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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 18.06.2003
Aktenzeichen: 4 U 494/03
Rechtsgebiete: BNotO, BGB


Vorschriften:

BNotO § 19 Abs. 1 Satz 1
BGB § 254 Abs. 2
Zur Schadensminderungspflicht eines Grundstückskäufers, der aufgrund einer unrichtigen notariellen Fälligkeitsbestätigung den Kaufpreis bezahlt hat, obwohl er ihn mangels Lastenfreiheit des gekauften Grundbesitzes nicht schuldete.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

4 U 494/03

Verkündet am 18. Juni 2003

In Sachen

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Behrschmidt und die Richter am Oberlandesgericht Redel und Braun aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Amberg vom 21. Januar 2003 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass seine Verurteilung in Nummer 2 dieses Urteils wirkungslos ist.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt bis zum 14. Mai 2003 106.103,29 Euro, für die Zeit danach 102.258,38 Euro.

Gründe:

I. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der beklagte Notar verpflichtet ist, ihm den Schaden zu ersetzen, den er erlitt, weil der Vertreter des Beklagten am 25.09.1997 eine unrichtige Fälligkeitsbescheinigung ausgestellt und der Kläger daraufhin den Kaufpreis in Höhe von 1.680.000,00 DM an die Verkäufer, die Eheleute überwiesen hatte.

Der Kläger hatte mit vom Beklagten beurkundetem Vertrag vom 13.08.1997 insgesamt vier Grundstücke gekauft. Der Kaufpreis sollte fällig sein, wenn der Beklagte dem Kläger u. a. bestätigte, dass für alle von ihm nicht übernommenen Grundpfandrechte die Löschungsbewilligungen zur bedingungslosen Verwendung oder unter Auflagen vorliegen, die aus dem Kaufpreis erfüllt werden können.

Die Fälligkeitsbescheinigung war falsch, weil die Voraussetzungen für die Lastenfreistellung in Bezug auf eines der vom Kläger gekauften Grundstücke, das Anwesen E in M, zu keinem Zeitpunkt geschaffen werden konnten. Die B W, hatte ihre Löschungsbewilligung am 20.08.1997 dem Beklagten nur unter der Voraussetzung erteilt, dass für sie an einem anderen - nicht mitverkauften - Grundstück der Verkäufer, dem Anwesen S\ in M, eine erstrangige Grundschuld über 620.000,00 DM bestellt werde. Diese Grundschuld wurde zwar am 04.09.1997 eingetragen; die Bemühungen der Verkäufer, ihr den ersten Rang zu verschaffen, scheiterten jedoch daran, dass das zuständige Finanzamt S erst am 26.02.1998 bereit war, die Löschung seiner an erster Rangstelle eingetragenen Zwangssicherungshypothek über 100.699,99 DM zu bewilligen. Bereits am 19.11.1997 hatte die B W ihre Löschungsbewilligung widerrufen.

Davon hatte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 19.12.1997 unterrichtet. Verhandlungen des Klägers mit der B W blieben ohne Erfolg.

Der Kläger meint, seine Feststellungsklage sei zulässig, da er seinen Schaden noch nicht endgültig beziffern könne. Dieser könne sich etwa dadurch verwirklichen, dass er mit seiner eigenen Finanzierung in Schwierigkeiten komme, weil die zugunsten seiner Bank am Kaufbesitz eingetragenen Grundpfandrechte nicht in allen Fällen die erste Rangstelle erhalten hätten. Genauso gut könne er dadurch einen Schaden erleiden, dass er bei einem eventuellen Weiterverkauf einen Teil des Erlöses für die Befreiung des Grundbesitzes von den Grundpfandrechten der B W einsetzen müsse. Er habe auch zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit gehabt, den Schaden dadurch zu vermeiden, dass er seine Ansprüche gegen die Grundstücksverkäufer gerichtlich geltend gemacht hätte. Denn deren Einkommens- und Vermögenslage sei nach seiner Kenntniss damals wie heute so schlecht, dass ein Vollstreckungszugriff keinen Sinn gemacht habe.

