Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 14.11.2008
Aktenzeichen: 5 U 1148/08
Rechtsgebiete: GG, StGB, BGB


Vorschriften:

GG Art. 1 Abs. 1
StGB § 218 a Abs. 1
BGB § 249
Bei einem allein auf die Beratungsregelung gemäß § 218 a Abs. 1 StGB gestützten, letztlich misslungenen Schwangerschaftsabbruch kommt ein Schadensersatzanspruch der Eltern gegen den Arzt wegen der Unterhaltskosten für das gesund geborene Kind nicht in Betracht.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES

Az.: 5 U 1148/08

Verkündet am 14.11.2008

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatz

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg -5. Zivilsenat- durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Braun, den Richter am Oberlandesgericht Redel und den Richter am Oberlandesgericht Kimpel auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2008 folgendes

Endurteil:

Tenor:

1. Die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 25.04.2008 wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Kläger können eine Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.634,90 € festgesetzt (5.019,30 € für Klageantrag Ziff. I., 15.615,60 € für Klageantrag Ziff. II. und 5.000,00 € für Klageantrag Ziff. III.).

Gründe:

I.

Die Kläger machen gegen den Beklagten im Zusammenhang mit einem fehlgeschlagenen Schwangerschaftsabbruch Ansprüche auf Ersatz von Unterhalt für ihre am ... geborene Tochter ... geltend.

Bei der Klägerin zu 1), die zu diesem Zeitpunkt bereits gemeinsam mit dem Kläger zu 2) drei Kinder hatte wurde am 25.07.2005 durch ihren Frauenarzt Dr. H, eine Schwangerschaft festgestellt. Die Kläger entschlossen sich beim Beklagten einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen. Nach Durchführung eines Beratungsgespräches bei einer staatlich anerkannten Beratungsstelle am 18.08.2005 nahm der Beklagte am 05.09.2005 (in der 10. Schwangerschaftswoche) einen vermeintlichen Schwangerschaftsabbruch vor.

Unmittelbar vor dem Eingriff am 05.09.2005 händigte der Beklagte der Klägerin zu 1) in einem Briefumschlag einen an Dr. H gerichteten Brief aus mit folgendem Inhalt:

"... Kurzmitteilung

Sehr geehrter Herr Kollege Dr. H

bei Ihrer Patientin Frau ..., geb. ..., wohnhaft ... habe ich am 05.09.2005 ... einen Interruptio in der 10. SSW nach geltendem Recht, in Vollnarkose durchgeführt.

Keine Besonderheiten.

Medikation: Methergin Drg.

Habe eine Nachuntersuchung in einer Woche bei Ihnen empfohlen.

Ich bedanke mich für die freundliche Überweisung.

Mit freundlichen Grüßen"

Diesen Brief gab die Klägerin zu 1) am 06.09.2005 in der Praxis von Dr. H ab.

Der am 05.09.2005 durchgeführte ärztliche Eingriff führte tatsächlich nicht zum Abbruch der Schwangerschaft. Am ... wurde die Tochter ... gesund geboren.

Die Kläger werfen dem Beklagten vor, sie pflichtwidrig nicht darüber aufgeklärt zu haben, dass ein Schwangerschaftsabbruch auch fehlschlagen könne und dass zur Überprüfung des Eingriffserfolgs eine Nachuntersuchung stattfinden müsse. Der Beklagte habe die Durchführung einer solchen Nachuntersuchung pflichtwidrig nicht sichergestellt. Vom Inhalt des Briefes an Dr. H habe die Klägerin zu 1) keine Kenntnis gehabt. Hätte der Beklagte im erforderlichen Umfang aufgeklärt und für einen konkreten Kontrolltermin gesorgt, hätte die Klägerin zu 1) diesen auch wahrgenommen. Bei der Kontrolluntersuchung wäre dann das Fehlschlagen des Schwangerschaftsabbruchs festgestellt worden. Im Anschluss daran hätte noch ausreichend Zeit für einen weiteren Eingriff bestanden, den die Klägerin zu 1) auch hätte vornehmen lassen. Die Klägerin zu 1) habe erst am 24.10.2005 von dem Fortbestand der Schwangerschaft erfahren; zu diesem Zeitpunkt sei ein rechtlich zulässiger Schwangerschaftsabbruch für sie nicht mehr möglich gewesen. Eine Indikationslage habe nicht bestanden. Der Beklagte habe deshalb den durch die Geburt des Kindes verursachten Unterhaltsaufwand der Kläger zu ersetzen.

