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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 26.11.2001
Aktenzeichen: 4 W 3273/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91
Kosten für die Wahrnehmung des Gerichtstermins durch einen am Sitz des entfernten Prozeßgerichts ansässigen Unterbevollmächtigten, können in Höhe einer (fiktiven) Ratsgebühr - zuzüglich Kosten einer (fiktiven) Informationsreise der Partei - erstattungsfähig sein, wenn sich die auswärts wohnende Partei aus vertretbaren Gründen zunächst an einen ortsansässigen Rechtsanwalt gewandt und ihn sodann zum Hauptbevollmächtigten bestellt hatte.
4 W 3273/01

Nürnberg, den 26.11.2001

In Sachen

wegen Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung,

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 4. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 4. September 2001 dahin geändert, dass der Kläger an die Beklagte über den bereits festgesetzten Betrag hinaus weitere 161 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 28. Juli 2001 zu erstatten hat.

Die weiter gehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Gerichtsgebühren des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Von den übrigen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beklagte 2/3, der Kläger 1/3 zu tragen.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 475 DM.

Gründe:

I.

Das Rechtsmittel ist zulässig.

1) Der Senat wertet den als "Erinnerung" bezeichneten Rechtsbehelf der Beklagten vom 17. September 2001 als sofortige Beschwerde. Als solche ist das Rechtsmittel - anders als eine Erinnerung - statthaft; einer Abhilfeentscheidung durch den Rechtspfleger des Landgerichts Nürnberg-Fürth bedurfte es nicht (§ 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO; § 11 Abs. 1 RPflG; vgl. OLG Nürnberg, JurBüro 1999, 537 m.w.N.).

2) Für die sofortige Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss besteht nach zutreffender Rechtsansicht kein Anwaltszwang (§ 569 Abs. 2 Satz 2, § 78 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 13 RPflG; vgl. Senat, Az. 4 W 3669/00 = OLG-Report 2001 123; OLG Nürnberg - 3. Zivilsenat -, OLG-Report 2000, 72; Thomas-Putzo, ZPO, 22. Auflage, § 104 Rn. 44 iVm § 569 Rn 10; aM OLG Nürnberg - 6. Zivilsenat -, MDR 1999, 894). Das Rechtsmittel konnte daher - wie geschehen - auch von einem nicht beim Oberlandesgericht Nürnberg zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden.

II.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch nur zum Teil begründet.

1) Zu Recht hat es das Landgericht abgelehnt, der Beklagten neben den gesamten Kosten ihres Münchner Prozessbevollmächtigten auch noch die gesamten Kosten des Nürnberger Unterbevollmächtigten zu ersetzen.

Die Einschaltung eines zweiten Anwalts zur Wahrnehmung des Verhandlungstermins beim Landgericht Nürnberg-Fürth am 26. Juli 2001 mag zwar aus Sicht der Beklagten und/oder ihres Rechtsanwalts ökonomisch gewesen sein, etwa um zu vermeiden, dass der Hauptbevollmächtigte durch die Reise nach Nürnberg fast einen ganzen Arbeitstag verliert. Notwendig im Sinne des § 91 ZPO war die Unterbevollmächtigung jedoch nicht.

2) Ebenfalls zu Recht hat das Landgericht der Beklagten stattdessen die Kosten einer fiktiven Informationsreise von München nach Nürnberg zugesprochen.

Eine zweite Informationsreise wäre hingegen bei dem recht begrenzten und überschaubaren Sachverhalt, um den es in der Drittwiderspruchsklage ging, nicht erforderlich gewesen.

Die Höhe der für eine Informationsreise anzusetzenden Kosten hat das Landgericht zutreffend auf 370 DM beziffert. Ihre hiergegen erhobenen Einwendungen hat die Beklagte nach einem rechtlichen Hinweis des Senats nicht mehr aufrecht erhalten (vgl. Stellungnahme der Beklagten vom 29. Oktober 2001 zur Verfügung vom 25. Oktober 2001).

3) Die sofortige Beschwerde hat jedoch insoweit Erfolg, als die Beklagte - wenn schon die Kosten der Unterbevollmächtigten nicht als notwendig anerkannt werden - hilfsweise wenigstens eine zusätzliche Ratsgebühr beansprucht (§ 20 BRAGO).

