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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 16.07.2008
Aktenzeichen: 4 VA 1036/08
Rechtsgebiete: EGGVG, InsO


Vorschriften:

EGGVG § 23
InsO § 56 Abs. 1
1.) Der Antrag auf Aufnahme in eine Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter darf nicht alleine mit dem Hinweis darauf abgelehnt werden, dass die Vorauswahl liste aus Praktikabilitätsgründen nicht deutlich vergrößert werden könne und dass der Antragsteller seinen Kanzleisitz nicht im Landgerichtsbezirk habe.

2.) Die Ermessensentscheidung über einen Antrag auf Aufnahme in die Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter hat sich an der persönlichen und fachlichen Eignung des Antragstellers für das Amt des Insolvenzverwalters auszurichten. Ein Losverfahren für die Vergabe von Listenplätzen ist ermessensfehlerhaft.


Oberlandesgericht Nürnberg

Az.: 4 VA 1036/06

In der Justizverwaltungssache

wegen Antrag gem. §§ 23 ff. EGGVG

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg -4 Zivilsenat- durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kammerer, Richterin am Oberlandesgericht Reitzenstein und Richter am Oberlandesgericht Bauer am 16.07.2008 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Der Bescheid des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 19.5.2008 wird aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Nürnberg an das Amtsgericht Weiden i.d.OPf. zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert wird auf 3 000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Aufnahme in eine beim Amtsgericht Weiden i.d.OPf. geführte Auswahlliste für Insolvenzverwalter.

Die Antragstellerin ist seit 2001 als Rechtsanwältin zugelassen. In der Zeit von 2002 bis 2005 war sie als angestellte Rechtsanwältin in einer Kanzlei mit Schwerpunkt in der Insolvenz- und Zwangsverwaltung tätig. Seit Januar 2006 ist die Antragstellerin mit einer eigenen Rechtsanwaltskanzlei in Cham selbständig. Sie bewarb sich bei verschiedenen Insolvenzgerichten um die Aufnahme in die Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter. Mit Schreiben vom 16.1.2006 bewarb sich die Antragstellerin auch beim Amtsgericht Weiden i.d.OPf. um die Aufnahme in die Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter. Das Amtsgericht Weiden i.d.OPf. teilte der Antragstellerin telefonisch mit, es sähe sich derzeit außerstande, weitere Insolvenzverwalter in die Liste aufzunehmen. In der Zwischenzeit wurde die Antragstellerin beim Amtsgericht Amberg in 51 Verfahren und beim Amtsgericht Regensburg in 112 Verfahren zur Gutachterin/Insolvenzverwalterin/Treuhänderin bestellt.

Mit Schreiben vom 14.5.2008 beantragte die Antragstellerin daraufhin nochmals die Aufnahme in die Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter beim Amtsgericht Weiden i.d.OPf. und legte dieser schriftlichen Bewerbung auch eine Zusammenfassung der maßgeblichen Bestellungskriterien, sowie Zeugnisse und eine Fotokopie des Versicherungsscheins über den Haftpflichtversicherungsschutz als Insolvenzverwalter bei. Die Bewerbung der Antragstellerin wurde vom Amtsgericht Weiden i.d.OPf. durch Bescheid vom 19.5.2008 beantwortet. Darin wird der Antragstellerin mitgeteilt, Bewerber, welche nicht im Landgerichtsbezirk Weiden ihren Sitz hätten, könnten nicht am Losverfahren teilnehmen. Im Übrigen wurde auf ein Informationsblatt des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 9.11.2007 hingewiesen, welches dem Bescheid in Ablichtung beigefügt war. In diesem Informationsblatt weisen die zuständigen Richter am Amtsgericht Weiden i.d.OPf. darauf hin, eine deutliche Vergrößerung des Kreises der Insolvenzverwalter/Treuhänder, die vom Amtsgericht Weiden i.d.OPf. bestellt würden, erscheine nicht sachgerecht. Deshalb werde beim Amtsgericht Weiden i.d.OPf. eine Warteliste geführt, in welche geeignete Rechtsanwaltskanzleien, welche einen Sitz im Landgerichtsbezirk Weiden i.d.OPf. haben und die sich um Aufträge auf dem Gebiet des Insolvenz rechts beworben haben, aufgenommen werden. Aus dieser Liste rücke die jeweils zuerst eingetragene Kanzlei in den Kreis der vom Amtsgericht Weiden i.d.OPf. zu bestellenden Insolvenzverwalter/Treuhänder nach, wenn aus dem Kreis der aktuell bestellten Insolvenzverwalter/Treuhänder eine Kanzlei, bzw. ein Rechtsanwalt in Wegfall komme. Darüber hinaus werde aus der Warteliste jeweils am Jahresanfang ein Rechtsanwalt bzw. eine Kanzlei ausgelost, welcher/welche in der Zukunft vom Amtsgericht Weiden i.d.OPf. mit Aufträgen aus dem Bereich des Insolvenz rechts betraut werde.