Die Kläger haben in erster Instanz zuletzt beantragt:

I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 5.019,30 € zu zahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger ab 01.04.2007 eine monatliche Unterhaltsrente von 371,80 € vierteljährlich im voraus jeweils am 01.01., 01.04., 01.07. und 01.10. eines jeden Jahres zu bezahlen, längstens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres.

III. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägern als Gesamtgläubigem noch einen über den Antrag II. hinausgehenden Unterhaltsschaden entsprechend zu ersetzen, der ihnen durch die Geburt ihrer Tochter ... am ... zukünftig entsteht.

IV. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 2.345,75 € nicht anzurechnende außergerichtlich angefallene Rechtsanwaltsgebühren zu erstatten zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung.

Der Beklagte hat beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Beklagte bestreitet einen Behandlungsfehler. Er behauptet, er habe die Klägerin zu 1) ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer Nachuntersuchung zum Zweck der Überprüfung des Eingriffserfolges hingewiesen. Dass der Eingriff fehlschlagen könne und zum Zweck der Überprüfung des Eingriffserfolgs auch eine Nachuntersuchung erforderlich sei, müsse zudem als Allgemeinwissen vorausgesetzt werden. Die Klägerin zu 1) habe mit Sicherheit den Inhalt der Kurzmitteilung zur Kenntnis genommen. Auch müsse davon ausgegangen werden, dass sie durch ihren Frauenarzt über die Erforderlichkeit einer Nachuntersuchung aufgeklärt worden sei. Einer solchen Nachuntersuchung habe sich die Klägerin zu 1) jedoch nicht unterzogen, sodass jedenfalls ein erhebliches Mitverschulden vorliege. Er bestreitet, dass die Klägerin zu 1) erst Mitte Oktober etwas bemerkt haben soll und dass es am 24.10.2005 bereits zu spät für einen erneuten Abbruch gewesen sei.

Zudem könne die Klage schon aus Rechtsgründen keinen Erfolg haben. Anspruch der Eltern auf Ersatz des durch die Geburt eines Kindes vermittelnden Vermögensschadens bestehe grundsätzlich nur bei einem rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruch, nicht aber bei einem solchen nach § 218 a Abs. 1 StGB.

Das Erstgericht hat ohne Beweisaufnahme die Klage aus Rechtsgründen abgewiesen. Zwar könne grundsätzlich das auf einem schuldhaften ärztlichen Fehler beruhende Unterbleiben eines möglichen Schwangerschaftsabbruchs zu einem Schadensersatzanspruch auch für die Unterhaltsbelastung führen, dies aber dann nicht, wenn der Abbruch von der Rechtsordnung missbilligt werde, wie dies bei dem hier vorliegenden Schwangerschaftsabbruch nach § 218 a Abs. 1 StGB der Fall sei. Eine Indikationslage, bei der der Schwangerschaftsabbruch nicht rechtswidrig gewesen wäre, habe offensichtlich nicht vorgelegen. Im übrigen sei auch bei Annahme einer indikationslage ein Schadensersatzanspruch zu verneinen, weil dann noch am 24.10.2005 eine Abtreibung möglich gewesen wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Ersturteils Bezug genommen.

Die Kläger haben gegen das ihnen am 17.05.2008 zugestellte Endurteil mit am 09.06.2008 beim Oberlandesgericht Nürnberg eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese fristgemäß begründet.

Sie meinen, die Unterhaltsbelastung für ein gesundes Kind stelle einen ersatzfähigen Schaden dar. Nach der Rechtsprechung des BGH komme die Haftung des Arztes für die durch die Geburt eines ungewollten Kindes verursachten Vermögenschäden grundsätzlich in Betracht, wenn der Behandlungsvertrag den Sinn gehabt habe, die Eltern vor Unterhaltsaufwendungen zu bewahren. Genau diese Situation sei vorliegend gegeben gewesen, worauf schon in erster Instanz hingewiesen worden sei.