Der Beklagte hält die Feststellungsklage für unzulässig, weil der Kläger seinen Schaden unschwer beziffern könne. Er müsse nur bei der Grundpfandgläubigerin die aktuelle Valutierung der gesicherten Darlehen erfragen. Die Klage sei aber auch unbegründet, weil der Kläger es versäumt habe, seine Ansprüche gegen die Grundstücksverkäufer rechtzeitig gerichtlich geltend zu machen. Diese hätten um die Jahreswende 1997/1998 noch erhebliches pfändbares Vermögen besessen. So hätten sie erst am 05.03.1998 das lastenfreie Grundstück S in M an ihren Sohn für 450.000,00 DM verkauft. Daneben seien noch lastenfreie Miteigentumsanteile an den Flurstücken Nr. 756/46 der Gemarkung L vorhanden gewesen.

Das Landgericht Amberg hat mit Endurteil vom 21.01.2003, auf das zur näheren Darstellung des Sachverhalts verwiesen wird, festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der diesem infolge der unrichtigen Fälligkeitsbestätigung entsteht. Darüber hinaus hat es den Beklagten zur Zahlung von 3.844,91 Euro Schadensersatz verurteilt.

Mit seiner Berufung macht der Beklagte weiter geltend, die Feststellungsklage sei unzulässig, weil nunmehr ein Verkehrswertgutachten für das Grundstück E in M vorliege und er den Kläger bereits mit Schreiben vom 05.06.2002 davon informiert habe, die B W sei bereit, gegen Zahlung von 147.252,06 Euro die Löschung ihrer Grundschulden auf diesem Grundstück zu bewilligen. Das Ersturteil sei auch in der Sache unrichtig, weil das Landgericht die Vorschrift des § 254 BGB nicht beachtet habe. Deren Anwendung führe dazu, dass den Kläger das Alleinverschulden an seinem Schaden treffe, weil er nicht einmal versucht habe, auf die lastenfreie Grundstücke der Eheleute im Wege des dinglichen Arrestes zuzugreifen. Der Kläger habe deren Vermögensverhältnisse gekannt und sei zur fraglichen Zeit auch anwaltlich beraten gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten seines Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 21.03.2003 sowie die ergänzenden Schriftsätze vom 15.04. und vom 08.05.2003 Bezug genommen.

Der Beklagte behauptet, er sei über die finanzielle Situation der Eheleute nicht unterrichtet gewesen und habe deshalb auch nicht in zumutbarer Weise seine Ansprüche aus dem Kaufvertrag vom 13.08.1997 durch den Zugriff auf deren Vermögen zu sichern oder durchzusetzen vermocht. Ihm habe auch das hierfür erforderliche rechtliche Wissen gefehlt. Seinen Anwalt habe er zwar im Jahre 1997 zu den Vertragsverhandlungen mit den Eheleuten V zugezogen, um den Kaufvertragstext überprüfen zu lassen; wegen der durch das Scheitern der Lastenfreistellung aufgetretenen Probleme habe er ihn aber erst am 04.10.1999 mandatiert. Im übrigen habe es eine Zugriffsmöglichkeit auch objektiv nicht gegeben, da der fragliche Grundbesitz stets mit Grundpfandrechten belastet gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten seines Vorbringens wird auf die Berufungserwiderung vom 29.04.2003 verwiesen.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat seinen bezifferten Zahlungsantrag mit Zustimmung des Beklagten zurückgenommen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat die Feststellungsklage zu Recht als zulässig behandelt, da eine endgültige Schadensbezifferung erst, dann möglich ist, wenn entweder der Kläger das betroffene Grundstück veräußert oder die Grundpfandgläubigerin dieses verwertet.