Mit Antrag vom 23.5.2008, bei Gericht eingegangen am 27.5.2008, stellte die Antragstellerin einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff EGGVG und beantragte, den Bescheid des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 19.5.2008 aufzuheben und das Amtsgericht Weiden i.d.OPf. zu verpflichten, nach Prüfung der fachlichen und persönlichen Voraussetzungen der Antragstellerin über die Aufnahme in die beim Amtsgericht Weiden i.d.OPf. geführte Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter, aus der in konkreten Verfahren tatsächlich auch Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder ausgewählt würden, zu entscheiden.

Der Antragsgegner hält den Antrag für zulässig und - zumindest vorläufig - auch begründet und beantragt, den Bescheid des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 19.5.2008 aufzuheben und die Sache zur neuen Behandlung und Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Zivilsenats an das Amtsgericht Weiden i.d.OPf. zurückzuverweisen.

II.

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, §§ 23 ff EGGVG.

a) Der Antrag ist statthaft. Das Amtsgericht Weiden i.d.OPf. hat durch Nichtaufnahme der Antragstellerin in die Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter als Justizbehörde im funktionellen Sinn gehandelt, ohne dass es sich dabei um einen Rechtsprechungsakt gehandelt hätte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.8.2004, NJW 2004, 2725; BGH, Beschluss vom 19.12.2007, NZI 2008, 161). Zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG steht es dem Antragsteller offen, gegen die Ablehnung einer Aufnahme in die Vorauswahlliste über §§ 23 ff EGGVG eine Entscheidung des zuständigen Oberlandesgerichts gegen die Ablehnung der Aufnahme zu erwirken (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 28.11.2006, ZIP 2007, 831; Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Graeber, 2. Auflage, § 56 InsO, Rnr. 104; Wolf, DStR 2006,1769).

b) Die Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG wurde eingehalten.

c) Die Antragstellerin macht zu Recht geltend, die ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. verletze sie unmittelbar in eigenen Rechten. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung vom 3.8.2004 (a.a.O.) darauf hingewiesen, die Vorauswahl habe einen nicht unerheblichen Einfluss auf die beruflichen Betätigungsmöglichkeiten der Interessenten. Auch wenn der Insolvenzrichter von Rechts wegen an eine abschlägige Vorauswahlentscheidung bei der späteren Auswahl von Sachverständigen oder Insolvenzverwalter nicht gebunden sei, werde der abgelehnte Interessent hierdurch in seinen Rechten aus Artikel 12 Abs. 1 GG berührt.

d) Ein Vorschaltverfahren im Sinne von § 24 Abs. 2 EGGVG sieht die Insolvenzordnung nicht vor.

e) Das Oberlandesgericht Nürnberg ist gemäß § 25 Abs. 1 EGGVG zur Entscheidung über den Antrag zuständig.

2. Der Antrag ist im gestellten Umfang auch begründet

Die im ablehnenden Bescheid des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 19.5.2008 zum Ausdruck gekommene Ablehnung der Aufnahme der Antragstellerin in die Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter ist nicht Ergebnis einer fehlerfreien Ausübung des Auswahlermessens nach § 56 Abs. 1 InsO.

a) Zwar steht dem Richter bei der Insolvenzverwalterbestellung ein weites Auswahlermessen zu, doch kann dies angesichts der weitreichenden Entscheidung für oder gegen bestimmte Berufsangehörige nicht ohne Bindung an Art. 3 Abs. 1 GG geschehen. Eine Chance auf eine Einbeziehung in ein konkret anstehendes Auswahlverfahren und damit auf Ausübung des Berufs hat ein potentieller Insolvenzverwalter nur bei willkürfreier Einbeziehung in das Vorauswahlverfahren. Die Chancengleichheit der Bewerber ist gerichtlicher Überprüfung zugänglich. Alleine sie gewährt insoweit die Beachtung subjektiver Rechte (BVerfG, NJW 2004, 2725; BVerfG, ZIP 2006, 1954; BVerfG, NZI 2006, 636). Deshalb darf sich ein dem konkreten Insolvenzverfahren vorgelagertes allgemeines Vorauswahlverfahren nicht nur auf das Erstellen einer Liste mit Namen und Anschriften beschränken. Es ist vielmehr Aufgabe des Gerichts, Kriterien für die Feststellung der Eignung eines Bewerbers sowie für eine sachgerechte Ausübung des Auswahlermessens zu entwickeln. Das Modell einer "geschlossenen Liste", nach dem die Zahl der aufgenommenen Bewerber begrenzt ist und nur bei Ausscheiden einer bereits geführten Person ein neuer Bewerber in den Kreis möglicher Insolvenzverwalter aufgenommen wird, trägt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Chancengleichheit der Bewerber nicht hinreichend Rechnung (BVerfG, NJW 2004, 2725; BVerfG, NJW 2006, 2613). Eine Liste ist daher so zu führen, dass in sie jeder Bewerber aufgenommen wird, der die grundsätzlich zu stellenden Anforderungen an eine generelle, von der Typizität der einzelnen Insolvenzverfahren gelöste Eignung für das Amt des Insolvenzverwalters erfüllt. Dabei ist sicherzustellen, dass eine mit Blick auf die Eigenheiten des konkreten Verfahrens und die spezielle Eignung der Bewerber sachgerechte und damit pflichtgemäße Ermessensausübung erfolgt (BVerfG, NJW 2006, 2616; Graeber, NJW 2004, 2715). Erfüllt der Bewerber die nach diesen Grundsätzen aufgestellten persönlichen und fachlichen Anforderungen für das Amt des Insolvenzverwalters, so kann ihm die Aufnahme in die Liste nicht versagt werden. Ein weitergehendes Auswahlermessen besteht nicht (BGH, NZI 2008,161).

