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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 25.01.2001
Aktenzeichen: 4 W 4558/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 329
ZPO § 575
Begründung der Streitwert-Festsetzung

1. Ein Streitwert-Beschluß bedarf jedenfalls dann einer Begründung, wenn die Angaben der Parteien zur Höhe des Streitwerts erheblich auseinander gehen.

2. Enthält ein angefochtener Streitwert-Beschluss keine Begründung, so kann - und muss - diese spätestens im Rahmen der Entscheidung über die Abhilfe nachgeholt werden. Geschieht dies nicht, so kann dieser Begründungs-Mangel zur Zurückverweisung führen, wenn es nach Lage der Dinge zweckmäßig erscheint, die Streitwert-Ermittlung zunächst dem Ausgangs-Gericht zu übertragen (etwa bei einem umfangreichen und komplizierten Verfahrensstoff, mit dem das Ausgangs-Gericht seit langem befasst und daher besonders vertraut ist).


4 W 4558/00 6 OH 57/98 LG Regensburg

Nürnberg, den 25.01.2001

In Sachen

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 4. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Nebenintervenientin P (bestehend aus den Gesellschaftern B, G und Dr. O) wird der Streitwertfestsetzungs-Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 4. Dezember 2000 aufgehoben.

II. Die neue Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts - unter Beachtung der in den Beschlussgründen dargelegten Rechtsauffassung des Senats - wird dem Landgericht Regensburg übertragen.

Gründe:

I.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 25 Abs. 2 GKG, §§ 567 ff. ZPO). Insbesondere sind die Beschwerde führenden Rechtsanwälte berechtigt, die Heraufsetzung des Streitwerts im eigenen Namen zu beantragen (§ 9 Abs. 2 BRAGO).

II.

Das Rechtsmittel hat auch Erfolg, soweit es auf die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zielt. Die Bemessung des Streitwerts auf 50.000 DM ist nach gegenwärtigem Stand nicht nachvollziehbar und erfordert daher eine nochmalige Überprüfung und Entscheidung.

1. Das Landgericht hat den angegriffenen Beschluss vom 4. Dezember 2000 nicht begründet. Auch der Nichtabhilfe-Beschluss vom 20. Dezember 2000 entbehrt jeglicher Begründung.

Eine Entscheidungs-Begründung wäre aber auch und gerade im konkreten Fall erforderlich gewesen: Zum einen deswegen, weil die Vorstellungen der Beteiligten - soweit sie sich zur Streitwerthöhe geäußert haben - extrem auseinander gehen, zum anderen deswegen, weil sich aus dem Akteninhalt in keiner Weise erschließt, weshalb das Landgericht ausgerechnet auf einen Streitwert von 50.000 DM oder auch nur in der Größenordnung von 50.000 DM kommt.

a) Die Antragstellerin hat in ihrem verfahrenseinleitenden Antrag vom 3. Juni 1998 (S. 7) den Streit vorläufig auf 10.500 DM beziffert, hierbei jedoch anklingen lassen, dass er am Ende durchaus höher ausfallen könnte (die Rede ist von "mehrstelligen Beträgen", die die ausführende Baufirma in den Raum gestellt habe). Im Sweitverkündungs-Schriftsatz der Antragsgegnerin (Stadt R) gegen die bauausführende Firma vom 12. Mai 1999 (S. 3) ist von Mehrforderungen dieses Unternehmens eine von über 8,9 Millionen DM netto die Rede. Die Beschwerdeführer selbst haben namens der von ihnen vertretenen Gesellschaft(er) den Streitwert auf 11.736.398,24 DM veranschlagt und sich zur Begründung auf eine beigefügte Aufstellung der angeblichen Mehrkosten berufen (Schriftsatz vom 2. Mai 2000, S. 2).

Unterschiedlich wird von den Beteiligten auch beurteilt, auf wessen Interesse bei der Wertfestsetzung abzustellen ist, - auf dasjenige des Antragstellers oder dasjenige der (späteren Streithelferin) AG.

b) Der angegriffene Beschluss geht auf all diese Überlegungen nicht ein, sondern setzt den Streitwert ohne ein Wort der Begründung auf 50.000 DM fest.

