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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 11.04.2005
Aktenzeichen: 5 W 262/05
Rechtsgebiete: RVG


Vorschriften:

RVG § 2 Abs. 2 S. 1
RVG VV 3100
Im Geltungsbereich des neuen RVG löst eine bei Gericht eingereichte Schutzschrift in der Regel eine volle Verfahrensgebühr aus (1,3 Gebühr gem. VV 3100), wenn der Gegner später einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellt.

Dies gilt nur dann nicht, wenn die Schutzschrift auf Grund eines Auftrags zu einer reinen Einzeltätigkeit und damit nicht auf Grund einer generellen Beauftragung für ein zukünftiges einstweiliges Verfügungsverfahren gefertigt und eingereicht wird (in diesem Fall 0,8 Verfahrensgebühr gem. VV 3403).


Nürnberg, den 11.04.2005

5 W 262/05

In Sachen

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 5. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1) wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Regensburg vom 16.12.2004 abgeändert.

Die von dem Antragsteller der Antragsgegnerin zu 1) zu erstattenden Kosten werden auf 532,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.09.2004 festgesetzt.

II. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den o.g. Beschluss wird zurückgewiesen.

III. Der Antragsteller trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.

IV. Der Beschwerdewert beträgt 532,90 Euro.

V. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrte beim Landgericht Regensburg mit am selben Tag eingegangenem Schriftsatz vom 13.09.2004 den Erlass einer einstweiligen Verfügung, durch die den beiden Antragsgegnerinnen das Betreten des Grundstücks und der Räume eines vormals gepachteten Hotels untersagt werden sollte. Die Antragsgegnerin zu 1) war die Verpächterin des Hotels, die Antragsgegnerin zu 2) ist eine Grundstücksnachbarin.

Bereits am 10.09.2004 hatte die Antragsgegnerin zu 1) beim Landgericht eine Schutzschrift in dieser Angelegenheit eingereicht.

Das Landgericht vermerkte auf dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung das Vorhandensein der Schutzschrift, stellte fest, dass eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht veranlasst sei und bestimmte Termin auf 27.09.2004. Am 22.09.2004 wurde der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgenommen. Mit Beschluss vom 27.09.2004 wurden dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Am 10.09.2004 hatte die Ehefrau des Antragstellers beim Amtsgericht Kelheim den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, wonach die hiesige Antragsgegnerin zu 1) verpflichtet werden sollte, der dortigen Antragstellerin den Zugang zum Hotel zu verschaffen und die neuen Schlüssel auszuhändigen. Eine entsprechende einstweilige Verfügung wurde noch am selben Tag vom Amtsgericht erlassen.

Im Anschluss an diese einstweilige Verfügung findet sich in den - Akten dieselbe Schutzschrift der Antragsgegnerin wie im hiesigen Verfahren, die deren Prozessbevollmächtigter - allerdings im Hinblick auf einen möglichen Antrag des hiesigen Antragstellers - auch zum Amtsgericht Kelheim eingereicht hatte. Gegen die dortige einstweilige Verfügung legte die Antragsgegnerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, Widerspruch ein. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht erklärten die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. Das Amtsgericht erlegte in seinem Beschluss nach § 91 a ZPO der Verfügungsklägerin die Kosten des Verfahrens auf, da diese nicht Pächterin des Objekts gewesen sei. Das Verfahren wurde mit Verfahrens- und Terminsgebühr abgerechnet.

Im hiesigen Verfahren verlangt die Antragsgegnerin zu 1) aufgrund der eingereichten Schutzschrift eine Verfahrensgebühr gemäß VV 3100 RVG. Dem tritt der Antragsteller mit dem Argument entgegen, die Schutzschrift sei bereits Gegenstand des amtsgerichtlichen Verfahrens gewesen, sie könne deshalb nicht auch noch im landgerichtlichen Verfahren eine Verfahrensgebühr auslösen. Allenfalls stehe der Antragsgegnerin eine 0,8 Gebühr zu.

Die Rechtspflegerin beim Landgericht Regensburg hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16.12.2004 der Antragsgegnerin zu 1) eine 0,8 Verfahrensgebühr gemäß VV 3403 RVG für die Fertigung und Einreichung der Schutzschrift zuerkannt. Auf die Gründe des Beschlusses wird verwiesen. Gegen diesen Beschluss haben die Antragsgegnerin zu 1), die weiterhin eine 1,3 Gebühr verlangt, und der Antragsteller, nach dessen Meinung eine Verfahrensgebühr überhaupt nicht angefallen ist, fristgerecht sofortige Beschwerden eingelegt.

II.

1. Beide sofortigen Beschwerden sind zulässig.

Zwar liegt die Beschwer der Antragsgegnerin zu 1) unter 200,00 Euro - beantragt wurden 532,90 Euro, festgesetzt wurden demgegenüber 336,86 Euro -. Das Nichterreichen der an sich nötigen Beschwerdesumme (§ 567 Abs. 2 ZPO) macht das Rechtsmittel jedoch nicht unzulässig. Da der Wert der Beschwerde des Antragstellers die Beschwerdesumme erreicht, ist nämlich die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1) als Anschlussbeschwerde zu werten, für die wiederum die Beschwerdesumme ohne Bedeutung ist (vgl. zum Ganzen: Thomas -Putzo/Hüßtege, ZPO, 26. Aufl., § 104, Rdnr. 45 und Thomas-Putzo/Reichold, § 567, Rdnr. 22).

