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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 22.12.2000
Aktenzeichen: 6 U 1604/00
Rechtsgebiete: GmbHG, BGB


Vorschriften:

GmbHG § 35 Abs. 1
GmbHG § 56 Nr. 5
BGB § 130
1. Die Kündigung des Anstellungsverhältnisses eines GmbH Geschäftsführers kann wie dessen Abberufung nur durch die Gesellschafterversammlung erfolgen.

2. Der gekündigte Gesellschaftergeschäftsführer kann sich nicht darauf berufen, daß die für die Mehrheitsgesellschafterin in der Geschäftsversammlung abstimmende Geschäftsführerin ihre Vertretungsmacht überschritten habe.

3. Fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse werden für den Gesellschaftergeschäftsführer verbindlich, wenn er sie nicht alsbald anficht.

4. Eine Kündigung ist dem Gesellschaftergeschäftsführer spätestens dann zugegangen, wenn er das den Kündigungsbeschluß dokumentierende Protokoll der Gesellschafterversammlung unterschreibt. Einer Beurkundung des Beschlusses bedarf es zu seiner Wirksamkeit nicht.


Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

6 U 1604/00 1 O 25/00 LG Weiden

Verkündet am 22. Dezember 2000

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In Sachen

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8.12.2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Weiden vom 10.3.2000 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,- DM vorläufig abzuwenden, soweit nicht die Beklagte vorab Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann durch selbstschuldnerische unbefristete Bankbürgschaft geleistet werden.

IV. Die Beschwer des Klägers beträgt 100.923,18 DM.

Beschluß:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 100.923,18 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger macht Gehaltsansprüche aus einem Geschäftsführervertrag für den Zeitraum Juli 1999 bis einschließlich Dezember 1999 geltend.

Mit Vertrag vom 22.2.1984 wurde der Kläger als technischer und kaufmännischer Leiter und mit Nachtrag vom 1.7.1985 als Geschäftsführer der Beklagten neben dem damaligen geschäftsführenden Gesellschafter Dr. H U S bestellt. Nach dem Tod des Dr. S wurde dessen Ehefrau H S zweite Geschäftsführerin der Beklagten. Sie war zusammen mit dem Kläger auch Geschäftsführerin der G V GmbH.

Durch Rücktritt des Klägers wurde Frau S zur alleinigen Geschäftsführerin der G V GmbH. Das Stammkapital der Beklagten beträgt 1 Million DM, an diesem sind der Kläger zu 25 % und die G V GmbH zu 75 % beteiligt.

Im Jahr 1998 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen dem Kläger und Frau S. Frau S ließ daraufhin durch den von ihr bevollmächtigten Rechtsanwalt K mit Schreiben vom 13.11.1998 namens der Beklagten dem Kläger die ordentliche Kündigung des mit der Beklagten abgeschlossenen Geschäftsführervertrags zum 31.5.1999 aussprechen und zugleich eine Gesellschafterversammlung der G GmbH für Dienstag 24.11. einberufen mit der Tagesordnung: "Dort soll Ihre Abberufung als Geschäftsführer beschlossen werden."

Der Kläger nahm an der Gesellschafterversammlung vom 24.11.1998 teil, ebenso Frau S als Geschäftsführerin und Vertreterin der Mehrheitsgesellschafterin G V GmbH. In der Versammlung stellte Frau S als Geschäftsführerin der G V GmbH den Antrag: "Der Geschäftsführer B wird mit sofortiger Wirkung abberufen. Sein Dienstvertrag wird - in Wiederholung - zum 31.5.1999 gekündigt." Der Antrag wurde bei Stimmenthaltung des Klägers mit den von Frau S abgegebenen Stimmen der Mehrheitsgesellschafterin angenommen. Das Versammlungsprotokoll wurde von Frau S für die Beklagte und dem Kläger unterzeichnet. Eine förmliche Feststellung des Beschlusses enthält das Protokoll nicht. Mit Schreiben vom 21.12.98 ließ Frau S durch Rechtsanwalt K für die G GmbH hilfsweise und erneut die Kündigung des Dienstvertrags, diesmal zum 30.6.1999 erklären. Die Gesellschafter der G V GmbH genehmigten durch einen im Juli 1999 im Umlaufverfahren gefaßten Gesellschafterbeschluß das Handeln der Geschäftsführerin S.

Am 2.12.1998 hatte der Kläger gegen die Beklagte und die G V GmbH beim Arbeitsgericht Weiden Klage erhoben mit dem Antrag, festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten ungekündigt fortbestehe, da die Kündigungsfrist nicht eingehalten und die Kündigung sozial nicht gerechtfertigt sei. Das Arbeitsgericht erklärte sich mit Beschluß vom 11.2.1999 für unzuständig und verwies die Sache an das Landgericht Weiden. Daraufhin nahm der Kläger seine Klage zurück.

Bis einschließlich Juni 1999 wurde dem Kläger das vereinbarte monatliche Gehalt ausbezahlt.

