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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 31.03.2000
Aktenzeichen: 6 U 3817/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 842
BGB § 843
BGB § 249
Eine aufgrund eines Unfalls gezahlte Erwerbsunfähigkeitsrente muß sich eine geschädigte Person in voller Höhe auf den Ersatzanspruch wegen unfallbedingter Einschränkung der Haushaltsführung anrechnen lassen, soweit der Haushalt für Familienmitglieder geführt wurde.

Es gibt keinen anrechnungsfreien Anteil der Erwerbsunfähigkeitsrente für die Beeinträchtigung der eigenen Haushaltsführung.


6 U 3817/99 1 0574/99 LG Weiden

Oberlandesgericht Nürnberg

IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

Verkündet am 31. März 2000

In Sachen

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Richter am Oberlandesgericht M als Vorsitzenden und die Richter am Oberlandesgericht B und S aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. März 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilanerkenntnis- und Endurteil des Landgerichts Weiden vom 14. September 1999 abgeändert und neu gefaßt:

1) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Ersatz für Haushaltshilfekosten und Pflegeaufwand vierteljährlich, beginnend am 1. Oktober 1999, im voraus folgende Zahlungen zu leisten:

am 1. Januar, 1. April und 1. Juli jeweils einen Betrag von 19.326,54 DM

und

am 1. Oktober jeweils einen Betrag von 28.379,05 DM.

2) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Beschwer der Klägerin beträgt 52.796,66 DM.

Von der Darstellung des Tatbestands wird abgesehen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung der Beklagten ist begründet, erfolglos ist die Berufung der Klägerin, denn die Klägerin muß sich die von ihr aufgrund des Unfalls vom 2. Juni 1995 bezogene Erwerbsunfähigkeitsrente in voller Höhe auf ihre Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte anrechnen lassen.

1. Die Klägerin hat nach einem Verkehrsunfall vom 2. Juni 1995, bei dem sie schwere Verletzungen erlitten hat, einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer (§ 3 Ziff. 1 PflVG; §§ 823 ff. BGB). Die Beklagte hat der Klägerin grundsätzlich die notwendigen Pflegekosten und die Aufwendungen, die dadurch entstehen, daß die Klägerin unfallbedingt den Haushalt nicht mehr versorgen kann, zu ersetzen (§ 249 S. 2 BGB). Diese Aufwendungen stehen fest, sie betragen derzeit monatlich 9.089,06 DM. Darin sind enthalten 3.500,38 DM, die an Frau M bzw. die Sozialversicherung für ihre Tätigkeit als Kinderpflegerin und Hilfe im Haushalt eingesetzt werden. Als Betreuerin für die Klägerin werden zusätzlich noch Frau R und Frau G beschäftigt, auf die die restlichen Aufwendungen entfallen.

2. Allerdings kann die Beklagte verlangen, daß die Klägerin die von ihr bezogene Erwerbsunfähigkeitsrente zum Ausgleich dieser Kosten einsetzt.

a) Aufgrund des Unfalls erhält die Klägerin auch eine Erwerbsunfähigkeitsrente, die derzeit 1.346,88 DM beträgt, diese Rente muß sie sich im Wege der Vorteilsausgleichung auf die Aufwendungen für die Kinderpflegerin und Haushaltshilfe M anrechnen lassen.

b) Es ist ein allgemein anerkannter Grundsatz des Schadensersatzrechts, daß sich ein Schädiger unter bestimmten Umständen Leistungen anderer auf seinen Schadensersatzanspruch anrechnen lassen muß (Vorteilsausgleichung). Diese Vorteilsausgleichung ist aber einerseits abhängig davon, daß zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Vorteil ein adäquater Kausalzusammenhang besteht und daß die Anrechnung nur insoweit erfolgen darf, als der Vorteil einer Schadensposition entspricht (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., Vorbem. vor § 249, Rdnr. 119 ff ).

