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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 22.02.2005
Aktenzeichen: 7 UF 1674/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1587 a Abs. 3 Nr. 2
Beinhaltet eine Anwartschaft auf Leistungen aus einer öffentlichrechtlichen Zusatzversorgung (hier: der Bayerischen Versorgungskammer) einen nicht abbaubaren Teilbetrag, der keinerlei künftigen Erhöhungen unterliegt, so ist dieser für den Versorgungsausgleich getrennt zu bewerten und gegebenenfalls nach der Barwert-Verordnung zu dynamisieren.
7 UF 1674/04

Nürnberg, den 22.02.2005

In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 7. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Bayerischen Versorgungskammer, Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden, wird das Endurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 05.04.2004 in Ziffer 2. des Tenors abgeändert wie folgt:

Vom Versicherungskonto Nr. ... des Antragsgegners bei der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken werden auf das Versicherungskonto Nr. ... der Antragstellerin bei der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken Rentenanwartschaften von monatlich 53,47 Euro, bezogen auf den 31.12.2003, übertragen. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,00 Euro festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien haben am 26.11.1954 geheiratet. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin wurde dem Antragsgegner am 09.01.2004 zugestellt.

In der Zeit vom 01.11.1954 bis 31.12.2003 haben die Parteien Anwartschaften in der gesetzlichen Altersversorgung bei der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken erworben, die dieser Versorgungsträger für die Antragstellerin mit 690,40 Euro und für den Antragsgegner mit 980,23 Euro mitgeteilt hat.

Beide Parteien haben darüberhinaus Anrechte aus einer Versorgung bei der Bayerischen Versorgungskammer, Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden, erworben. Der Ehezeitanteil dieser Anwartschaften beträgt für die Antragstellerin 634,64 Euro und für den Antragsgegner 462,60 Euro. Beide Parteien haben am 31.12.2003 bereits Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus der Zusatzversorgung bezogen. Nach einer Systemumstellung zum 01.01.2002 steigen die Leistungen aus der Zusatzversorgung bei der Bayerischen Versorgungskammer grundsätzlich jährlich um 1 % zum 01.07. eines jeden Jahres. Für den Ehezeitanteil des Antragsgegners in Höhe von 462,60 Euro gilt dies jedoch nur für einen Teilbetrag in Höhe von 440,62 Euro. Bei einem Teilbetrag der Zusatzversorgung des Antragsgegners mit einem Ehezeitanteil von 21,99 Euro handelt es sich um einen statischen und nicht abbaubaren Ausgleichsbetrag, der dem Antragsgegner aus Gründen der Besitzstandswahrung zusteht, da das System der Zusatzversorgung zum 01.01.1985 von einer Bruttogesamtversorgung auf eine Nettogesamtversorgung umgestellt worden war. Für diesen Teilbetrag erfolgen keinerlei Erhöhungen.

Mit Endurteil vom 05.04.2004 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Nürnberg

- die Ehe der Parteien geschieden und

- unter Nr. 2. des Tenors den Versorgungsausgleich zwischen den Parteien in der Weise geregelt, daß es vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken Rentenanwartschaften von monatlich 58,90 Euro, bezogen auf den 31.12.2003, übertragen hat.

Bei dieser Entscheidung hat das Amtsgericht beide Anrechte der Parteien bei der Bayerischen Versorgungskammer als volldynamische Versorgung gewertet, und diese mit ihrem Nennbetrag in die Ausgleichsberechnung miteinbezogen.

Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich in dem ihr nicht förmlich zugestellten Urteil hat die Bayerische Versorgungskammer, Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden, mit einem per Telefax am 13.05.2004 eingegangenem Schriftsatz vom 13.05.2004, Beschwerde eingelegt und diese sogleich begründet.

Mit dieser hat sie zunächst im wesentlichen geltend gemacht, daß eine Erhöhung um jährlich 1 % eine Bewertung als volldynamisch nicht rechtfertige, und unabhängig davon jedenfalls auf Seiten des Antragsgegners der nichtabbaubare statische Ausgleichsbetrag nach der Barwert-Verordnung umzurechnen sei. In der Folgezeit hat die Bayerische Versorgungskammer mitgeteilt, daß im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.07.2004 (NJW 04, 2676 ff.) Einverständnis damit besteht, daß die Anwartschaften grundsätzlich als dynamisch bewertet werden. Die Bayerische Versorgungskammer hält jedoch an ihrer Auffassung fest, daß der nichtabbaubare Ausgleichsbetrag im Rahmen des Versorgungsausgleichs gesondert zu berücksichtigen und nach der Barwert-Verordnung umzurechnen sei.

Die Parteien sind dem Rechtsmittel nicht entgegengetreten.

II.

Die Beschwerde der Bayerischen Versorgungskammer ist als befristete Beschwerde zulässig (§ 621 e Abs. 1 und 3, §§ 517, 520 ZPO, § 20 FGG) und auch begründet.

Unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.07.2004 sind die Anwartschaften der Parteien aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes grundsätzlich im Leistungsteil als dynamisch zu bewerten und deshalb im vorliegenden Fall - da beide Parteien bereits Rente beziehen - mit ihrem Nennbetrag in die Ausgleichsbilanz miteinzubeziehen.

Dies gilt allerdings nicht für den nichtabbaubaren statischen Teilbetrag der Zusatzversorgung des Antragsgegners mit einem Ehezeitanteil von 21,99 Euro. Zwar könnte daran gedacht werden, die Zusatzversorgung des Antragsgegners insgesamt einheitlich zu bewerten. Dies würde im vorliegenden Fall bei einer jährlichen Steigerung von ca. 0,95 % wohl eine Bewertung als insgesamt volldynamisch rechtfertigen. Eine solche Betrachtungsweise hätte den Vorteil, daß die Berechnung insgesamt einfacher und übersichtlicher ausfällt. Für eine solche Betrachtungsweise könnte auch sprechen, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. zuletzt FamRZ 03, 437 ff.) die beamtenrechtliche Sonderzuwendung, die hinsichtlich ihrer Bemessungsgrundlagen auf den Stand von Dezember 1993 eingefroren worden war, für den Versorgungsausgleich nicht nach der Barwert-Verordnung umzurechnen ist, sondern als einheitlicher Bestandteil der Beamtenversorgung gilt. Nach Auffassung des Senates sprechen jedoch bessere Gründe dafür, die statischen und die dynamischen Bestandteile der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst im Rahmen des Versorgungsausgleichs auch getrennt zu berücksichtigen. Ein Vergleich mit der Beamtenversorgung ist nicht ohne weiteres zulässig, da diese - ebenso wie die gesetzlichen Rentenversicherung - nach der Entscheidung des Gesetzgebers unabhängig von den tatsächlichen Erhöhungen als dynamisch zu bewerten ist. Dazu kommt, daß im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung ebenfalls statische Leistungen im Rahmen der Höherversicherung möglich sind, die getrennt zu bewerten und auszugleichen sind (vgl. Handbuch des Fachanwalts Familienrecht/Gutdeutsch, 5. Aufl., 7. Kapitel Rdnr. 46). Ferner ist zu berücksichtigen, daß eine einheitliche Bewertung des Gesamtbetrages aus der kommunalen Zusatzversorgung in der Praxis zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen würde. Bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 07.07.2004 war es in Rechtsprechung und Literatur außerordentlich umstritten, ob eine feste jährliche Erhöhung um 1 % die Bewertung einer Versorgung als dynamisch rechtfertigt. Bei einer einheitlichen Bewertung derartiger Versorgungen, die auch statische Teile beinhalten, wäre in jedem Einzelfall eine Entscheidung erforderlich, inwieweit auch eine geringfügig unter 1 % liegende jährliche Erhöhung (wie im vorliegenden Fall beispielsweise eine solche von ca. 0,95 %) noch eine Bewertung als dynamisch rechtfertigt. Es wäre im Hinblick auf die Einzelfallgerechtigkeit auch schwer zu rechtfertigen, einen Versorgungsbetrag, der im vorliegenden Fall immerhin fast 500 Euro monatlich beträgt, entweder insgesamt als dynamisch oder insgesamt als statisch zu behandeln, je nach dem ob der statische Anteil 20 Euro, 50 Euro oder vielleicht 100 Euro beträgt.

Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen ergibt sich folgende Berechnung des Versorgungsausgleichs:

Berechnung des Versorgungsausgleichs

in Sachen ...

Nach § 1587/I BGB sind im Versorgungsausgleich die in der Ehezeit erworbenen Versorgungen auszugleichen. Die Ehezeit beginnt mit dem ersten Tag des Eheschließungsmonats und endet mit dem letzten Tag des Monats, welcher dem Monat vorausgeht, in welchem der Scheidungsantrag zugestellt wurde (§ 1587/II BGB):

Die Ehezeit begann am 01.11.1954.

Sie endete am 31. 12. 2003.

In dieser Zeit haben die Parteien folgende Anrechte erworben:

A. Anwartschaften von Frau H:

1. Bei der Landesversicherungsantalt Oberfranken und Mittelfranken 690,40 EUR

Versicherungsnr. ...

Die Bewertung erfolgt nach § 1587a/II Nr. 2 BGB.

2. Bei der Bayerischen Versorgungskammer Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden

Es handelt sich um ein Anrecht der betrieblichen Altersversorgung nach § 1587a/II Nr.3 BGB

Monatsrente 634,64 EUR

Der Wert der Versorgung steigt in vergleichbarer Weise wie der Wert der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung (volldynamische Versorgung nach § 1587a/I BGB). Eine Umrechnung ist nicht erforderlich. Es handelt sich um den Ehezeitanteil der Versorgung.

Der Versorgungsträger läßt die Realteilung nicht zu. Es handelt sich um einen inländischen öffentlichrechtlichen Versorgungsträger.