Derzeit könnte der Kläger zwar darlegen, was geschehen wäre, wenn sich der Beklagte bzw. dessen Vertreter pflichtgemäß verhalten hätte. In diesem Fall hätte er den Kaufpreis jedenfalls nicht zum selben Zeitpunkt bezahlt. Er hätte Zinsen gespart; der Kaufvertrag wäre entweder rückgängig gemacht oder an die Gegebenheiten angepasst worden. Er kann aber noch nicht abschließend vortragen, wie sich der Fortbestand der zugunsten der B W eingetragenen Grundschulden auf seine Vermögenslage auswirkt. Zwar haftet er gegenüber dieser B nicht persönlich, sondern nur dinglich. Sein Schaden kann daher nicht höher sein, als der vom Beklagten mit 360.000,00 DM bezifferte Verkehrswert des belasteten Grundstückes. Seine genaue Höhe hängt aber von der Valutierung der gesicherten Darlehen ab.

Diese ist Tag für Tag veränderlich, da sie einerseits durch Zinsen erhöht und andererseits durch Zahlungen der persönlichen Schuldner ermäßigt wird. Die vom Beklagten unter Berufung auf ein Schreiben der Grundpfandgläubigerin vom 25.04.2002 mitgeteilte Summe von 147.252,06 Euro kann daher nur eine Momentaufnahme darstellen.

Der Beklagte hätte es sich wohl nicht entgehen lassen, diese Argumente einer auf 360.000,00 DM (= 184.065,07 Euro) oder 147.252,06 Euro (= 287.999,99 DM) bezifferten Leistungsklage entgegenzuhalten.

2. Das Landgericht hat der Feststellungsklage auch zu Recht im vollen Umfang stattgegeben.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass im Notariat des Beklagten eine fahrlässige Pflichtverletzung vorgekommen ist, für die der Beklagte nach § 46 Satz 1, § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO haftet. Der Beklagte zieht im Berufungsrechtszug zu Recht die Richtigkeit der Auffassung des Erstgerichts zur Unanwendbarkeit der Vorschrift des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO nicht mehr in Zweifel.

a) Der Beklagte beruft sich ohne Erfolg auf die Vorschrift des § 254 BGB.

Deren Voraussetzungen sind erst in der Berufungsbegründung annähernd vollständig vorgetragen und bis zum Schluss der Berufungsverhandlung nicht unter Beweis gestellt worden.

aa) Die Behauptung des Beklagten, der Kläger habe es versäumt, auf lastenfreies Vermögen der Eheleute zuzugreifen, entspricht in Bezug auf die im Eigentum der Verkäufer stehenden Miteigentumsanteile an dem Flurstück Nr. 756/46 der Gemarkung L schon objektiv nicht den Tatsachen.

Wie ein Blick in die vom Beklagten selbst vorgelegten Grundbuchauszüge zeigt, war zu Lasten dieses Grundstücks in Abteilung II des Grundbuchs vom 03.04.1997 bis zum 07.10.1998 ein Zwangsversteigerungsvermerk und in Abteilung III seit 08.09.1997 eine Grundschuld zugunsten der S über 150:000,00 DM nebst 16 % Zinsen jährlich eingetragen. Eine weitere Grundschuld über 500.000,00 DM zugunsten der 3 im Landkreis S wurde erst am 11.03.1995 gelöscht.

bb) In Bezug auf das Grundstück S in M gibt diese Behauptung die Rechtslage zumindest verkürzt wieder.