Ein Schwangerschaftsabbruch nach der Beratungslösung könne nicht anders behandelt werden als die bisher schon vom BGH entschiedenen Fälle, bei denen die Unterhaltsbelastung für ein ungewolltes Kind als Schaden anerkannt worden sei. Die einen Schadensersatzanspruch verneinenden Entscheidungen des BGH (NJW 1995, 1609 und NJW 2002, 1489) könnten nicht zur Begründung einer Klageabweisung herangezogen werden. Vielmehr habe der BGH in einer nachfolgenden Entscheidung (NJW 2005, 891) ausdrücklich offen gelassen, ob die schuldhafte Vereitelung eines allein auf § 218 a Abs. 1 StBG gestützten Schwangerschaftsabbruchs nach der Gesetzeslage für einen Schadensersatzanspruch ausreichen könne.

Auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.05.1993 (NJW 1993, 1751) stehe einem zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch nicht entgegen. Dementsprechend habe der BGH auch noch nach 1993 bei ungewollter Unterhaltsbelastung mit einem Kind Schadensersatzansprüche bejaht.

In der strafrechtlichen Literatur setze sich mittlerweile die Ansicht durch, dass ein Schwangerschaftsabbruch nach § 218 a Abs. 1 StGB rechtmäßig sei.

Die Verneinung eines Schadensersatzanspruchs führe zu der unhaltbaren Situation, dass zwar ein wirksamer Behandlungsvertrag über den Schwangerschaftsabbruch zustande komme, aus diesem aber keinerlei Sorgfaltspflichten für den Arzt erwachsen würden.

Sie beantragen:

1. Das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 25.04.2008, Az. 13 O 2190/07, wird abgeändert.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Gesamtgläubiger 5.019,30 € zu zahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger ab 01.04.2007 eine monatliche Unterhaltsrente von 371,80 €, vierteljährlich im voraus, jeweils am 01.01, 01.04., 01.07. und 01.10. eines jeden Jahres zu zahlen, längstens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres.

4. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägern als Gesamtgläubigern auch einen über den Antrag III. hinausgehenden Unterhaltsschaden entsprechend zu ersetzen, der ihnen durch die Geburt ihrer Tochter ... am ... zukünftig noch entsteht.

5. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 2.345,75 € nicht anzurechnende vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren zu erstatten, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung.

6. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Beklagte beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Er meint, die zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgericht stehe einem Schadensersatzanspruch eindeutig entgegen und der BGH habe in der Entscheidung vom 21.12.2004 (NJW 2005, 891) keinesfalls offen gelassen, ob bei der Beratungslösung ein Schadensersatzanspruch ausscheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Den Klägern steht für die durch die Geburt ihrer gesunden Tochter verursachte Unterhaltsbelastung kein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu.

Nach Ansicht des Senats steht einem auf die Unterhaltsbelastung durch ein ungewolltes Kind gestützten Schadensersatzanspruch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.05.1993 (NJW 1993, 1751) entgegen, wenn es sich um einen (fehlgeschlagenen) Schwangerschaftsabbruch nach der Beratungsregelung gemäß § 218 a Abs. 1 StGB handelt.

Der II. Senat des Bundesverfassungsgerichts macht in der vorgenannten Entscheidung eindeutige Vorgaben für den Gesetzgeber und damit auch die Gerichte, wie mit Schwangerschaftsabbrüchen ohne Indikation umzugehen ist und welche rechtlichen Konsequenzen aus derartigen Schwangerschaftsabbrüchen zu ziehen sind.

Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu unter anderem wörtlich aus (Leitsatz Nr. 14):

"Eine rechtliche Qualifikation des Daseins eines Kindes als Schadensquelle kommt von Verfassungs wegen (Art. 1 Abs. 1 GG) nicht in Betracht. Deshalb verbietet es sich die Unterhaltspflicht für ein Kind als Schaden zu begreifen."