Der Kläger, der die Auffassung vertritt, der Geschäftsführervertrag sei nicht wirksam gekündigt, hat deshalb Klage zum Landgericht Weiden erhoben und für den Zeitraum April bis Juni 1999 Sonderzahlungen in Höhe von insgesamt 1.476,- DM sowie das erhöhte Bruttogehalt für Juli bis einschließlich September 1999 in Höhe von 15.031,- DM monatlich geltend gemacht. Darüberhinaus verlangt der Kläger für diesen Zeitraum Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen, Entschädigung für Pkw-Benützung und Zuschüsse zur Renten- und Krankenversicherung. Die Beklagte hat im schriftlichen Vorverfahren vor dem Erstgericht den Klageanspruch in Höhe des Teilbetrags von 1.476,- DM anerkannt, insoweit ist ein Teilanerkenntnisurteil gegen die Beklagte ergangen. Die weitergehende Klage hat das Landgericht abgewiesen, da die Kündigung zum 30.6.1999 wirksam gewesen sei. Zwar sei die erste Kündigung vom 13.11.98 - da ohne Gesellschafterbeschluß erfolgt - unwirksam. Eine wirksame Kündigung sei aber in der Gesellschafterversammlung vom 24.11.98 erfolgt.

Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers. Dieser macht geltend, der Gesellschafterbeschluß sei unwirksam, soweit er die Kündigung ausspreche, da die Ladung zur Versammlung als Tagesordnung lediglich die Abberufung nicht aber die Kündigung des Klägers nenne. Die Kündigung sei im übrigen unwirksam, weil Frau S ihre Befugnis überschritten habe, da Voraussetzung für die Kündigung des Klägers ein einstimmig gefaßter Gesellschafterbeschluß der G V GmbH gewesen sei. Dies ergebe sich zwar nicht aus der Satzung, wohl aber aus ihrem Geschäftsführervertrag. Der Gesellschafterbeschluß sei im übrigen nicht förmlich festgestellt worden. Die Kündigung vom 21.12.98 sei mangels zugrundeliegenden Gesellschaftsbeschlusses ebenfalls unwirksam. Er könne deshalb seine Geschäftsführerbezüge jedenfalls für Juli bis Dezember 1999 weiterverlangen und beantragt daher, die Beklagte unter Abänderung des Ersturteils zur Zahlung von 100.923,18 DM nebst 4 % Zinsen aus 102.399,18 DM seit 17.10.1999 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung.

Sie ist der Auffassung, die Kündigung sei wirksam, der Gesellschafterbeschluß vom 24.11. sei ordnungsgemäß, jedenfalls könne sich der Kläger auf ein fehlerhaftes Beschlußverfahren nicht berufen, da er den Beschluß nicht angefochten habe, sein Einspruch sei im übrigen verwirkt.

Der Senat hat keinen Beweis erhoben.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze mit den übergebenen Unterlagen, das Ersturteil, das Teilanerkenntnisurteil vom 29.2.2000 (Bl. 20 d.A), die Niederschriften vom 10.3.2000 und 8.12.2000.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet, da ihm aufgrund wirksamer Kündigung der Beklagten für die Zeit ab 30.6.1999 keine Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis bei der Beklagten mehr zustehen.

I.

Die Kündigung vom 13.11.1998 war allerdings unwirksam. Nicht nur die Abberufung des Geschäftsführers als Organ der GmbH, sondern auch die Kündigung des Anstellungsverhältnisses zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer bedürfen eines Gesellschafterbeschlusses. Die geschäftsführende Gesellschafterin Frau S überschritt dadurch ihre Vertretungsmacht (§ 35 Abs. 1 GmbHG), da die Kündigung in die Annexkompetenz der Gesellschafterversammlung gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG fällt (BGH ständige Rechtsprechung z.B. in GmbHR 98, 278 m.w.N.).

II.

Wirksam wurde dagegen die ordentliche Kündigung in der Gesellschafterversammlung vom 24.11.1998 ausgesprochen.

1) Der Gesellschafterbeschluß vom 24.11.1998 ist wirksam.

a) Nichtigkeitsgründe (vgl. hierzu Hutter/Hommelhoff GmbHG, 15. Aufl., Anhang § 47 Rnr. 10 ff) sind nicht gegeben. Nichtigkeitsbedrohte Ladungs- und Einberufungsmängel sind nicht ersichtlich. Die Geschäftsführerin der Beklagten durfte die Versammlung einberufen (§ 49 Abs. 1 GmbHG). Eine etwaige fehlerhafte Mitteilung des Versammlungszwecks (§ 41 Abs. 2 GmbHG) führt lediglich zur Anfechtbarkeit.

b) Dahinstehen kann, ob die G V GmbH - die Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten - einen Beschluß über die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten gefaßt hatte. Selbst wenn Frau S als Geschäftsführerin durch ihren Antrag in der Gesellschafterversammlung der Beklagten ihre Vertretungsmacht überschritten hätte, ändert dies nichts daran, daß durch sie die G V GmbH bei der Gesellschafterversammlung ordentlich vertreten war und damit ein Nichtigkeitsgrund entsprechend § 241 AktienG nicht vorlag.

c) Der Abberufungs- und Kündigungsbeschluß ist auch nicht mangels Beurkundung (analog § 241 Nr. 2 AktienG) nichtig. Beschlüsse von GmbH-Gesellschafterversammlungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit grundsätzlich keiner Beurkundung - gesetzliche Ausnahmefälle liegen hier nicht vor (vgl. Hutter/Hommelhoff a.a.O., § 48 Rnr. 9) -.

