Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 01.08.2001
Aktenzeichen: 4 W 2519/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 406
Ablehnung eines Sachverständigen wegen Rechtsausführungen

Spricht ein Sachverständiger im Zusammenhang mit der Auslegung des Beweisthemas auch rechtliche Fragen an, so begründet das für sich allein genommen noch keine Besorgnis der Befangenheit.


4 W 2519/01

Nürnberg, den 1.8.2001

In Sachen

wegen Forderung,

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 4. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 31. Mai 2001 wird zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagte zu 1) 61 %, der Beklagte zu 2) 39 %.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 100.407,16 DM (im Prozessrechts Verhältnis jedes Klägers zur Beklagten zu 1) 94.833,80 DM, im Prozessrechtsverhältnis jedes Klägers zum Beklagten zu 2) 61.098,37 DM).

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 406 Abs. 5 ZPO), jedoch unbegründet.

1) Die Fehlerhaftigkeit, insbesondere Unvollständigkeit des Gutachtens, aber auch die mangelnde Qualifikation des Sachverständigen - selbst wenn diese Einwendungen der Beklagten zuträfen - würden für sich allein genommen noch keine Ablehnung wegen Befangenheit rechtfertigen (OLG München, Rechtspfleger 1980, 303; Thomas-Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 406 Rn. 3).

Sollten in dieser Richtung Bedenken gegen das Gutachten oder gegen den Sachverständigen bestehen, kann das Gericht, wenn es dies für erforderlich hält, eine Ergänzung des Gutachtens anordnen oder einen neuen Sachverständigen beauftragen. Den Parteien steht es frei, eine solche Maßnahme zu beantragen (§ 406 Abs. 3 und 4, § 412 ZPO).

2) Wenn das Gutachten im Zusammenhang mit der Auslegung des Beweisthemas - nach Meinung der Beklagten außerhalb der Kompetenz des Sachverständigen - auch einige eher rechtliche Fragen anspricht, so begründet das für sich allein genommen ebenfalls noch keine Besorgnis der Befangenheit (OLG Karlsruhe MDR 1994,725; Zöller-Greger, ZPO, 22. Aufl., § 406 Rn 9).

Der Sachverständige legt den Beweisbeschluss in einer Weise aus, die ihn zum Schluss bringt, dass er mit einem Rechenwerk, das sich allein auf die derzeit zur Verfügung stehenden Anknüpfungstatsachen stütze, den Boden der ihm auferlegten Schadensberechnung verlassen und sich auf eine vom Gericht nicht verlangte Schadensschätzung einlassen würde. Weshalb dies nach Meinung des Sachverständigen so ist, versucht er unter anderem mit rechtlichen Überlegungen zu erläutern.

Von seiner Warte aus folgerichtig hat der Sachverständige deshalb davon abgesehen, sich gutachtlich mit theoretischen Rechenmodellen zu befassen, auf die es aus seiner Sicht nicht ankommt und nach denen bei seiner Auslegung des Beweisbeschlusses nicht gefragt war. Träfe die Meinung des Sachverständigen zu, wonach solche rein hypothetischen Rechenmodelle vom Beweisbeschluss nicht mehr gedeckt wären, dann hätte er sich von seinem Standpunkt aus sogar möglicherweise dem Vorwurf der Befangenheit ausgesetzt, wenn er diese Bedenken ignoriert, den Beweisbeschluss aus seiner Sicht "zurechtgebogen" und ein vom Gericht so nicht gewolltes, am Ende nutzloses Rechenwerk aufgestellt hätte.

Ob die rechtlichen Überlegungen des Sachverständigen zutreffen und ob seine Besorgnis, sich mit den von den Beklagten gewünschten Berechnungen in das Reich unergiebiger Spekulation zu begeben, berechtigt ist, kann dahin stehen (die Ausführungen des Landgerichts im Beschluss vom 31. Mai 2001 erwecken jedenfalls nicht den Eindruck, als halte es die Erwägungen des Sachverständigen für abwegig und dessen Interpretation des Beweisbeschlusses für völlig aus der Luft gegriffen). Es mag auch sein, dass es rückblickend besser gewesen wäre, wenn der Sachverständige seine Bedenken und eventuelle Unklarheiten zunächst einmal mit dem Gericht erörtert und auf eine Klarstellung hingewirkt hätte (§ 404 a Abs. 2 ZPO). Eine Befangenheit gegenüber den Beklagten oder auch nur der Anschein einer solchen Voreingenommenheit lässt sich aus dem Verhalten des Sachverständigen jedoch nicht ableiten. Der Sachverständige hat sich nicht etwa kategorisch geweigert, dem Gutachtensauftrag nachzukommen, sondern hat lediglich dargelegt, dass und weshalb er die gestellte Frage - jedenfalls so, wie er sie versteht - nicht mit der gebotenen Zuverlässigkeit beantworten kann.

Wenn das Landgericht meint, der Sachverständige habe den Beweisbeschluss missverstanden, und deshalb darauf besteht, dass er seine Bedenken zurückstellt und das Beweisthema in der vom Gericht bestimmten Auslegung behandelt, dann kann es ihn auch jetzt noch zur Erstellung des Gutachtens anhalten, kann ihm bei Bedarf ergänzende Anweisungen erteilen und ihm die zu Grunde zu legenden Anknüpfungstatsachen vorgeben. Dass sich der Sachverständige einem solchen Auftrag verschließen würde, ist nicht anzunehmen; zumindest gibt es dafür keinen stichhaltigen Anhaltspunkt.

Auf Voreingenommenheit gegenüber den Beklagten gegenüber lässt das Verhalten des Sachverständigen jedenfalls nicht schließen.

3. Da ohnehin keine Befangenheit zu besorgen ist, kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob angesichts des langen Zeitraums seit Erhalt des Gutachtens die Ablehnung überhaupt noch zulässig wäre (§ 406 Abs. 2 ZPO).

4. Die Kosten der erfolglosen Beschwerde haben - unabhängig vom Ausgang des Hauptsache-Rechtsstreits - die Beklagten zu tragen (§ 97 Abs. 1, vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 46 Rn 9), und zwar als Teilschuldner (§ 100 Abs. 1,2 ZPO).

Im Hinblick auf die unterschiedliche Beteiligung beider Beklagten hat der Senat das Verhältnis der jeweiligen Beteiligung zum Maßstab der Kostenverteilung genommen (§ 100 Abs. 2 ZPO). Als Wert des Beschwerdegegenstandes hat der Senat ein Drittel des Hauptsachestreitwertes angesetzt (§ 12 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO; OLG Bamberg BauR 2000,773). Somit ergibt sich folgende Berechnung:

Bekl. zu 1) Bekl. zu 2) Zusammen

Klagen (Addition): 117.926,35 DM 16.720,08 DM 134.646,43 DM

Widerklage (keine Addition) 166.575,04 DM 166.575.04 DM 166.575,04 DM

Prozessrechts- verhältnis: 284.501,39 DM 183.295,12 DM

Rechtsstreit insgesamt: 301.221,47 DM

hiervon je 1/3: 94.833,80 DM 61.098,37 DM 100.407,16 DM

fiktiver Anteils-Maßstab: 155.932,17 DM

Anteil in Prozent: 61 % 39 %

Ende der Entscheidung

Zurück