2. Die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1) ist begründet, die des Antragstellers dagegen unbegründet.

Der Antragsgegnerin zu 1) steht eine 1,3 Verfahrensgebühr gemäß VV 3100 RVG zu.

a) Die Antragsgegnerin zu 1) hat glaubhaft dargetan, dass sie ihrem anwaltlichen Vertreter einen umfassenden Auftrag zur Vertretung in einem möglichen einstweiligen Verfügungsverfahren erteilt hat. Damit kommen die Gebühren nach VV 3100 f. und nicht die nach VV 3403 f. RVG zur Anwendung; denn VV 3403 wäre - als Auffangtatbestand - nur einschlägig, wenn eine reine Einzeltätigkeit - hier: Fertigung und Einreichung der Schutzschrift - beauftragt worden wäre. Dies wäre z.B. der Fall gewesen, wenn sich die Antragsgegnerin im eigentlichen Verfügungsverfahren von einem anderen Rechtsanwalt hätte vertreten lassen wollen (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl., Teil D II "Einstweiliger Rechtsschutz", Anhang, Rdnr. 199). Für einen solchen Einzelauftrag ist im Streitfall nichts ersichtlich. Umgekehrt zeigt vielmehr die Vertretung der Antragsgegnerin zu 1) im einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Amtsgericht Kelheim durch denselben Rechtsanwalt, dass sich die Antragsgegnerin im Rahmen der Auseinandersetzungen um das Hotel umfassend von derselben Kanzlei vertreten ließ.

b) Der Antragsgegnerin steht eine volle Verfahrensgebühr gemäß VV 3100 RVG zu.

Im Gegensatz zum früheren Recht löst eine Schutzschrift nach neuem Gebührenrecht eine volle Gebühr aus. Hing im Geltungsbereich der BRAGO die Entstehung einer vollen Gebühr davon ab, ob man den in einer Schutzschrift regelmäßig enthaltenen Antrag auf Zurückweisung eines eventuellen Antrags auf einstweilige Verfügung als Sachantrag auffasste (so in der Rechtsprechung insbesondere OLG Koblenz, JurBüro 90, 1160 f.), oder nicht (so die herrschende Meinung, vgl. BGH NJW 03, 1257 f = JurBüro 03, 369 f. m.w.N.), so kommt es nach den Bestimmungen des jetzt gültigen RVG auf eine Antragstellung nicht mehr unbedingt an. Ausreichend für den Anfall der vollen Gebühr ist nämlich nun auch ein Sachvortrag in einem eingereichten Schriftsatz (Argument aus VV 3101 Ziff. 1). Der Gesetzgeber hat bewusst den Antrag nicht mehr als ausschlaggebend erachtet, weil "kein Grund ersichtlich" sei, weshalb bei Einbringung von Sachvortrag nicht auch ohne ausdrückliche Antragstellung die volle Verfahrensgebühr anfallen solle (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs zum RVG, Bundestagsdrucksache 15/1971, S. 211).

Da im Streitfall ein umfangreicher Sachvortrag in der Schutzschrift enthalten ist, ist die volle Gebühr angefallen (so auch Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Rdnr. 202; anderer Ansicht: Göttlich/Mümmler/Reberg, RVG, 1. Aufl., "Schutzschrift", der sich aber wiederum nur mit der Qualifizierung des "Antrags" beschäftigt).

3. Die volle Verfahrensgebühr entfällt auch nicht deshalb, weil die Schutzschrift bereits in einem anderen Verfahren eine Gebühr ausgelöst hätte und gebührenrechtlich verbraucht wäre.

Zum einen fehlt es schon an der Parteiidentität in den Verfahren vor dem Amtsgericht Kelheim und dem Landgericht Regensburg. Zum anderen war die Schutzschrift beim Amtsgericht Kelheim gerade nicht im Hinblick auf eine mögliche einstweilige Verfügung der Ehefrau des hiesigen Antragstellers eingereicht worden. Sie beschäftigte sich dementsprechend mit einem Pachtvertrag, den der Ehemann der dortigen Antragstellerin mit der Antragsgegnerin zu 1) geschlossen hatte. Die Schutzschrift wurde auch erst nach dem Erlass der einstweiligen Verfügung und - mangels Parteiidentität - offenbar aus Informationsgründen zu den Akten genommen. Die Verfahrens- und Terminsgebühr im einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Amtsgericht Kelheim fielen aufgrund des Widerspruchs und der Wahrnehmung des Termins der mündlichen Verhandlung an. Für dieses Verfahren war der Rechtsanwalt auch erst am 13.09.2004 mandatiert worden.

Nur am Rande sei in diesem Zusammenhang noch darauf hingewiesen, dass im Gegensatz zur Argumentation in der Schutzschrift es dem Amtsgericht bei seiner Kostenentscheidung auch nicht darauf ankam, ob aufgrund eines - früheren - Pachtverhältnisses noch ein Besitzrecht bestünde oder nicht, sondern das Amtsgericht stützte seine Entscheidung darauf, dass die dortige Antragstellerin die Pächterin des Objektes war.

Nach alledem sind der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Regensburg abzuändern und die der Antragsgegnerin zu 1) zu erstattenden Kosten antragsgemäß festzusetzen. Das diesbezügliche Rechenwerk der Antragsgegnerin zu 1) ist zutreffend und rechnerisch von dem Antragsteller auch nicht bestritten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Beschwerdewert ergibt sich aus § 5 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 3 ZPO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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