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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 30.04.2001
Aktenzeichen: 5 U 4322/00
Rechtsgebiete: StGB, BGB, GG, BayRDG


Vorschriften:

BGB § 839
GG Art. 34
BayRDG Art. 2
BayRDG Art. 18
Ein Notarzt wird im Rahmen eines Rettungsdiensteinsatzes, der auf Grundlage des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes erfolgt, bei Behandlung des Notfallpatienten öffentlich-rechtlich als Amtsträger tätig. Ansprüche des Patienten wegen fehlerhafter Behandlung können deswegen gem. Art. 34 Satz 1 Grundgesetz nicht gegen den Notarzt selber geltend gemacht werden.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

5 U 4322/00 3 O 1176/00 LG Regensburg

Verkündet am 30. April 2001

Schmidt Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In Sachen

wegen Forderung,

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Klieber und die Richter am Oberlandesgericht Kuhbandner und Maihold aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. April 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom 9. November 2000 (Az. 3 O 1176/00) wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe vor. 26.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Beschwer des Klägers beträgt 697.317,30 DM.

Beschluß:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 724.156,32 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz wegen einer angeblich fehlerhaften Behandlung durch die Beklagte als Notärztin.

Am 07.11.1998 wurde von der Mutter des Klägers über eine Notfallrufnummer die Rettungsdienstleitstelle in R wegen einer Erkrankung des Klägers verständigt. Die im R Krankenhaus St. beschäftigte Beklagte war zu diesem Zeitpunkt zum "Notarztdienst" eingeteilt und wurde deswegen von dem Rettungseinsatz benachrichtigt. Sie traf um 15.00 Uhr mit dem Rettungswagen bei dem Kläger ein, wo sie bis 16.20 Uhr eine Notfallbehandlung durchführte und schließlich die Einweisung des Klägers in das R Krankenhaus der B veranlaßte. Der Kläger leidet nunmehr an einem ausgeprägten irreversiblen hvpoxämischen Hirnschaden und liegt seit dieser Zeit im Wachkoma.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe bei dem ärztlichen Noteinsatz verschiedene Behandlungsfehler begangen, die für seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen ursächlich geworden seien.

Die Beklagte hat ihre fehlende Passivlegitimation gerügt. Im übrigen hat sie den Vorwurf fehlerhafter Behandlung im Notfalleinsatz zurückgewiesen.

Das Landgericht Regensburg hat ohne Beweisaufnahme durch Endurteil vom 9. November 2000 die Klage abgewiesen, da die Beklagte als Notärztin in Ausübung eines öffentlichen Amtes gemäß § 839 Abs. 1 S. 2 BGB gehandelt habe und deswegen nach Art. 3a GG nicht persönlich in Anspruch genommen werden könne. Für die weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Mit der Berufung erstrebt der Kläger eine Abänderung des landgerichtlichen Urteils und die Verurteilung der Beklagten zu dem beantragten Schmerzensgeld und Schadensersatz. Er ist der Ansicht, die vom Landgericht vertretene Ansicht zur Passivlegitimation der Beklagten sei rechtsirrig, insbesondere beruhe sie auf einer Verkennung der einschlägigen Rechtsprechung des BGH. Im hoheitlichen Bereich sei lediglich die Organisation und Durchführung des Rettungswesens anzusiedeln, nicht jedoch die konkrete Tätigkeit des einzelnen Notarztes.

Der Kläger beantragt deswegen

1. Das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 9. November 2000 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 7. November 1998 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 53.385,98 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit Klagezustellung zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger beginnend am 1. Dezember 2000 bis auf weiteres monatlich jeweils zum Ersten eines Monats 2.236,46 DM zu zahlen.

5. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus der ärztlichen Fehlbehandlung am 7. November 1998 zu ersetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, auch hinsichtlich der Tätigkeit eines Notarztes im Rettungsdienst lägen die Voraussetzungen einer Amtshaftung im Sinne des Art. 34 GG vor. In Bayern sei der Rettungsdienst insgesamt öffentlich-rechtlich organisiert.

Nach Streitverkündung durch den Kläger ist der Rettungszweckverband R dem Rechtsstreit als Streithelfer des Klägers beigetreten. Auch der Beigetretene vertritt die Ansicht, daß der Notarzt keine hoheitliche Tätigkeit ausübe. vielmehr bediene sich die Streithelferin lediglich der Kassenärztlichen Vereinigung zur Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgabe. Auf die Auswahl und Bestimmung der Notärzte habe sie jedoch keinen Einfluß. Dies sei lediglich eine Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung und damit aus dem Zuständigkeitsbereich des Zweckverbandes ausgegliedert.