c) Nach diesem Grundsatz ist die Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin hier in vollem Umfang anzurechnen. Denn auch die Haushaltstätigkeit, soweit sie für den Familienunterhalt erbracht wird, gilt als Erwerbstätigkeit, die Erwerbsunfähigkeitsrente umfaßt damit auch diesen häuslichen Bereich (vgl. BGH NJW 35, 73).

d) Nicht anzurechnen ist die Erwerbsunfähigkeitsrente allerdings, soweit die Hilfsperson für die Betreuung der Klägerin selbst eingesetzt wird. Denn die eigene Versorgung stellt keine Erwerbstätigkeit in diesem Sinne dar (vgl. BGH, a.a.O.).

Dem wollte das Erstgericht Rechnung tragen, es hat deshalb die Erwerbsunfähigkeitsrente nur zu 3/4 auf die Kosten der Haushalts- und Kinderbetreuungshilfe angerechnet; 1/4 der Rente hat es der Klägerin ohne Anrechnung zur Deckung ihrer eigenen Unterhaltsbedürfnisse belassen.

Dieser Berechnungsweise kann der Senat nicht folgen: Bezugsgröße für den Umfang der Anrechenbarkeit ist nämlich der Betrag, der für die Versorgung von Mann und Kindern aufzubringen ist. Dieser übersteigt hier die Erwerbsunfähigkeitsrente. Dies zeigt folgende Rechnung:

Die Klägerin muß, da sie als eigene Arbeitskraft ausfällt, eine Hilfskraft, nämlich Frau M, beschäftigen. Dafür entstehen monatliche Aufwendungen von derzeit rd. 3.500,00 DM. Hierdurch werden die Leistungen ausgeglichen, die sie für ihren Mann, ihre 2 Kinder und sich selbst bei der Haushaltsführung erbracht hat. Geht man - wie das Erstgericht - davon aus, daß ihr von der Haushaltsführung 1/4 für eigene Bedürfnisse zugute gekommen wäre, so wäre von der monatlichen Leistung von 3.500,00 DM ein Betrag von 1/4 nämlich 875,00 DM, nicht als Erwerbsschaden, sondern für ihre eigenen Bedürfnisse anzusetzen, der Rest von rd. 2.625,00 DM entfällt auf den Unterhaltsaufwand, der für Mann und Kinder erbracht worden wäre. Dieser Betrag ist mit der Erwerbsunfähigkeitsrente kongruent. Da dieser Schadensbetrag durchgehend höher als die jeweilige Erwerbsunfähigkeitsrente war, muß sie sich die Erwerbsunfähigkeitsrente in voller Höhe anrechnen lassen.

Über die von ihr anerkannten Beträge hinaus ist die Beklagte daher zu weiteren Zahlungen nicht verpflichtet. Ihre Berufung ist daher in vollem Umfang erfolgreich.

II.

1. Kosten: §§ 97, 91 ZPO. Soweit das Erstgericht hinsichtlich des Anerkennthisses die Kosten der Klägerin auferlegt hat, teilt auch der Senat die Auffassung des Erstgerichts.

2. Vollstreckbarkeit: § 708 Nr. 10 ZPO.

3. Beschwer: Die Beschwer errechnet sich - anders als der Kostenstreitwert, der für künftige Leistungen vom 5-fachen Jahresbetrag auszugehen hat (§ 17 Abs. 2 GKG) - aus § 9 ZPO, also dem 3 1/2-fachen Wert des einjährigen Bezuges zuzüglich der Rückstände bis Klageeinreichung (vgl. Vollkommer/Herget, ZPO, 21. Aufl., § 9, Rdnrn. 1 u. 5). Danach betrugen die im Berufungsverfahren streitigen Rückstände 24.512,18 DM und die künftigen Leistungen - bei 2.020,32 DM pro Quartal - für 3/1 Jahre = 28.284,48 DM. Die gesamte Beschwer der Beklagten beträgt damit 52.796,66 DM.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 546 Abs. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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