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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 28.12.2001
Aktenzeichen: 4 W 3765/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 93
BGB § 284 Abs. 3
Ein Schuldner, der eine sofort fällige Rechnung nicht unverzüglich bezahlt, nach 30 Tagen in Verzug gerät (§ 284 Abs. 3 BGB) und die Schuld auch danach noch geraume Zeit nicht begleicht, gibt Anlaß zur Erhebung der Klage (bzw. Einleitung eines Mahnverfahrens), ohne daß ihn der Gläubiger zuvor noch einmal zur Zahlung auffordern müßte.
4 W 3765/01

Nürnberg, den 28.12.2001

In Sachen

wegen Forderung,

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 4. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 9. Oktober 2001 in Nr. 1 dahin geändert, dass die Beklagte sämtliche Kosten des ersten Rechtszugs zu tragen hat.

II. Die Beklagte hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 1.203,77 DM.

Gründe:

I.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 91 a Abs. 2 ZPO).

Das Rechtsmittel ist auch begründet. Über den Kostenanteil für den anerkannten Zinsanspruch hinaus hat die Beklagte auch diejenigen Kosten des Rechtsstreits zu tragen, die auf die übereinstimmend für erledigt erklärte Hauptsache entfallen.

1) Als Folge der übereinstimmenden Erledigterklärung ist über die Kosten des Rechtsstreit nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 91 a ZPO, von dessen Anwendbarkeit alle Beteiligten ausgehen, so dass sie nicht weiter vertieft zu werden braucht).

Danach fallen die Kosten grundsätzlich demjenigen zur Last, der ohne das erledigende Ereignis voraussichtlich unterlegen wäre. Das ist hier die Beklagte. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Beklagte den Rechnungsbetrag schuldete und mit der Zahlung seit Ablauf der 30-Tages-Frist sogar im Verzug war (§ 284 Abs. 3 BGB in der hier geltenden Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30.3.2000, BGBl I S. 330).

2) Unterschiedlicher Meinung sind die Parteien jedoch darüber, ob die Beklagte Anlass zur Einleitung des Rechtsstreits gegeben hatte (vgl. § 93 ZPO; der Grundgedanke dieser Vorschrift ist auch bei der Billigkeitsentscheidung nach § 91 a ZPO zu berücksichtigen, vgl. OLG Nürnberg, NJW-RR 1987, 695; Zöller-Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 91 a Rn 25 m.w.N.). Nach Meinung der Klägerin hatte die Beklagte durch ihr Zahlungsverhalten den Rechtsstreit herausgefordert, nach Ansicht der Beklagten hatte die Klägerin ihren Mahnbescheid hingegen voreilig beantragt.

a) Das Landgericht hat sich in der angegriffenen Entscheidung dem Standpunkt der Beklagten angeschlossen. Zahlungsverzug nach § 284 Abs. 3 BGB allein reiche noch nicht aus, um daraus einen Anlass zur Klage im Sinne des § 93 ZPO herzuleiten. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Beklagte gegen den Mahnbescheid zunächst Widerspruch eingelegt habe. Die Einlegung eines Widerspruches gegen einen Mahnbescheid schließe ein sofortiges Anerkenntnis zumindest dann nicht aus, wenn nicht die Berechtigung des Anspruchs in der Widerspruchsbegründung bestritten werde. Immerhin habe die Beklagte den geschuldeten Hauptsache-Betrag zwar nach ihrem Widerspruch, aber noch vor Erhalt der Anspruchsbegründung doch noch überwiesen.

b) Es kann dahinstehen, ob allein schon der Verzugseintritt nach § 284 Abs. 3 BGB (Ablauf der 30-Tages-Frist) einem Gläubiger Anlass gäbe, ohne nochmalige Zahlungsaufforderung sofort Klage zu erheben oder ein Mahnverfahren einzuleiten. Ebenso kann offen bleiben, ob der nicht ausdrücklich auf die Kosten beschränkte (Gesamt-)Widerspruch eines Schuldners ein hinreichendes Indiz dafür wäre, dass der Gläubiger tatsächlich Grund zur Beschreitung des Rechtswegs hatte. Jedenfalls im konkreten Fall kommt der Senat auf Grund einer Gesamtschau zum Ergebnis, dass die Beklagte durch ihr zögerliches Zahlungs-Verhalten der Klägerin tatsächlich Anlass gegeben hatte, einen Mahnbescheid zu erwirken.

