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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 08.02.2008
Aktenzeichen: 5 U 1795/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 611 Abs. 1
1. Ein Behandlungsfehler lässt den Honoraranspruch des Arztes grundsätzlich nicht entfallen. Ein Verlust des Honoraranspruchs kommt allerdings bei besonders groben Arztfehlern oder vorsätzlicher ärztlicher Pflichtverletzung in Betracht.

2. Verletzt der Arzt seine Aufklärungspflichten gegenüber dem Patienten und hätte dieser bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die Behandlung nicht eingewilligt, so entfällt der Honoraranspruch, wenn die ärztliche Leistung für den Patienten völlig unbrauchbar ist.


Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES

Az.: 5 U 1795/05

Verkündet am 08.02.2008

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28. Juni 2005 dahin geändert, dass die Beklagten lediglich zur Zahlung von 7.707,03 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 5.858,14 Euro ab dem 8. Mai 2003 sowie aus einem weiteren Betrag in Höhe von 1.848,89 Euro ab dem 20. Februar 2005 verpflichtet sind.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten gesamtverbindlich 89 %, die Klägerin 11%.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 8.638,44 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Bezahlung der ambulanten und stationären Versorgung des Beklagten zu 1) im Klinikum der Klägerin. Dabei geht es insbesondere um eine transurethrale Prostataresektion (TURP) am 22. April 2002. Diese Operation war dem Beklagten zu 1) empfohlen worden, weil Miktionsstörungen wie sie die bei ihm gemessene Restharnmenge von 50 ml anzeige, immer wieder zu Entzündungen führen könnten. Insbesondere in Verbindung mit einer grossen Prostata sei daher eine operative Behandlung indiziert.

Die Beklagten haben gegen die Klageforderung eingewandt, ein Teil der zugrundeliegenden Behandlung sei medizinisch nicht indiziert gewesen, ein anderer Teil sei nur wegen der den Ärzten der Klägerin unterlaufenen groben Behandlungsfehler notwendig geworden. Daher stehe dem Beklagten zu 1) ein Schmerzensgeld zu, nicht aber der Klägerin ein Honorar.

Auf den Hinweis des Erstgerichts, die Beklagten müssten klarstellen, ob sie wegen der von ihnen behaupteten Arztfehler Widerklage oder Feststellungsklage erheben oder die Aufrechnung erklären wollten, haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 26. August 2004 angekündigt, im bevorstehenden Gütetermin entweder eine Eventualaufrechnung auszusprechen und/oder eine Widerklage zu erheben. Bei dieser Ankündigung ist es bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens geblieben.

Im Termin vom 7. Juni 2005 sind die Beklagten nicht erschienen. Das Landgericht hat darauf mit Beschluss vom selben Tage Entscheidung nach Aktenlage angeordnet und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 28. Juni 2005 bestimmt. Mit Endurteil nach Lage der Akten, auf das wegen der näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat es die Beklagten sodann ungeachtet einer mit Schreiben vom 11. Juni 2005 vorgetragenen Entschuldigung des Fernbleibens gesamtverbindlich zur Zahlung nahezu des gesamten geltend gemachten Honorars verurteilt. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, dass die von den Beklagten behaupteten Arztfehler nicht berücksichtigt werden könnten, weil diese daraus keine bezifferten Gegenansprüche hergeleitet hätten.

Gegen dieses ihnen am 22. Juli 2005 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 22. August 2005 Berufung eingelegt und dieses Rechtsmittel mittels eines am 21. Oktober 2005 nach entsprechender Fristverlängerung beim Oberlandesgericht Nürnberg eingegangenen Schriftsatzes begründet.

Die Beklagten hatten die Abtretung der Honorarforderungen durch die behandelnden Chefärzte an die Klägerin für unwirksam, weil sie gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstiessen. Vor allem aber machen sie geltend, etwaige Arztfehler Hessen den Honoraranspruch ohne weiteres entfallen. Wegen der völlig falschen Aufklärung sei die Zustimmung des Beklagten zu 1) zur Operation auch unwirksam.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf die Berufungsbegründung vom 17. Oktober 2005 sowie die weiteren Schriftsätze vom 20. November 2005 und vom 18. März 2007 verwiesen. Ein weiterer Schriftsatz vom 6. Februar 2008 konnte nicht mehr berücksichtigt werden, da er erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangen ist (§§ 296a, 525 ZPO).

