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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 02.02.2005
Aktenzeichen: 6 U 2921/04
Rechtsgebiete: BGB, HOAI


Vorschriften:

BGB § 635 a.F.
HOAI § 15 Abs. 1 Nr. 8
Zum Umfang der Prüfungspflicht des mit der Objektüberwachung beauftragten Architekten hinsichtlich der von einem Sonderfachmann vorgenommenen Grundstücks- und Gebäudeeinmessung.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

6 U 2921/04

Verkündet am 2. Februar 2005

In Sachen

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Postler, den Richter am Oberlandesgericht Breitinger und die Richterin am Oberlandesgericht Bayerlein aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Dezember 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom 26. Juli 2004 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.803,48 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 5. März 2003 zu bezahlen.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers und die Anschlußberufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 53 %, die Beklagte 47 %. Von den Kosten der Nebenintervention tragen der Streithelfer des Klägers 53 %, die Beklagte 47 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jede Partei kann die Vollstreckung seitens der Gegenpartei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluß:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 48.283,49 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten Architektenhonorar von 48.283,49 Euro. Die Beklagte verteidigt sich hiergegen mit einer Primäraufrechnung. Zugrunde liegt folgender Sachverhalt:

Die Beklagte war von der Gemeinde N (nachfolgend: die Bauherrin) beauftragt worden, sämtliche Architektenleistungen bei der Errichtung einer Feuerwache zu erbringen. Die hierbei anfallenden Leistungen gemäß Nr. 6 bis 8 der Tabelle zu § 15 Abs. 1 HOAI übertrug die Beklagte mit Vertrag vom 16. Oktober 2000 dem Kläger.

Mit dem von der Beklagten nicht geschuldeten Einmessen von Grundstück und Gebäude beauftragte die Bauherrin den Streithelfer des Klägers. Dieser erhielt einen von der Beklagten stammenden Einmeßplan, in welchem der Baukörper fehlerhafterweise nicht so wie im genehmigten Plan und zu nahe an der nördlichen Grundstücksgrenze eingezeichnet war. Der Streithelfer des Klägers nahm die Einmessung nach dem ihm zur Verfügung gestellten Einmeßplan vor, was zur Folge hatte, daß die Baugrube und die Bodenplatte zunächst abweichend vom genehmigten Plan situiert wurden.

Die Behebung dieses Fehlers verursachte Mehrkosten von 149.503,72 DM (76.440,04 Euro). Hierauf erhielt die Bauherrin von der Haftpflichtversicherung der Beklagten 23.796,04 Euro. Wegen des verbleibenden Betrages von 52.644,-- Euro rechnete die Bauherrin gegenüber Honoraransprüchen der Beklagten auf, was das Landgericht Ansbach in einem unter anderem hierwegen geführten Prozeß, in welchem der Kläger Streithelfer der Beklagten war, als begründet angesehen hat.

Wegen des ihr durch die Aufrechnung der Bauherrin entstandenen Schadens will sich die Beklagte an den Kläger halten, indem sie ihrerseits gegen die eingeklagte Honorarforderung aufrechnet.

Nach Beweiserhebung durch Vernehmung von Zeugen hat das Landgericht mit Endurteil vom 26. Juli 2004 dem Kläger einen Betrag von 10.063,48 Euro zugesprochen und die Klage im übrigen abgewiesen. Es hat eine Schadensersatzpflicht des Klägers grundsätzlich bejaht, ist jedoch von hälftigem Mitverschulden der Beklagten ausgegangen, womit die Aufrechnung nur in Höhe von 38.220,01 Euro durchgreife.

Gegen dieses Urteil richten sich die form- und fristgerechte Berufung des Klägers und die Anschlußberufung der Beklagten.

Der Kläger meint, der Beklagten stehe ein Schadensersatzanspruch gegen ihn nicht zu, da er für die fehlerhafte Einmessung nicht verantwortlich sei. Eine Einmessung habe er nicht geschuldet. Die Unrichtigkeit des ihm ohnedies nicht zur Verfügung gestellten Einmeßplans habe er nicht erkennen können. Da vor Ort nicht zu sehen gewesen sei, wo die nördliche Grundstücksgrenze genau verlaufe, sei die Fehlerhaftigkeit der Einmessung für ihn ebenfalls nicht erkennbar gewesen. Er habe sich auf den als Sonderfachmann zugezogenen Streithelfer verlassen dürfen.