b) Dem so formulierten Anspruch der Antragsteller auf pflichtgemäße Ermessensausübung wird die ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 19.5.2008 nicht gerecht. Die Nichtaufnahme der Antragstellerin in die Vorauswahlliste wird nicht mit fehlender persönlicher oder fachlicher Qualifikation für das Amt des Insolvenzverwalters begründet, sondern damit, dass die beim Amtsgericht Weiden i.d.OPf. geführte Vorauswahlliste aus Praktikabilitätserwägungen nicht deutlich vergrößert werden könne und die Antragstellerin selbst am Losverfahren zur Aufnahme in die Vorauswahlliste nicht teilnehmen könne, da sich der Sitz ihrer Kanzlei nicht im Landgerichtsbezirk Weiden befinde.

Der Sitz einer Rechtsanwaltskanzlei ist für sich genommen - worauf auch der Antragsgegner zutreffend hinweist - kein geeignetes Auswahlkriterium für die Aufnahme in die Vorauswahlliste. Zwar kann die räumliche Entfernung zwischen dem Sitz der Kanzlei und dem Gerichtssitz bei der tatsächlichen Bestellung des Insolvenzverwalters nach § 56 Abs. 1 InsO durchaus eine Rolle spielen, da durch kurze Wege eine schnellstmögliche Erreichbarkeit und Reaktionsfähigkeit des Insolvenzverwalters sichergestellt werden kann. Die Ablehnung eines Bewerbers bereits für die Aufnahme in die Vorauswahlliste kann alleine mit dem fehlenden Sitz der Kanzlei im Landgerichtsbezirk jedoch nicht begründet werden, zumal nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin vom Amtsgericht Weiden i.d.OPf. in der Vergangenheit auch solche Bewerber als Insolvenzverwalter bestellt worden sind, deren Sitz eine größere räumliche Entfernung zum Amtsgericht aufweist als der Sitz der Antragstellerin.

Auch das dem Bescheid vom 19.5.2008 beigefügte Informationsblatt des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. beschreibt kein geeignetes Anforderungsprofil für die in die Vorauswahlliste aufzunehmenden Bewerber. Für das Vorauswahlverfahren steht die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffe der persönlichen und fachlichen Eignung im Vordergrund (BGH, NZI 2008,161). Die Versagung der Aufnahme in die Vorauswahlliste mit der Begründung, diese könne aus Praktikabilitätsgründen nicht deutlich vergrößert werden, wird den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs nicht gerecht (vgl. Uhlenbruck, NZI 2006, 489). Gleiches gilt für das praktizierte Losverfahren.

c) Die Antragstellerin hat daher einen Anspruch auf Bekanntgabe der nach diesen Vorgaben entwickelten Zulassungskriterien bzw. auf Erstellung eines Anforderungsprofils durch das Amtsgericht Weiden i.d.OPf. (vgl. hierzu Schmidt, NZI 2004, 533; Hess, NZI 2004, 541), nach dem sie dann erneut zu verbescheiden ist. Dies muss allerdings - worauf der Antagsgegner zutreffend hinweist - durch das Amtsgericht Weiden i.d.OPf. selbst geschehen und kann nicht im Rechtsmittelzug erfolgen. Die gerichtliche Überprüfung der Auswahlentscheidung ist auf die Einhaltung der Grenzen des Ermessensspielraums des Insolvenzgerichts beschränkt (BVerfG, NJW 2006,2613).

III.

Die Festsetzung des Geschäftswelt beruht auf § 30 EGGVG in Verbindung mit § 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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