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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 06.11.2000
Aktenzeichen: 4 W 3732/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 122
ZPO §§ 114, 122 - Teilunterliegen nach teilweiser Bewilligung von Prozeßkostenhilfe

1. Wenn die bedürftige Partei nur teilweise Prozeßkostenhilfe bewilligt bekommt, dennoch den Prozeß in voller Höhe führt und am Ende teilweise unterliegt, so darf sie nur insoweit unbeschränkt zu Gerichtskosten herangezogen werden, als ihr Teilunterliegen auf dem ohne Prozeßkostenhilfe geführten Prozeßteil beruht.

2. Erweitert eine Klagepartei, der Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, im Verlauf des Prozesses ihre Klage, ohne daß ihr für die Erweiterung Prozeßkostenhilfe bewilligt wird, und unterliegt sie am Ende mit dem erweiterten Klageteil, so kann sie wegen dieses Teilunterliegens nicht zu Sachverständigenkosten herangezogen werden, die bereits vor Erweiterung der Klage angefallen waren.


4 W 3732/00 8 O 4558/96 LG Nürnberg-Fürth

Nürnberg, den 6.11.2000

In Sachen

wegen Schadensersatzes und Feststellung,

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 4. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss:

Tenor:

Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12. September 2000 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig (§ 5 Abs. 2 GKG), hat jedoch keinen Erfolg.

Der Bezirksrevisor greift den angefochtenen Beschluss in zwei Punkten an: Zum einen hinsichtlich der Quote, mit der das Landgericht den Kläger belasten will (1), zum anderen hinsichtlich der erstinstanzlichen Sachverständigenauslagen, von denen es den Kläger frei stellen will (2). Der Kläger hält den angefochtenen Beschluss für richtig.

Zu 1: Kostenquote

a) Bei der Ermittlung der Gerichtskosten, zu denen die Staatskasse den Kläger heranziehen darf, ist das Landgericht wie folgt vorgegangen:

Zunächst hat es den Kostenanteil herangezogen, den der Kläger im Prozessvergleich vor dem Senat am 22. Dezember 1999 übernommen hatte, nämlich 7/20. Diese Kostenquote gilt laut Vergleich für die "Kosten des Rechtsstreits", somit auch für die Kosten der ersten Instanz. Hiervon will das Landgericht dem Kläger nur 43,71 % auferlegen. Das entspricht demjenigen Teil des erstinstanzlichen Klageantrags, für den der Kläger in erster Instanz keine Prozesskostenhilfe erhalten hatte. Im Ergebnis will das Landgericht den Kläger somit nur mit 15,3 % der umlagefähigen Kosten belasten.

b) Hierin sieht der Bezirksrevisor eine unzulässige Doppel-Begünstigung. Dem Kläger könne nur eine der beiden Quoten zugute kommen, und zwar die für ihn günstigere.

c) Der Senat teilt die Rechtsauffassung des Landgerichts und hält die Bedenken des Bezirksrevisors für unbegründet.

aa) Die vom Beschwerdeführer beanstandete "Doppel-Begünstigung" stellt den Kläger nicht in ungerechtfertigter Weise besser, sondern ergibt sich aus den beiden eingangs erwähnten Quotierungen. Diese sind nicht etwa das Ergebnis unterschiedlicher Rechenwege für ein und denselben Vorgang, sondern setzen jeweils an unterschiedenen Stellen an und berücksichtigen hierbei unterschiedliche Gesichtspunkte.

- Die erste Quotierung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Kläger - lässt man die Bewilligung der Prozesskostenhilfe außer Betracht - nicht die vollen Kosten der ersten Instanz tragen muss, sondern nur 7/20 (= 35 %). Hätte der Kläger keine Prozesskostenhilfe bewilligt bekommen, müsste er diese 7/20 selbst tragen. Hätte er in vollem Umfang Prozesskostenhilfe bewilligt bekommen, müsste für diese 7/20 statt seiner die Staatskasse aufkommen.

- Die zweite Quotierung bezweckt, dass der Kläger nur so weit von Gerichtskosten freigestellt wird, wie die Prozesskostenhilfe-Bewilligung reicht. Umgekehrt bedeutet dies, dass er (nur) insoweit zu Gerichtskosten herangezogen werden soll, als er in erster Instanz keine Prozesskostenhilfe bewilligt bekommen hat. Gemessen am Gesamt-Klageantrag in erster Instanz betragen die Anteile für beide Bereiche 56,29 % (mit Prozesskostenhilfe) bzw. 43,71 % (ohne Prozesskostenhilfe). Wären also dem Kläger die Kosten der ersten Instanz voll auferlegt worden, müsste er nach der vom Landgericht gewählten Quoten-Methode 43,71 % der Gerichtskosten selbst tragen.