Für die weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung, die Berufungserwiderung sowie den Schriftsatz der Streithelferin Bezug genommen.

Beweis ist nicht erhoben worden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg, da die Beklagte in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig geworden ist, als sie im Rahmen einer Notfallrettung den Kläger behandelte. Ihr kommt somit das Privileg eines Amtsträgers im Sinne von Art. 34 GG zu.

Zur Überzeugung des Senats handelt ein Notarzt, der im Rahmen eines Rettungsdiensteinsatzes gelenkt von der im Bayerischen Rettungsdienstgesetz vorgesehenen Rettungsleitstelle tätig wird, bei seiner Notfallbehandlung öffentlich-rechtlich und ist als Amtsträger im Sinne von Art. 34 GG anzusehen.

Ersichtlich ist die Beklagte zwar nicht Beamtin. Art. 34 S. 1 GG knüpft aber nicht allein an den statusrechtlichen Beamtenbegriff an, den § 839 Abs. 1 S. 1 BGB verwendet, sondern konstituiert einen haftungsrechtlichen Beamtenbegriff. Entscheidend ist somit, daß die Beklagte in Ausübung eines öffentlichen Amtes, also hoheitlich tätig geworden ist. Zwar wurde die Beklagte nicht im Bereich klassischer Eingriffsverwaltung eingesetzt, jedoch handelt es sich bei einem Rettungsdiensteinsatz um einen Fall schlicht hoheitlicher Leistungsverwaltung, die vorliegend aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht in Form eines privaten Verwaltungshandelns sondern hoheitlich erfolgt ist. Die Organisation und Durchführung des Rettungsdienstes ist im Kern nämlich eine Aufgabe öffentlich-rechtlicher Daseinsvorsorge, die durch den Gesetzgeber sowohl öffentlich-rechtlich als auch privatrechtlich geregelt werden könnte. Lediglich in Randbereichen kann die Notfallrettung auch in den Bereich seiner Eingriffsverwaltung hinüberwechseln, wenn etwa eine Notbehandlung aus Gründen öffentlicher Sicherheit und Ordnung auch gegen den willen von in Not befindlichen Personen durchgeführt wird.

Daß in Wahrnehmung dieses Wahlrechts der Rettungsdienst als solcher in Bayern als Aufgabe der staatlichen Hoheitsverwaltung geregelt ist, wird durch das BayRDG in Art. 18 Abs. 1 S. 2 ausdrücklich klargestellt. Hier wird die Notfallrettung in Abgrenzung vom Krankentransport (mit Ausnahme desjenigen per Hubschrauber) als "ausschließlich öffentliche Aufgabe" bezeichnet. Der Gegenstand der hier genannten Notfallrettung ist in Art. 2 Abs. 1 BayRDG definiert: Notfallpatienten am Notfallort medizinisch zu versorgen sowie Sie unter fachgerechter Betreuung in eine für die weitere Versorgung geeignete Einrichtung zu befördern.

Die Einordnung des allgemeinen Rettungsdienstes in den Bereich öffentlich-rechtlichen Handelns ist somit aufgrund dieser ausdrücklichen gesetzgeberischen Qualifizierung, die zudem eine Zuweisung der Aufgaben an konkrete Körperschaften des öffentlichen Rechts konstituiert, nicht mehr zweifelhaft (insoweit allgemeine Meinung, vgl. etwa BGH NJW 1991, 2954; die Gegenansicht von Bloch NTW 1993, 1513ff ist vereinzelt geblieben).

Der Senat ist aber weiterhin der Auffassung, daß von dieser Zuweisung des allgemeinen Rettungsdiensteinsatzes zu öffentlich-rechtlichem Handeln auch die eigentliche Tätigkeit des Notarztes am Notfallort als Kern des staatlichen Auftrags der Daseinsvorsorge und Gefahrenabwehr erfaßt ist. Dieser Ansatz wird in der neueren Literatur befürwortet (vgl. Fehn/Lechleuthner, Medizinrecht 2000, Haff, 115f, 118; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Aufl., S. 35; Hausner, Medizinrecht 1994, 435, 436ff; Sörgel-Vinke, BGB, 12. Aufl., § 839 Rn. 92; so wohl auch weitere Teile der Literatur, die den Rettungsdienst ohne sachliche Einschränkung hoheitlicher Tätigkeit zurechnen, vgl. etwa Palandt-Thomas, BGB, 60. Aufl., § 839 Rn. 90, Rn. 1441).