Die Beklagten stellen folgenden Antrag:

1. Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 7. Juni 2005, Az. 13 O 5383/04 wird aufgehoben.

2. Die Klage des Klinikums ... wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Ersturteil und trägt vor, der Beklagte zu 1) sei umfassend aufgeklärt mit der jeweiligen fachgerecht durchgeführten Behandlung einverstanden gewesen. Im übrigen Hessen etwaige Behandlungsfehler den geltend gemachten Honoraranspruch unberührt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbrigens der Klägerin wird auf die Berufungserwiderung vom 28. November 2005 sowie die weiteren Schriftsätze vom 27. Juli 2006 und vom 27. November 2007 Bezug genommen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 8. August 2006 die Klägerin wegen eines Teils der geltend gemachten Rechnungen auf Bedenken gegen ihre Aktivlegitimation hingewiesen sowie Beweis erheben durch Erholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses wird auf das Gutachten von Prof. Dr. ... vom 26. Februar 2007 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache unabhängig davon nur in geringem Umfang Erfolg, ob das Landgericht im Hinblick auf § 251 a Abs. 2 S. 4 ZPO nach Lage der Akten entscheiden durfte.

1. Der Senat ist mit dem Landgericht der Auffassung, dass die streitgegenständlichen Abtretungen wirksam sind, weil es sich beim Abtretungsempfänger um die Klinik handelt, in der die abgerechnete Behandlung stattfand. Dieser gegenüber konnte es nicht zum Verrat von Berufsgeheimnissen kommen, weil sie ohnehin in die Behandlung des Beklagten zu 1) eingebunden war und auf diesem Weg die Kenntnis von Art und Umfang der Behandlung des Beklagten zu 1) bereits erlangt hatte. Die von § 203 StGB mit Strafe bedrohte Offenbarung geheimhaltungsbedürftiger Informationen war also bereits unabhängig von der Abtretung erfolgt (LG Bonn NJW 1995, 2419; LG Itzehoe NJW 1993, 794).

Das Landgericht hat auch die Beklagte zu 2) zu Recht zur Zahlung verurteilt. Nach § 1357 Abs. 1 BGB war der Beklagte zu 1) als ihr Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs mit Wirkung auch für sie zu besorgen. Arzt- und Krankenhausverträge sind ohne weiteres als Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs in diesem Sinne anzusehen (Staudinger/Voppel (2007), § 1357 BGB Rdnr. 52 m.w.N.). Die Beklagten haben nichts vorgetragen, was insoweit für das Vorliegen eines Ausnahmefalles sprechen könnte.

2. Mit dem Landgericht ist der Senat auch der Auffassung, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht darauf ankommt, ob die Behandlung des Beklagten zu 1) fehlerhaft war und ob ihr eine hinreichende Aufklärung zugrunde lag oder nicht.

Dies ergibt sich draus, dass der Arztvertrag unstreitig ein Dienstvertrag ist (Palandt/Weidenkaff, 67. Auflage Einführung vor § 611 BGB Rdnr. 19; Palandt/Sprau. a.a.O., Einführung vor § 631 BGB Rdnr. 18.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 5. Auflage, Anm. A 4 je m.w.N.). Nur bei besonders groben, in der Regel vorsätzlichen und strafbaren Pflichtverletzungen kommt der Verlust des Honoraranspruchs in Betracht, weil in solchen Fällen die Geltendmachung des Honorars als unzulässige Rechtsausübung anzusehen ist (§ 242 BGB; Senat, NJW-RR 2004, 1543; Laufs/Uhlenbruck/Kern, Handbuch des Arztrechts, 3. Auflage, § 82 Rdnr. 15 m.w.N.).

a)

Nach § 611 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 2 GOÄ setzt der Vergütungsanspruch nur voraus, dass die abgerechneten Leistungen für die nach den Regeln der ärztlichen Kunst notwendige Versorgung erforderlich waren.

