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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 13.03.2006
Aktenzeichen: 5 U 3543/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 404 a
ZPO § 406
Die Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ist für begründet zu erklären, wenn dieser ohne Ermächtigung durch das Gericht informationsbereite Dritte befragt, um sich die erforderlichen Anknüpfungstatsachen zu verschaffen und er nicht spätestens im Gutachten Umstände und Ergebnis der Befragungen im einzelnen offen gelegt hat.
5 U 3543/04

Nürnberg, den 13.03.2006

In Sachen

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 5. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss:

Tenor:

Die Ablehnung des Sachverständigen S wird für begründet erklärt.

Gründe:

Der Kläger macht u. a. Zuchtausfallschaden gegen die Beklagten geltend, weil das von ihm als reinrassig erworbene Gerfalkenweibchen in Wirklichkeit eine Kreuzung zwischen Gerfalken und Sakerfalken war. Die Beklagten bestreiten einen Zuchtausfallschaden mit der Begründung, die Nachzucht reinrassiger Gerfalken durch den Kläger sei äußerst unwahrscheinlich.

Der Senat hat zur Wahrscheinlichkeit eines Zuchterfolges Sachverständigengutachten erholt.

Die Beklagten lehnen den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Das Ablehnungsgesuch ist zulässig und begründet.

Es liegen Umstände vor, die zumindest aus Sicht der Beklagten Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen rechtfertigen können (vgl. BGH NJW 75, 1363 und NJW-RR 87, 893; OLG Zweibrücken NJW-RR 2001, 1149; Zöller/Greger, ZPO, 25. Auflage, § 406 Rdnr. 8; Musielak/Huber, ZPO, 3. Auflage, § 406 Rdnr. 4).

Schon die Vorbemerkung des schriftlichen Gutachtens, für den Kläger sei ein absolut reinrassiger Gerfalke "von größter Bedeutung" lässt anklingen, dass der Sachverständige für die Motive des Klägers Verständnis aufbringt, während er sich umgekehrt mit der Situation der Beklagten nicht befasst. Dies rechtfertigt zwar für sich genommen noch nicht die Besorgnis einseitiger Parteiergreifung, führt aber in der Gesamtschau mit den nachfolgenden Äußerungen des Sachverständigen zu dem aus Sicht der Beklagten nachvollziehbaren Schluss, der Sachverständige halte die Interessen des Klägers für besonders schützenswert. Dieser Eindruck wird auch nicht durch die Erläuterung des Sachverständigen entkräftet, er habe mit der Vorbemerkung lediglich die Wichtigkeit der Reinrassigkeit unterstreichen wollen.

Der Sachverständige zieht zur Begründung seines Gutachtens weitere, allein dem Kläger günstige Tatsachen heran, welche sich entweder aus den Akten nicht so wie dargestellt ergeben oder zumindest bestritten sind.

So sieht es der Sachverständige als gegeben an, dass der Kläger "bereits einen Gerfalkenterzel (Männchen) besitzt", obwohl dies ausdrücklich bestritten ist und dieses Bestreiten dem Sachverständigen aus dem Akteninhalt bekannt sein musste.

Der Sachverständige übernimmt auch die Darstellung des Klägers, er habe keinen passenden Ersatz für das gekaufte Gerfalkenweibchen finden können. Die Möglichkeit, überhaupt in Deutschland ein reinrassiges Gerfalkenweibchen zu erwerben, ist aber zwischen den Parteien ebenfalls streitig und hängt eng mit der Frage eines eventuellen Zuchterfolges zusammen.

Der Sachverständige legt darüber hinaus seinem Gutachten zugrunde, dass der Gerfalkenterzel das gewünschte Balzverhalten zeige, es dem Terzel und dem erworbenen Vogel gut gehe und sachkundige Behandlung gewährleistet sei, ohne mitzuteilen, woher er diese Erkenntnisse hat.

In seiner Stellungnahme zum Befangenheitsantrag hat der Sachverständige auf ein ihm vorliegendes Gutachten bezüglich des Terzels und auf Äußerungen anderer Züchter - ohne diese im Einzelnen zu benennen - verwiesen.

Die Stellungnahme des Sachverständigen belegt zwar, dass er seine Angaben in gutem Glauben gemacht hat, belegt allerdings auch, dass er den ihm erteilten Auftrag überschritten hat, weil er Erkenntnisse durch Befragung Dritter gewonnen hat, ohne hierfür gemäß § 404 a Abs. 4 ZPO vom Senat ermächtigt worden zu sein. Darüber hinaus hat er im Gutachten selbst die Quellen seiner diesbezüglichen Erkenntnisse nicht angegeben. Schließlich ist nicht dargelegt, aus welchen Gründen er die Angaben Dritter für zutreffend hält, unabhängig davon, dass Zeugeneinvernahmen, so sie nötig sind, in jedem Fall dem Gericht vorbehalten sind (Zöller/Greger, ZPO, 25. Auflage, § 404 a Rdnr. 4 und § 355 Rdnr. 2 m. w. N.).

Eigene Ermittlungen des Sachverständigen zur Erlangung der für die Gutachtensersteilung erforderlichen Anknüpfungspunkte begründen zwar nicht in jedem Fall die Besorgnis der Befangenheit (BGH NJW 92, 1817; OLG Stuttgart NZV 96, 323; OLG Zweibrücken NJW-RR 01, 1149; Brandenburg OLG-NL 03, 120).

Gerechtfertigt ist die Besorgnis der Befangenheit aber dann, wenn wie vorliegend der Sachverständige nicht spätestens im Gutachten offen legt, dass und wie er sich die verwerteten Anknüpfungstatsachen beschafft hat (OLG Saarbrücken NJOZ 2005, 561) . Dabei spielt es keine Rolle, ob dies durch Kontaktaufnahme zu einer Partei oder zu anderen informationsbereiten Dritten geschieht. In beiden Fällen nimmt er dem Gegner die Möglichkeit, gegen die Anknüpfungstatsachen vorzugehen und verletzt damit letztlich auch den Anspruch des Gegners auf rechtliches Gehör (Stein-Jonas-Leipold ZPO, 21. Auflage, Rdnr. 5 zu § 404 a).

Unter Abwägung sämtlicher Aspekte kann das Verhalten des Sachverständigen bei den Beklagten vernünftigerweise Misstrauen in seine Unparteilichkeit wecken. Ob dieses Misstrauen vom Gericht geteilt wird, kann dahinstehen. Entscheidend ist, dass der Eindruck der Parteilichkeit bei einer vernünftigen, nüchtern denkenden Partei entstehen kann (BGH NJW 05, 1869; BGH X ZR 148/03 vom 06.02.2006; OLG München NJW 92, 1569).

Die Ablehnung ist daher für begründet zu erklären.

Ende der Entscheidung

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