Diese Kostenverteilung nach dem Verhältnis der mit und ohne Prozesskostenhilfe geführten Klageteile ist zwar umstritten (dafür OLG Bamberg, JurBüro 1988, 1682 £; OLG München, JurBüro 1988, 905 aufgegeben in MDR 1997, 298; aM BGHZ 13, 373; OLG München MDR 1997, 298; MüKo-Wax., ZPO, § 122 Rn 8; Musielak-Fischer, ZPO, § 135 Rn 6; Zöller-Philippi, ZPO, 21. Aufl., § 121 Rn 45 m.w.N.; Markl-Meyer, GKG, 3. Aufl., Rn. 6,7 vor § 49). Sie wird aber von beiden Parteien des Beschwerdeverfahrens übereinstimmend zu Grunde gelegt, wird jedenfalls mit der Beschwerde nicht angegriffen und benachteiligt im übrigen die Beschwerdeführerin auch nicht.

b) Würde man allein auf die erste Quote abstellen und die daraus errechneten Kosten voll auf die Staatskasse abwälzen, wie dies der Kläger in seiner Erinnerung vom 29. Februar 2000 zunächst erstrebt hat, könnte dies bei bestimmten Fallgestaltungen zu unbilligen Ergebnissen führen.

Angenommen, der Grund, weshalb der Kläger im Vergleich einen Teil der Kosten übernehmen musste, (oder in einem streitigen Urteil auferlegt bekommen hätte), deckt sich mit dem Grund, weshalb ihm in erster Instanz für seinen weitergehenden Klageantrag Prozesskostenhilfe versagt wurde, so kann der Kläger nicht erwarten, dass sich die Staatskasse an diesen Mehrkosten beteiligt, und sei es auch nur mittelbar durch eine Aufteilung nach der vom Landgericht gewählten Methode.

Ein solcher Fall läge etwa dann vor, wenn das Landgericht die Prozesskostenhilfe für die Klageerweiterung deswegen abgelehnt hätte, weil ihm die dem Grunde nach berechtigte Klageforderung zu hoch angesetzt erschien, und sich diese Einschätzung bei der endgültigen Bemessung des zuzusprechenden Betrages bestätigte. Dann wäre die wegen der Kürzung vereinbarte Kostenlast eine Folge einer Zuvielforderung gewesen, die durch die Prozesskostenhilfe gerade nicht gedeckt sein sollte und für die der Kläger daher keine Kostenübernahme durch die Staatskasse beanspruchen könnte.

c) Auf der anderen Seite würde es die Staatskasse auf Kosten des Prozesskostenhilfeberechtigten unbillig entlasten, wenn die teilweise Auferlegung der Kosten mit dem ohne Prozesskostenhilfe geführten Teil der Klage nichts zu tun gehabt hätte, sondern ausschließlich demjenigen Bereich der Klage zuzuordnen wäre, für die ihm Prozesskostenhilfe bewilligt war. Ein solcher Fall läge etwa dann vor, wenn bei einer Mehrheit von Ansprüchen oder Schadenspositionen der Grund für das teilweise Unterliegen allein in demjenigen Bereich wurzelt, für den dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt war, während er in dem ohne Prozesskostenhilfe geführten Teil der Klage keine Abstriche hinnehmen musste.

d) Vorliegend lässt sich eine eindeutige Zuordnung in die eine oder andere Kategorie nicht vornehmen. Weder aus dem Vergleich selbst noch aus dem Sitzungsprotokoll noch aus den vorausgegangenen Schriftsätzen geht hervor, weshalb sich die Beteiligten auf einen Betrag von 130.000 DM geeinigt haben. Zwar wäre daran zu denken, das Zurückbleiben hinter der Klageforderung einer Zuvielforderung des Klägers zuzuschreiben, für die ihm das Landgericht für die erste Instanz Prozesskostenhilfe versagt hatte. Doch ist dieser Schluss keineswegs zwingend. Im Zurückbleiben hinter dem weitergehenden Klageantrag kann sich auch das Bestreben ausdrücken, den Prozess endgültig zu beenden, es zu keinen weiteren Beweisaufnahmen mehr kommen zu lassen und kein weiteres Prozessrisiko einzugehen, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Revision. Dieses Motiv könnte aber für beide Bereiche des Klageantrags gleichermaßen gelten, sowohl für den durch Prozesskostenhilfe gedeckten als auch für den nicht gedeckten. Abgesehen davon hat das Landgericht im konkreten Fall die Prozesskostenhilfe für die Klageerweiterung nicht deswegen versagt, weil ihm die (Mehr-)Forderung zu hoch erschien, sondern deswegen, weil es der Klage überhaupt keine Erfolgsaussicht beimaß (anders als später der Senat, der dem Kläger für die zweite Instanz in voller Höhe Prozesskostenhilfe bewilligte).

e) Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte geht der Senat daher davon aus, dass das gegenseitige Nachgeben der Parteien im Prozessvergleich beide Bereiche gleichermaßen betraf, das heißt sowohl den durch Prozesskostenhilfe gedeckten als auch den nicht durch Prozesskostenhilfe gedeckten Teil der Klage. Dann aber ist es sachgerecht, die beiden eingangs beschriebenen Quotierungs-Methoden miteinander zu verbinden, so wie es das Landgericht im angefochtenen Beschluss getan hat.

Zu 2: Sachverständigenkosten

a) Von den Gerichtskosten, zu denen die Staatskasse den Kläger mit der unter 1) erörterten Quote heranziehen darf, hat das Landgericht die Sachverständigenkosten ausgeklammert. Zur Begründung hat es angeführt, dass die von der Staatskasse hierfür aufgewendeten 3.424,68 DM bereits angefallen waren, bevor der Kläger seine Klage erweiterte. Die nachträgliche Klageerhöhung könne die Freistellung des Klägers von den bereits angefallenen Auslagen nicht in Frage stellen.

b) Hiergegen wendet sich der Bezirksrevisor mit der Begründung, dass der Kläger im Prozessvergleich 7/20 der "Kosten des Rechtsstreits" übernommen habe. Die Rechtsansicht des Landgerichts laufe darauf hinaus, dass der Kläger einen Teil der übernommenen Kosten auf die Staatskasse abwälzen könne.

c) Diese vom Beschwerdeführer beschriebene Konsequenz trifft zwar zu; der Senat hält sie aber nicht für unbillig, sondern für sachgerecht.

Die Klageerweiterung datiert vom 31. Juli 1998 (Eingang bei Gericht 3. August 1998). Zu diesem Zeitpunkt lagen sämtliche Gutachten, für die die umstrittenen 3.424,68 DM angefallen waren, bereits vor. Die Rechnungen der Sachverständigen waren abgerechnet und die Vergütungen zur Auszahlung angewiesen worden, die letzte am 7. Juli 1998. Die nachträgliche Erhöhung der Klage hatte auf die Höhe der Gutachterkosten keinen Einfluss mehr. Insofern unterscheidet sich die Ausgangslage von der zu 1) erörterten Fallgestaltung in einem wesentlichen Punkt: Anders als oben können hier die Kosten eindeutig zugeordnet werden, nämlich demjenigen Teil der Klage, der von der Prozesskostenhilfe gedeckt war.

Zur Übernahme der Sachverständigenkosten war die Staatskasse im Verhältnis zum Kläger auf Grund der Prozesskostenhilfe-Bewilligung verpflichtet. Ein rechtlicher Grund, den Kläger im Nachhinein an Kosten zu beteiligen, die schon vor seiner Klageerweiterung angefallen und abgewickelt waren, besteht unter den gegebenen Umständen nicht.

Dieses Ergebnis erscheint auch nicht unbillig. Denn umgekehrt hätte der Kläger ebenfalls keine Rückerstattung fälliger und bereits bezahlter Kosten verlangen können, wenn ihm erst zu einem späteren Zeitpunkt Prozesskostenhilfe bewilligt worden wäre (§ 122 Abs. 1 Nr. 1 a ZPO; vgl. Zöller-Philippi, aaO., § 122 Rn 4 m.w.N.).

II.

Somit ergibt sich folgende Berechnung:

Gerichtskosten Betrag hiervon 7/20 hiervon 43,71% Verfahrensgebühr 4.665,00 DM 1.632,75 DM 713,68 DM Schreibauslagen 8,00 DM 2,80 DM 1,22 DM 4.673,00 DM 1.635,55 DM 714,90 DM Sachverständige

Vom Kläger zu erstatten sind die in der Tabelle errechneten 714,90 DM. Dies hat das Landgericht im angefochtenen Beschluss zutreffend festgestellt.

III.

Für eine Kostenentscheidung besteht kein Anlass (§ 5 Abs. 6 GKG).

Ende der Entscheidung

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