Der Kläger beantragt,

das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom 26. Juli 2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, über den gemäß Ziffer I des Endurteils zugesprochenen Betrag von 10.063,48 Euro hinaus weitere 38.220,01 Euro zuzüglich Zinsen, mithin insgesamt 48.283,49 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 5. März 2003 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und auf ihre Anschlußberufung die Klage unter Abänderung des Ersturteils vom 26. Juli 2004 in vollem Umfang abzuweisen.

Sie weist auf die Verpflichtung des Objektüberwachers hin, auf mit der Baugenehmigung übereinstimmende Ausführung des Objekts zu achten und vertritt die Auffassung, der Kläger habe dieser Verpflichtung ohne weiteres nachkommen können, da sowohl die Unrichtigkeit des Einmeßplans als auch der Grenzverlauf im Gelände zu erkennen gewesen seien; falls dem Kläger aber tatsächlich der Grenzverlauf unklar gewesen sei, habe er darauf hinweisen und eine Entscheidung der Beklagten über etwaige weitere Maßnahmen herbeiführen müssen.

Das dem Kläger anzulastende Verschulden sei so groß, daß ein Mitverschulden der Beklagten zurücktrete.

Der Kläger beantragt,

die Anschlußberufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Streithelfer des Klägers schließt sich dessen Anträgen an.

Eine Beweisaufnahme hat in zweiter Instanz nicht stattgefunden.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Verhandlungsprotokolle vom 5. Juli 2004 (Bl. 56 bis 65 d. A.) und 22. Dezember 2004 (Bl. 132 bis 135 d. A.), das angefochtene Urteil (Bl. 68 bis 75 d. A.) und die gewechselten Schriftsätze samt deren Anlagen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist teilweise begründet, die Anschlußberufung nicht.

Der Kläger ist der Beklagten gemäß § 635 BGB a.F. zum Schadensersatz verpflichtet (I). Die Beklagte muß sich jedoch ein Mitverschulden von 2/3 anrechnen lassen (II). Damit kann der Kläger von der Beklagten 22.803,48 Euro verlangen (III).

I.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, daß der Kläger Pflichten aus dem mit der Beklagten geschlossenen Architektenvertrag verletzt hat.

1. Objektiv liegt eine Pflichtverletzung vor, weil der Kläger die Richtigkeit der vom Streithelfer vorgenommenen Einmessung nicht kontrolliert hat. Er hat in dieser Hinsicht nichts unternommen, sondern sich schlicht auf den Sonderfachmann verlassen.

Dies war unzureichend. Da eine zutreffende Einmessung der erste notwendige Schritt (vgl. OLG Köln MDR 68, 1007) und die wesentliche Grundlage für eine plangerechte Bauausführung ist, für welche die Beklagte im Verhältnis zur Bauherrin und der Kläger im Verhältnis zur Beklagten zu sorgen hatte, wäre der Kläger zu einer Überprüfung der Einmessung gehalten gewesen (vgl. OLG Nürnberg BauR. 97, 874).

Daß die Einmeßarbeiten des Streithelfers unzureichend kontrolliert wurden, hat im übrigen auch das Landgericht Ansbach in seinem Urteil vom 1. Dezember 2003 - gemäß § 68 ZPO bindend - festgestellt.

2. Die Pflichtverletzung hat der Kläger auch zu vertreten.

Ihm ist zwar nicht anzulasten, daß er den zu geringen Abstand zwischen dem Schnurgerüst und der nördlichen Grundstücksgrenze nicht erkannt hat. Da der Grenzverlauf in Natur nicht genau festzustellen war, wie sich aus den Aussagen der Zeugen T und E ergibt, geht es fehl, wenn die Beklagte meint, schon durch eine einfache Kontrolle mit dem Maßband habe die falsche Einmessung aufgedeckt werden können.

Der Kläger hätte auch nicht auf die Zuziehung eines weiteren Vermessungsingenieurs hinwirken müssen, wie das Landgericht annimmt. Einen Sonderfachmann durch einen Sonderfachmann überwachen zu lassen, ist allenfalls dann geboten, wenn Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der erbrachten Leistung bestehen, und solche Zweifel gab es nicht.

