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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 10.10.2002
Aktenzeichen: 6 W 1891/02
Rechtsgebiete: ZPO, ZSEG


Vorschriften:

ZPO § 407a Abs. 3 Satz 2
ZSEG § 3
Hat der Sachverständige die Anzeigepflicht nach § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO verletzt, und läßt sich nicht feststellen, dass die Begutachtung bei pflichtgemäßer Anzeige fortgeführt worden wäre, kann der Sachverständige als Vergütung nicht mehr als 120 % des Vorschusses verlangen.
6 W 1891/02

Nürnberg, den 10.10.2002

In Sachen

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 6. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluß des Landgerichts Weiden vom 21. Dezember 2001 dahingehend abgeändert, daß die dem Sachverständigen B zu gewährende Entschädigung auf 18.000,--- DM festgesetzt wird.

II. Die weitergehende Beschwerde der Staatskasse wird zurückgewiesen.

III. Die Beschwerde des Sachverständigen B gegen den Beschluß des Landgerichts Weiden vom 21. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Nach Vorstellung der Antragsteller waren an ihrem Anwesen durch Bauarbeiten auf dem der Antragsgegnerin gehörenden Nachbargrundstück Risse entstanden. Zur Klärung über die Ursache der Risse sowie Art und Kosten einer Schadensbehebung beantragten die Antragsteller Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens. Den Gegenstandswert bezifferten sie vorläufig mit 50.000,-- DM.

Das Landgericht beschloß am 23. November 2000 die Erstattung eines Gutachtens durch den Sachverständigen B. Mit Schreiben vom 18. Mai 2001 teilte der Sachverständige dem Gericht mit, daß mit Kosten von ca. 15.000,-- DM zu rechnen sei und der einbezahlte Kostenvorschuß von 5.000,-- DM damit nicht ausreichen werde. Das Landgericht gab den Antragstellern daraufhin mit Beschluß vom 22. Mai 2001 Einzahlung eines weiteren Kostenvorschusses von 10.000,-- DM auf und teilte dem Sachverständigen mit, daß bis zur Zahlung des Vorschusses keine weiteren Arbeiten durchgeführt werden sollten. Die Antragsteller zahlten den weiteren Vorschuß ein, worüber der Sachverständige vom Gericht unterrichtet wurde.

Unter dem 30. Juli 2001 erstellte der Sachverständige sein Gutachten, das zum Ergebnis kommt, daß nur ca. 11 % der beim Anwesen der Antragsteller vorhandenen Risse auf die Nachbarbebauung zurückzuführen sind und der Sanierungsaufwand ca. 5.000,-- DM beträgt.

Für das Gutachten hat der Sachverständige 28.987,65 DM in Rechnung gestellt. Nachdem der Vertreter der Staatskasse Bedenken wegen der Überschreitung des Vorschusses und der Stundenzahl angemeldet hatte, setzte das Landgericht mit Beschluß vom 21. Dezember 2001 die dem Sachverständigen zu gewährende Entschädigung auf 21.993,82 DM fest.

Gegen diesen Beschluß haben die Staatskasse unter dem 7. Juni 2002 und der Sachverständige unter dem 26. August 2002 Beschwerde eingelegt. Die Staatskasse erstrebt Herabsetzung der Vergütung auf 15.000,-- DM, der Sachverständige Heraufsetzung auf 28.987,65 DM. Das Landgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen.

Die Beschwerden sind zulässig (§ 16 Abs. 2 GKG). In der Sache selbst hat die Beschwerde der Staatskasse einen Teilerfolg. Ansonsten sind die Rechtsmittel unbegründet.

1. Für die in der Kostenrechnung vom 30. Juli 2001 genannten Leistungen kann der Sachverständige wegen Verletzung der Mitteilungspflicht gemäß § 407 a Abs. 3 Satz 2 ZPO lediglich eine Entschädigung von 18.000,-- DM beanspruchen.

a) Nach der genannten Vorschrift sind Sachverständige gehalten, rechtzeitig einen Hinweis zu geben, wenn die voraussichtlichen Kosten einen angeforderten Vorschuß erheblich übersteigen. Gegen diese Verpflichtung hat der Sachverständige verstoßen. Eine Überschreitung des Vorschusses um rund 93 % ist in jedem Fall erheblich. Bei einer sich abzeichnenden Kostensteigerung diesen Umfangs war es geboten, den Parteien Gelegenheit zu geben, eine eigenständige Entscheidung darüber zu treffen, ob die Begutachtung fortgeführt werden soll. Daß aus Sicht des Sachverständigen eine Fortführung der Begutachtung sinnvoll war und im Interesse der Parteien lag, ist nicht ausschlaggebend, denn auf seine Meinung kam es nicht an.

b) Die schuldhafte Verletzung der Anzeigepflicht nach § 407 a Abs. 3 Satz 2 ZPO führt dann nicht zu einer Kürzung der Entschädigung, wenn bei Würdigung aller Umstände unter Anlegung eines objektiven Maßstabs davon auszugehen ist, daß es auch bei pflichtgemäßer Anzeige zu einer Fortsetzung der Tätigkeit des Sachverständigen gekommen wäre; dies muß allerdings positiv angenommen werden können, weil das Risiko der Unaufklärbarkeit den Sachverständigen trifft (vgl. BayObLG Z 1997, 353; Meyer/Höver/Bach, ZSEG, 22. Aufl., Rz. 10.1 und 10.2 zu § 3).

Im vorliegenden Fall läßt sich nicht abschätzen, ob die Antragsteller eine Fortsetzung der Begutachtung gewünscht hätten, wenn sie darüber informiert worden wären, daß dafür nahezu das Doppelte des bereits gezahlten Vorschusses anfällt. Zwar gingen die Antragsteller von einem ihnen zu erstattenden Schaden von rund 50.000,-- DM aus und hätten Kosten von rund 30.000,-- DM noch immer darunter gelegen. Andererseits waren die Antragsteller nicht rechtsschutzversichert und hätten sie angesichts der Höhe des weiter aufzubringenden Betrags und des damit gesteigerten Kostenrisikos möglicherweise versucht, eine Einigung mit der Gegenseite zu finden; daß es bei der Höhe der weiter anfallenden Kosten aus wirtschaftlichen Gründen zu einem Vergleich gekommen wäre, ist ebensowenig auszuschließen wie die Möglichkeit, daß die Antragsteller das selbständige Beweisverfahren nicht fortgeführt hätten.

c) Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung der Staatskasse, daß damit eine Vergütung lediglich in Höhe des eingezahlten Vorschusses anfallen kann. Welche Kosten anfallen, wird sich im Voraus nicht immer exakt abschätzen lassen. Eine Erhöhung innerhalb eines gewissen Spielraums wird daher regelmäßig hingenommen, was auch die Vorstellung des Gesetzgebers ist, der nur bei erheblicher Kostenüberschreitung einen Hinweis verlangt.

Angesichts dessen, geht der Senat davon aus, daß die Antragsteller eine Überschreitung des Vorschusses um 20 % noch hinzunehmen gehabt hätten, und setzt damit die Vergütung des Sachverständigen auf 18.000,-- DM fest (vgl. a. LG Bückeburg NdsRpfl 96, 57; LG Osnabrück JurBüro 96, 153).

Daß Zeitaufwand und Auslagen in diesem Umfang angefallen sind, ist anzunehmen, weshalb es keiner Erörterung der von der Staatskasse weiter erhobenen Bedenken bedarf.

2. Die vom angefochtenen Beschluß nicht umfaßte und gesondert beglichene Rechnung des Sachverständigen vom 22. November 2002 für vier weitere Kopien des Gutachtens ist nicht Gegenstand dieser Entscheidung.

3. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 16 Abs. 5 ZSEG nicht veranlaßt.

Ende der Entscheidung

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