Tatsächlich ist zwar eine Ratsgebühr nicht angefallen, da die beratende Tätigkeit des Münchner Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der Prozessführung aufging, für die ihm die üblichen Anwaltskosten zustehen. Eine isolierte Ratsgebühr kann er daher nicht gesondert geltend machen.

Anwaltskosten in Höhe einer Ratsgebühr können jedoch in Ausnahmefällen auch dann erstattungsfähig sein, wenn eine solche Ratsgebühr in Wirklichkeit nicht angefallen ist.

a) So ist im Zusammenhang mit der Einschaltung eines Verkehrsanwalts (§ 52 BRAGO), dessen Hinzuziehung rückblickend nicht "notwendig" im Sinne des § 91 ZPO war, in der Kostenrechtsprechung weithin anerkannt, dass die Partei wenigstens eine (fiktive) Ratsgebühr erstattet bekommt, sofern sie die Konsultation des ortsansässigen Rechtsanwalts aus ihrer nachvollziehbaren Sicht zunächst für notwendig halten durfte, etwa aus unverschuldeter Unkenntnis der örtlichen Gerichtszuständigkeit und/oder der fehlenden Postulationsfähigkeit des zuerst angegangenen Rechtsanwalts (vgl. OLG Nürnberg, Az. 1 W 447/97; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl., "Rat" Anm. 8; Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO, 14. Aufl., § 20 Rn. 25; Zöller-Herget, ZPO, 22. Auflage, § 91 Rn. 13 "Ratsgebühr" m.w.N.).

b) Einer vergleichbaren Lage, die ausnahmsweise die Zubilligung einer Ratsgebühr rechtfertigt, sah sich die Beklagte im konkreten Fall ausgesetzt.

Die Beklagte schaltete auf die Drittwiderspruchsklage des Klägers hin ihren Münchner Rechtsanwalt nicht etwa aus eigenem Antrieb ein. Vielmehr war es der Kläger selbst, der ihn im Drittwiderspruchsklage-Verfahren "ins Spiel brachte". Der Kläger benannte ihn nämlich schon in der Klageschrift (verbunden mit einem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung) vom 9. März 2001 als Prozessbevollmächtigten der Beklagten. Dies geschah vermutlich deswegen, weil sich die Beklagte im Zwangsvollstreckungsverfahren gegen ihre Schuldnerin vom gleichen Münchner Rechtsanwalt hatte vertreten lassen, insbesondere auch bei der Erwirkung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, gegen den sich der Kläger mit seiner Drittwiderspruchsklage zur Wehr setzen wollte.

Als Folge seiner Benennung als Prozessbevollmächtigter und noch bevor er von der Beklagten mit der Rechtsverteidigung im Drittwiderspruchsverfahren beauftragt war, erhielt deren Münchner Rechtsanwalt am 9. April 2001 sowohl den Beschluss über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung als auch die Klageschrift vom 9. März 2001 als auch die gerichtliche Verfügung vom 4. April 2001 zugestellt.

Die Beklagte und ihr Münchner Rechtsanwalt standen nun vor der Wahl:

- Entweder lehnten sie die Mandatierung des Münchner Prozessbevollmächtigten im Driitwiderspruchsverfahren ab und betrachteten die Angelegenheit für den Münchner Anwalt damit als erledigt. Dann hätte es der Beklagten frei gestanden, statt seiner einen Prozessbevollmächtigten am Ort des Prozessgerichts, also in Nürnberg zu beauftragen.

In diesem Falle hätte die Beklagte, wie oben dargelegt, neben den Anwaltskosten ihres Nürnberg Prozessbevollmächtigten auch die Kosten einer Informationsreise von München nach Nürnberg ersetzt bekommen. Zusätzlich hätte sie aber wegen der vom Kläger geschaffenen Notwendigkeit, das weitere Vorgehen mit dem in der Klage benannten Münchner Rechtsanwalt abzustimmen, für dessen Konsultation eine Ratsgebühr (§ 20 BRAGO) aufzuwenden gehabt und vom Kläger erstattet verlangen können.

- Oder aber der Münchner Rechtsanwalt verwies die Beklagte zwar an einen am Prozessort Nürnberg ansässigen Prozessbevollmächtigten, blieb aber als Verkehrsanwalt in die Angelegenheit weiter eingebunden.