Jedoch hätte der Kläger in jedem Fall überprüfen müssen, ob die Einmessung nach zutreffenden Vorgaben erfolgte. Dazu hätte gehört, sich den Einmeßplan zu verschaffen und diesen auf Übereinstimmung mit der genehmigten Planung zu überprüfen. Bei einem Vergleich des Einmeßplans und des genehmigten Lageplans wäre ohne weiteres erkennbar gewesen, daß das Gebäude dort an unterschiedlichen Stellen eingezeichnet war und daß in dem Einmeßplan zahlreiche im genehmigten Lageplan eingetragene Abstände entweder gar nicht oder anders als dort angegeben waren; beispielsweise fehlt im Einmeßplan der im genehmigten Plan genannte Abstand von 4,627 m zwischen dem Turm und der nördlichen Grundstücksgrenze.

Die offensichtlichen Divergenzen zwischen den Plänen hätte der Kläger ohne weiteres erkennen können, wenn er die gebotene Kontrolle angestellt hätte. Da er untätig geblieben ist, hat er die Fehlsituierung von Baugrube und Bodenplatte mitverursacht.

II.

Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge und des jeweiligen Verschuldens hat die Beklagte 2/3 des Schadens selbst zu tragen (§ 254 Abs. 1 BGB).

1. Daß die fehlerhafte Situierung von Baugrube und Bodenplatte auch auf eine Pflichtverletzung der Beklagten zurückzuführen ist, weil deren Mitarbeiterin P einen fehlerhaften Einmeßplan erstellt und hinausgegeben hat, wird von der Beklagten eingeräumt und steht im übrigen auch auf Grund des Urteils des Landgerichts Ansbach vom 1. Dezember 2003 fest, das die Fehlsituierung sowohl auf die schuldhafte Übermittlung eines fehlerhaften Planes durch die Beklagte als auch auf die unzureichende Objektüberwachung zurückgeführt hat.

2. Nach Einschätzung des Senats rührt die wesentliche Schadensursache aus dem Bereich der Beklagten her. Der falsche Plan, nach welchem die Einmessung erfolgte, stammt von der Beklagten. Nur wegen der Existenz des fehlerhaften Plans ist es zu der fehlerhaften Einmessung und der Errichtung von Baugrube und Bodenplatte an der falschen Stelle gekommen.

Der Verursachungsanteil des Klägers hat daneben weniger Gewicht. Ihm ist lediglich anzulasten, daß er die Richtigkeit des Einmeßplans nicht überprüft hat. Sein Verschulden wiegt geringer als das der Beklagten: Die Richtigkeit des von der Bauzeichnerin P gefertigten Einmeßplans wäre zunächst im Haus der Beklagten zu überprüfen gewesen, dem der Kläger nicht angehörte; eine solche Überprüfung fand nicht statt.

Daß der Kläger die ihn als Objektüberwacher treffende Überprüfungspflicht vernachlässigt hat, wiegt daneben weniger schwer; der Kläger mußte nicht unbedingt erwarten, daß von der fachkundigen Beklagten ein falscher Plan in Umlauf gesetzt wird.

Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände erscheint dem Senat daher eine Haftungsquote des Klägers von 1/3 als angemessen.

III.

Ausgehend von einem Schadensersatzanspruch der Beklagten von 25.480,01 Euro (1) verbleibt nach der Aufrechnung der Beklagten ein Restanspruch des Klägers von 22.803,48 Euro (2).

1. Den entstandenen Schaden hat das Landgericht zutreffend mit den durch die Fehlsituierung verursachten. Mehrkosten von 76.440,04 Euro angesetzt. Die Zahlung der Haftpflichtversicherung der Beklagten an die Bauherrin hat das Landgericht zu Recht außer Betracht gelassen, da sich die Beklagte die Versicherungsleistung durch Beiträge erkauft hat. Ein Drittel des Gesamtschadens beträgt 25.480,01 Euro.

2. Zieht man den genannten Betrag von der 48.283,49 Euro betragenden Klageforderung ab, verbleibt der zugesprochene Betrag. Er ist ab Verzugseintritt (§ 284 Abs.3 BGB a.F., Art.229 § 1 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) zu verzinsen. Die Zinshöhe richtet sich nach § 288 Abs. 1 BGB a.F. (Art. 229 § 5 EGBGB).

IV.

Nebenentscheidungen: §§ 92, 101, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die in § 543 ZPO bezeichneten Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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