2) Der Kläger muß den Gesellschafterbeschluß gegen sich gelten lassen, da er ihn nicht angefochten hat. Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß Gesellschafterbeschlüsse endgültig verbindlich sind, wenn sie nicht von einem Gesellschafter innerhalb einer am Leitbild des § 246 AktienG orientierten kurzen Frist angefochten werden (BGH GmbHR 99, 714 m.w.N.).

3) Die Kündigung ist dem Kläger auch zugegangen. Die Kündigung als Gestaltungsrecht ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., Überblick vor § 104 Rnrn. 11, 17). Der Zugang der Willenserklärung ist hier darin zu sehen, daß die Kündigung von der GmbH-Gesellschaft in der Versammlung in Anwesenheit des Klägers als Gesellschaftergeschäftsführer beschlossen wurde und der Beschluß dem Kläger bekannt gemacht wurde. Er hat das Protokoll selbst unterzeichnet. Damit war die Kündigung ihm gegenüber wirksam ausgesprochen (§ 130 BGB). Die Gesellschafterversammlung ist insoweit auch gegenüber dem Geschäftsführer das für die Vertretung zuständige Organ (§ 46 Nr. 5 GmbHG, vgl. auch Hutter/Hommelhoff, a.a.O., Anhang § 6 Rnr. 52).

4) Die Kündigung war formfrei möglich. Mangels vertraglicher Vereinbarung bedurfte sie nicht der Schriftform (§ 127 BGB; vgl. Palandt/Putzo, BGB, a.a.O., Vorbemerkung § 620 Rnr. 30). Zwar ist in der unter dem 1.7.1985 ausgefertigten Ergänzung zum Anstellungsvertrag vom 22.2.1984 aufgeführt: "Änderungen dieses Vertrags bedürfen der Schriftform". Die Schriftformklausel bezieht sich aber nicht auf, die Kündigungserkärung, da die Kündigung keine Vertragsänderung sondern die Ausübung eines vertragsgemäßen Gestaltungsrechts darstellt.

5) Ob die Gesellschafter der Mehrheitsgesellschafterin G V GmbH der Kündigung durch Gesellschafterbeschluß zugestimmt haben und die Geschäftsführerin dieser GmbH - Frau S - durch ihr Abstimmungsverhalten in der Gesellschafterversammlung möglicherweise ihr Vertretungsrecht für die Mehrheitsgesellschafterin überschritt, ändert an der Wirksamkeit der Kündigung nichts - unbeschadet der vom Kläger aufgeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH WM 88, 705, BGH NJW 62, 1344, BGHZ 38, 26 ff) -. Der Kläger, der gegenüber der G V GmbH als Dritter anzusehen ist, kann sich auf einen Vertretungsmangel der Geschäftsführerin S gegenüber dieser G V GmbH nicht berufen (§ 37 Abs. 2 Satz 1 GmbG). Der Gesellschafterbeschluß vom 24.11.98 ist andererseits deshalb wirksam geworden, weil er weder von der Mehrheitsgesellschafterin oder ihren Gesellschaftern, noch vom Beklagten angefochten worden ist.

6) Die Kündigung ist zum 30.6.1999 wirksam geworden, da an diesem Termin die vertragliche Kündigungsfrist bei ordentlicher Küdigung auslief, wenn der Kündigungszeitpunkt der 24.11.1998 war.

Unschädlich ist, daß die Kündigung als Beendigungstermin den 30.5.1999 statt den 30.6. nannte. Die Beklagte wollte eine ordentliche Kündigung aussprechen. Dies zeigt die Bezugnahme auf das Schreiben vom 13.11.98 im Protokoll vom 24.11.98 durch die Formulierung: "Sein Dienstvertrag wird - in Wiederholung - zum 31.5.1999 gekündigt". Dies war auch dem Kläger klar (siehe seine Klage vor dem Arbeitsgericht). Die Angabe eines verfrühten Zeitpunkts macht die ordentliche Kündigung nicht unwirksam. Eine ordentliche Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis zum vertraglichen Zeitpunkt, möglicherweise zu einem späteren im Kündigungsschreiben angegebenen Termin. Ein verfrühter Termin macht die Kündigung nicht gegenstandslos, sie wirkt zum richtigen Termin (vgl. Palandt/Putzo a.a.O., § 622 Rnr. 13).

III.

Nebenentscheidungen:

Kosten: § 97 ZPO.

Vollstreckbarkeit: § 708 Nr. 10 ZPO.

Abwendungsbefugnis: § 711 ZPO.

Beschwer: § 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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