Im Grundbuch waren zu Lasten dieses Grundstückes am 05.03.1998, an dem die Eheleute das Grundstück an ihren Sohn K V verkauften, sowohl die Grundschuld der S, im Landkreis S über 550.000,00 DM wie die Zwangssicherungshypothek des B B (Finanzamt) über 100.699,97 DM und die Grundschuld zugunsten der B, W über 620.000,00 DM eingetragen. Diese Grundpfandrechte wurden erst am 11.03. (9) bzw. 30.03.1998 (F, W) gelöscht. Am 11.03.1998 kam es aber bereits zur Eintragung einer Grundschuld zugunsten der B V über 450.000,00 DM, die der Finanzierung des Kaufpreises für H V diente. Bereits am 26.02.1998 pfändete das Finanzamt S für den F B die infolge Befriedigung durch die Eigentümer aus der Zwangssicherungshypothek entstandene Eigentümergrundschuld wegen weiterer Steuerschulden, was am 23.03.1998 eingetragen wurde.

Die Zwangssicherungshypothek des P B war mit der Erfüllung der durch sie gesicherten Steuerforderungen nicht etwa, wie der Beklagte anzunehmen scheint, erloschen, sondern kraft Gesetzes zur Eigentümergrundschuld geworden (§ 1163 Abs. 1 Satz 2 BGB; Palandt/Bassenge, BGB, 62. Auflage, § 1163 Rdnr. 15). Das Grundbuch war zwar unrichtig, weil die eingetragene Hypothek als solche nicht mehr bestand, das Grundstück aber schon wegen dieser Eigentümergrundschuld nicht lastenfrei. Auf das Vorliegen der Löschungsvoraussetzungen hinsichtlich der übrigen Grundpfandrechte kam es insoweit nicht entscheidend an. Eine Eigentümergrundschuld kann abgetreten, belastet, aufgehoben oder eben, wie geschehen, gepfändet werden (Palandt-Bassenge, a. a. O., § 1177 Rdnr. 2).

Dieser Rechtslage entspricht es, dass der Beklagte bei der Beurkundung des Kaufvertrages zwischen den Eheleuten V einerseits und ihrem Sohn andererseits die im Grundbuch eingetragenen Grundpfandrechte vollständig aufführte und erst am 13.03.2003 die auch in diesem Vertrag vorgesehene Lastenfreiheitsbescheinigung erteilte. Erst jetzt war er sich sicher, dass die Eigentümergrundschuld nicht eingetragen wurde und Gläubiger der Eheleute nicht erfolgreich auf diese zugreifen könnten. Die zur Finanzierung des Kaufpreises benötigte Grundschuld der B V hatte die erste Rangstelle erhalten.

cc) Es mag sein, dass der Kläger danach, objektiv gesehen, hätte versuchen können, nach Bezahlung der Steuerschulden durch die Eheleute auf die Eigentümergrundschuld oder auf das belastete Grundstück selbst zuzugreifen. Er hätte etwa einen dinglichen Arrest beantragen und versuchen können, seinerseits eine Zwangssicherungshypothek am Grundstück S in M eintragen zu lassen. Dies hätte im Hinblick auf die Vorschrift des § 1179 a BGB eventuell schon Sinn gemacht, als klar war, dass nur noch die Zwangssicherungshypothek des P dem angestrebten Pfandtausch im Wege stand und diese alsbald zur Eigentümergrundschuld werden würde. Er hätte so möglicherweise den Schadensersatzanspruch, der ihm wegen der fehlenden Lastenfreiheit des Grundstücks E gegen die Eheleute U zustand, durchsetzen und im wirtschaftlichen Ergebnis doch noch die Löschung der für die B W auf seinem Grundstück eingetragenen Grundschulden erreichen können.

dd) Es kann für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits offenbleiben, ob ein derartiges Vorgehen wirklich Erfolg gehabt hätte.

Dem Kläger fehlten die hierfür nötigen tatsächlichen und rechtlichen Kenntnisse, und selbst bei Kenntnis aller Umstände war es ihm kaum zumutbar.