Dann wären die für ihn selbst angefallenen Verkehrsanwaltskosten zwar nicht in voller Höhe erstattungsfähig gewesen, wohl aber in Höhe fiktiver Reisekosten der Partei und zusätzlich einer Ratsgebühr (vgl. oben a).

- Oder aber die Beklagte und ihr Münchner Rechtsanwalt fügten sich in die vom Kläger geschaffene Situation und beließen es dabei, dass sich die Beklagte nun auch im Drittwiderspruchsverfahren von ihrem Münchner Prozessbevollmächtigten vertreten ließ. Für diese Lösung sprach nicht zuletzt, dass der Münchner Rechtsanwalt schon im Zwangsvollstreckungsverfahren gegen die Schuldnerin tätig geworden und mit dem Sachverhalt daher bereits vertraut war.

Nachteil dieser in der Sache durchaus zweckmäßigen Lösung wäre gewesen, dass der Münchner Rechtsanwalt gezwungen gewesen wäre, entweder selbst zum Gerichtstermin nach Nürnberg zu fahren (was ihn über einen halben oder gar einen ganzen Arbeitstag kosten konnte), oder aber einen in Nürnberg ansässigen Unterbevollmächtigten mit der Wahrnehmung des Gerichtstermins zu betrauen (was seiner Mandantin bei der späteren Kostenfestsetzung den Einwand eintragen konnte, die Unterbevollmächtigung sei nicht notwendig gewesen).

Um diese Nachteile zu vermeiden, hätte die Beklagte statt dieser Lösung (Hauptbevollmächtigter/Unterbevollmächtigter) den zuvor beschriebenen Weg (Prozessbevollmächtigter/Verkehrsanwalt) einschlagen können. Stattdessen wäre jedoch zu erwägen, der Beklagten bei der tatsächlich gewählten Lösung Hauptbevollmächtigter/Unterbevollmächtigter zwar nicht die vollen Kosten der Unterbevollmächtigung zuzubilligen, wohl aber - wie bei der Alternativ-Lösung Prozessbevollmächtigter/Verkehrsanwalt - eine fiktive Ratsgebühr zusätzlich zu den ohnehin erstattungsfähigen fiktiven Reisekosten. Für den Kläger wäre dies mit keiner zusätzlichen finanziellen Belastung verbunden, die er nicht auch bei der anderen Lösung zu tragen gehabt hätte.

Vor diesem Hintergrund- und im Hinblick auf die besondere Fallgestaltung, deren Auslöser - wie dargelegt - der Kläger selbst war, erscheint es gerechtfertigt, an Stelle der nicht erstattungsfähigen Kosten des Unterbevollmächtigten ausnahmsweise wenigstens eine Ratsgebühr (zusätzlich zu den Kosten einer fiktiven Informationsreise) als erstattungsfähig anzuerkennen.

c) Für den (fiktiven) Rat, sich mit der Angelegenheit "Drittwiderspruchsklage" an einen Nürnberger Rechtsanwalt zu wenden, hält der Senat eine 2/10 Ratsgebühr für angemessen.

Bei einem Gegenstandswert von 14.133,32 DM errechnet sich daraus eine Ratsgebühr von (805 DM x 0,2 =) 161 DM. Dieser Betrag liegt unter der Höchstgrenze von 350 DM für eine Erstberatung. Mehrwertsteuer kommt nicht hinzu. da die Beklagte vorsteuerabzugsberechtigt ist.

III.

1) Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Sie berücksichtigt bei den außergerichtlichen Kosten, dass die Erfolgsquote des Rechtsmittels - gemessen am Beschwerdeziel - etwa ein Drittel beträgt.

Gerichtskosten fallen ohnehin nur insoweit an, als die Beschwerde keinen Erfolg hat (Nr. 1953 KV): diese Gerichtskosten trägt daher die Beschwerdeführerin ganz.

2) Der Wert des Beschwerdegegenstandes besteht im Unterschied zwischen der erstrebten Kostenerstattung (2.495 DM) und dem vom Landgericht festgesetzten Kostenerstattungsbetrag (2.020 DM).

Ende der Entscheidung

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