Das Fehlen einer Begründung in einem Streitwertbeschluss mag angehen (und wird so auch vom Senat gehandhabt), wenn sich der Streitwert unmittelbar aus einem Antrag ergibt, wenn er aus dem Streitstoff ohne weiteres abzuleiten ist oder wenn wenigstens über seine Größenordnung Einigkeit unter den Beteiligten herrscht. Gehen aber die Wertangaben der Beteiligten so weit auseinander wie hier und findet sich auch keinerlei Anhaltspunkt in den Akten, der auf den festgesetzten Betrag hindeutet, so bedarf der Streitwertfestsetzungs-Beschluss als rechtsmittelfähige Entscheidung einer Begründung (vgl. BGH NJW 1983,123; Zöller-Vollkommer, ZPO, 22. Auflage, § 329 Rn 24 m.w.N. m.w.N.).

Unterbleibt die Begründung im Ausgangsbeschluss, so kann - und muss - das Gericht sie spätestens im Rahmen der Entscheidung über die Abhilfe nachholen (KG NJW 1974, 2010; Zöller-Vollkommer aaO.). Doch auch dies ist hier nicht geschehen.

c) Für den Senat ist daher weder nachvollziehbar noch überprüfbar, von welchen Überlegungen sich das Landgericht bei seiner Wertfestsetzung hat leiten lassen.

Das gilt sowohl für die Frage, auf wessen Interesse es bei der StreitwertBemessung abgestellt hat, als auch für die Festsetzung der Streitwerthöhe selbst.

Außerdem geht aus dem Beschluss nicht eindeutig hervor, ob das Landgericht den Streitwert für das Verfahren insgesamt festsetzen wollte oder nur für den Zwischenstreit über die Anträge der Streitverkündeten AG (die damals noch nicht förmlich als Streithelferin beigetreten war).

2. Der angefochtene Beschluss leidet daher an einem erheblichen Verfahrensmängel, der zur Zurückverweisung an das Landgericht führen kann (vgl. OLG Köln, NJW-RR 87,1152; Zöller-Vollkommer, aaO., Rn 24).

Im Hinblick darauf, dass das Landgericht mit dem Verfahrensgang und den Einzelheiten des seit zweieinhalb Jahren bei ihm anhängigen, durch seine eigenen Beweisbeschlüsse geprägten Beweisverfahrens gegenwärtig besser vertraut ist als der Senat, an den mit der Streitwert-Beschwerde vorerst nur ein Nebenpunkt herangetragen worden ist, sieht der Senat von einer eigenen Wertfestsetzung ab. Nach Lage der Dinge erscheint es zweckmäßiger, die Sache nochmals an das Landgericht zurückzuleiten und ihm die erneute Entscheidung über den Streitwertfestsetzungs-Antrag zu übertragen (§ 575 ZPO).

3. Für das weitere Verfahren zur Streitwert-Festsetzung weist der Senat auf folgende Gesichtspunkte hin.

a) Soll der Streitwert für das gesamte selbstständige Beweisverfahren festgesetzt werden, so richtet sich der Streitwert nach dem Interesse des Antragstellers an der Durchführung des Beweisverfahrens, letztlich also nach dem durch den Beweisantrag betroffenen Hauptsachewert (Senat, BauR 1995, 134; Zöller-Herget, aaO., § 3 Rn 616 "Selbständiges Beweisverfahren" m.w.N.; str.).

b) Soll hingegen nur der Streitwert für den Zwischenstreit festgesetzt werden, nämlich über die Anträge der Fa. H im Schriftsatz vom 5. Oktober 1999, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Gegenstand dieses Zwischenstreites.

