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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 22.02.2006
Aktenzeichen: 4 W 97/06
Rechtsgebiete: VV RVG


Vorschriften:

VV RVG Nr. 3104
Eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG fällt nicht an, wenn ein Anwalt vor dem gerichtlich anberaumten Termin dem gegnerischen Prozessvertreter telefonisch eine Möglichkeit der Verfahrensbeendigung vorschlägt, dieser aber lediglich erklärt, den Vorschlag seinem Mandanten weiterzugeben und keine Rückmeldung mehr erfolgt.
4 W 97/06

Nürnberg, den 22.2.2006

In Sachen

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 4. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Weiden vom 25.10.2005 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 365,94 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin machte vor dem Landgericht Weiden zunächst gegen zwei Beklagte einen Zahlungsanspruch geltend. Im Einverständnis mit den Parteien setzte das Gericht mit Beschluss vom 12.10.2004 das Verfahren aus, weil ein Parallelverfahren bereits vor dem Oberlandesgericht anhängig war. Nach Sachentscheidung in dem anderen Rechtsstreit nahm die Klägerin die Klage gegen den Beklagten zu 1) zurück und beantragte mit Schriftsatz vom 19.5.2005 den Rechtsstreit gegen den Beklagten zu 2) wieder aufzunehmen. Das Landgericht Weiden setzte Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 29.7.2005 fest. Am 24.6.2005 kam es zu einem telefonischen Kontakt zwischen den Parteivertretern. Zum Verhandlungstermin erschien der Beklagte zu 2) nicht; es erging ein Versäumnisurteil, aufgrund dessen der Beklagte zu 2) die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen hatte. Die Klägerin beantragte die Festsetzung u.a. einer 1,2-fachen Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG; das Landgericht Weiden setzte lediglich eine 0,5-fache Terminsgebühr fest.

Die Klägerin legte hiergegen sofortige Beschwerde ein mit der Begründung, dass eine außergerichtliche Besprechung mit dem Prozessvertreter des Beklagten zu 2) stattgefunden habe, die auf eine Erledigung des Verfahrens abgezielt hätte. Dieser gab an, lediglich die Erklärungen des gegnerischen Anwalts zur Kenntnis genommen und an seinen Mandanten weiter gegeben zu haben.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das Telefongespräch vom 24.6.2005 rechtfertigt nicht den Ansatz einer Gebühr nach Nr. 3104 VV RVG.

1. Die volle Terminsgebühr fällt zwar grundsätzlich auch an, wenn kein Verhandlungstermin stattgefunden hat, jedoch der Rechtsanwalt eine außergerichtliche Besprechung mit dem Ziel der Erledigung des Verfahrens durchgeführt hat (vgl. Riedel/Sußbauer-Keller, RVG, 9. Aufl., VV Teil 3, Rn. 55). Hierzu ist die kurzfristige telefonische Kontaktaufnahme ausreichend; auf die tatsächliche Notwendigkeit eines solchen Gesprächs kommt es nicht an. Es soll dabei auch genügen, wenn der Gegner Bereitschaft zeigt, ein sachbezogenes, der Verfahrenserledigung dienende0 Gespräch zu führen" (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl., VV Vorbemerkung 3, Rn. 87 ff. m.w.N.).

2. Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt. Ein auf eine Einigung abzielender Meinungsaustausch hat bei dem Telefonat der Parteivertreter gerade nicht stattgefunden.

a) Der Anfall der Terminsgebühr setzt voraus, dass die Parteien - regelmäßig innerhalb eines vom Gericht anberaumten Termins - über die Sache verhandeln, also einen Meinungsaustausch über tatsächliche bzw. rechtliche Standpunkte vornehmen. Dies ist bei außergerichtlichen Gesprächen aber dann nicht der Fall, wenn der Gegner eine solche Sachbesprechung nicht durchführen will (Gerold/Schmidt a.a.O., Rn. 90).

b) Der Prozessvertreter des Beklagten hat mit Schriftsatz vom 12.8.2005 dargelegt, dass die Ausführungen des Klägeranwalts "nur zur Kenntnis genommen" wurden; er habe lediglich mitgeteilt, diese dann an den Beklagten weiterzugeben. Dies stellt keinen Meinungsaustausch dar sondern lediglich die Entgegennahme einer Erklärung. Eine Verhandlung über die Sache selbst oder das weitere prozessuale Vorgehen hat nicht einmal kurz stattgefunden.

Ob eine Zusage des Beklagtenvertreters, die Sachlage mit seiner Mandantschaft zu besprechen - wie in der Beschwerdeschrift dargelegt -, für das Entstehen einer vollen Terminsgebühr ausreichend wäre, muss nicht entschieden werden. Ein derartiger Gesprächsinhalt wird vom Beklagtenvertreter nicht zugestanden; die Beweislast hierfür trifft den Anspruchsteller (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 8.6.2005, Az.: 14 W 366/05, NJW 05, 2162).

c) Der weitere Verfahrensfortgang stellt kein Indiz dafür dar, dass zwischen den Parteivertretern ein die Erledigung förderndes Gespräch stattgefunden hat. Das Nichterscheinen des Beklagten zu 2) zum bereits angesetzten Verhandlungstermin kann auf dessen autonomer Entscheidung aufgrund der Sachlage nach dem rechtskräftigen Urteil im Parallelverfahren beruht haben. Der Prozessvertreter der Klägerin trägt selbst nicht vor, diese Möglichkeit telefonisch vorgeschlagen zu haben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

Die Frage der inhaltlichen Voraussetzungen eines Gesprächs, die zum Anfall einer Terminsgebühr bei einem außergerichtlichen Kontakt von Prozessvertretern notwendig sind, ist höchstrichterlich nicht geklärt. Der Senat weicht von der Entscheidung des OLG Koblenz vom 29.4.2005 (Az.: 14 W 257/05; NJW 05, 2162, 2163) ab, in der die Ankündigung, die Angelegenheit mit der eigenen Partei bereden zu wollen, als ausreichend angesehen wird.

Ende der Entscheidung

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