Die Klägerin hatte ihre Leistung Ende Februar 2001 erbracht und am 21. März 2001 in Rechnung gestellt. Die Beklagte erhielt die Rechnung am 22. März 2001. Als die Beklagte nach drei Monaten immer noch nicht gezahlt hatte, beantragte die Klägerin am 21. Juni 2001 einen Mahnbescheid. Dieser wurde am 28. Juni 2001 erlassen und der Beklagten am 3. Juli 2001 zugestellt. Auch jetzt dauerte es immerhin noch bis zum 16. Juli 2001, bis der von der Beklagten mit Schreiben vom 13. Juli 2001 angekündigte Verrechnungsscheck über den Hauptsache-Betrag bei der Klägerin eintraf.

c) Bei dieser Sachlage hat es sich die Beklagte selbst zuzuschreiben, dass die Klägerin den Rechtsweg beschriften und dadurch zusätzliche Verfahrenskosten verursacht hat. Der Anspruch der Klägerin war bereits mit Zugang der Rechnung fällig (vgl. Nr. 10 ihrer AGB; § 641 BGB). Spätestens nach Ablauf von 30 Tagen geriet die Beklagte in Verzug (§ 284 Abs. 3 BGB), ohne dass es hierfür einer Mahnung bedurft hätte. Einwendungen gegen die Rechnung erhob die Beklagte bis heute nicht, weder dem Grund noch der Höhe nach. Auch gab die Beklagte der Klägerin keine anderen Erklärungen, weshalb sich die Bezahlung des längst fälligen Werklohns verzögerte. Aus Sicht der Klägerin stellte es sich somit so dar, als könne oder wolle die Beklagte - eine GmbH - nicht bezahlen. Der Gedanke, dass die Rechnung im kaufmännisch organisierten Geschäftsbetrieb der Beklagten "schlichtweg untergegangen" sein könnte (so die Anspruchserwiderung der Beklagten vom 20. September 2001; im Schreiben vom 13. Juli 2001 war davon noch keine Rede) und dass sie selbst nach einem Vierteljahr noch nicht wieder aufgetaucht war, lag mangels stichhaltiger Anhaltspunkte eher fern und musste sich der Klägerin jedenfalls nicht aufdrängen.

Sollte die Beklagte darauf vertraut haben, dass die Gläubigerin ohne Zahlungserinnerung oder Mahnung schon keine gerichtlichen Schritte einleiten werde, dann wäre dies angesichts der (jedenfalls bisherigen, d.h. vor Inkrafttreten des § 284 Abs. 3 BGB festzustellenden) Gepflogenheiten im Geschäftsleben zwar durchaus nachvollziehbar. Es würde aber ein bewusstes Hinauszögern der Bezahlung nicht rechtfertigen und wäre kostenrechtlich nicht schützenswert.

d) Wer die Bezahlung einer sofort fälligen Geldforderung ohne rechtfertigenden Grund hinausschiebt, nach Ablauf der 30-Tages-Frist des § 284 Abs. 3 BGB schließlich schuldhaft (§ 285 BGB) in Verzug gerät, dies noch wochenlang bleibt und dem Gläubiger auch keinen stichhaltigen Grund für die Verzögerung mitteilt, muss damit rechnen, ohne weitere Zahlungsaufforderung verklagt zu werden oder sich einem Mahnverfahren ausgesetzt zu sehen. Es erscheint daher nicht unbillig, sondern im Gegenteil gerecht, diese - in der Rückschau vermeidbaren - Kosten der Rechtsverfolgung demjenigen aufzuerlegen, der sie durch seine eigene Untätigkeit verschuldet hat, hier also der Beklagten. Schließlich steht das Risiko, die bereits erhaltene und sofort fällige Rechnung aus dem Auge zu verlieren und dadurch ein Gerichtsverfahren auszulösen, der säumigen Beklagten näher als der Klägerin, die von den schuldnerinternen Hintergründen des monatelangen Zahlungsrückstands nichts wusste, die mit einem solchen Organisationsmangel der Schuldnerin auch nicht rechnen musste und die mit der Einleitung des Mahnverfahrens lediglich von der verfahrensrechtlichen Möglichkeit Gebrauch machte, ihren Anspruch zügig durchzusetzen (Fischer, MDR 1997, 706/707).