Dem steht eine ältere Rechtsprechung des BGH entgegen (vgl. etwa BGH, Beschluß vom 26.10.1989, BGHR NRWRettG § 10 Notarzt 1; berichtend Engelhardt, NVWZ 1992, 1052ff, 1053), nach dem der Notarzt selber bei der Behandlung nicht als Amtsträger tätig wird. Entscheidend ist für diese Rechtsprechung eine scharfe Unterscheidung zwischen der als öffentlich-rechtlich qualifizierten Aufgabe des Rettungseinsatzes als solchem und einer davon zu unterscheidenden Tätigkeit des Notarztes im "Notarztdienst", die nach den Rettungsdienstgesetzen der Länder nicht geregelt und damit auch nicht einer hoheitlichen Tätigkeit zugeordnet sei.

Nach Auffassung des Senats steht jedoch einer solchen Trennung zwischen dem Rettungsdiensteinsatz einerseits und dem Notarztdienst andererseits die Fassung des BayRDG vom 8. Januar 1998 entgegen, in der durch die Legaldefinition des Begriffs der Notfallrettung in Art. 2 Abs. 1 ausdrücklich die "medizinische" Versorgung am Unfallort und damit deutlich erkennbar gerade auch die Tätigkeit des Notarztes in den Bereich der nach Art. 18 Abs. 1 S. 3 "ausschließlich" öffentlich-rechtlich wahrzunehmenden Aufgabe einbezogen ist. Insoweit ist vom Gesetzgeber inzwischen erkennbar auch eine exakte, funktionsbezogene Trennung zwischen "ausschließlich öffentlichen Aufgaben" und solchen Aufgaben vorgenommen worden, die je nach konkreter Gestaltung von der zuständigen Körperschaft öffentlich-rechtlich aber auch privatrechtlich erfüllt werden können. So ist etwa, wie wiederum die Legaldefinition in Art. 2 Abs. 2 i. V. m. Art. 18 Abs. 1 S. 3 BayRDG zeigt, der Krankentransport außerhalb einer Notfallrettung eine Aufgabe, die nicht als "ausschließlich öffentlich" qualifiziert worden ist.

An einer Auslegung des im BayRDG verwendeten Begriffs "medizinisch zu versorgen" dahingehend, daß darunter ausschließlich die Versorgung durch nichtärztliches Personal zu verstehen sei, sieht sich der Senat durch den Wortsinn und den funktionalen Zusammenhang der geregelten Tätigkeit gehindert. Zunächst wird mit dem im Gesetz verwendeten Begriff "medizinisch" immer die ärztliche Tätigkeit und allenfalls in Randbereichen unterstützende Leistungen nichtärztlichen Personals bezeichnet. Zum anderen steht im Zentrum der Funktionalität einer Notfallrettung regelmäßig die Tätigkeit des Notarztes, dessen effektiven Transport und dessen Unterstützung die Hilfsfunktion des Fahrpersonals und des Sanitätspersonals dienen. Diese faktisch vorgegebene Ordnung eines Notfalleinsatzes als einheitlichem Lebensvorgang wird vom BayRDG neben Art. 2 Abs. 1 auch in einer Vielzahl anderer Regelungen (vgl. etwa das Weisungsrecht des Notarztes, Art. 21 Abs. 2 BayRDG) abgebildet. Wenn aber funktional und begrifflich die notärztliche Tätigkeit im Zentrum der Notfallrettung steht und damit deren integraler Bestandteil ist, dann vermag der Senat eine Auslegung der Art. 2 Abs. 1, 18 Abs. 1 S. 3 nicht zu teilen, die zu einer unterschiedlichen rechtlichen Qualifizierung von Rettungsdienst als öffentlich-rechtlich und notärztlicher Tätigkeit als zivilrechtlich führen würde. Der Notarztdienst ist somit vom BayRDG zusammen mit der gesamten Notfallrettung über Art. 18 Abs. 1 S. 3 dem ausschließlich öffentlichen Bereich und damit hoheitlicher Tätigkeit zugewiesen.