Das Bundesverfassungsgericht begründet dies damit, dass der Staat verpflichtet sei, menschliches Leben, auch das ungeborene, zu schützen; diese Schutzpflicht gebiete, einen Schwangerschaftsabbruch für die gesamte Dauer der Schwangerschaft als Unrecht anzusehen und Ausnahmen nur nach den Kriterien der Unzumutbarkeit zu bestimmen. Der Gesetzgeber dürfe zwar Schwangerschaftsabbrüche ohne Indikation, die nach einer Beratungsregelung erfolgen, aus dem Straftatbestand ausklammern, diese aber nicht für gerechtfertigt (nicht rechtswidrig) erklären. Eine Frau, die eine Schwangerschaft nach Beratung abbreche, nehme eine von der Rechtsordnung nicht erlaubte Handlung vor. Es könnten daher für Schwangerschaftsabbrüche im Rahmen der Beratungsregelung nicht alle rechtlichen Vorteile gewährt werden, die nach der Rechtsordnung für rechtmäßige Abbruche zulässig seien, insbesondere dürfe die Unterhaltspflicht nicht als Schaden begriffen werden. Umgekehrt gebiete es aber die Schutzpflicht für das ungeborene Leben nicht, Arzt- und Krankenhausvertrag über Schwangerschaftsabbrüche nach der Beratungsregelung als unwirksam anzusehen oder grundsätzlich von zivilrechtlichen Sanktionen für Schlechterfüllung des Vertrages abzusehen.

Für den Senat besteht daher kein Zweifel, dass in Bezug auf die Unterhaltspflicht ein Abbruch nach der Beratungslösung anders behandelt werden kann und muss als die Fälle, in denen der BGH einen Unterhaltsschaden nach fehlgeschlagener Verhütung, fehlgeschlagener Sterilisation, fehlerhafter genetischer Beratung oder übersehener Indikationslage bejaht hat, weil es sich in all diesen Fällen um Behandlungsmaßnahmen handelte, die nach der Rechtsordnung erlaubt und nicht missbilligt waren.

Eine unhaltbare Situation - wie die Kläger meinen - ergibt sich aus der Verneinung eines Unterhaltsschadens nicht. Das Verfassungsgericht bejaht ja grundsätzlich die Möglichkeit zivilrechtlicher Sanktionen für die Schlechterfüllung des Vertrages, nimmt jedoch bewusst unter Hinweis auf Art. 1 Abs. 1 GG eine dieser "Sanktionen", nämlich die Verpflichtung zur Ausgleichung des Unterhaltsschadens, aus. Von einer unhaltbaren Situation oder gar unerträglichen Rechtsfolgen kann damit keine Rede sein, auch wenn es mit allgemeiner zivil- oder strafrechtlicher Dogmatik nur schwer vereinbar zu sein scheint, dass eine Handlung, die eigentlich nicht erlaubt ist, teilweise so behandelt wird, als sei sie doch erlaubt.

Die vorgenannte Entscheidung des II. Senats des Bundesverfassungsgerichts hat als Entscheidungsrichtlinie nach wie vor Gültigkeit. Sie ist insbesondere nicht durch den Beschluss des I. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12.11.1997 (NJW 1998, 519) überholt. Der I. Senat bejaht hier - teilweise in Abweichung zum II. Senat - zwar grundsätzlich die Möglichkeit, die Unterhaltsbelastung für ein Kind als Schaden anzusehen, nämlich soweit dies die Zivilgerichte bei fehlgeschlagener Sterilisation und fehlerhafter genetischer Beratung angenommen haben. Andererseits betont auch der I. Senat an mehreren Stellen ausdrücklich, dass sich die abweichende Ansicht nur auf Fälle rechtmäßiger ärztlicher Tätigkeit ohne Bezug zu einem Schwangerschaftsabbruch erstreckt. Im hier allein interessierenden Fall, dass die ärztliche Tätigkeit auf ein von der Rechtsordnung missbilligtes Ergebnis gerichtet war, ergibt sich daher keine Divergenz zwischen der Rechtsprechung der beiden Senate.

Soweit der Klägervertreter zu Recht darauf hinweist, dass bedingt durch einen ständigen gesellschaftlichen Wandel geänderte Grundüberzeugungen auch Änderungen in der verfassungsrechtlichen Betrachtung auslösen können, gibt es im konkreten Fall keine Hinweise dafür, dass das Bundesverfassungsgericht in absehbarer Zeit einen Schwangerschaftsabbruch nach der Beratungslösung nicht mehr als rechtlich missbilligenswert betrachten und so die Voraussetzung für die Bejahung eines Schadensersatzanspruches schaffen wird.

