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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 07.04.2003
Aktenzeichen: 4 W 212/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 81
Die für die Klage erteilte Prozessvollmacht erstreckt sich auch auf eine aus dem Rechtsstreit hervorgegangene Vollstreckungsabwehrklage, gleich, ob diese gegen den ursprünglichen Gegner oder (z.B. wegen Forderungsabtretung und/oder Titelumschreibung) gegen einen Dritten erhoben wird. OLG Nürnberg, vom Aktenzeichen:
4 W 212/03 4 O 9615/01 LG Nürnberg-Fürth

Nürnberg, den 7.4.2003

In Sachen

wegen Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung,

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 4. Zivilsenat, durch den unterzeichneten Einzelrichter folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12. September 2002 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 3.100 €.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde, über die nach § 568 ZPO der Einzelrichter zu entscheiden hat, ist zulässig (§ 91 a Abs. 2 ZPO). Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet, denn das Landgericht hat die Kosten des ersten Rechtszugs zu Recht dem Beklagten auferlegt.

I.

1) Gegen die Entscheidung des Landgerichts wandte der Beklagte im Beschwerdeverfahren zunächst das Fehlen einer Aufrechnungslage ein (Beschwerdebegründung vom 5. Dezember 2002). Auf den ausführlichen rechtlichen Hinweis des Senats vom 22. Januar 2003 hin erklärte der Beklagte mit Schriftsatz vom 18. Februar 2003, dass er seinen Einwand nicht aufrecht erhalte.

2) Statt dessen rügte der Beklagte nunmehr das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses (nachfolgend a) und seiner Passivlegitimation (b). Außerdem machte er unter Bezugnahme auf seine Klageerwiderung vom 18. April 2002 geltend, dass die Aufrechnung mangels Vertretungsmacht nicht wirksam erklärt worden sei (c). Wunschgemäß teilte ihm der Senat am 13. März 2003 mit, dass und weshalb er die rechtlichen Bedenken des Beklagten nicht teile. Daraufhin stellte der Beklagte mit Schriftsatz vom 2. April 2003 klar, dass sich die zuletzt erhobene Vollmachtsrüge auch und gerade auf die Prozessvollmacht im vorliegenden Rechtsstreit beziehe: Die vom Beklagtenvertreter beanspruchte Prozessvollmacht beschränke sich auf den Rechtsstreit der Klägerin mit ihrem damaligen Prozessgegenr (Az. 4 O 2705/99) und könne nicht auf den vorliegenden Rechtsstreit übertragen werden (d).

Die Einwendungen des Beklagten sind indessen unbegründet:

a) Rechtsschutzbedürfnis

Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsabwehrklage entsteht nicht erst dann, wenn die Zwangsvollstreckung bereits begonnen hat, sondern schon dann, wenn sie droht (Zöller-Herget, ZPO, 23. Aufl., § 767 Rn 8). Hierfür genügt das Vorliegen eines Titels, der zur Zwangsvollstreckung geeignet ist, selbst wenn die Vollstreckungsklausel noch nicht erteilt bzw. umgeschrieben ist (Thomas-Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 767 Rn 14).

Die vom Beklagte vermisste Anzeige nach § 882 a ZPO ist keine Voraussetzung für das "Drohen" der Zwangsvollstreckung, sondern schiebt lediglich deren Beginn hinaus. Im konkreten Fall wurde das "Drohen" der Zwangsvollstreckung zusätzlich noch dadurch unterstrichen, dass der Beklagte bereits konkrete Anstalten getroffen hatte, den titulierten und auf seinen Namen umgeschriebenen Kostenerstattungsanspruch zu vollstrecken.

b) Passivlegitimation

Weder das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin noch die Passivlegitimation des Beklagten sind dadurch entfallen, dass der Beklagte - eigenen Angaben zufolge - die ihm abgetretenen Ansprüche am 24. November 2001 (also drei Tage vor Zustellung der Vollstreckungsabwehrklage) seinerseits an Herrn abgetreten hatte. Solange der Vollstreckungstitel noch auf den Namen des Beklagten lautete (laut Schriftsatz vom 18. April 2002 war der Titel bis dahin noch nicht auf den neuen Gläubiger umgeschrieben und ist es anscheinend auch jetzt noch nicht), bestand aus Sicht der Klägerin die Gefahr, dass der Beklagte einen erneuten Versuch der Zwangsvollstreckung unternehmen werde.

c) Aufrechungs-Vollmacht (§§ 166, 167 BGB)

Die jetzigen Bevollmächtigten der Klägerin haben bereits mit Schriftsatz vom 15. Mai 2002 als "Anlage K 9" eine Prozessvollmacht vom 23. April 1999 vorgelegt. Darin ermächtigt die Klägerin den Rechtsanwalt , sie im Verfahren 4 O 2705/99 vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth zu vertreten.