Einer solchen Auslegung steht auch nicht mehr die Kompetenzzuweisung im Sozialgesetzbuch bzw. der Reichsversicherungsordnung entgegen. Seit der Neufassung von § 75 Abs. 1 SGB V ist der hier vorliegende Notfalleinsatz von einem Notdienst der Kassenärztlichen Vereinigung zu unterscheiden, der nunmehr allein noch unter den kassenärztlichen Sicherstellungsauftrag des Sozialgesetzbuchs gefaßt worden ist (vgl. Hess, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 75 SGB V Rn. 31). Soweit also die Kassenärztlichen Vereinigungen, wie dies in Bayern als Folge der Öffnungsklausel in § 75 Abs. 1 S. 2 letzter HS SGB V erfolgt ist, auch im Rahmen der Notfallrettung tätig werden, ist ihnen diese Aufgabe anders als der kassenärztliche Notdienst erst durch die Anordnung des landesrechtlichen Rettungsdienstgesetzes und nicht mehr durch das Sozialgesetzbuch bzw. die Reichsversicherungsordnung zugewachsen. Damit bestätigt die Neufassung von § 75 SGB V zur Überzeugung des Senats, daß lediglich der kassenärztliche Notdienst nicht hingegen die Beteiligung von Kassenärzten an der Notfallrettung eine Frage des kassenärztlichen Sicherstellungsauftrages im Rahmen der Gesundheitsvorsorge ist. Das Gesetz überläßt es vielmehr der sicherheitsrechtlichen Regelung der einzelnen Länder, ob sie die Notfallrettung unter Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung oder ohne diese regeln wollen. Diese nunmehr deutliche gesetzliche Regelung hat zur Überzeugung des Senats einer Auslegung die Grundlage entzogen, die eine Einordnung der Tätigkeit eines Notarztes in den Rettungsdienst deswegen ablehnen will, weil eine die landesrechtliche Kompetenz verdrängende Regelung dieser Tätigkeit im Sozialgesetzbuch erfolgt sei.

Insoweit hat der bayerische Gesetzgeber - wie oben dargestellt - die ihm eröffnete Kompetenz nunmehr in Art. 18 Abs. 1 S. 3, 2 Abs. 1 BayRDG genutzt, den Bereich der gesamten Notfallrettung einschließlich der notärztlichen Tätigkeit öffentlich-rechtlich zu regeln.

Dem widerspricht auch nicht Art. 21 BayRDG. Insoweit wird der Kassenärztlichen Vereinigung ein Sicherstellungsauftrag zugewiesen, der allerdings nur solche Notfallpatienten erfaßt, die einen Anspruch auf kassenärztliche Behandlung haben. Schon diese Beschränkung auf bestimmte Notfallpatienten zeigt, daß Art. 21 nicht als Norm aufgefaßt werden kann, die allgemein die Notfallrettung oder Notfallbehandlung durch den Notarzt zu einer Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung erhebt. Aber auch eine nach dem Wortsinn mögliche, wenngleich praktisch wenig sinnvolle Auslegung von Art. 21, daß Notfallpatienten aus dem Behandlungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung zivilrechtlich, andere Patienten aber öffentlich-rechtlich versorgt werden, hat der Gesetzgeber dadurch gesperrt, daß er einheitlich in Art. 18 die Zuweisung zum öffentlichen Recht angeordnet hat. Dem entspricht auch die weitere Regelung in Art. 21 Abs. 1 S. 1, der eine gemeinsame Verantwortung der Kassenärztlichen Vereinigung und eines zu bildenden Zweckverbands anordnet.

Diese Betrachtung wird nicht dadurch relativiert, daß die Gebietskörperschaften die nach Art. 18 Abs. 3 BayRDG die öffentliche Aufgabe der Notfallrettung durchführen, damit nach. Art. 19 BayRDG privatrechtliche Hilfsorganisationen betrauen können. Es handelt sich nämlich bei solchen möglichen Übertragungen um keine Durchbrechung des haftungsrechtlichen Beamtenbegriffs. Die Übertragung erfolgt nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung kraft öffentlich-rechtlichen Vertrags (Art. 19 Abs. 3 BayRDG) und entläßt den Staat aus seiner Verpflichtung zur Sicherstellung dieser öffentlichen Aufgabe nicht (vgl. etwa Art. 19 Abs. 1 S. 2 BayRDG). Zudem bleibt. die privatrechtliche Organisation in den öffentlichen Verband eingebunden, wie die detaillierten Regelungen über Leitstellen, Rettungswache, Vergütungen und Weisungsverhältnisse im BayRDG zeigen. Die im Bereich der Notfallrettung Tätigen sind folglich weiterhin funktionell in die beschriebene öffentliche Aufgabe eingeordnet und damit aufgrund ihrer Funktion unabhängig von ihrem Status haftungsrechtlich Beamte im Sinne von Art. 34 GG. Eine solche Betrachtung scheint auch schon deswegen sinnvoll, weil es ansonsten die jeweilige Gebietskörperschaft in der Hand hätte, über eine unterschiedliche Ausgestaltung der Organisation der Notfallrettung in ihrem Bereich die Amtshaftung zu verändern. Gerade dazu entfaltet die klare Anordnung von Art. 18 Abs. 3 BayRDG besondere Bedeutung, daß nämlich die Notfallrettung eine "ausschließlich" öffentliche Aufgabe ist.