Einer der Anträge ging dahin, den bereits erlassenen Beweisbeschluss vom 25. (richtig: 19.) Juni 1998 aufzuheben. Insoweit ist für den Streitwert das eigene Interesse der AG an der Verhinderung des Beweisverfahrens maßgeblich; dieses könnte durchaus niedriger zu bewerten sein als der Wert des Beweisverfahrens selbst. Dass auf ihr eigenes Interesse abzustellen ist, ergibt sich schon daraus, dass der Antrag der damaligen Streitverkündeten vom Gericht in der Sache nicht angenommen, sondern mangels wirksamen Beitritts zum Beweisverfahren als unzulässig zurückgewiesen worden ist. Die Sachlage ist insoweit vergleichbar mit derjenigen beim Zwischenstreit über die Zurückweisung einer Nebenintervention. Dort richtet sich der Streitwert jedenfalls für die nicht durchgeführte Nebenintervention nach dem Interesse des abgewiesenen Nebenintervenienten am Beitritt (BGHZ 31, 144; ZöllerHerget, aaO., § 3 Rn 16 "Nebenintervention" ` m.w.N.). Der Beschluss vom 19. Januar 2000 enthält zwar keine förmliche Zurückweisung einer Nebenintervention; denn die Fa. H hatte ihren Beitritt zum damaligen Zeitpunkt noch nicht erklärt. Die Zurückweisung ihres Einmischungs-Versuchs (noch dazu mit Anträgen, die als förmliches Rechtsmittel von vornherein nicht statthaft gewesen wären, vgl. § 490 Abs. 2 Satz 2 ZPO, erst recht nicht - wie hier - gegen den erklärten Willen der Hauptbeteiligten, zu deren Gunsten die Streitverkündete einen Beitritt erwogen haben mag, § 67 Hs. 2 ZPO) läuft aber letztlich auf das Gleiche hinaus. Das rechtfertigt es, auch den Streitwert nach den gleichen Grundsätzen zu bemessen wie beim Zwischenstreit über eine erfolglose Nebenintervention.

3) Sollten die Beteiligten weiterhin extrem unterschiedliche oder - wie teilweise geschehen - überhaupt keine Angaben zum Streitwert machen und sollte sich das Landgericht mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen, insbesondere mangels eigener Sachkunde zu einer einigermaßen fundierten Schätzung außer Stande sehen, so wäre notfalls zu erwägen, den Rat eines Sachverständigen einzuholen (§ 26 GKG).

4) Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass sich seine BeschwerdeEntscheidung antragsgemäß nur mit der Streitwertfestsetzung im angegriffenen Beschluss vom 4. Dezember 2000 befasst.

a) Nicht zu entscheiden war demgemäß über die Kostengrundentscheidung selbst; diese ist nichtangefochten.

b) Ebenso kann offen bleiben, ob Nr. 2 des Beschlusses vom 19. Januar 2000 in der jetzigen Formulierung als Kostengrundentscheidung, für einen Kostenerstattungsanspruch der Nebenintervenienten (einschließlich der Gesellschafter der PSP GbR) in Betracht kommt, insbesondere ob die der AG auferlegten "Kosten dieses Verfahrens" auch die nicht ausdrücklich erwähnten Kosten von Nebenintervention(en) erfassen (§ 101 ZPO), gegebenenfalls welcher Nebenintervention(en). Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, könnte den Beschwerdeführern jedenfalls im Hinblick auf § 10 BRAGO ein Rechtsschutzbedürfnis für ihre Streitwert-Beschwerde nicht abgesprochen werden.

c) Schließlich kann auch dahin stehen, ob sich dem inzwischen erklärten Beitritt der Streitverkündeten H AG - wenn schon nicht unmittelbar, so doch aus dem Zusammenhang - klar genug entnehmen lässt, auf welcher Seite sie dem Beweisverfahren beigetreten ist (§ 66 Abs. 1 ZPO). Denn der angefochtene Streitwertbeschluss betrifft die (darin nicht ausdrücklich erwähnte) H AG nicht in ihrer Eigenschaft als Streithelferin, sondern allenfalls in ihrer Eigenschaft als Antragstellerin des Zwischenstreits. Diesen Zwischenstreit hatte sie noch als nicht unmittelbar beteiligte Streitverkündete ausgelöst, geraume Zeit vor ihrem Beitritt als Streithelferin.

III.

Für eine Kostenentscheidung im Verfahren über die Streitwert-Beschwerde besteht kein Anlass (§ 25 Abs. 4 GKG), somit auch nicht für eine Übertragung der Kostenentscheidung an das Landgericht (vgl. Zöller-Gummer, aaO., § 575 Rn 40).

Ende der Entscheidung

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