(1) Der Kläger hätte zunächst immerhin das zuständige Gericht vom Vorliegen des Arrestgrunds überzeugen müssen. Dazu wäre es erforderlich gewesen, glaubhaft zu machen, dass der Verkauf an I V tatsächlich wirtschaftlich als ein "Beiseiteschaffen" von Vermögen zu betrachten war. Auch der Beklagte behauptet nicht, dass ein Vorgehen des Klägers im normalen Erkenntnisverfahren Sinn gemacht hätte. Es spricht viel dafür, dass der Kläger angesichts der mit einem Arrestverfahren verbundenen Unsicherheiten nach § 254 Abs. 2 BGB nicht gehalten war, ein solches in die Wege zu leiten. Die Frage muss aber hier nicht entschieden werden, weil der Senat ohne zureichende Anhaltspunkte nicht davon ausgehen darf, dass der Kläger die notwendigen tatsächlichen und rechtlichen Kenntnisse für ein solches Vorgehen besessen hat.

(2) Der Beklagte hat im ersten Rechtszug zu einer solchen Kenntnis nichts vorgetragen. Er hat sich mit der Rechtsbehauptung begnügt, es sei die Pflicht des Klägers gewesen, sofort nach Kenntnis der gescheiterten Lastenfreistellung Ende des Jahres 1997 alle rechtlichen Möglichkeiten zur Durchsetzung seines Anspruchs gegen die Eheleute auszuschöpfen.

Diese Aussage ist abstrakt gesehen zutreffend, genügt aber nicht, um die Voraussetzungen des § 254 BGB darzutun. Zur Darlegungspflicht des Schädigers, hier also des Beklagten (BGHZ 91, 260; NJW 1994, 3105; Palandt/Heinrichs a. a. O., § 254 Rdnr. 62), hätte es gehört vorzutragen, wann und wie der Kläger von diesen rechtlichen Möglichkeiten erfahren hat oder bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erfahren können.

Der Nichtgebrauch von Rechtsbehelfen kann zwar grundsätzlich gegen § 254 Abs. 2 BGB verstoßen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn und soweit hinreichende Erfolgsaussichten bestehen -(BGHZ 90, 32; 110, 330; NJW-RR 1991, 1459; Palandt-Heinrichs, a. a. O., Rdnr. 42).

Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass und wie der Kläger hätte erfahren können, dass die Eheleute ihre Steuerschulden bezahlen würden und so das Grundstück in M lastenfrei werden würde. Denn erst mit diesem Wissen konnte sich für den Kläger der Gedanke an ein gerichtliches Vorgehen gegen seine Vertragspartner aufdrängen. Der Kläger hatte immerhin vom Beklagten selbst erfahren, dass die den Widerruf ihrer Löschungsbewilligung mit der nicht erfolgten Löschung der Zwangssicherungshypothek des auf eben demselben Grundstück begründet hatte, das er ihm jetzt als lastenfreies Zugriffsobjekt bezeichnet. In den auf diese Mitteilung des Beklagten vom 19.12.1997 folgenden Verhandlungen hatten sich die Eheleute außerstande gezeigt, die geschuldete Lastenfreistellung zu bewirken. Unter diesen Umständen bestand für den Kläger solange kein Anlass, gegen die aus seiner Sicht vermögenslosen Eheleute gerichtliche Schritte einzuleiten, bis er Hinweise auf eine Besserung der wirtschaftlichen Lage seiner Schuldner erhielt. Der Beklagte hat nicht vorgetragen, welche dem Kläger bekannten Indizien in der fraglichen Zeit Anfang 1998 darauf hindeuteten, dass die Eheleute ihre Steuerschulden in Höhe von über 100.000,00 DM doch bezahlen könnten.

Auch wenn § 254 BGB eine von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung und nicht nur eine Einrede gewährt, wie der Beklagte richtig bemerkt, verbleibt es bei dem im Zivilprozess herrschenden Verhandlungs- oder Beibringungsgrundsatz. Danach ist es allein Sache der Parteien, den Tatsachenstoff vorzutragen, der Gegenstand der rechtlichen Beurteilung durch das Gericht sein soll.