Es kann offen bleiben, ob ein Anlass zur sofortigen Klageerhebung oder Beantragung eines Mahnbescheids auch dann bestanden hätte, wenn die 30-Tages-Frist nur ganz geringfügig überschritten gewesen wäre. In einem solchen Fall mag man erwägen, dem Gläubiger vor Einleitung des Gerichtsverfahrens eine Nachfrage beim Schuldner zuzumuten, etwa um auszuschließen, dass der zu überweisende Geldbetrag bereits unterwegs ist. Nach zweimonatigem Verzug - wie hier - bedarf es einer solchen Nachfrage jedoch nicht mehr (wenngleich sie im geschäftlichen Verkehr auch dann noch üblich ist und zur Vermeidung überflüssiger Gerichtsverfahren wünschenswert wäre).

e) Mit der Ansicht, dass Schuldnerverzug nach § 284 Abs. 3 BGB in der Regel einen Anlass zur Klageerhebung gibt, befindet sich der Senat im Einklang mit der herrschenden Meinung zum ähnlich gelagerten Fall, dass der Schuldner einer bezifferten Geldforderung nach § 284 Abs. 2 S. 1 BGB (kalendermäßig bestimmte Leistungszeit) in Verzug gerät.

Dort ist weithin anerkannt, dass der Eintritt des Verzugs ausreicht, um dem Gläubiger einen Anlass zur Klageerhebung bzw. Einleitung eines Mahnverfahrens zuzubilligen, und dass er rechtlich nicht verpflichtet ist, vor Anrufung des Gerichts den schuldhaft säumigen Schuldner erst noch einmal zur Zahlung aufzufordern (vgl. OLG München, ZMR 1999, 255; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 60. Aufl. § 93 Rn 64 "Verzug"; MüKo-Belz, ZPO, 2. Aufl., § 93 Rn 13 "Aufforderung"; Musielak-Wolst, ZPO, 2. Aufl., § 93 Rn 11; Thomas-Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 93 Rn 7; Wieczorek-Steiner, ZPO, 3. Aufl., § 93 Rn 16; wohl auch Zöller-Herget, aaO., § 93 Rn 3 "Aufforderung").

Im Gegensatz zum Landgericht vermag der Senat zwischen einem Verzugseintritt nach § 284 Abs. 2 S. 1 BGB und einem Verzugseintritt nach § 284 Abs. 3 BGB keinen grundlegenden Unterschied zu erkennen, der es geboten erscheinen ließe, an das Merkmal "Anlass zur Klageerhebung" (§ 93 ZPO) bei § 284 Abs. 3 BGB höhere Anforderungen zu stellen als bei § 284 Abs. 2 S. 1 BGB. Jedenfalls im konkreten Fall wäre sogar eher an das Gegenteil zu denken: Anders als bei § 284 Abs. 2 S. 1 BGB, wo die Forderung erst zu einem späteren Termin fällig wird (zeitgleich mit einem eventuellen Verzugseintritt), war hier die Forderung sofort fällig, ohne dass es dazu einer kalendermäßigen Berechnung bedurft hätte. Lediglich der Verzug sollte erst nach 30 Tagen eintreten. Es wäre ein Wertungswiderspruch, wollte man einen Schuldner, der mit einer sofort fälligen Zahlung vorwerfbar in Rückstand gerät, besser stellen als einen Schuldner, dessen Zahlung erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig wird (und bis dahin leichter in Vergessenheit geraten kann).

3) Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hin waren daher der Beklagten auch die auf die Hauptsache entfallenden Kosten aufzuerlegen, im Ergebnis somit die gesamten Kosten des Rechtsstreits.

II.

Die Kosten der sofortigen Beschwerde trägt die Beklagte (§ 91 ZPO).

Als Wert des Beschwerdegegenstandes hat der Senat den von der Klägerin angegebenen und unwidersprochen gebliebenen Betrag übernommen.

Ende der Entscheidung

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