Denn das Bundesverfassungsgericht lässt keinen Zweifel daran, dass das ungeborene Leben auch gegenüber der Mutter verfassungsrechtlich geschützt ist und deren Grundrechte grundsätzlich hinter ihrer Rechtspflicht zum Austragen des Kindes zurücktreten müssen (BVerfG, NJW 1993, 1751; Leitsätze Nrn. 3 und 7). Einer Frau, die diese Rechtspflicht erfüllt, steht deshalb kein Schadensersatzanspruch gegen denjenigen zu, der die Erfüllung dieser Rechtspflicht nicht verhindert hat.

Dementsprechend bejaht auch der BGH in seiner (ständigen) Rechtsprechung die Ersatzfähigkeit einer Unterhaltsbelastung, die auf einen schuldhaften ärztlichen Fehler im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch zurückzuführen ist, allenfalls dann, "wenn der Abbruch der Rechtsordnung entsprochen hätte, also nicht von ihr missbilligt worden wäre" (vgl. zuletzt BGH, NJW 2006, 1660 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die von den Klägern nicht für einschlägig gehaltene Entscheidung BGH, NJW 1995, 1609; BGH, FamRZ 2003, 1378 zu einem nahezu identischen Sachverhalt; BGH, NJW 2002, 1489; vgl. auch OLG Koblenz, OLGR 2006, 681; OLG München, Az: 1 U 4410/06 vom 07.02.2008; KG, Az: 20 U 242/04 vom 10.03.2008).

Da der hier zugrunde liegende Behandlungsvertrag nach verfassungsrechtlichen Maßstäben auf ein "von der Rechtsordnung missbilligtes Ergebnis" gerichtet war, stellt die Unterhaltsbelastung für das gesund geborene Kind keinen Schaden dar und zwar unabhängig davon, ob der Vertrag und das Verhalten der Beteiligten nach zivil- oder strafrechtlicher Begrifflichkeit als rechtmäßig anzusehen wäre.

Die Berufung der Kläger kann daher schon aus Rechtsgründen keinen Erfolg haben. Es kann deshalb dahinstehen, ob ein ärztlicher Behandlungsfehler in Form der fehlerhaften therapeutischen Sicherungsaufklärung überhaupt vorliegt und ob der Behandlungsvertrag auch den Sinn hatte, die Kläger vor den erwarteten Unterhaltsaufwendungen zu bewahren.

Der Senat sieht - anders als in der mündlichen Verhandlung angedeutet - nach nochmaliger Überprüfung der Rechtslage keinen Anlass, die Revision zuzulassen. Der BGH hat zur Möglichkeit, einen Unterhaltsschaden im Zusammenhang mit ärztlichen Fehlern bei einem Schwangerschaftsabbruch nach der Beratungslösung geltend zu machen, mehrfach eindeutig Stellung genommen (vgl. die oben zitierten Entscheidungen). Hinweise auf eine mögliche Änderung ergeben sich auch nicht aus der von den Klägern angeführten Entscheidung BGH, NJW 2005, 891.

In den dortigen Entscheidungsgründen lässt der BGH zwar offen, ob ein allein auf § 218 a Abs. 1 StGB gestützter Schwangerschaftsabbruch für einen Schadensersatzanspruch ausreichen könne, verweist aber gleichzeitig auf seine früheren Entscheidungen (FamRZ 2003, 1378 und NJW 2002, 1489 sowie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts) nach denen ein Anspruch zweifelhaft sei. Da darüber hinaus der BGH in einer nachfolgenden Entscheidung (NJW 2006, 1660) wiederum die Ersatzfähigkeit des Unterhaltsschadens verneint hat, wenn es sich um einen von der Rechtsordnung missbilligten Schwangerschaftsabbruch gehandelt hat, besteht für den Senat kein Zweifel, dass die Rechtsprechung des BGH "gefestigt" ist und nicht erneut überprüft werden müsste. Der vorgenannten Entscheidungspraxis haben sich im übrigen auch andere Oberlandesgerichte angeschlossen (siehe oben).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück