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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 16.08.2002
Aktenzeichen: 7 AR 2452/02
Rechtsgebiete: GVG, ZPO
Vorschriften:
GVG § 23 b Abs. 1 Nr. 8 a | |
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 13 |
7 AR 2452/02
Nürnberg, 16.8.2002
In der Familiensache
erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg. 7. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden
Beschluß:
Tenor:
Zuständig ist das Gericht der allgemeinen Zivilgerichtsbarkeit.
Gründe:
I.
Die Parteien sind miteinander verheiratet. Im November 2001 reisten sie gemeinsam mit ihren Kindern nach Bangladesch. Von dort kehrten sie getrennt Anfang Januar 2002 zurück.
Am 24.7.2002 beantragte die Antragstellerin, gegen den Antragsgegner Maßnahmen nach § 1 des Gewaltschutzgesetzes anzuordnen.
Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten.
Durch Verfügung vom 25.7.2002 erklärte sich das Familiengericht für nicht zuständig, da die Parteien länger als sechs Monate getrennte Haushalte führen, und gab die Sache an die Zivilabteilung des Amtsgerichts Nürnberg ab.
Der Zivilrichter führte am 7.8.2002 eine mündliche Verhandlung durch und erließ folgenden Beschluß:
I. Die Übernahme des Verfahrens wird abgelehnt.
II. Die Sache wird dem Oberlandesgericht Nürnberg zur Entscheidung der Zuständigkeitsfrage vorgelegt.
Er stützt seine Entscheidung auf folgende
Gründe:
"1.
Die Vorlageentscheidung beruht auf § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (Zöller-Gummer-Kommentar zur ZPO, 23. Aufl., Randnummer 7 zu § 23 b GVG).
Eine rechtskräftige Entscheidung des Familiengerichts ist insoweit weder möglich noch erforderlich, da die Abgabe an das allgemeine Zivilgericht lediglich durch Aktenvermerk/Verfügung erfolgt.
2.
Das begehrte Belästigungsverbot gegen den Ehemann der Antragstellerin wurde nicht beim allgemeinen Zivilgericht, sondern - insbesondere was die begehrte Eilentscheidung angeht - zurecht im Anordnungsverfahren gemäß § 620 Nr. 1-3 und 5, bzw. § 621 Abs. 1 Nr. 13 ZPO geltend gemacht.
Dies entspricht auch den Grundsätzen der Prozeßökonomie und des Sachzusammenhangs (Zöller-Philippi-Kommentar zur ZPO, 23. Auflage, Randnummer 55 zu § 620 ZPO).
Eine ganz besondere Eilbedürftigkeit dergestalt, daß das Verfahren im Wege der einstweiligen Verfügung betrieben werden muß, bestehe nicht (der letzte Vorfall war am 23.7.2002; im übrigen besteht ein polizeilicher Platzverweis gegen den Antragsgegner bzgl. der Ehewohnung und des Kindergartens).
Das Gericht (allgemeines Zivilgericht) ist der Auffassung, daß durch die neuen Bestimmungen des § 23 b Abs. 1 Nr. 8 a GVG und § 621 Abs. 1 Nr. 13 ZPO nicht ein Teilbereich aus der Zuständigkeit des Familiengerichts herausgelöst werden sollte, vielmehr sollte es bei der Zuständigkeitskonzentration des Familiengerichts bleiben, jedenfalls in den Fällen, in denen die beiden Antragsgegner noch verheiratete Eheleute sind und ein Familienverfahren bereits anhängig ist, wie hier.
Die neuen Zuständigkeitsregeln sollten also die Zuständigkeit des Familiengerichts erweitern, nicht vermindern (ratio legis-Palandt-Brudermüller- Ergänzungsband zur 61. Auflage, Gewaltschutzgesetz, Einleitung Randnummer 5).
Für die gegenteilige Auffassung ist der Wortlaut der neuen Bestimmung jedenfalls nicht zwingend:
Die Einschränkung "wenn ..." betrifft die erweiterte Zuständigkeit des Familiengerichts, in den Fällen, in denen die Antragsgegner - ohne verheiratet zu sein - einen auf Dauer angelegten Haushalt führen bzw. geführt haben.
Somit ist im vorliegenden Fall die ausschließliche Zuständigkeit des Familiengerichts gegeben (§ 621 Abs. 1 letzter Halbsatz ZPO)."
Mit dieser Begründung hat der Zivilrichter die Akten dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II.
Die Vorlage ist zulässig (§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO).
Zuständig für die Entscheidung ist nicht das Familiengericht, sondern das allgemeine Zivilgericht, weil die Parteien bereits länger als sechs Monate keinen gemeinsamen Haushalt mehr führen (§§23, 23 b Abs. 1 Nr. 8 a GVG).
Die Vorschrift des § 23 b Abs. 1 Nr. 8 a GVG unterscheidet nicht zwischen Ehegatten und solchen Parteien, die - ohne miteinander verheiratet zu sein - einen gemeinsamen Haushalt führen. Daher sind bei Ehegatten, die länger als sechs Monate keinen gemeinsamen Haushalt mehr führen, für Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz die allgemeinen Zivilgerichte zuständig.
Soweit das vorlegende Gericht ausführt, daß eine Zuständigkeitskonzentration beim Familiengericht erforderlich sei in den Fällen, in denen die Parteien miteinander verheiratet sind und ein Familienverfahren bereits anhängig ist, wird die angeführte Stelle im Kommentar von Zöller mißverstanden, da hier nicht von der Anhängigkeit einer Familiensache, sondern von der Anhängigkeit einer Ehesache die Rede ist (Zöller-Philippi, Kommentar zur ZPO, 23. Aufl., § 620 Rn. 55).
Die mit § 23 b Nr. 8 a GVG getroffene Neuregelung, mit der Anträge nach dem Gewaltschutzgesetz von Parteien, die länger als sechs Monate keinen gemeinsamen Haushalt mehr führen, den Gerichten der allgemeinen Zivilgerichtsbarkeit zugewiesen werden, schränkt die Zuständigkeit der Familiengerichte nicht ein. Sie erweitert diese vielmehr um die in § 23 b Nr. 8 a GVG genannten übrigen Fälle, die ohne ausdrückliche Bestimmung einer Zuständigkeit der Familiengerichte weiterhin zur allgemeinen Zivilgerichtsbarkeit gehören würden.
Ende der Entscheidung
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