Auch wenn man den Sachvortrag des Beklagten zu den Voraussetzungen der anderweitigen Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO insoweit mitberücksichtigt, findet sich zur Frage der Kenntnis oder fahrlässigen Nichtkenntnis des Klägers von der behaupteten Zugriffsmöglichkeit nichts Verwertbares. Denn auch insoweit beschränkte sich der Beklagte darauf vorzutragen, es habe objektiv die Möglichkeit bestanden, auf Vermögen der Eheleute V, insbesondere auf das Grundstück S in M zuzugreifen. Schon zur Frage der Zumutbarkeit eines solchen Vorgehens (vgl. dazu Haug, Die Amtshaftung des Notars, 2. Auflage Rdnr. 184 ff.) fehlte Sachvortrag. Der Beklagte beschränkte sich auch insoweit auf bloße Rechtsbehauptungen.

(3) Es ist fraglich, ob die in der Berufungsbegründung erstmals aufgestellte bestrittene Behauptung des Beklagten, dem Kläger sei die Vermögenssituation der Eheleute bekannt gewesen, nach § 531 Abs. 2 ZPO noch berücksichtigt werden kann und ob sie so substantiiert ist, dass der Beklagte damit seiner Darlegungslast gerecht geworden ist.

Es handelt sich hierbei um ein neues Verteidigungsmittel, das im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurde, und es ist nicht ersichtlich, weshalb es der Beklagte nicht schon früher vorgetragen hat. Allerdings kommt eine Zulassung nach § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in Betracht, weil dem Erstgericht möglicherweise ein Verfahrensfehler unterlaufen ist.

Nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO hat das Gericht dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, Beweismittel bezeichnen und sachdienliche Anträge stellen. Diese Pflicht entfällt nicht ohne weiteres deshalb, weil der Beklagte selbst Volljurist ist, zudem anwaltlich vertreten und überdies von seiner Berufshaftpflichtversicherung unterstützt wurde. Lediglich die Anforderungen an den Inhalt der zu erteilenden Hinweise sind geringer, wenn die betroffene Partei anwaltlich vertreten ist (Zöller/Greger, ZPO, 23. Auflage; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 24. Auflage, je Rdnr. 12 zu § 139 m. w. N.).

Die Vermutung liegt nicht fern, dass das Erstgericht - ebenso wie möglicherweise die Parteien - den Aspekt des Mitverschuldens übersehen hat. Jedenfalls geht das Ersturteil auf diesen Gesichtspunkt nicht weiter ein. Der Beklagte selbst beschränkte sich auf die bloße Rechtsbehauptung eines Mitverschuldens, ohne sie jedoch durch den nötigen Sachvortrag zu untermauern. Die Darlegungs- und Beweislast für den Mitverschuldens-Einwand trifft bei § 254 BGB - anders als bei § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO - jedoch denjenigen, der den Einwand erhebt (vgl. Haug, a. a. O., Rdnr. 209 ff.).

(4) Ob der Beklagte mit dem Mitverschuldens-Einwand im Berufungsverfahren überhaupt noch gehört werden kann, kann aber, letztlich offen bleiben. Der Beklagte begründet seinen Einwand damit, dass der Kläger die Vermögenssituation der Eheleute gekannt habe und deshalb in der Lage gewesen sei, genau zum richtigen Zeitpunkt auf deren Grundstück in zuzugreifen.

Diese Darstellung kann der Senat aber seiner Entscheidung schon deshalb nicht zugrundelegen, weil der Beklagte für seine bestrittene Behauptung auch in der Berufungsinstanz keinen Beweis angeboten hat.