Eine Vollmacht zur Prozessführung in einem bestimmten Rechtsstreit ermächtigt zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen einschließlich der Zwangsvollstreckung (§ 81 ZPO). Dazu gehört auch eine Vollstreckungsabwehrklage (Zöller-Vollkommer, aaO., § 81 Rn 4), damit auch der Sachverhalt, auf den die Vollstreckungsabwetiklage gestützt wird (hier: Aufrechnung).

Die Aufrechnung selbst war von der Klägerin (damals vertreten von Rechtsanwalt Dr. ) im Zuge des Kostenfestsetzungsverfahrens erstmals bereits am 7. Januar 2000 erklärt worden (gegenüber Rechtsanwalt , dem Prozessbevollmächtigten des Klägers im Verfahren 4 O 2705/99 und zugleich damaliger Zessionar des Kostenerstattungsanspruchs, auf den der Titel seinerzeit allerdings noch nicht umgeschrieben war).

Ein zweites Mal ließ die Klägerin, wiederum vertreten durch den damaligen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. , die Aufrechnung am 19. Dezember 2000 erklären, diesmal im Zuge des Titelumschreibungsverfahrens (das seinerzeit vom jetzigen Beschwerdeführer betrieben wurde).

Wie bereits in der Verfügung vom 22. Januar 2003 näher ausgeführt und vom Beklagten nicht mehr in Frage gestellt, bestand eine Aufrechnungslage bereit seit 1999. Schon auf Grund der ersten, zumindest aber auf Grund der zweiten Aufrechnungserklärung war deshalb der Kostenerstattungsanspruch erloschen (§ 389 BGB).

Der Umstand, dass die Aufrechnung(en) im Rahmen des Kostenfestsetzungs- bzw. Titelumschreibungsverfahrens erklärt wurde(n) und primär zum Ziel hatte(n), der Kostenfestsetzung bzw. Titelumschreibung entgegen zu wirken, steht ihrer materiellrechtlichen Wirksamkeit entgegen der Rechtsmeinung des Beklagten nicht entgegen.

d) Prozess-Vollmacht (§§ 80, 81 ZPO)

Wie unter c) dargelegt, ermächtigt die Prozessvollmacht der Klägerin vom 23. April 1999 ./. , zu allen den Rechtsstreit Az. 4 O 2705/99 Landgericht Nürnberg-Fürth betreffenden Prozesshandlungen einschließlich der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO. Sie wirkt auch dann fort, wenn sich aus der Klage, für die sie zunächst erteilt wurde, in der Folgezeit ein damit zusammenhängender Rechtsstreit mit einem Dritten entwickelt (Stein-Jonas-Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 81 Rn 7; Wieczorek-Steiner, ZPO, 3. Aufl., § 81 Rn 4). So liegt der Fall hier. Die Vollstreckungsklage der Klägerin richtet sich nur deshalb nicht gegen ihren ursprünglichen Prozessgegner , weil dieser seinen Kostenerstattungsanspruch zunächst an Rechtsanwalt abgetreten hatte, der ihn seinerseits an den Beklagten abtrat. Ungeachtet der beiden Abtretungen geht es im vorliegenden Rechtsstreit um die prozessuale Abwehr gegen den gleichen Kostenerstattungsanspruch, die bereits von der Prozessvollmacht vom 23. April 1999 mit umfasst war.

II.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 97 Abs. l ZPO.

Als Wert des Beschwerdegegenstandes hat der Senat die (geschätzten) Kosten angesetzt, die im ersten Rechtszug bis zur übereinstimmenden Erledigterklärung angefallen waren.



Ende der Entscheidung

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