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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 18.11.2009
Aktenzeichen: 5 W 2094/09
Rechtsgebiete: EuMVO, VV-RVG


Vorschriften:

EuMVO Art. 17 Abs. 1
VV-RVG Nr. 3100
VV-RVG Nr. 3101
Der Einspruch gegen einen Europäischen Zahlungsbefehl lässt die volle Verfahrensgebühr für den Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners entstehen.
Oberlandesgericht Nürnberg

Az.: 5 W 2094/09

In Sachen

wegen Forderung

hier: Kostenfestsetzungsbeschwerde

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg -5. Zivilsenat- durch den Richter am Oberlandesgericht Redel als Einzelrichter am 18.11.2009 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. September 2009 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1.099,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Berlin-Wedding erließ am 13. März 2009 als Europäisches Mahngericht antragsgemäß einen europäischen Zahlungsbefehl, der der Beklagten am 20. März 2009 zugestellt wurde. Am 25. März 2009 legte ihr Verfahrens bevollmächtigter hiergegen Einspruch ein. Am 5. Mai 2009 gab das Mahngericht die Sache nach Art. 17 Abs. 1, 3 EuMVO i. V. m. § 1090 Abs. 2 ZPO an das Landgericht Nürnberg-Fürth ab, das der Kläger auf Anfrage als zuständiges Prozessgericht bezeichnet hatte. Am 9. Juni 2009 ging die Anspruchsbegründung beim Landgericht Nürnberg-Fürth ein. Dieses ordnete am selben Tag die Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens an und wies den Kläger zugleich auf das Fehlen der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte hin. Die Anspruchsbegründung wurde dem Beklagtenvertreter am 16. Juni 2009 zugestellt. Am 24. Juni 2009 ging die Klagerücknahme beim Landgericht ein. Am 2. Juli 2009 ordnete das Landgericht an, dass der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat (§ 269 Abs. 3 ZPO).

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17. September 2009 hat das Landgericht die der Beklagten vom Kläger zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 1.099,00 € festgesetzt. Dabei ist es vom Anfall einer 1,3 Gebühr nach Nr. 3100 VV-RVG ausgegangen. Gegen diesen ihm am 21. September 2009 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 2. Oktober 2009 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er die Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses erreichen will. Er macht vor allem geltend, der Beklagtenvertreter habe allenfalls eine 0,8 Gebühr nach Nr. 3101 VV-RVG verdient. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift vom 2. Oktober 2009 verwiesen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3 S. 1, §§ 567 ff. ZPO), hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Der Beklagtenvertreter hat eine volle 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG verdient, weil er nicht nur im Mahnverfahren, sondern auch im Streitverfahren tätig geworden ist und vor Beendigung des Mandats einen Schriftsatz eingereicht hat, der einen verfahrenseinleitenden Antrag im Sinne der Nr. 3101 Nr. 1 VV-RVG enthalten hat.

1. Die Verfahrensgebühr ist mit dem Beginn der auftragsgemäßen Tätigkeit des Beklagtenvertreters - zunächst in Höhe einer 0,8 Gebühr (Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG 18. Auflage VV 3100 Rdnr. 43) - entstanden. Insoweit genügt nach der Klarstellung in der Vorbemerkung 3 Abs. 2 zum VV-RVG die Entgegennahme von Informationen durch den Rechtsanwalt. Der Beklagtenvertreter hat daher spätestens mit der Kenntnisnahme von der Anspruchsbegründung eine Verfahrensgebühr verdient. Bereits vorher hatte er mit Telefaxschreiben vom 4. Mai 2009 geltend gemacht dass die Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth für ihn nicht nachvollziehbar sei.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten auch hinreichend dargetan, dass ihm Prozessauftrag erteilt war. Wegen der noch zu erörternden Besonderheiten des Europäischen Mahnverfahrens ist eine Beschränkung auf die Vertretung im Mahnverfahren auf Schuldnerseite kaum vorstellbar.