Die Beweisbedürftigkeit des Mitverschuldens-Einwands entfällt nicht etwa deswegen, weil der Kläger in erster Instanz selbst hat vortragen lassen, zwischen ihm und den Eheleuten V habe zu Lebzeiten von Herrn ein als durchaus eng zu bezeichnendes Verhältnis bestanden. Damit hat er nicht etwa eine entsprechende Kenntnis zugestanden. Denn ein enges Verhältnis bringt es nicht zwangsläufig mit sich, dass die Beteiligten sich einen umfassenden Einblick in die gegenseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse gewähren. Die tatsächliche Entwicklung im Frühjahr 1998 spricht eher dagegen. Die Eheleute sorgten, zumindest nach der Behauptung des Beklagten, durch Zahlungen an das nämlich dafür, dass das Grundstück S lastenfrei wurde, um es ihrem Sohn verkaufen zu können. Sie sahen offenbar keinen Anlass, ihren dem Kläger gegenüber bestehenden Pflichten zur Lastenfreistellung des Grundstücks nachzukommen. Ob sie ihn unter diesen Umständen von dem Geschäft mit ihrem Sohn unterrichteten, erscheint zumindest zweifelhaft.

Danach besteht auch keine Möglichkeit, nach § 448 ZPO von Amts wegen die Vernehmung des Klägers als Partei anzuordnen. Denn es fehlt an der für eine solche Anordnung erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit der zu beweisenden Tatsache (BGH NJW 1997, 3230; 1998, 1814; Thomas/Putzo/Reichold, a. a. O., Rdnr. 2; Zöller/Greger a. a. O., Rdnr. 4; Musielak/Huber, ZPO, 3. Auflage, Rdnr. 3, je zu § 448).

(5) Ohne die Kenntnis davon, dass die Eheleute ihre Steuerschulden doch bezahlen konnten und die Finanzverwaltung daher bereit war, ihre Zwangssicherungshypothek löschen zu lassen, war dem Kläger ein gerichtliches Vorgehen gegen die Eheleute V nicht zuzumuten. § 254 BGB zwingt den Geschädigten nicht dazu, auf gut Glück Prozesse gegen andere Schädiger zu führen, bevor er den Notar in Anspruch nehmen kann. Denn das Betreiben eines Arrestverfahrens wäre mit Kosten verbunden gewesen. Die Erfolgsaussichten wären dagegen schon aus verfahrensrechtlicher Sicht sehr zweifelhaft, weil der Kläger aus seiner Sicht nur hätte vortragen können, die Eheleute seien nicht - in der Lage, ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Der beabsichtigte Verkauf an I V war dem Kläger nicht bekannt. Der Beklagte hat eine diesbezügliche Behauptung nur aufgestellt; zumindest hat er sie nicht unter Beweis gestellt. Das reicht aber für einen Arrestgrund i. S. d. § 917 Abs. 1 ZPO nicht aus (Thomas/Putzo/Reichold, a. a. O., § 917 Rdnr. 1 m. w. N.). Hierzu kommt, dass ohne die dem Kläger unbekannte Erfüllung der Verbindlichkeiten gegenüber dem der wirtschaftliche Erfolg eines solchen gerichtlichen Vorgehens eher unwahrscheinlich gewesen wäre.

b) Der Beklagte macht auch vergeblich geltend, er sei zum Schadensersatz allenfalls Zug um Zug gegen die Abtretung der dem Kläger gegen die Grundstücksverkäufer zustehenden Ansprüche verpflichtet.

Es mag sein, dass ihm nach § 255 BGB ein solcher Anspruch zusteht, den er im Wege des Zurückbehaltungsrechts (§ 273 BGB) dem Klageanspruch hätte entgegensetzen können (Palandt/Heinrichs a. a. O., § 255 Rdnr. 7). Der Senat kann dieses, erstmals in der Berufungsbegründung vorgebrachte Verteidigungsmittel aber nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zulassen.

aa) Das Zurückbehaltungsrecht wird im Rechtsstreit nicht von Amts wegen beachtet, sondern muss vom Schuldner durch Einrede geltend gemacht werden. Dabei genügt es, wenn sich aus der Gesamtheit des Parteivorbringens ergibt, dass ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden soll (Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 274 Rdnr. 1).

