisch durchführbaren Einspeisungsvarianten berücksichtigt werden. Diese können von denjenigen Modellen, die dem - in der Regel technisch nicht in gleichem Maße sachkundigen - Anlagenbetreiber vom Energieunternehmen angeboten werden, abweichen. Die Prüfung ist nicht auf die von der Beklagten ausgearbeiteten und berechneten Varianten beschränkt.

b) Bei dieser Einspeisungsmöglichkeit kommt es jedoch nach dem Sachvortrag der Beklagten zu Spannungsanhebungen, die über das nach der VDEW-Richtlinie zulässige Maß von 2 % hinausgehen. Dies führe dazu, dass eine Absenkung der Einspeiseleistung (vorliegend auf 56,18%) notwendig wird und in erheblicher Weise Abschaltungen erfolgen müssten. Dies hätte wiederum sowohl einen Vergütungsausfall des Klägers zur Folge als auch eine Reduzierung der Einspeisung von Strom aus der gewonnen Sonnenenergie ins Netz.

Der Sachverständige hat in seiner Anhörung dazu ausgeführt, dass "die Anlage theoretisch häufiger ausschaltet". Zu der Frage, in wie vielen Fällen es zu Abschaltungen kommen würde, könne er ohne konkrete Messungen nicht Stellung nehmen. Er konnte auch keine Angabe dazu machen, welche Auswirkungen die von ihm zur Begründung der Wirtschaftlichkeit ins Feld geführte Kompensation zwischen selbst erzeugter und verbrauchter Energie des Klägers wegen der damit verbundenen Reduzierung der Leitungsverluste haben würde.

c) Die Variante III weist einen entscheidenden Nachteil gegenüber den bei den von der Beklagten dargestellten Anschlussmöglichkeiten auf.

Die Abschaltung der Anlage zur Vermeidung einer Überspannung würde nämlich gerade dann erfolgen, wenn besonders viel Strom aus der Photovoltaikanlage in das Netz eingespeist wird. Damit wäre der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck nicht erreicht, den Anteil an erneuerbarer Energie am Stromaufkommen möglichst zu erhöhen. Die Einspeisung der durch Sonnenkraft erzeugten Energie würde abgeregelt werden. Aus diesem Grund ist die Variante III nicht mit der gesetzlichen Intention zu vereinbaren.

d) Aus den vorgenannten Gründen kommt es nicht darauf an, ob der Kläger mit dieser Ausbaumöglichkeit einverstanden gewesen wäre, wenn sie ihm von der Beklagten angeboten worden wäre und ob die Beklagte wegen der damit verbundenen Überschreitungen der Spannungsobergrenzen gehindert wäre, eine solche Einzelvereinbarung abzuschließen.

4. Dem Kläger hat aus diesem Grund weder die Aufwendungen für den Anschluss noch die Kosten für die Messeinrichtungen und die Inbetriebnahme ohne Rechtsgrund geleistet, da sie nicht zu den Netzausbaukosten im Sinne von § 13 Abs. 2 EEG zählen, für die die Beklagte aufkommen müsste.

III.

Kosten: § 91 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Der Senat folgt der Entscheidung des BGH vom 10.11.2004, der sich mit dieser Sachproblematik ausführlich auseinandergesetzt und auch die vom Klägervertreter und im Ersturteil und mehrfach zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 28.05.2002 berücksichtigt hat.

Ende der Entscheidung

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