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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 18.05.2001
Aktenzeichen: 6 U 4404/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 433
Aufklärungspflichten des Verkäufers

Bietet ein Aussteller auf einer Verbrauchermesse eine Ölzentralheizung für ein Wohnhaus als Selbstbausatz zum Kauf an, dann hat er darauf hinzuweisen, daß die Selbstmontage einer Heizungsanlage eine anspruchsvolle Tätigkeit ist, deren Gelingen durch zahlreiche Komplikationen und Einzelprobleme in Frage gestellt sein kann, und für die erheblicher Zeitbedarf besteht, der bei der Bauzeitplanung besonders zu berücksichtigen ist.

Bei Verletzung dieser Hinweispflicht, kann ein Käufer Rückgängigmachung des Vertrags verlangen.


Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

Verkündet am 18. Mai 2001

In Sachen

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Richter am Oberlandesgericht Moezer als Vorsitzenden und die Richter am Oberlandesgericht Breitinger und Gehr aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. April 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30.11.2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Wert der Beschwer für die Klägerin beträgt 12.607,54 DM.

Beschluß:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 12.607,54 DM festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel ist unbegründet. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, daß der Klägerin keine Ansprüche zustehen, weil der Beklagte wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen Rückgängigmachung des Vertrags vom 28.10.1999 verlangen kann.

Verschulden bei Vertragsverhandlungen liegt deshalb vor, weil die Klägerin den Beklagten durch ihre Abschlußvertreter nur unzureichend über die Voraussetzungen für einen Zusammenbau der von ihr angebotenen Einzelteile zu einer funktionierenden Heizungsanlage aufklären ließ.

1. Gegenstand der Vertragsverhandlungen war auch eine Beratung des Beklagten darüber, ob er als Laie auf dem Gebiet des Heizungsbaus mit dem von der Klägerin angebotenen Selbstbausatz für eine Ölheizung zurechtkommen könne. Die Beratung über diesen Punkt bewegte sich im Rahmen vorvertraglicher Sorgfaltspflichten, weil die Klägerin besondere Sachkunde hatte und die von ihrer Seite erteilte Auskunft für den Beklagten erkennbar von erheblicher Bedeutung dafür war, ob er einen Kaufvertrag über. Waren zum Preis von 34.600,-- DM schließen und Eigenleistungen zur Erstellung der Heizungsanlage erbringen wollte.

Zwar muß bei Vertragsverhandlungen, in denen die Beteiligten entgegengesetzte Interessen verfolgen, nicht jeder Umstand, der für den anderen nachteilig sein könnte, offenbart werden. Bei Vertragsverhandlungen über "den Abschluß eines Vertrags besteht aber grundsätzlich die Verpflichtung, den anderen Teil über die Umstände aufzuklären, die zur Vereitelung des Vertragszwecks geeignet sind und daher für die Entschließung des anderen Teils von wesentlicher Bedeutung sein können; eine solche Offenbarungspflicht setzt voraus, daß der Vertragsgegner die Mitteilung der betreffenden Tatsachen nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte (vgl. BGH NJW 80, 2461).

Eine solche Situation war hier schon deshalb gegeben, weil der Beklagte nicht an die Klägerin herangetreten war, um eine Heizung selbst zu bauen, sondern weil er sich auf einem Messestand über Heizanlagen erkundigt hatte und dabei seitens der Klägerin mit dem Vorschlag des Selbsteinbaus konfrontiert worden war.

Die bei einer Beratung erteilten Auskünfte müssen richtig und vollständig sein (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., Rz. 78 zu § 276; BGH NJW 58, 866; BGH NJW RR 97, 145).

2. Diesen Anforderungen genügte die Beratung des Beklagten nicht. Die erteilte Auskunft, die Bauteile könnten auch von einem Laien zusammengesetzt werden, war jedenfalls deshalb unvollständig und irreführend, weil dabei die bestehenden Verwirklichungsprobleme übergangen wurden.

Das Zusammenstellen des von der Klägerin zu liefernden (im Vertrag nur grob umrissenen) Materials zu einer betriebsfähigen Heizungsanlage mag theoretisch auch einem Laien möglich sein. Es handelt sich freilich um ein kompliziertes, komplikationsträchtiges, spezielle Werkzeuge erforderndes Werk, umfaßt es doch das Verlegen und Verlöten von Kupferrohren (nach der Abrechnung der Klägerin hier ca. 120 m), die Verbindung der Heizungsanlage mit Schornstein, Öltank. Stromnetz, Kalt- und Warmwasserleitung sowie das Abdrücken der Leitungen. Um die erforderlichen Arbeitsschritte erfolgreich (im Sinn eines längerfristig funktionierenden Heizungssystems) und ohne kostenträchtige Fehler beim Aufbau (beispielsweise durch mangelhaften Zuschnitt) zu bewältigen, bedarf es zunächst eines sorgfältigen Studiums des umfangreichen und - wie die vorgelegten Muster zeigen - teilweise komplizierten Materials, das die Klägerin als Hilfe für den Zusammenbau zur Verfügung stellt. Allein schon für diese theoretische Einarbeitung benötigt der mit Heizungsbau und Installation nicht vertraute Käufer nicht unerhebliche Zeit. Unabhängig davon wird ein Laie bei der praktischen Durchführung in unzählige Einzelprobleme verstrickt, die ein Gelingen zum Glücksspiel machen. Da es im vorliegenden Fall auch noch um eine ziemlich große Anlage geht (drei zu beheizende Geschosse, ca. 290 qm Fußbodenheizung), liegt auf der Hand, daß ein Laie ein solches Projekt in angemessener Zeit, mit angemessenem Aufwand und angemessener Erfolgsaussicht nicht verwirklichen kann.

Werden diese Umstände und Probleme nicht von vornherein berücksichtigt, drohen dem Käufer, der eine Selbstmontage vornehmen will, beträchtliche finanzielle Schäden, wenn nicht das völlige Scheitern. Dies weiß die Klägerin als Fachfirma.

Nach Treu und Glauben wäre daher ein Hinweis durch die fachlich erfahrene Klägerin bzw. deren Abschlußvertreter erforderlich gewesen, daß die Selbstmontage einer Heizungsanlage eine anspruchsvolle und nicht schnell zu erledigende Tätigkeit ist und daß der Zeitbedarf hierfür bei der Bauzeitplanung besonders zu berücksichtigen ist.

Da dieser für eine Kaufentscheidung wesentliche Gesichtspunkt bei den Vertragsverhandlungen unter den Tisch gefallen ist und offensichtlich das Bemühen im Vordergrund stand, dem durch Verabreichung von Sekt geneigt gemachten Beklagten die Sache als problemlos darzustellen, muß die Klägerin für die unzureichende Aufklärung des Beklagten durch ihre Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) einstehen und ihn so stellen, als wäre kein Vertrag zustandegekommen.

3. Nebenentscheidungen: §§ 97, 546 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die in § 546 Abs. 1 ZPO genannten Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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