Wenngleich es für dieses Ergebnis nicht mehr tragend sein kann, so ergänzt es die vorgestellte Argumentation, daß zur Überzeugung des Senats eine zufriedenstellende Erfassung der ärztlichen Notfallrettung mit Instituten des Zivilrechts nur schwer gelingt. Es erscheint bereits nicht zwanglos begründbar, daß der gesamte Rettungseinsatz öffentlich-rechtlich gefaßt ist, jedoch das ärztliche Handeln, auf das die gesamte Notfallrettung abzielt, dem Regime des Zivilrechts unterstellt wird. Dann bleibt ungeklärt, weshalb die Anordnung der Notfallrettung, die Bereitstellung des nichtärztlichen Personals und die Fahrt zum Notfallort hoheitlich und ohne auch nur fiktive Zustimmung des späteren Patienten erfolgt, die am Notfallort beginnende ärztliche Behandlung dann aber den Grundsätzen des Vertragsrechts unterliegen soll. wollte man also einen grundsätzlich zivilrechtlichen Ansatz verteidigen, dann wäre es wohl konsequent, schon den Beginn der Notfallrettung von einer - u. U. fiktiven - Zustimmung des Notfallopfers abhängig zu machen. Es liegt aber auf der Hand, daß eine solche Konstruktion deutlich in Widerspruch zu den oben geschilderten gesetzlichen Regelungen geriete.

Aber auch bei Anwendung zivilrechtlicher Grundsätze ausschließlich auf die Tätigkeit des Notarztes ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts nicht durchgängig eine zufriedenstellende Lösung. Lediglich in Fällen nämlich, in denen der Patient bei Bewußtsein und in seiner Geschäftsfähigkeit nicht eingeschränkt ist, kann mit einem ausdrücklich oder konkludent geschlossenen Vertrag gearbeitet werden. In den in Notfallsituationen strukturell häufigen Fällen fehlender Erklärungsfähigkeit des Notfallopfers versagt diese Konstruktion, so daß nunmehr eine Erfassung dieser Fälle mit dem Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag befürwortet wird. Dieser Einstieg ist schon deswegen mit erkennbaren Unsicherheiten befrachtet, weil nunmehr - jeweils unterschiedlich - bei einem niedergelassenen Arzt dieser selber und bei einem Krankenhausarzt der Träger des Krankenhauses als Geschäftsführer angenommen werden müßte, um einen Entgeltanspruch bei dem wirtschaftlich Berechtigten entstehen zu lassen.

Einer Anwendung des Instituts der Geschäftsführung ohne Auftrag stehen aber weiterreichend Bedenken deswegen entgegen, da deren Rechtsfolgen immer dann verdrängt werden, wenn Pflichten oder Ansprüche öffentlich-rechtlich geregelt sind (vgl. Staudinger-Wittmann, BGB, 13. Bearbeitung, vor § 677 Rn. 62). So richtet sich etwa nach allgemeiner Ansicht die Erstattung von Kosten für Einsätze der Feuerwehr nach Vorschriften des öffentlichen Rechts und nicht nach den begrifflich ebenfalls erfüllten Regeln einer Geschäftsführung ohne Auftrag. Auch aus dieser Sicht sprechen somit deutliche Hinweise dafür, daß der Gesetzgeber mit der Regelung der gesamten Notfallrettung als öffentliche Aufgabe auch den deren Kern darstellenden ärztlichen Einsatz nicht einer zivilrechtlichen Regelung mit Leistungen, Pflichten und Gegenleistungen nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag unterstellen wollte. Diese Sicht wird bestärkt dadurch, daß die Art. 25, 21 BayRDG ausdrückliche Regelungen für Entgelte bzw. deren Festlegung im Rettungsdienst enthalten und insoweit jedenfalls die Anwendung von Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag sperren.

Ist aber sowohl der Rettungsdiensteinsatz als solcher öffentlich-rechtlich geregelt als auch die Frage der Entgelte zumindest teilweise öffentlich-rechtlich gefaßt, so bleibt kaum mehr ein relevanter Anwendungsbereich für die Geschäftsführung ohne Auftrag.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 97 Abs. 1 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Beschwer wurde nach § 546 Abs. 2 S. 1 ZPO festgesetzt und richtet sich nach den §§ 3, 9 ZPO.

Ende der Entscheidung

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