Diese von der Behandlerseite zu beweisende Voraussetzung war nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. ... auch für die transurethrale Prostataresektion gegeben. Am 22./23. April 2002 lag beim Beklagten zu 1) danach eine Situation vor, die einen operativen Eingriff zwar nicht zwingend erforderlich machte, ihn aber doch als nützlich erscheinen liess. Dies genügt, um den Honoraranspruch zu rechtfertigen.

b)

Auch ein etwaiger Aufklärungsfehler der für die Klägerin tätig gewordenen Ärzte ändert hieran nichts,

Die Beklagten rügen insoweit, dass eine Aufklärung über mögliche Alternativen, insbesondere in Form einer medikamentösen Behandlung, unterblieben sei. Die Klägerin geht darauf nicht explizit ein. Sie trägt eine solche Alternativaufklärung auch in ihrem letzten Schriftsatz nicht vor. Dort ist nur davon die Rede, dass mit dem Beklagten zu 1) ausführlich die Gründe erörtert worden seien, die für eine Operation sprachen, nicht aber von einem Gespräch über Behandlungsalternativen etwa mit geeigneten Medikamenten. Bei den von der Klägerin erwähnten Mitteln A und C dürfte es sich lediglich um die von den Beklagten bereits in ihrem Schriftsatz vom 20. November 2005 angesprochenen pflanzlichen Mittel handeln, nicht um hochwirksame Pharmszeutika. Denn die Klägerin bezieht sich insoweit auf die Ambulanzkarte vom 28. Januar 2002.

Die Überlegungen zu den Auswirkungen eines Behandlungsfehlers auf den ärztlichen Honoraranspruch können zwar nicht ohne weiteres auf einen Aufklärungsfehler übertragen werden (so aber: OLG München VersR. 1996, 233). Denn hier besteht zumindest die Möglichkeit, dass schon der Abschluss des auf den Eingriff bezogenen Arztvertrages als Schaden anzusehen ist von dem der Patient zu befreien wäre, weil es zu ihm nur wegen der unzureichenden Aufklärung kam. Insoweit bedürfte es weder einer Bezifferung noch einer Aufrechnungserklärung seitens des Patienten.

Nach richtiger Auffassung entfällt der Honoraranspruch aber auch bei einer Verletzung der Aufklärungspflicht nur dann, wenn die ärztliche Dienstleistung unbrauchbar war (Senat a.a.O.; OLG Stuttgart VersR. 2002, 1286; OLG Köln NJW-RR 1999, 674; KGR 1996, 195; Laufs/Uhlenbruck/Kern, a.a.O., Rdnr. 16).

Der Patient hat in solchen Fällen zwar regelmässig einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des bereits vor der Entscheidung über den Eingriff zustande gekommenen Arztvertrages (Jaspersen, VersR 1992, 143171434). Dies gilt jedenfalls dann, wenn man unterstellt, der Patient hätte sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung gegen den Eingriff entschieden.

Solange der angestrebte Heilerfolg eingetreten ist fehlt es jedoch an einem materiellen Schaden des Patienten. Sein Vermögen wird zwar wegen des Aufklärungsmangels zu Unrecht mit dem Honoraranspruch belastet; diese Belastung steht aber der Wert der vom Arzt. hier vom Zeugen Prof. Dr. ... ausgeführten Behandlung gegenüber. Da auch die Beklagten nicht behaupten, dass diese Behandlung völlig erfolglos geblieben wäre und die den Anlass der Operation bildenden Miktionsbeschwerden auch nach der Operation fortbestanden hätten, kam dem Beklagten zu 1) letztlich der Wert der Operation zugute. Er mag wegen der mit dem Eingriff verbundenen Komplikationen Ansprüche auf Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens haben. Da er solche Forderungen nicht in der vorgesehenen Form geltend macht, muss er das eingeklagte Arzthonorar ebenso bezahlen wie die sonstigen Kosten seines Aufenthalts bei der Klägerin.

Die von den Beklagten zitierte Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (NJW-RR 2003, 89 und 1331) steht dem nicht entgegen, da es in beiden Fällen um erfolglos gebliebene kosmetische Operationen gegangen war.

3. Die Berufung hat jedoch Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Bezahlung von Arztrechnungen für die ambulante Behandlung lichtet. Die Klage ist insoweit unschlüssig, weil es an Abtretungserklärungen fehlt.

Bereits mit Beschluss vom 8. August 2006 wies der Senat darauf hin, dass Prof. Dr. ... auch hinsichtlich der Rechnungen für die ambulanten Behandlungen Anspruchsinhaber sein dürfte (Geiß/Greiner, Arztpflichtrecht, 5. Auflage, Anm. C 13) und dass es insoweit an Abtretungserklärungen fehlt. Die Klägerin hat darauf nicht reagiert.

Sie kann daher keine Bezahlung für die Rechnungen vom 19. April 2002 über 437,29 Euro, vom 23. Mai 2002 über 64,32 Euro sowie vom 18. Juni 2002 über 429,80 Euro verlangen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich § 708, Nr. 10 ZPO i.V.m. § 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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