Das ergibt folgende Übersicht:

splittingfähig gem. § 1587b/I BGB mit EP: 690,40 EUR Quasisplitting nach § 1/III VAHRG 634,64 EUR insgesamt: 1.325,04 EUR

B. Anwartschaften von Herrn H:

1. Bei der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken 980,23 EUR

Versicherungsnr. ...

Die Bewertung erfolgt nach § 1587a/II Nr.2 BGB.

2. Bei der Bayerischen Versorgungskammer Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden

Es handelt sich um ein Anrecht der betrieblichen Altersversorgung nach § 1587a/II Nr.3 BGB.

Monatsrente 440,62 EUR

Der Wert der Versorgung steigt in vergleichbarer Weise wie der Wert der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung (volldynamische Versorgung nach § 1587a/I BGB). Eine Umrechnung ist nicht erforderlich. Es handelt sich um den Ehezeitanteil der Versorgung.

Der Versorgungsträger läßt die Realteilung nicht zu. Es handelt sich um einen inländischen öffentlichrechtlichen Versorgungsträger.

3. Bei der Bayerischen Versorgungskammer

Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden

Es handelt sich um ein Anrecht der betrieblichen Altersversorgung nach § 1587a/II Nr.3 BGB.

Monatsrente 21,99 EUR

Aus der Monatsrente ist die Jahresrente zu berechnen:

21,99 * 12 = 263,88 EUR

Es handelt sich um den Ehezeitanteil der Versorgung.

Der Wert der Versorgung steigt nicht in gleicher oder nahezu gleicher Weise wie der Wert der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung. Der Ehezeitanteil der Versorgung ist daher gem. § 1587a Abs.3, 4 BGB in eine dynamische Rente umzurechnen. Dafür ist zuerst nach der BarwVO der Barwert zu berechnen. Es sind die Werte der Tabelle 7 anzuwenden, weil es sich um eine bei Ehezeitende bereits laufende Rente handelt.

Alter bei Ehezeitende: 68

Barwertfaktor: 9,2

Barwert: 2.427,70 EUR

Aus Barwert oder Deckungskapital wird eine dynamische Rente in der Weise berechnet, daß der Wert fiktiv in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt wird. Somit ist der Betrag mit dem für das Ehezeitende geltenden Umrechnungsfaktor der Rechengrößenbekanntmachung in Entgeltpunkte (EP) und diese mit Hilfe des aktuellen Rentenwerts (ARW) nach § 1587a/III, IV BGB in eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung umzurechnen. Umrechnungsfaktor Beiträge in EP: 0,0001754432

Entgeltpunkte: 0,4259

aktueller Rentenwert: 26,13 EUR

EUR dynamisch: 0,4259 * 26,13 = 11,13 EUR

Der Versorgungsträger läßt die Realteilung nicht zu. Es handelt sich um einen inländischen öffentlichrechtlichen Versorgungsträger.

Das ergibt folgende Übersicht:

splittingfähig gem. § 1587b/I BGB mit EP: 980,23 EUR Quasisplitting nach § 1/IIIn VAHRG: 451,75 EUR insgesamt: 1.431,98 EUR

Nach § 1587a/I BGB ist der Ehegatte mit den höheren Anrechten ausgleichspflichtig:

1325,04 - 1431,98 = - 106,94 EUR

Ausgleichspflicht von Herrn H 53,47 EUR

Nach § 1587b/I BGB hat der Versorgungsausgleich durch Rentensplitting zu erfolgen in Höhe von: 53,47 EUR

Weil der Ausgleich nach § 1587b/I,II BGB vorrangig ist, erfolgt kein Ausgleich nach dem VAHRG. Durch den Versorgungsausgleich darf der Ausgleichsberechtigte zusammen mit seiner eigenen ehezeitlichen Rente keine höhere Versorgung erwerben, als der Dauer der Ehezeit entspricht. Diese errechnet sich nach § 76 SGB VI aus den maximal möglichen Entgeltpunkten in Höhe von 1/6 der Ehezeitmonate.

Höchstwert der EP in der Ehezeit:

590 Monate/6 = 98,3333

Ehezeitanteil der Entgeltpunkte

von Frau H 26,4217

Höchstausgleich in Entgeltpunkten 71,9116

Die nach § 76 SGB VI zu begründenden Renten der GRV:

53,47/ARW 26,13 = 2,0463

insgesamt: 2,0463

übersteigen den Höchstwert nicht.

Die Anordnung der Umrechnung in Entgeltpunkte folgt § 1587b/VI BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes ergibt sich aus § 49 Nr. 3 GKG n.F., da das Rechtsmittel nach dem 01.07.2004 eingelegt worden ist (§ 72 Nr. 1 GKG n.F.).

Die Frage, wie Anrechte aus einer betrieblichen Altersversorgung, die sowohl dynamische als auch statische Anteile aufweisen, im Versorgungsausgleich zu behandeln sind, ist von grundsätzlicher Bedeutung. Der Senat hat daher die Rechtsbeschwerde zugelassen (§ 621 e Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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