Die Berufung auf eine Einrede stellt ein Verteidigungsmittel im Sinn des § 531 Abs. 2 ZPO dar (Thomas/Putzo/Reichold, a. a. O., Rdnr. 12; Zöller/Greger a. a. O., Rdnr. 22, je zu § 531).

Da die Einrede im ersten Rechtszug nicht erhoben wurde, ist sie neu. Aus dem Sachvortrag des Beklagten vor dem Landgericht lässt sich keine Andeutung dahin entnehmen, er sei an einer Abtretung der Ansprüche des Klägers gegen die Grundstücksverkäufer bzw. deren Rechtsnachfolger interessiert. Die Parteien waren und sind sich darin einig, dass jedenfalls nach dem Verkauf des Grundstücks ein Vorgehen gegen diese wirtschaftlich wenig sinnvoll war und ist, da sie über keine nennenswerte pfändbare Habe verfügen. Unter diesen Umständen lässt sich dem erstinstanzlichen Parteivorbringen des Beklagten nicht entnehmen, dass er ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen wollte.

bb) Die Zulassung der Einrede des Zurückbehaltungsrechts kann nicht auf § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gestützt werden. Denn dem Erstgericht ist insoweit kein Verfahrensfehler unterlaufen; es musste den Beklagten nicht von sich aus auf diese Möglichkeit hinweisen.

Die in § 139 ZPO normierte Hinweis- und Aufklärungspflicht zielt nur auf die Klarstellung unklarer oder die Vervollständigung lückenhafter Ausführungen der Parteien, nicht auf die Herbeiführung von neuem Tatsachenvortrag, der etwa eine Einwendung oder ein Gegenrecht ausfüllt und für den vorher noch kein Ansatzpunkt im Parteivorbringen enthalten war (BGH NJW 1999, 2890/2892; Thomas/Putzo/Reichold, a. a. O., Rdnr. 6; Zöller/Greger, a. a. O., Rdnr. 17 je zu § 139). Das Erstgericht war daher zu einem Hinweis auf das möglicherweise bestehende Zurückbehaltungsrecht nicht verpflichtet. Es hätte mit einem solchen im Gegenteil gegen die Verhandlungsmaxime sowie unter Umständen gegen das Gebot der Unparteilichkeit verstoßen (BGH NJW. 1969, 691/693).

cc) Die Zulassung der Einrede des Zurückbehaltungsrechts kann auch nicht mit § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO gerechtfertigt werden, da der insoweit darlegungspflichtige (Thomas/Putzo/Reichold, a. a. O., Rdnr. 16; Zöller/Guramer, a. a. O., Rdnr. 34 je zu § 531) Beklagte nichts dazu vorgetragen hat, warum er dieses Verteidigungsmittel nicht schon im ersten Rechtszug geltend gemacht hat. Der Senat kann daher nicht feststellen, dass diese Unterlassung nicht auf Nachlässigkeit beruht.

dd) Die Zurückweisung neuer Angriffs- oder Verteidigungsmittel ist nach dem hier anzuwendenden neuen Berufungsrecht (Art. 53 Nr. 3 ZPO-RG, § 26 Nr. 5 EGZPO) nicht davon abhängig, dass durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert würde (Thomas/Putzo/Reichold a. a. O., Rdnr. 17; Zöller/Gummer, a. a. O., Rdnr. 21 je zu § 531).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Zuvielforderung des Klägers war verhältnismäßig geringfügig und hat keine höheren Kosten veranlasst.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11, § 709 Abs. 2, § 711 ZPO.

4. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Die vom Senat bei seiner Entscheidung zu beantwortenden Rechtsfragen sind höchstrichterlich bereits geklärt. Die Anwendung der so herausgearbeiteten Grundsätze auf den Streitfall hat keine über den zu entscheidenden Einzelfall hinausreichende Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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