2. Die Verfahrensgebühr ist in voller Höhe erwachsen, weil der Einspruch gegen den europäischen Zahlungsbefehl als Verfahrens einleitender Antrag im Sinne der Nr. 3101 Nr. 1 VV-RVG bewertet werden muss.

a) Nach einhelliger Meinung genügt zwar nicht der Widerspruch des Schuldnervertreters gegen den Mahnbescheid wohl aber sein Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens nach § 696 Abs. 1 ZPO, um als verfahrenseinleitender Antrag in diesem Sinne die volle 1,3 Gebühr anfallen zu lassen (OLG Düsseldorf JB 2004, 195, OLG Jena JB 2000, 472; Bischof, RVG 3. Auflage Nr. 3101 VV Rdnr. 31 und Nr. 3307 VV Rdnr. 31; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe a. a. O. VV 3305 Rdnr. 53 f. je m. w. N.). Der Beklagtenvertreter hat hier allerdings keinen Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens gestellt, sondern nur Einspruch gegen den Zahlungsbefehl eingelegt.

Andererseits ist anerkannt, dass der Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid als verfahrenseinleitender Antrag im Sinne der Nr. 3101 Nr.1 VV-RVG die volle 1,3 Verfahrensgebühr entstehen lässt (OLG München JB 1992, 325; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe a. a. O.).

b) Der Einspruch gegen einen Europäischen Zahlungsbefehl entspricht eher dem Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid als dem Widerspruch gegen einen Mahnbescheid. Auch er lässt daher die volle 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG, nicht nur die 0,8 Gebühr nach Nr. 3101 VV-RVG entstehen.

Das Europäische Mahnverfahren ist einstufig (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 30. Auflage, § 1090 Rdnr. 9). Der Erlass des Zahlungsbefehls ist die einzige in der EuMVO vorgesehene Sachentscheidung. Es gibt danach keinen "Europäischen Vollstreckungsbefehl". Wenn der Schuldner nicht rechtzeitig Einspruch einlegt, erklärt das Europäische Mahngericht den Zahlungsbefehl nach Art. 18 EuMVO für vollstreckbar. Aus ihm findet nach § 1093 ZPO ohne weiteres die Zwangsvollstreckung statt. Der Europäische Zahlungsbefehl ist in § 794 Abs. 1 Nr.6 ZPO, der Vollstreckungsbescheid in § 794 Abs. 1 Nr.4 ZPO als Vollstreckungstitel aufgeführt. Er erwächst in Rechtskraft (Musielak/Voit, ZPO 7. Aufl. §§ 1087 ff. Vorbem. Rdnr. 4).

Auch die Bezeichnung und Wirkungsweise des gegen den Europäischen Zahlungsbefehl einerseits und den Vollstreckungsbescheid andererseits vorgesehenen Rechtsbehelfs ist identisch. Beide werden vom Gesetz Einspruch genannt (Art 16 Abs. 1 EuMVO einerseits, § 700 Abs.1 i. V. m. § 338 ZPO andererseits). Der Einspruch gegen den Zahlungsbefehl führt nach § 1090 Abs. 2 ZPO wie der Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid nach § 700 Abs. 3 ZPO ohne weiteres von Amts wegen zur Abgabe an das Streitgericht (Musielak/Voit, a. a. O. Rdnr. 3), wenn der Gläubiger nicht beantragt hat, in diesem Fall das Verfahren zu beenden (Art. 17 Abs.1 EuMVO a. E.). Auch der Einspruch gegen den Zahlungsbefehl ist die notwendige aber auch hinreichende Bedingung für den Übergang in das streitige Verfahren. Ein anderer verfahrenseinleitender Antrag ist im Gesetz nicht vorgesehen. Die Anspruchsbegründung des Gläubigers kommt insoweit nicht in Betracht, da bei ihrem Eingang das Streitverfahren bereits rechtshängig ist (§ 1090 Abs. 3 ZPO), also nicht mehr eingeleitet werden kann.

c) Der Senat verkennt nicht, dass der für den Rechtsanwalt mit der Einlegung eines Einspruchs gegen einen Europäischen Zahlungsbefehl verbundene Arbeitsaufwand im Verhältnis zu anderen verfahrenseinleitenden Anträgen wie etwa einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung relativ gering ist. Der Umfang des Arbeitsaufwands ist aber nach dem Gesetzestext für die Abgrenzung zwischen den Nrn. 3100 und 3101 VV-RVG unerheblich. Die vom Gesetzgeber angeordnete Gleichstellung aller verfahrenseinleitenden Anträge ist hinzunehmen (LG München I JB 2005, 540).

3. Die Verfahrens gebühr ist auch in vollem Umfang erstattungsfähig, da der Einspruch zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war (§ 91 ZPO). Wie dargelegt gab es für den Beklagten keinen anderen Weg, um die drohende Zwangsvollstreckung aus dem Zahlungsbefehl zu verhindern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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