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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 30.04.2002
Aktenzeichen: 4 W 1019/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 406
Meint eine Partei, dem schriftlichen Gutachten eines Sachverständigen stichhaltige Anhaltspunkte für die Besorgnis seiner Befangenheit entnehmen zu können, so muss sie die Ablehnungsgründe unverzüglich geltend machen. Sie darf nicht erst abwarten, ob der Sachverständige im Rahmen eines. Ergänzungsgutachtens die Zweifel an seiner Unbefangenheit möglicherweise doch noch ausräumt.
4 W 1019/02

Nürnberg, den 30.4.2002

In Sachen

wegen Schadensersatzes u.a.,

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 4. Zivilsenat, durch den unterzeichneten Einzelrichter folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 18. Februar 2002 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 680.000 Euro.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 406 Abs. 5 ZPO), jedoch nicht begründet.

I.

Die Entscheidung des Landgerichts, den Ablehnungsantrag der Klägerin als unzulässig zu verwerfen, ist nicht zu beanstanden, sondern entspricht der Sach- und Rechtslage.

1) In den Gründen des angefochtenen Beschlusses ist eingehend dargelegt, dass und weshalb die Klägerin ihre Ablehnungsgründe schon nach Erhalt des Erstgutachtens vom 29. Dezember 1999 hätte vorbringen können und nach § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO auch hätte geltend machen müssen. Die Ausführungen des Landgerichts treffen zu und werden durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet.

Die Klägerin behauptet zwar, dass sich nicht alle vorgebrachten Ablehnungsgründe bereits aus dem Erstgutachten ergäben. Welche konkreten Ablehnungsgründe sie dabei im Auge hat, trägt sie aber nicht vor. Statt dessen stützt sie ihre Beschwerdebegründung im Wesentlichen darauf, dass die bereits im Erstgutachten angelegte Befangenheit des Sachverständigen endgültig erst im Lichte des Ergänzungsgutachtens offenbar geworden sei. Bis dahin hätte der Sachverständige die Zweifel an seiner Unbefangenheit immer noch durch Erläuterungen und Ergänzungen in seinem zweiten Gutachten ausräumen können. Jedoch habe er dann die Ergänzungsfragen in einer Weise beantwortet, die nur den Schluss zulasse, dass er tatsächlich nicht unbefangen sei. In welcher Weise dies geschehen sein soll und worin sie konkret ein neues Anzeichen für seine Befangenheit sieht, lässt die Klägerin wiederum offen.

Die Rechtsmeinung der Klägerin, die - aus ihrer Sicht - bereits im Erstgutachten geweckten Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen nicht sogleich mitteilen zu müssen, sondern erst das Ergebnis des Ergänzungsgutachtens abwarten zu können, teilt der Senat nicht. Die Absicht, dem Sachverständigen erst einmal Gelegenheit zu geben, ihre Bedenken gegen seine Unvoreingenommenheit auszuräumen, verdient zwar Beifall. Die gewünschte Stellungnahme des Sachverständigen hätte die Klägerin jedoch statt über den Umweg eines aufwändigen Ergänzungsgutachtens (§ 411 Abs. 4 ZPO) auch auf direktem Weg erreichen können, nämlich über das prozessual dafür vorgesehene - noch dazu schnellere und billigere - Ablehnungsverfahren (§ 406 ZPO). Wollte man die Abwarte-Taktik der Klägerin zulassen, würde das Bestreben des Gesetzgebers, Ablehnungsfragen möglichst rasch zu entscheiden (vgl. § 406 Abs. 2 ZPO), geradezu ins Gegenteil verkehrt.

Da die Klägerin ihre bereits im Erstgutachten angelegten Ablehnungsgründe nicht rechtzeitig, sondern erst über ein Jahr später geltend gemacht hat, hat das Landgericht ihren Ablehnungsantrag zu Recht als unzulässig verworfen (§ 230 ZPO).

2) Auf die weitere Frage, ob auch der Zeitraum zwischen Erhalt des Ergänzungsgutachtens (22. Februar 2001) und Eingang des Ablehnungsgesuches (23. März 2001) zu lang war, um die Ablehnung noch als "unverzüglich" gelten lassen zu können, kommt es somit nicht mehr an. Es kann daher offen bleiben, ob den strengen Anforderungen des Landgerichts unter Nr. II 3 b der Entscheidungsgründe zu folgen wäre.

3) Die bloße Fehlerhaftigkeit, insbesondere Unvollständigkeit des Gutachtens, aber auch die mangelnde Qualifikation des Sachverständigen - selbst wenn diese Einwendungen der Klägerin zuträfen - würden für sich allein genommen noch keine Ablehnung wegen Befangenheit rechtfertigen (Senat, BauR 2002, 129; Thomas-Putzo. ZPO, 24. Aufl.. § 406 Rn. 3).

Sollten in dieser Richtung Bedenken gegen das Gutachten oder gegen den Sachverständigen bestehen, kann das Gericht, wenn es dies für erforderlich hält (vgl. Nr. III der Gründe des angefochtenen Beschlusses), eine weitere Ergänzung des Gutachtens anordnen oder einen neuen Sachverständigen beauftragen. Den Parteien steht es frei, eine solche Maßnahme zu beantragen (§ 411 Abs. 3 und 4, § 412 ZPO).

II.

1) Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Kosten einer erfolglosen Beschwerde im Ablehnungs-Verfahren gehören nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht zu den gewöhnlichen Kosten des Rechtsstreits. Über sie ist daher bereits im Beschwerde-Beschluss zu entscheiden, unabhängig vom späteren Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache (vgl. Senat, BauR 2002, 129/130; Thomas-Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 46 Rn 9; aM Zöller-Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 46 Rn 20; zum Meinungsstand siehe auch Schneider, MDR 2001, 130).

2) Die umstrittene Frage, ob eventuelle notwendige Kosten des Beschwerdegegners erstattungsfähig sind, stellt sich bei der Kostengrundentscheidung noch nicht; hierüber wird gegebenenfalls im Rahmen der Kostenfestsetzung zu entscheiden sein (Senat, Beschluss vom 3.8.2001, Az. 4 W 2481/01).

2) Als Wert des Beschwerdegegenstandes hat der Senat rund ein Drittel des Hauptsache-Streitwertes angesetzt (§ 12 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO; vgl. Senat, BauR 2002, 129/130).

3) Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 3 ZPO n.F.) besteht kein Anlass, da die Voraussetzungen des § 5774 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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